Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2021, RV/7400017/2021

Aufhebung eines Haftungsbescheides, Antrag nach Ablauf eines Jahres

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Harald Redl, Lagerstraße 2a, 2460 Bruckneudorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , GZ N-1, betreffend Aufhebung des Haftungsbescheides vom gemäß § 299 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer (Bf.) dem Magistrat der Stadt Wien das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7105245/2015, mit dem der Beschwerde der ehemaligen Geschäftsführerin der G-1, Zweigniederlassung Österreich, P-1, hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme des Finanzamtes Wien 1/23 für die Lohnabgaben 2009-2011 stattgegeben worden sei.

Dazu führte er aus, dass sich dieses Urteil nur noch auf Frau P-1 beziehe, da ihn das Finanzamt schon vorher aus der Haftung entlassen und gegen ihn keine Ansprüche mehr gestellt habe.

Wie dem Urteil entnommen werden könne, habe gegen die Gesellschaft zu keinem Zeitpunkt eine Forderung bestanden, weshalb man auch nicht irgendwelche aufgrund einer völlig ungerechtfertigten Schätzung basierende Haftungsbescheide geltend machen könne.

Der Bf. stelle daher gemäß § 299 (Anmerkung: BAO) den Antrag auf Aufhebung des rechtskräftigen Haftungsbescheides gemäß Bundesfinanzgerichtsurteil vom und um Richtigstellung der falschen Bescheide. Weiters ersuche er um Einstellung jeglicher Exekutionsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung.

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Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien MA6 den Antrag gemäß § 299 BAO auf Aufhebung des rechtskräftigen Haftungsbescheides vom (Anmerkung: ) als unzulässig zurück.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Abgabenbehörde gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben könne, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise.

Gemäß § 302 Abs. 1 BAO seien Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden, soweit nicht anderes bestimmt sei, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 BAO jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides zulässig.

Darüber hinaus seien gemäß § 302 Abs. 2 lit. b BAO Aufhebungen nach § 299 BAO auch dann zulässig, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht sei.

Die Jahresfrist sei eine gesetzliche Frist. Sie sei dem § 110 Abs. 1 BAO zufolge weder erstreckbar noch hemmbar.

Aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergebe sich somit unmissverständlich, dass eine Bescheidaufhebung innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe (idR Zustellung) des aufzuhebenden Bescheides zulässig sei bzw. eine Aufhebung außerhalb der Jahresfrist die Einbringung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO vor Ablauf eines Jahres ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides voraussetze (vgl. Ritz, BAO4, § 299 Tz 21 sowie § 302 Tz 8f).

Gegen den Haftungsbescheid vom , übernommen am , sei am eine Beschwerde eingebracht worden, die mit Beschwerdevorentscheidung vom , übernommen am (Anmerkung: ), als unbegründet abgewiesen worden sei.

Mit Schreiben vom habe der Haftungspflichtige einen Antrag auf Aufhebung des rechtskräftigen Haftungsbescheides gemäß § 299 BAO eingebracht, der somit bei der Behörde außerhalb der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 BAO eingelangt sei. Eine Bescheidaufhebung außerhalb der Jahresfrist bzw. aufgrund eines nicht innerhalb der Jahresfrist eingebrachten Aufhebungsantrages finde im Gesetz keine Deckung. Insoweit bestehe auch kein Raum für eine Ermessensausübung durch die Behörde.

Die Befugnis zur Bescheidaufhebung sei auf ein Jahr nach Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides beschränkt bzw. setze einen innerhalb eines Jahres eingebrachten Aufhebungsantrag voraus. In diesem Sinne habe auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. ) unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 24/64, ausgeführt, dass nach diesem Zeitpunkt ein Bescheid weder wegen schwerer noch wegen leichter Rechtswidrigkeiten aufgehoben werden könne. Innerhalb des einen Jahres stelle der Gesetzgeber die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die materielle Richtigkeit der Entscheidung über die Rechtssicherheit, nach Ablauf dieses Zeitraumes überwiege hingegen die Rechtssicherheit.

