Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.04.2021, RV/3200008/2020

Abgabenerhöhung bis zum 1.5.2016

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/16/0093. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Innsbruck vom betreffend Abgabenerhöhung 2015 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Bescheid des Zollamtes Innsbruck vom wurden dem Bf nach Art. 202 Zollkodex iVm Art. 234 Abs. 2 Zollkodex-Durchführungsverordnung Abgaben in Höhe von € 11.302,82 (Zoll: 3.532,13 sowie EUSt: 7.770,69) sowie eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von € 244,80 vorgeschrieben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde for- und fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. Die Beschwerde gegen die Zollabgabe wurde mit Erkenntnis des als unbegründet abgewiesen und ist in Rechtskraft erwachsen. Die Beschwerde gegen die EUSt wurde wegen eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH in einem gleichgelagerten Fall ausgesetzt. Der EuGH hat mit , C-7/20, VS gegen Hauptzollamt Münster geantwortet. Daraufhin hat das BFG mit Erkenntnis vom , RV/3200007/2020 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, die Revision aber zugelassen. Gegenstand dieses Verfahrens ist nun die Frage, ob eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von € 244,80 zu Recht vorgeschrieben worden ist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.

Gemäß Art. 230 Buchstabe c) ZK-DVO können für Beförderungsmittel, die als Rückwaren abgabenfrei sind, Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO abgegeben werden.

Gemäß Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO wird die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel bewilligt, die

a) außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Zollgebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind; in Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören;

b) unbeschadet der Art. 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden, und

c)...

Gemäß Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b) ZK-DVO können Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für die in den Artikeln 556 bis 561 genannten Beförderungsmittel durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO - Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge, ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben - nach Maßgabe des Art. 579 ZK-DVO abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden.

Art. 202 Abs. 1 Zollkodex:

Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird oder

b) wenn eine solche Ware, die sich in einer Freizone oder einem Freilager befindet, vorschriftswidrig in einen anderen Teil des Zollgebiets der Gemeinschaft verbracht wird.

Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.

Art. 202 Abs. 2 Zollkodex:

Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.

Art. 202 Abs. 3 Zollkodex:

Zollschuldner sind

- die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat;

- die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln;

- die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.

Die verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge wurden durch das Passieren der Zollstelle formlos in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt (Art. 232 Abs. 1 Buchst. b i. V. m. Art. 233 Buchst. a ZK-DVO).

Dabei galt die Willensäußerung des Fahrers nach Art. 233 Buchst. a ZK-DVO beim Passieren der Zollstelle an der Grenze als Antrag und das Nichttätigwerden der Zollstelle als Bewilligung der vorübergehenden Verwendung.

Zum Zeitpunkt der Einbringung war die in Art. 137 ZK normierte Voraussetzung (vorübergehende Verwendung) nicht gegeben.

Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO (im gegenständlichen Fall Passieren der Zollstelle ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben) erfolgt ist, ohne dass die verbrachten oder ausgeführten Waren die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZK-DVO erfüllen, so gelten diese Waren nach den Bestimmungen des Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig verbracht.

Tathandlung zur Begründung einer Einfuhrzollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK ist das vorschriftswidrige Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft. Es geht dabei um objektives Fehlverhalten beim Verbringen in das Zollgebiet. Vorstellungen oder Verschulden des Handelnden sind unerheblich.

Gemäß Art. 202 Abs. 3 erster Gedankenstrich ZK wird der Verbringer der Waren Zollschuldner. Das tatsächliche Befördern ist entscheidend. Auf die rechtliche Beziehung zur Ware kommt es nicht an. Gestellungs- und mitteilungspflichtig sind alle Personen, die die Herrschaft über das Beförderungsmittel im Zeitpunkt der Verbringung haben.

Gemäß Art. 202 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich ZK werden Beteiligte zu Zollschuldnern, wenn sie wussten oder hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln. Beteiligt am vorschriftswidrigen Verbringen kann jedermann sein, der durch sein Verhalten das Verbringen durch andere veranlasst und unterstützt hat.

§ 108 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in der Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2015 - AbgÄG 2015, BGBl I Nr. 163/2015, lautet:

"Entsteht außer den Fällen des Abs. 2 eine Zollschuld nach den Artikeln 202 bis 205 oder 210 oder 211 ZK oder ist eine Zollschuld gemäß Artikel 220 ZK nachzuerheben, dann ist eine Abgabenerhöhung zu entrichten, die dem Betrag entspricht, der für den Zeitraum zwischen dem Entstehen der Zollschuld und dem der buchmäßigen Erfassung, bei Nacherhebung gemäß Art. 220 ZK zwischen der Fälligkeit der ursprünglich buchmäßig erfassten Zollschuld und der buchmäßigen Erfassung der nachzuerhebenden Zollschuld, an Säumniszinsen angefallen wäre. Dies gilt nicht, wenn und soweit die Zollbehörde selbst ein überwiegendes Verschulden an der Entstehung der Zollschuld oder an der Nacherhebung oder am entstandenen Nebenanspruch trifft. § 80 Abs. 1 ist sinngemäß anwendbar. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Verwaltungsabgaben nach § 105 bleibt unberührt."

Wie bereits ausgeführt, ist sowohl die Zollabgabe als auch die EUSt in der entsprechenden Höhe entstanden. Der Steueranteil folgt dem zollrechtlichen Schicksal wegen § 26 Abs. 1 UStG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ) hat das Bundesfinanzgericht grundsätzlich auf Grund der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu entscheiden, soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist.

Demnach ist hinsichtlich aufgrund der Zeitbezogenheit der diesbezüglichen zollrechtlichen Bestimmungen noch der Zollkodex in der bis zum geltenden Fassung anzuwenden. Die die Abgabenerhöhung regelnde Bestimmung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG ist mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, aufgehoben worden (s auch ). Nach Ansicht des VwGH (, Ra 2017/16/0164-5) muss aber in Sachverhalten wie diesen die Vorschreibung der Abgabenerhöhung weiterhin auf § 108 Abs 1 ZollR-DG gestützt werden. Folglich ist auch weiterhin eine Abgabenerhöhung geschuldet.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Rechtsfrage besteht bereits eine umfangreiche Judikatur, wie zB , Ra 2017/16/0164-5.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 108 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3200008.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at