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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.04.2021, RV/6100347/2019

Rechtswidrigkeit von Buchungen auf dem Abgabenkonto ohne rechtsgültige Zustellung des Bescheides

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertr*** GmbH & Co KG, ***Vertr-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA1*** nunmehr des Finanzamtes Österreich vom betreffend den Abrechnungsbescheid vom zu Steuernummer ***BF1-StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Es wird festgestellt, dass die in Folge der als Bescheid intendierten Erledigung des Finanzamtes ***FA1*** vom auf dem Abgabenkonto mit Buchungsdatum durchgeführten Buchungen für KESt 2001 i.H.v. € 12.841,76 und KESt 2002 i.H.v. € 8.788,04 rechtswidrig waren und nicht erfolgen hätten dürfen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Datum stellte die BF durch einen ihrer ausgewiesenen Rechtsvertreter den Antrag näher dargestellte rechtsgrundlose Zahlungen der BF in den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt € 21.629,80 auf ein Konto der BF zu überweisen.

Das FA behandelte diesen Antrag zunächst als Rückzahlungsantrag gemäß § 241 Abs. 3 BAO und wies diesen als nicht fristgerecht eingebracht zurück. In dem in der Folge abgeführten Beschwerdeverfahren (RV/6100533/2010) hob das BFG diesen Bescheid - ersatzlos - auf.

Darauf behandelte das FA diesen nun wieder offenen Antrag als Antrag auf Rückzahlung gem. § 239 Abs. 1 BAO, wies diesen Antrag als unbegründet ab und führte im Wesentlichen dazu aus, dass die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären sei. In dem in der Folge abgeführten Beschwerdeverfahren (RV/6100176/2018) wies das BFG die Beschwerde als unbegründet ab, führte aber in der Begründung weiterführend an, dass in diesem Antrag in Wahrheit ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto bestehe. Dieser Antrag sei auch einer Deutung als Antrag nach § 216 BAO zugänglich. Dazu bedürfe es keiner Umdeutung und auch das Erkenntnis RV/6100533/2010 stehe dazu nicht im Widerspruch.

Mit Abrechnungsbescheid vom stellte das FA in einem Abrechnungsbescheid gem. § 216 BAO fest, dass die Buchungen vom für KESt 2001 i.H.v. € 12.841,76 und für KESt 2002 i.H.v. € 8.788,04 unrichtig seien, da ihnen kein Haftungsbescheid zugrunde liege. Zahlungen auf diese auf dem Abgabenkonto ausgewiesene Schuldigkeit im Zeitraum vom bis zum hätten aber die Abgabenschuld aus der Kapitalertragsteuer 2001 und 2002 getilgt, sodass kein Guthaben aufgrund dieser Zahlungen entstanden sei.

Darauf erhob die BF durch einen seiner ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus das es mit dem rechtsstaatlichen Prinzip nicht in Einklang zu bringen sei, wenn der Betroffene für einen (behaupteten) Abgabenanspruch auch ohne bescheidmäßige Festsetzung herangezogen werden könne. Folge man der Behörde, so bestünde zwischen unwirksamen (nichtigen) und wirksamen Erledigungen kein Unterschied.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA diese Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu im Wesentlichen aus, dass bei den in Frage stehenden Zahlungen auf Vorschreibungen, die nicht als Bescheide rechtswirksam geworden seien, keine Bezahlung einer Nichtschuld erfolgt sei. Vielmehr bewirkten derartige Zahlungen die Tilgung einer bereits entstandenen Abgabenschuld.

Darauf beantragte die BF durch einen ihrer ausgewiesenen Vertreter fristgerecht die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das BFG und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde unter anderem diese Rechtssache der damit befassten Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr damit befassten Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit Ladung vom wurde die von der BF beantragte mündliche Verhandlung ausgeschrieben. Mit Telefax vom legte die steuerliche Vertreterin den dem Verfahren zugrundeliegenden Antrag und den dem Antrag zugrunde liegenden Haftungs-und Abgabenbescheid "über den Prüfungszeitraum vom bis " vor. Des Weiteren zog die steuerliche Vertreterin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Das BFG legt seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde, der sich aus dem Vorbringen der Parteien, den vorgelegten Verwaltungsakten und den im Folgenden dargestellten weiteren Beweismitteln ergibt. Dieser Sachverhalt ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.

