Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2021, RV/7102296/2019

Familienheimfahrten, doppelte Haushaltsführung Obsorgepflichten eines Geschiedenen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Immotax Steuerberatung e.U., Enzersdorferstraße 31/2, 2340 Mödling, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2017 machte der Beschwerdeführer (Bf.) unter dem Titel Werbungskosten Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 8.123,04 € geltend. Des weiteren beanspruchte der Bf., welcher seit 2015 geschieden ist, den Unterhaltsabsetzbetrag für seine beiden nicht haushaltszugehörigen Kinder. Im Rahmen der Veranlagung des Kalenderjahres 2017 wurden, im Einkommensteuerbescheid vom , die oben angeführten Werbungskosten in Höhe von 11.795,04 € nicht anerkannt.

Dagegen richtet sich die vom steuerliche Vertreter des Bf. eingebrachten Beschwerde, in der wie folgt ausgeführt wird:

"Gemäß § 4 Pendlerverordnung wird der Familienwohnsitz eines alleinstehenden Steuerpflichtigen dort begründet, wo er seine engsten persönlichen Beziehungen hat. Da die minderjährigen Kinder des Steuerpflichtigen in der Nähe seines Hauptwohnsitzes (Liechtensteinstraße 32-36, 2344 Maria Enzersdorf) leben, ist somit das Kriterium der engsten persönlichen Beziehungen erfüllt und sein Hauptwohnsitz begründet seinen Familienwohnsitz.

Doppelte Haushaltsführung:

Laut der Rz 341 LStR ist die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz

• vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und

• die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Gemäß der Rz 342 LStR ist die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr dann anzunehmen, wenn die Entfernung zwischen dem Familienwohnsitz und dem Beschäftigungsort 80 km und eine Fahrzeit von einer Stunde übersteigt. Aus der Beilage des Google-Maps Auszugs können Sie erkennen, dass die Mindestfahrzeit eine Stunde und 40 Minuten beträgt und der Steuerpflichtige eine Wegstrecke von rund 180 km zurücklegen muss. Damit sind die Kriterien der Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr deutlich erfüllt.

Die Verlegung des Familienwohnsitzes kann dem Steuerpflichtigen aufgrund seiner minderjährigen Kinder (***A***xx.yy.2001 und ***B***xx.yy.2005) nicht zugemutet werden. Da der Steuerpflichtige aufgrund der Scheidungsvereinbarung noch immer mit der gemeinsamen Obsorge der beiden minderjährigen Kinder betraut ist, kann die Erziehung und die Betreuung der Kinder sowie die Bewahrung des familiären Umfelds nur dann gewährleistet werden, wenn der Steuerpflichtige seinen Familienwohnsitz nicht an den Beschäftigungsort verlegt. Die umfassende Betreuung der minderjährigen Kinder mindestens jedes zweite Wochenende kann nicht sichergestellt werden, wenn die Kinder aus ihrem familiären bzw. gewöhnlichen Umfeld gerissen werden und zu ihrem Vater pendeln müssen.

In dem Erkenntnis 2007/15/0297 vom und der bisherigen Judikatur spricht sich der VwGH dafür aus, dass die Erziehung und die Betreuung der minderjährigen Kinder gewichtige Gründe darstellen, um den Familienwohnsitz beizubehalten.

Da die beiden Voraussetzungen erfüllt sind, liegt im Falle des Steuerpflichtigen eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung vor und die Kosten sind als Werbungskosten iSd § 16 EStG zu berücksichtigen.

Familienheimfahrten:

Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Wie bereits oben ausgeführt, liegen die Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung vor und damit sind auch die Kosten für Familienheimfahrten zu berücksichtigen.

Grundsätzlich ist bei alleinstehenden Steuerpflichtigen eine Familienheimfahrt pro Monat anzunehmen, allerdings hat der Steuerpflichtige in unserem Fall zwei minderjährige Kinder, die am Familienwohnsitz wohnen und mit deren Obsorge er nach wie vor betraut ist. Aus der Scheidungsvereinbarung geht hervor, dass der Steuerpflichtige nicht nur das Recht, sondern vor allem die Pflicht hat, seine Kinder jedes zweite Wochenende, von Freitag bis Montag, zu betreuen. In den Ferienzeiten erhöht sich die Betreuungspflicht auf mindestens vier Wochen. Da darüber hinaus gehende Besuchskontakte einvernehmlich zwischen dem Steuerpflichtigen und seiner Exfrau geregelt werden, kann davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige seine minderjährigen Kinder jedes Wochenende am Familienwohnsitz besucht und betreut, um einen intensiven und persönlichen Kontakt zu seinen minderjährigen Kindern aufrecht zu erhalten.