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Dagegen erhob der Bf. am Beschwerde und brachte vor, dass er sich mit dem Antrag vom nach telefonischer Auskunft der belangten Behörde schriftlich an diese gewandt habe.

Der Sachverhalt stelle sich so dar, dass er vom D-1 bis D-2 in Haft gewesen sei. Er sei nach fünf Herzinfarkten und einem Schlaganfall aus der Haft entlassen worden und seitdem als Schwerstbehinderter haftunfähig. Er beziehe Pflegegeldstufe 3.

Zum gegenständlichen Antrag vom habe er keine Kenntnis über die Vorschreibung gehabt, da eine Zustellung an ihn nicht erfolgt sei.

Der Bf. habe nach der unmittelbar vor dem Antrag erfolgten Information des Gerichtsvollziehers die belangte Behörde telefonisch kontaktiert. Dabei seien ihm erstmals die zu beeinspruchenden Haftungsbescheide genannt worden, woraufhin er auf Geheiß der belangten Behörde einen Antrag auf Aufhebung der Haftungsbescheide für Kommunalsteuer beantragt habe.

Grundlage der Kommunalsteuer sei rechtlich der Einkommensteuerbescheid bzw. der Steuerbescheid gewesen. Da dieser ersatzlos aufgehoben worden sei, bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Haftung aus dem Titel der Kommunalsteuer.

Da die Gesellschaft keine Außenstände mehr habe, wäre einerseits eine Aufhebung auf Basis des § 299 BAO zwingend, zumal der Bf. vorher keine Kenntnis gehabt habe und auch keine Zustellung erfolgt sei, die für das Auslösen der Frist notwendig sei. Andererseits wäre aber die Aufhebung auch von Amts wegen vorzunehmen, da der Staat im Sinne der Menschenrechte nicht berechtigt wäre, Abgaben zu fordern, welche tatsächlich nicht bestünden.

Eine willkürliche Vorschreibung von Abgaben verstoße zumindest gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 MRK sowie auf das uneingeschränkte Recht auf Eigentum. Es wäre auch Willkür gegeben, welche von jedem Verfassungs- und Verwaltungsgericht bejaht würde.

Da eine Steuerschuld nicht bestehe, sei auch der Bescheid von Amts wegen aufzuheben, da ansonsten eine Bereicherung ohne Rechtsgrundlage erfolge.

Der Bescheid sei daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Sollte der Bf. bei seinem Antrag, den er auf Geheiß der belangten Behörde gestellt habe, Formfehler begangen haben, so wäre zumindest seitens der belangten Behörde eine Aufklärungs- und Manuduktionspflicht zur Richtigstellung seines Antrages geboten gewesen.

Der Bf. betone, dass die belangte Behörde in Kenntnis der unberechtigten Forderung sei, da der Grundlagenbescheid der Gesellschaft aufgehoben worden sei.

Darüber hinaus sei festzuhalten, dass er nie Geschäftsführer der Ltd gewesen sei, sodass die weitere Haftungsgrundlage, nämlich die Geschäftsführerhaftung, entfalle. Wie hier eine Haftung ausgesprochen werden könne, sei jedenfalls ein Behördenfehler und führe auch zur Schadenersatzpflicht der Republik Österreich.

Es sei wenig zweckentsprechend, hier weitere Verfahren einleiten zu müssen, zumal die Rechtswidrigkeit des Inhalts augenscheinlich und auch jedermann bekannt sei. Die Behörde gehe unrichtig davon aus, dass eine Zustellung erfolgt sei, diese sei aber eben nicht erfolgt und habe die Zustellung niemals stattgefunden. Diese sei auch seines Wissens nicht ausgewiesen bzw. könne deswegen nicht ausgewiesen sein, da er niemals eine Zustellung erhalten habe.

Selbst die Nichtzustellung durch Hinterlegung in der Haftanstalt wäre der belangten Behörde zuzurechnen, da, sollte man ihm den Bescheid nicht übergeben haben, ebenfalls eine der Republik Österreich unterliegende Behörde gehandelt habe.