Die beschwerdeführende KG (BF) ist aufgrund eines Generalversammlungsbeschlusses sowie eines Umwandlungsplanes vom Gesamtrechtsnachfolgerin der ***1*** GmbH. Dies ergibt sich aus dem Firmenbuch zu FN ***XY***.

Im Jahr 2005 kam es zu einer abgabenbehördlichen Überprüfung dieser Umwandlung nach Art II UmGrStG. Mit Haftungs- und Abgabenbescheid vom schrieb das FA der ***1*** GmbH für "den Prüfungszeitraum bis " Kapitalertragsteuer in Höhe von € 21.629,80 vor. Dieser Betrag wurde am auf dem Abgabenkonto der ***1*** GmbH als KESt 2001 i.H.v. € 12.841,76 und KESt 2002 i.H.v. € 8.788,04 verbucht. Dies ergibt sich aus den Verwaltungsakten.

Die BF leistete in den Jahren 2005 und 2006 in monatlichen Tranchen Einzahlungen in Höhe von € 21.629,80 auf das Abgabenkonto der ***1*** GmbH. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der BF sowie den Datenbanken der Finanzverwaltung.

Mit Schriftsatz vom stellte die BF die Umwandlung im Jahr 2002, die Adressierung des Haftungs- und Abgabenbescheides im Jahr 2005 an die ***1*** GmbH, die Bezeichnung der erfassten Kapitalerträge als KESt "über den Prüfungszeitraum vom bis " dar und beantragte die rechtsgrundlose Zahlung der BF in den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt € 21.629,80 auf ein Bankkonto der BF zu überweisen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zur Zuständigkeit der Gerichtsabteilung:

Gemäß § 9 Abs. 9 BFGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Auf Grund des im Verfahrensgang dargestellten Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses ist sohin die nun zur Entscheidung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens berufene Gerichtsabteilung zuständig.

2.2. Zur belangten Behörde ab :

Gemäß § 323b Abs.1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Gemäß § 323b Abs. 2 BAO werden die am bei einem Finanzamt … anhäng¬igen Verfahren von der jeweils am zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.

Als belangte Behörde bzw. als Amtspartei ist damit ab das Finanzamt Österreich zuständig.

2.3. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Das BFG folgt zunächst den im Vorverfahren (RV/6100176/2018) unter Verweis auf die Entscheidung des getätigten Ausführungen, dass nach dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Antrag in Wahrheit ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto besteht und dieser Antrag auch ohne Umdeutung auch einer Deutung als Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides nach § 216 BAO zugänglich ist.

Ein Abrechnungsbescheid kommt beispielsweise in Betracht bei Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Verbuchung einer mit Abgabenbescheid festgesetzten Abgabenschuld auf dem (richtigen) Abgabenkonto des Abgabenschuldners erfolgt () oder über den Bestand oder das Erlöschen von Zahlungsverpflichtungen (; , 93/14/0089-0093), (Ritz, BAO6 § 216 Tz. 2), aber auch darüber, ob die aus einem Abgabenbescheid resultierende Verbuchung deshalb rechtswidrig war, weil der Abgabenbescheid gar nicht wirksam erlassen wurde (; vom , Ra 2016/16/0032, vom , 2010/13/0061, vom , 2008/15/0266) (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO17, § 216 Anm. 3)

Im Abrechnungsbescheidverfahren ist nicht die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu prüfen (zB ; , 2009/16/0196; , 2007/13/0124; , Ra 2016/16/0032); ebenso wenig die Rechtmäßigkeit von Haftungsbescheiden ( ). § 216 dient nicht dazu, das Ergebnis rechtskräftiger Abgabenfestsetzungen durch Nachholung von Vorbringen, deren rechtzeitige Geltendmachung versäumt wurde, zu umgehen (; , 99/15/0044; , 2003/16/0508). (Ritz, BAO6 § 216 Tz. 4, in gleicher Weise Ellinger/Sutter/Urtz, BAO17, § 216 Anm. 5)