Daher sind die Aufwendungen im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG gesetzten Grenzen als Werbungskosten zu berücksichtigen."

Dem Schreiben war die Scheidungsvereinbarung sowie ein Googel-Maps-Auszug über die zurückzulegende Route und die Beilage zur Einkommensteuererklärung über die Werbungskosten beigelegt.

Am erließ das Finanzamt eine abweisende Beschwerdevorentscheidung und führte begründend aus:

"Gem. § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 dürfen Ausgaben für den Haushalt des Steuerpflichtigen sowie Aufwendungen für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, nicht in Abzug gebracht werden.

Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten sind nur dann Werbungskosten, wenn der Familienwohnsitz so weit von der Arbeitsstelle entfernt ist, dass ein tägliche Rückkehr jedenfalls nicht zumutbar ist und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen.

Familienwohnsitz im Sinne des § 4 Pendlerverordnung liegt dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtige seine engsten persönlichen Beziehungen und einen eigenen Hausstand hat.

Laut LStR 2002 Rz 345 ist die Verlegung des Familienwohnsitzes ua. dann unzumutbar, wenn im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigte Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht aus.

Trotz gemeinsamer Obsorge mit der Kindesmutter für die beiden ehelichen Kinder, halten sich die Kinder dennoch überwiegend bei der Mutter auf und werden überwiegend in deren Haushalt betreut.

Es liegen daher die Voraussetzungen für die Anerkennung der Kosten doppelter Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten nicht vor."

Der steuerliche Vertreter stellte am einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde gemäß § 264 BAO und schilderte darin nochmals den Verfahrensverlauf und begründet seinen Antrag wie folgt:

"Am wurde die Arbeitnehmerveranlagung 2017 unseres Klienten von uns in seinem Auftrag beim Finanzamt elektronisch eingereicht. In dieser Arbeitnehmerveranlagung wurden Werbungskosten für die Familienheimfahrten und die doppelte Haushaltsführung in Höhe von EUR 11.795,04 angesetzt.

Am erging der Einkommensteuerbescheid 2017, in welchem die genannten Werbungskosten nicht berücksichtigt wurden.

Gegen diesen Bescheid wurde das Rechtsmittel der Beschwerde am eingelegt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , wurde die Beschwerde abgewiesen."

Hinsichtlich der Begründung des Begehrens und der beantragten Änderungen verweis der steuerliche Vertreter auf die Beschwerde vom .

Weiters führte der steuerliche Vertreter aus:

"Zusammenfassend erlauben wir uns folgendes festzuhalten:

In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes wird ausgeführt, dass laut LStR 2002 Rz 345 die Verlegung des Familienwohnsitzes ua. dann unzumutbar ist, wenn im gemeinsamen Haushalt unterhaltsberechtigte Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist. Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht aus. Das Finanzamt sieht die Vorraussetzungen für die Anerkennung der Kosten der doppelten Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten als nicht gegeben an, da die ehelichen Kinder seit der Scheidung überwiegend im Haushalt der Mutter betreut werden.

Dieser Stellungnahme stimmen wir nicht zu, da aus der Scheidungvereinbarung hervorgeht, dass der Steuerpflichtige nicht nur das Recht, sondern die Pflicht hat, seine Kinder jedes zweite Wochenende von Freitag bis Montag zu betreuen, in den besuchsfreien Wochen findet der Kontakt von Mittwoch auf Donnerstag statt. In den Ferienzeiten beträgt das Besuchsrecht mindestens 4 Wochen. Daher ist nicht nur eine Unterhaltsverpflichtung durch den Klienten gegeben, er wird auch wesentlich in die Betreuung und Obsorge der Kinder miteinbezogen.

In dem Erkenntnis 2007/15/0297 vom und der bisherigen Judikatur spricht sich der VwGH dafür aus, dass die Erziehung und die Betreuung der minderjährigen Kinder gewichtige Gründe darstellen, um den Familienwohnsitz beizubehalten.

Den minderjährigen Kindern kann es nicht zugemutet werden, zu den verpflichteten Betreuungstagen die Wegstrecke von 180 km zum Beschäftigungsort des Vaters zurückzulegen.

Es wird daher ersucht, den Anträgen statt zu geben."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist Vater zweier Kinder (***A***, geboren 2001, und ***B***, geboren 2005) aus der 2015 geschiedenen Ehe mit ***C*** In der Vereinbarung zwischen ***C*** und dem Bf. über die familienrechtlichen und vermögensrechtlichen Folgen der Ehescheidung vom ist festgehalten, dass mit der Obsorge, im Umfang des § 144 ABGB, für die minderjährigen Kinder ***A*** und ***B***, nach der Durchführung der Ehrscheidung, sowohl der Vater als auch die Mutter betraut sind.

