Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.04.2021, RV/3200001/2019

Altlastenbeitragspflicht wegen fehlender Bewilligungen?

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Vertr*** Rechtsanwaltskanzlei, ***Vertr-Adr***, gegen die Bescheide des Zollamtes ***XY*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , ***1*** und ***1*** betreffend Altlastenbeitrag und Nebengebühren beschlossen:

I. Die Bescheide des Zollamtes ***XY*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zln. ***1*** und ***1*** sowie die Beschwerdevorentscheidungen vom , Zln. ***2*** und ***3***, werden gemäß § 278 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben und die Sache an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheiden vom , Zahl ***1*** und ***1*** wurde der ***Bf1*** (Beschwerdeführerin - Bf.) für das 4. Quartal 2017 Altlastenbeiträge für das Ablagern von Abfällen gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm. § 4 Z 1 ALSaG vorgeschrieben.

Am sei im Zuge eines gemeinsam mit Vertretern der ***Z*** Landesregierung, der Stadtgemeinde ***XY*** sowie des Zollamtes ***XY*** durchgeführten Lokalaugenscheins festgestellt worden, dass u.a. die Lagerflächen des Sektors 0 des Betriebsgeländes der Bf. überfüllt und im Bereich des Sektors 2a (Lagerung und Aufbereitung von Bodenaushub und mineralischen Baurestmassen) große Mengen an mineralischen Baurestmassen und Baustellenabfällen gelagert waren.
Das Gesamtvolumen Sektor 0 der konsenswidrigen Ablagerungen betrage 4.000 m3, davon 2.000 m3 aus Abfällen, die auf einer Baurestmassendeponie entsorgt und 2.000 m3 aus mineralischen Baurestmassen, die unter Berücksichtigung der Recyclingbaustoffverordnung einer Verwertung zugeführt werden können.
Im Sektor 2a betrage das Gesamtvolumen 30.000 m3, davon 7.000 m3 Baustellenabfälle.
Im Hinblick auf die konsenswidrigen Ablagerungen sei Herrn ***4*** aufgetragen worden die betroffenen Sektoren zu räumen, was nicht geschehen sei.

Die behördlichen Erhebungen haben ergeben, dass ein Betrieb stattfinde, der mit dem abfallrechtlichen Konsens nicht im Einklang stehe. So werden Abfälle über die Grenze der Lagerflächen hinaus gelagert, ohne dass hierfür eine Betriebsbewilligung vorliege. Weiters seien im Sektor 2a die bescheid- und projektmäßig vorgesehenen Anlagenteile (Einfriedungen, Boxen, etc.) nicht errichtet worden.

Bereits mit Bescheiden des Landeshauptmannes von ***Z*** vom , Zahl ***5*** und vom Zahl ***6*** seien der ***7*** GesmbH die Entfernung der über die Grenzen der genehmigten Lagerflächen hinaus gelagerten Abfälle aufgetragen worden. Die genannten Bescheide seien zwischenzeitlich rechtskräftig und im Zwangsvollstreckungsverfahren.

Die Bf. verantworte sich damit, dass sie die Anlage erst seit 2017 betreibe und die dort gelagerten Materialien weiterhin im Verantwortungsbereich von der ***7*** GmbH liegen würden.

Die Bf. habe die gegenständliche Abfallbehandlungsanlage samt allen öffentlichrechtlichen Genehmigungen mit Kaufvertrag vom erworben und betreibe diese seit 2017. Als Bewilligungsinhaber sei sie für die bescheidmäßige Nutzung und Einhaltung der im Genehmigungsbescheid erteilten Vorgaben verantwortlich.

Aufgrund der am festgestellten konsenswidrigen Ablagerungen sei sie Beitragsschuldnerin gemäß § 4 Z 1 ALSAG. Es komme nicht darauf an, wem die Abfälle eigentumsrechtlich zuzuordnen sind, sondern darauf, wer Betreiber der Anlage ist.

In den Bescheidbeschwerden vom wird vorgebracht, die Bf. habe im 4. Quartal 2017 keine beitragspflichtige Tätigkeit verrichtet. Die vom Sachverständigen anlässlich des Lokalaugenscheins ermittelte Abfallmenge sei unrichtig. Sie habe dem Zollamt die seit dem Jahr 2013 erfolgten In- und Outpute der Abfallbehandlungsanlage Feldstraße übermittelt. Der Umschlag des angelieferten Materials sei seit 2013 immer innerhalb der dreijährigen Frist erfolgt. Am Ende des Jahres 2016 seien von den Anlieferungen aus dem Jahr 2015 lediglich 17.763 t vorhanden. Für diese Abfälle sei im 4. Quartal 2017 noch kein Altlastenbeitrag angefallen, ebenso wenig wie für die Abfälle, die 2016 bzw. 2017 angeliefert worden waren. Eine konsenslose Ablagerung habe daher nicht stattgefunden.

Der Hinweis auf die in Vollstreckung der bei der ***7*** GmbH befindlichen Bescheide können der Bf. nicht zugerechnet werden, da sich diese Abfälle mindestens seit 2011 im Sektor 2a befänden. Ein allfällig entstandener Altlastenbeitrag sei daher mit Jahresende 2011 entstanden.

