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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.04.2021, RV/4100184/2018

Verpflichtungsgeschäft, echte Rückgängigmachung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Hannes Prosen in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Mag. ***1***, Öffentlicher Notar, ***2*** 5, PLZ Ort, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Grunderwerbsteuer, Erfassungsnummer ***8***/2015, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) kaufte mit Vetrag vom von seinem Bruder die Liegenschaft EZ ***3*** GB ***4*** ***5***, bestehend aus dem Grundstück Nr. ***7***2 im Ausmaß von 1.940 m² mit dem darauf befindlichen Anwesen. Als Kaufpreis wurden Euro 34.300,00 vereinbart. Zusätzlich zum Barkaufpreis räumte der Käufer dem Verkäufer das Wohnungsgebrauchsrecht in der im Untergeschoß liegenden Wohneinheit ein. Dieses Recht wurde in Höhe von Euro 65.702,69 bewertet. Vereinbart wurde, dass der Liegenschaftseigentümer die Strom-, Heizungs-, und Wasserkosten trage.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer iHv Euro 9.588,69, ausgehend vom Wert der Liegenschaft iHv Euro 273.982,69 fest.

Mit Vertrag vom wurde dieser Vertrag einvernehmlich vollinhaltlich aufgehoben und die Rückerstattung der Grunderwerbsteuer beantragt.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom die Steuer iHv Euro "0" fest. Die Gutschrift wurde iHv Euro 9.588,69 ausgewiesen.

Mit Übergabsvertrag vom übertrug der Verkäufer nunmehr dieselbe Liegenschaft an den Bf. gegen Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechtes.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer in Höhe von Euro 2.002,25 fest.

Aufhebungsbescheid vom

In der Folge hob das Finanzamt mit Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) vom den Bescheid vom , mit dem die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom nicht festgesetzt wurde, wieder auf (Antrag vom gemäß § 17 GrEStG 1987 - Bescheid vom ).

Begründend führte das Finanzamt aus, Ermittlungen hätten ergeben, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmung gemäß § 17 Grunderwerbsteuergesetz 1987 nicht vorgelegen sind. Die Verfügungsmacht sei nicht an den ursprünglichen Veräußerer rückübertragen worden. Damit fehle es an den Voraussetzungen für die Anwendung des § 17 GrEStG 1987, sodass sich bei nunmehriger Betrachtung der Spruch im nunmehr aufgehobenen Bescheid vom als unrichtig erweist.

Beschwerde vom

Der Bf. wendete im Schriftsatz vom gegen den Aufhebungsbescheid ein, dass ihm durch die Aufhebung des Bescheides wieder eine Abgabenschuld iHv Euro 9.588,00 entstehe. Nach Vertragsaufhebung sei der ursprüngliche Veräußerer wieder frei in seiner Verfügungsmacht des Vertragsobjektes gewesen. Er hätte die Liegenschaft beliebig einer anderen Person übertragen bzw. im Eigentum behalten können. Schließlich habe sein Bruder ihm das Objekt ohne Gegenleistung in sein Eigentum übertragen. Der Grund liege darin, dass sein Bruder in ***6*** wohne und die Liegenschaft eigentlich nicht benötige. Die Liegenschaft grenze an seine eigene an (Nachbargrundstück). Daher sei es sein Wunsch gewesen, dass das Objekt im Familienbesitz bleibe.

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die Vorgehensweise deshalb gewählt worden sei, um infolge der Änderung der Rechtslage zu einer günstigeren Bemessungsgrundlage zu gelangen. Seit dem Abschluss des Kaufvertrages bzw. hat der Käufer die Gemeindeabgaben für die Liegenschaft bezahlt. Aus der Sicht des Finanzamtes fehle es daher an der ernstgemeinten Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes.

Vorlageantrag vom

Im Vorlageantrag führte der Bf. ergänzend aus, dass die Rückgängigmachung des Rechtsgeschäftes ernsthaft gemeint gewesen sei. Der Käufer hatte keine Gewissheit, dass der Veräußerer ein anderes Rechtsgeschäft mit ihm abschließe. Die Gemeindeabgaben wären vom Käufer aus rein organisatorischen Gründen bezahlt worden. Der Erwerber kümmere sich schon seit Jahren um die Liegenschaft, wie es eben in einer funktionierenden Verwandschaft üblich sei. Selbst wenn man unterstelle, dass diese Vorgehensweise gewählt wurde, um Steuern zu sparen, läßt sich keine Norm erkennen, die es verbiete Steuern zu sparen.

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht die Akten dem BFG vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im vorliegendem Sachverhalt steht der vorgenannte dargestellte Sachverhalt dem Inhalt nach im Wesentlichen unstrittig fest. Strittig sind die daran anknüpfenden Rechtsfolgen, im Besonderen die Frage, ob der Kaufvertrag ernsthaft im Sinne des § 17 GrEStG 1987 rückgängig gemacht worden ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), BGBl 1987/309, idgF, unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen.
Das Gesetz bindet die Steuerpflicht an den Erwerb des Rechtstitels zur Übereignung und damit an das erste, im Rechtsleben in Erscheinung tretende Ereignis, das ist das (obligatorische) Verpflichtungsgeschäft, und nicht erst an das Erfüllungsgeschäft (Verfügungsgeschäft) der Eintragung des Eigentumsrechtes in das Grundbuch (vgl. ). Der Erwerbsvorgang ist verwirklicht, sobald die Parteien in der Außenwelt ihren Willen, ein Rechtsgeschäft abzuschließen (zB durch Unterfertigung der Vertragsurkunde), gehörig kundgetan haben.