Weiters wird festgehalten, dass das Kontaktrecht des Vaters zum mj. ***A*** und zur mj. ***B*** einvernehmlich in der Form geregelt wird, dass dem Vater das Recht und die Pflicht zukommt, jedes 2. Wochenende von Freitag bis Montag mit seinen Kindern zu verbringen, in den besuchsfreien Wochen findet der Kontakt von Mittwoch auf Donnerstag statt.

Das Ferienbesuchsrecht beträgt laut Trennungsvereinbarung insgesamt 4 Wochen und wird wie die darüber hinausgehenden Besuchskontakte einvernehmlich geregelt.

In der Einkommensteuererklärung 2017 (Arbeitnehmerveranlagung) machte der Bf. den Unterhaltsabsetzbetrag für diese beiden nicht haushaltszugehörigen minderjährigen Kinder geltend. Im Rahmen der Werbungskosten machte er aus dem Titel Familienheimfahrten / doppelte Haushaltsführung Aufwendungen von 11.795,04 € geltend.

Im Einkommensteuerbescheid mit Ausfertigungsdatum sowie in der Beschwerdevorentscheidung vom versagte das Finanzamt den genannten Aufwendungen die Anerkennung als Werbungskosten. Die Begründungen dazu wurden bereits im Verfahrensgang geschildert.

Der steuerliche Vertreter des Bf. brachte eine Beschwerde und einen Vorlageantrag ein und begehrte die Berücksichtigung der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen. Es wird auf die Ausführungen im Verfahrensgang dazu verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

  • Doppelte Haushaltsführung

Gem. § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus berufl Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Als Arbeits(Tätigkeitsort)ort oder Beschäftigungsort ist nur jener Ort zu verstehen, der eine persönliche Anwesenheit zur Arbeitsleistung erfordert, sodass der Steuerpflichtige an diesem Ort wohnen muss (s ).

Die Aufwendungen für die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) sind dann beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Nach LStR 342 (Verweis auf ) ist Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt.

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (VwGH26.11.96, 95/14/0124; , 2005/14/0039; , 2006/15/0047), ohne Belang ist, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes bereits früher zumutbar gewesen ist oder nicht (; , 2010/15/0124); die Gründe für die Beibehaltung sind daher jährlichvon der Abgabenbehörde zu prüfen.

Nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Im Allgemeinen wird aber für verheiratete, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebende Arbeitnehmer ein Zeitraum von zwei Jahren, für alleinstehende Arbeitnehmer ein Zeitraum von sechs Monaten ausreichend sein. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird.

Als Werbungskosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kommen unvermeidbare Mehraufwendungen in Betracht, die dem Abgabenpflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss (). Es sind somit jene Kosten absetzbar, welche der Steuerpflichtige für eine zweckentsprechende Unterkunft (vgl. ) für sich allein aufwenden muss. Darüber hinaus gehende Wohnkosten sind gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 nicht abzugsfähig.

Zu den unvermeidbaren Mehraufwendungen zählen Miete einer Wohnung: Miete, Betriebskosten und Einrichtungskosten bezogen auf eine Kleinwohnung (rund 55 m²).

Die Unterhaltsverpflichtung für Kinder reicht als alleiniges Kriterium für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht aus. Wenn allerdings der (geschiedene) Steuerpflichtige seine minderjährigen Kinder an seinem beibehaltenen Hauptwohnsitz tatsächlich und kontinuierlich betreut und damit seinen Obliegenheiten als Vater zur Gewährleistung eines familiären Umfeldes für die Kinder und Aufrechterhaltung eines intensiven persönlich Kontaktes laufend nachgekommt, liegen gewichtige, in der privaten Lebensführung verankerte Gründe vor, die eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung des Steuerpflichtigen begründen ().

Da dies im vorliegenden Fall vorliegt werden für das Jahr 2017 die beantragten Kosten für die doppelte Haushaltsführung gewährt.

  • Familienheimfahrten

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 idF BGBl Nr. 118/2015 dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:

"Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Heimfahrten zu diesem Wohnsitz dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des (Ehe)Partners bzw. Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0038, betreffend einen verwitweten Steuerpflichtigen mit minderjährigen Kindern und das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0027).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen auch für alleinstehende Steuerpflichtige Fahrten zwischen ihrem Hauptwohnort und einem weiteren Wohnsitz am (in unüblich weiter Entfernung gelegenen) Berufsort als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst anerkannt.