Im Übrigen habe die Bf. die Anlage erst am von der ***7*** GmbH erworben, wobei im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten worden sei, dass die Bf. die für den Betrieb erforderlichen Genehmigungen, jedoch keinesfalls die "wie immer auch beschriebenen Altlasten der Verkäuferin" übernehme. Materialbewegungen durch die Bf. seien daher erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt.

In den Beschwerdevorentscheidungen vom , ***2*** und ***3***, wies das Zollamt die Beschwerden jeweils als unbegründet ab. Es stehe fest, dass die Bf. in der Abfallbehandlungsanlage Abfälle über das genehmigte Ausmaß hinaus zwischengelagert habe. Diese über die genehmigten Flächen hinausragenden Ablagerungen seien konsenslos und daher gesetzwidrig abgelagert worden.

Die Bf. beantragte mit Eingaben vom die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und die Entscheidung durch einen Senat. Der Antrag auf Entscheidung durch einen Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Eingabe vom zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Mit den angefochtenen Bescheiden hat das Zollamt ***XY*** der Bf. für das 4. Quartal 2017 Altlastenbeiträge und Nebengebühren mit der Begründung vorgeschrieben, dass in der von der Bf. betriebenen Abfallbehandlungsanlage ein Betrieb stattfinde, der mit dem abfallrechtlichen Konsens nicht im Einklang stehe. Es seien Abfälle über die Grenze der Lagerflächen hinaus gelagert worden ohne dass hiefür eine Betriebsbewilligung vorliege, sowie bescheidmäßige Auflagen nicht eingehalten worden. Da hier rechtswidrig, ohne die erforderlichen behördlichen Bewilligungen, Abfall gelagert worden sei, entstehe für diese Abfälle eine ALSAG Beitragspflicht.

Die Bescheide und die in der Folge ergangenen Beschwerdevorentscheidungen stützen sich dabei ausschließlich auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2010/07/0218 und die dazu ergangene Folgejudikatur, wonach auch das nicht mehr als einjährige Lagern von Abfällen zur Beseitigung und das nicht mehr als dreijährige Lagern von Abfällen zur Verwertung dem Altlastenbeitrag unterliegt, wenn nicht alle hiefür erforderlichen behördlichen Bewilligungen vorgelegen haben.

Mit Erkenntnis vom , VwGH Ro 2019/13/0006-11, hat der Verwaltungsgerichtshof mit einem verstärkten Senat diese Judikaturlinie verlassen und im Wesentlichen ausgesprochen, dass keine abgabenrechtliche Vorschrift existiere, welche kürzere Zwischenlagerungen als die im § 3 Abs. 1 Z 1 lit. b ALSAG normierten, dem Altlastenbeitrag unterwerfe. Es komme nicht mehr auf das Vorhandensein einer Bewilligung an. Nur fristwidrige Lagerungen (über 3 Jahren zur Verwertung, über einem Jahr zur Beseitigung) führen zur Beitragspflicht.
Damit ist klargestellt, dass für die gegenständlichen Abfälle aus dem Titel der konsenslosen Lagerung bzw. Zwischenlagerung allein kein Abgabenanspruch abzuleiten ist.

Der Vertreter der Bf., der auch Vertreter der Vorbesitzerin, der ***7*** GesmbH ist, behauptet, entsprechende Unterlagen vorgelegt zu haben, aus denen der Umschlag des angelieferten Materials seit 2013 hervorgehe. Das Zollamt habe aber den Altlastenbeitrag alleine an Hand der im Rahmen eines Lokalaugenscheins erhobenen Ablagerungen im Sektor 0 der Abfallbehandlungsanlage geschätzt und diese Mengen undifferenziert übernommen.

Zur Feststellung, ob es, wie von der Bf. und der ***7*** GesmbH nie zur Überschreitung der Liegedauer und somit nicht zur Beitragspflicht gekommen ist, bedarf es umfangreicher Ermittlungen (zB. durch eine Betriebsprüfung), was nicht Aufgabe des Bundesfinanzgerichts ist. In erster Linie haben die Abgabenbehörden die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich ist (§ 115 Abs. 1 BAO).
Der Gesetzgeber geht in der Bestimmung des § 278 Abs. 1 BAO erkennbar davon aus, dass eine Beweisaufnahme vor dem Bundesfinanzgericht nur mehr darin bestehen soll, notwendige Ergänzungen des (bisherigen) Ermittlungsverfahrens vorzunehmen.

Es kann nicht im Sinne eines mehrinstanzlichen Verfahrens sein, dass das Verwaltungsgericht den entscheidungsrelevanten Sachverhalt erstmals ermittelt und einer Beurteilung unterzieht und betrachtet die durchzuführenden Erhebungen hinsichtlich der tatsächlichen Verwendung und Lagerung als Überschreitung der gerichtlichen Ermittlungspflicht.

Für die gegenständlichen Abfälle ist allein aus dem Titel der "konsenslosen Zwischenlagerung" im 4. Quartal 2017 kein Abgabenanspruch abzuleiten. Ob in der Folge ein Abgabenanspruch aus anderen Gründen resultiert, wird im fortgesetzten Ermittlungsverfahren zu klären sein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Z 1 ALSaG, Altlastensanierungsgesetz, BGBl. Nr. 299/1989
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

VwGH, Ro 2019/13/0006
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.3200001.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at