Bei einem Verpflichtungsgeschäft iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber einen Rechtsanspruch auf die Übertragung des Eigentumsrechtes erwirbt. Der Erwerbsvorgang wurde im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Kaufvertrag) am verwirklicht, womit die Steuerschuld entstanden ist.

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges:

Gem. § 17 Abs. 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nach Z 1 dann nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird.
Nach § 17 Abs. 4 GrEStG 1987 ist die Steuer dann, wenn sie in den Fällen der Abs. 1 bis 3 bereits festgesetzt wurde, auf Antrag entsprechend abzuändern (herabzusetzen).
Bei Selbstberechnung ist die Steuer in den Fällen der Abs. 1 bis 3 entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.

Zweck der Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 ist es, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der gesetzlich normierten Frist wieder (vollständig) beseitigt werden. § 17 verfügt daher die grundsätzliche Steuerfreiheit ernsthaft rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge. Das entspricht auch der materiellen Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, den Grundstücksverkehr und nicht bloße (zu Verträgen verdichtete) Absichten zu besteuern. Ist der Erwerbsvorgang fehlgeschlagen und wird er wieder rückgängig gemacht, erweist sich seine vorgängige Besteuerung eben als unbegründet.

Eine "echte Rückgängigmachung" liegt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nur vor, wenn sie ordnungsgemäß in ernsthafter Absicht bewirkt wird (Arnold/Bodis, GrEStG Kommentar, § 17 Tz. 12).

Im vorliegenden Sachverhalt haben beide Vertragsparteien einvernehmlich am den Kaufvertrag vom aufgehoben, um nach Erstattung der Grunderwerbsteuer dieselbe Liegenschaft (Nachbargrundstück) mit Übergabsvertrag vom an den Erwerber (Bruder) zu übergeben. Dabei räumt der Übernehmer dem Übergeber wiederum die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechtes an der im Erdgeschoß gelegenen Wohnung mitsamt der Garagenbenützung ein.

Aus der Sicht des erkennenden Richters mangelte es damit an der ernsthaft gemeinten Rückgängigmachung des Verpflichtungsgeschäftes, wenn innerhalb eines Jahres (Aufhebungsvertrag v. , Übergabsvertrag v. ) ein neuerliches Verpflichtungsgeschäft zwischen denselben Vertragsparteien über dieselbe Liegenschaft (Nachbargrundstück) abgeschlossen wird.

Dies wird dadurch erhärtet, dass der Erwerber (Übernehmer) in der Zwischenzeit, wie im aufgehobenen Kaufvertrag vereinbart, die Strom, Wasser- und Heizungskosten trägt. Die Gemeindeabgaben (Grundsteuer, Kanalgebühren) wurden laut Ermittlungen des Finanzamtes nach Aufhebung des Vertrages weiterhin vom Erwerber (ab ) getragen (Beschwerdevorentscheidung).

Damit liegen im gegenständlichen Sachverhalt Indizien vor, aus denen geschlossen werden kann, dass die Vertragsparteien nicht in der Absicht gehandelt haben, das Verpflichtungsgeschäft für immer rückgängig zu machen.

Eine echte ernsthaft gemeinte Rückgängigmachung liegt dann nicht vor, wenn ein Vertrag zwar formell mit Aufhebungsvereinbarung vom , aufgehoben wird, um in der Folge das Grundstück mittels Übergabsvertrag vom neuerlich dem Erwerber zu übertragen.

Es trifft zwar zu, dass die Dreijahresfrist gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG eingehalten und eine "Aufhebungsvereinbarung" beigebracht wurde.

Allerdings steht bei der gewählten Vorgehensweise nach Ansicht des Richters beim Bundesfinanzgericht (BFG) fest, dass Sinn und Zweck der Aufhebung des ursprünglichen Kaufvertrages offenkundig der war, dass anstelle des Kaufvertrages nunmehr ein Übergabsvertrag über ein und dieselbe Liegenschaft zwischen denselben Vertragsparteien abgeschlossen wurde.

Im vorliegendem Sachverhalt liegt aus der Sicht des erkennenden Richters beim BFG durch die Auflösung des Kaufvertrages und dem folgenden Abschluss des Übergabsvertrages keine ernsthaft gemeinte Rückgängigmachung des Verpflichtungsgeschäftes vor. Die Rückgängigmachung muss vollständig ordnungsgemäß und in ernstlicher Absicht erfolgen.

Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Vertrag aufgehoben wird, Abgaben rückerstattet werden, um danach im Folgejahr dieselbe Liegenschaft an den Erwerber zu übertragen, der in der Zwischenzeit die Liegenschaft verwaltet (Strom, Wasser, Gemeindeabgaben, Kanalgebühren) bezahlt (Ermittlungsergebnis).

Vielmehr erweckt die gewählte Vorgehensweise den Anschein, die Vertragsparteien haben die Vorgehensweise zu dem Zweck gewählt, um eine andere steuerliche Behandlung im Zusammenhang mit der Übertragung der Liegenschaft im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987 iZm dem Steuerreformgesetz 2015/2016 BGBI. I 2015/118 zu erwirken.

Wird der Erwerbsvorgang lediglich dazu aufgehoben, um die Liegenschaft in weiterer Folge mittels Übergabsvertrag an den Erwerber übertragen, ist ein solches Vorgehen nicht nach § 17 GrEStG 1987 begünstigt ().

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zu der im vorliegenden Fall strittigen Frage der "echten Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges" iSd § 17 GrEStG liegt die oben angeführte VwGH-Judikatur vor. Der Lösung der zugrundeliegenden Rechtsfrage kommt demnach keine grundsätzliche Bedeutung zu. Aus diesem Grund ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100184.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at