Überlappungen zum Festsetzungsverfahren sind aber nicht ausgeschlossen. Dies gilt für die Frage, ob ein Abgabenbescheid im Festsetzungsverfahren richtig zugestellt und damit rechtswirksam geworden ist. … Da ein nicht wirksam ergangener Festsetzungsbescheid auch nicht Grundlage von Buchungen sein kann, kann diese Frage grundsätzlich auch im Abrechnungsverfahren thematisiert werden. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO17, § 216 Anm. 5)

Im gegenständlichen Verfahren wurde das Vermögen der ***1*** GmbH im Jahr 2002 auf die im Zuge der Umwandlung neu entstehende BF in der Rechtsform einer KG übertragen. Diese war ab der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Firmenbuch nicht nur zivilrechtlicher Nachfolgerechtsträger der GmbH sondern auch steuerrechtlicher Gesamtrechtsnachfolger im Sinn des § 19 Abs. 1 BAO.

Mit Eintragung der Umwandlung im Firmenbuch erlosch die übertragende Kapitalgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 UmwG und war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Träger der abgabenrechtlichen Rechte und Pflichten. Abgaben- oder sonstige Bescheide, die umgewandelte Kapitalgesellschaft betreffen, waren ab diesem Zeitpunkt an den zivilrechtlichen Nachfolgerechtsträger als Rechtsnachfolge der übertragenden Gesellschaft im Sinn des § 19 Abs. 1 BAO zu richten (; vom , 2006/15/0256).

Dies ist im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht erfolgt. Unabhängig davon, dass der der Verbuchung zugrundeliegende Haftungsbescheid auch noch weitere Mängel aufweist, ist er bereits aufgrund des Umstandes, dass er im Jahr 2005 nicht an die BF als Rechtsnachfolgerin der ***1*** GmbH sondern an die zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren nicht mehr bestehende ***1*** GmbH direkt gerichtet war, gegenüber der BF niemals rechtswirksam ergangen. Eine derartige als Bescheid intendierte Erledigung kann aber nach den obigen Ausführungen nicht Grundlage von Verbuchungen auf dem Abgabenkonto sein. Dieser Umstand ist - unabhängig davon, dass dieser Mangel bereits Festsetzungsverfahren gegeben war - nach dem oben Gesagten auch im Wege der Abrechnung eines Abgabenkontos nach § 216 BAO zu überprüfen und führt zu der Feststellung, dass die infrage stehenden Buchungen rechtswidrig sind und nicht hätten erfolgen dürfen, da die als Bescheid intendierte Erledigung ergangen an die ***1*** GmbH betreffend Kapitalertragsteuer für den Prüfungszeitraum bis der BF als Rechtsnachfolgerin dieser GmbH nie zugegangen ist. Die aus dieser als Bescheid intendierten Erledigung resultierenden rechtswidrigen Buchungen einer KESt 2001 i.H.v. € 12.841,76 und einer KESt 2002 i.H.v. € 8.788,04 hätten somit auch nicht auf den Abgabenkonto durchgeführt werden dürfen. Eine Abgabenschuld der BF als Rechtsnachfolgerin der ***1*** GmbH ist somit niemals rechtsgültig entstanden.

Daher war der Beschwerde stattzugeben und der Feststellungsbescheid über die Abrechnung nach § 216 BAO spruchgemäß zu formulieren.

2.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert hinsichtlich der Frage, ob ein Bescheid, der nie rechtsgültig zugestellt worden ist, zu Buchungen auf dem Abgabenkonto führen kann auf den im Beründungsteil angeführten gesetzlichen Bestimmungen und der dort angeführten Judikatur des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100347.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at