Das hg. Erkenntnis vom , 93/14/0081, betraf einen alleinstehenden Beschwerdeführer, für den die tägliche Rückkehr von dem Ort, der für ca ein Jahr sein Arbeitsort war, zu seinem Wohnsitz (im eigenen Haus) insbesondere im Hinblick auf die Entfernung unzumutbar war, weshalb er am Arbeitsort einen zweiten Haushaltes führte. Der Gerichtshof führte in diesem Erkenntnis aus:

"Kosten für Familienheimfahrten vom jeweiligen Arbeitsort zum Familienwohnsitz bilden auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung in seinem Heimatort Werbungskosten, damit dieser innerhalb angemessener Zeiträume dort nach dem Rechten sehen könne (vgl. Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer Handbuch, Tz 97 zu § 16)."

In einem weiteren Erkenntnis vom , 95/13/0119, führte der Verwaltungsgerichtshof aus:

"Wie der Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, können auch Fahrten vom Ort der auswärtigen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit zum ständigen Wohnsitz betrieblich bzw. beruflich veranlasst sein, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines Wohnsitzes an den Ort seiner betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit nicht zumutbar ist. Dies gilt nicht nur für sogenannte Familienheimfahrten, sondern auch für Fahrten, die bei einem ledigen Steuerpflichtigen dadurch veranlasst sind, dass er an seinem ständigen Wohnsitz nach dem Rechten schaut (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0066). Die belangte Behörde hat daher zu Recht Kosten des Beschwerdeführers für Fahrten zu seinem ständigen Wohnsitz während der Zeit seiner beruflich bedingten Abwesenheit als Werbungskosten qualifiziert."

Im Erkenntnis vom , 2001/14/0178, wird ausgeführt:

"Den Aufwendungen für Heimfahrten wird für eine Übergangszeit auch bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit einer Wohnung im Heimatort Rechnung zu tragen sein, weil diesem zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich, in seiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen. Fahrtkosten zum Besuch der Eltern stellen hingegen keine Werbungskosten dar, sondern sind der privaten Lebensführung zuzurechnen (vgl. mit weiteren Nachweisen die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0259, und vom , 93/13/0013).

Die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursache auch in weiteren Erwerbstätigkeiten des (alleinstehenden) Steuerpflichtigen haben (vgl. für viele das eingangs angeführte Erkenntnis 96/15/0171)."

Es kommt also vielmehr auf die - im Einzelfall zu beurteilende - Frage der Zumutbarkeit der Verlegung des Hauptwohnsitzes in den Bereich des Berufsortes an. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit insbesondere auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. das hg Erkenntnis vom , 2006/14/0038).

Dass die Erziehung und Betreuung der minderjährigen Kinder und die Bewahrung des familiären Umfeldes für diese Kinder gewichtige Gründe darstellen können, die für die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes sprechen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht (vgl. nochmals das hg Erkenntnis vom , 2006/14/0038).

Im Sachverhaltsbereich steht außer Streit, dass der Bf. seine beiden minderjährigen Kinder an seinem beibehaltenen Hauptwohnsitz tatsächlich und kontinuierlich betreut hat und damit seinen Obliegenheiten als Vater zur Gewährleistung eines familiären Umfeldes für die Kinder und Aufrechterhaltung eines intensiven persönlichen Kontaktes laufend nachgekommen ist. Damit sind aber gewichtige, in der privaten Lebensführung verankerte Gründe vorgelegen, die für das Streitjahr eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung des Beschwerdeführers begründet haben. Dies hat das belangte Finanzamt im angefochtenen Bescheid verkannt.

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Fahrten eines alleinstehenden Steuerpflichtigen zwischen seinem Hauptwohnsitz und der Wohnung am Berufsort als beruflich veranlasst anerkannt hat, findet sich für diese Fahrten in der Rechtsprechung nicht einheitlich die Bezeichnung "Familienheimfahrten". Es bestehen aber dennoch keine Zweifel, dass auch für die steuerliche Berücksichtigung dieser Fahrten die Betragsbeschränkung des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG idF BGBl. Nr 118/2015 zur Anwendung kommt.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die aus dem Titel der Familienheimfahrten anzuerkennenden Kosten gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 mit dem höchsten Pauschbetrag in Höhe von 3.672 €, wie beantragt, gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 gewährt werden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hinsichtlich der Kriterien, die für die steuerliche Berücksichtigung von Ausgaben für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten maßgeblich sind, wurde in der gegenständlichen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt und sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus der zu Abzugsfähigkeit von Werbungskosten ergangenen Judikatur des VwGH (siehe oben zitierte Erkenntnisse) und dem EStG 1988 ergeben.

Wien, am

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