Der Bf. beantrage lediglich aus Vorsicht im Rahmen dieser Beschwerde ebenfalls die Wiederaufnahme des gegenständlichen Verfahrens aus den in diesem Schriftsatz festgehaltenen Gründen.

Sein Antrag habe auf Aufhebung gelautet, an seine Begründung (§ 299) sei die Behörde nicht gebunden, sodass auch von Amts wegen die Aufhebung erfolgen hätte müssen.

Beweis: PV

Weitere Beweise könnten deshalb nicht angeboten werden, da es keinerlei Rechtsgrundlage und rechtsgrundlegende Bescheide für diesen bekämpften Bescheid gebe.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung der Bezug habenden gesetzlichen Bestimmungen und Wiedergabe des Parteienvorbringens ausgeführt:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-3 sei über das Vermögen der G-1, Zweigniederlassung Österreich, ein Konkursverfahren eröffnet worden. Der Bf. sei laut Firmenbuch seit D-4 ständiger Vertreter der Zweigniederlassung Österreich gewesen. In dieser Eigenschaft sei er für die rückständigen Abgabenbeträge an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, die aufgrund der "Gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben" durch das zuständige Finanzamt Wien 1/23 hervorgekommen und vom Masseverwalter anerkannt worden seien und somit als festgesetzt gälten - weshalb die Festsetzung der Abgaben per Bescheid nicht notwendig gewesen sei -, mit Bescheid vom zur Haftung herangezogen worden. Der Haftungsbescheid sei per Adresse A-2 zugestellt und vom Empfänger persönlich übernommen worden. Dies sei auch schlüssig, da am eine Beschwerde gegen den Haftungsbescheid bei der Behörde eingelangt sei. Mit Beschwerdevorentscheidung vom sei die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet abgewiesen worden. Diese Beschwerdevorentscheidung, zugestellt per Adresse A-3 - Adresse laut Beschwerde vom -, sei am vom Empfänger übernommen worden.

Somit sehe die Behörde es als erwiesen an, dass die Grundlage der Abgabenvorschreibungen nicht der Einkommensteuerbescheid bzw. Steuerbescheid sei und dass sämtliche Entscheidungen der Behörde im Haftungsverfahren aktenkundig vom Empfänger selbst übernommen worden seien und dieser somit Kenntnis der Haftungsinanspruchnahme gehabt habe.

Der Bf. habe per eMail vom die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes zur Zahl RV/7105245/2015 übermittelt, mit welcher das BFG die Haftungsbescheide betreffend die Geschäftsführerin der Gesellschaft auf einen Betrag entsprechend der Umsatzsteuer eingeschränkt und im Übrigen abgewiesen habe, da die Bf. in jenem Haftungsverfahren von der Behörde nicht in die Lage gesetzt worden sei, konkret vorzubringen, weshalb sie welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe. Durch diese Entscheidung des BFG sei jedoch der Grundlagenbescheid nicht aufgehoben worden. Daher sei es für die Behörde nicht nachvollziehbar, wieso der Einkommensteuerbescheid bzw. Steuerbescheid ersatzlos aufgehoben worden sei.

Der Antrag auf Aufhebung des rechtskräftigen Haftungsbescheides gemäß § 299 BAO sei mit eMail vom und damit außerhalb der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 BAO eingelangt. Die Befugnis zur Bescheidaufhebung sei auf ein Jahr nach Bekanntgabe bzw. Rechtskraft des aufzuhebenden Bescheides beschränkt bzw. setze einen innerhalb eines Jahres eingebrachten Aufhebungsantrag voraus. In diesem Sinne habe auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. ) unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes () ausgeführt, dass nach diesem Zeitpunkt ein Bescheid weder wegen schwerer noch wegen leichter Rechtswidrigkeiten aufgehoben werden könne. Innerhalb des einen Jahres stelle der Gesetzgeber die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die materielle Richtigkeit der Entscheidung über die Rechtssicherheit, nach Ablauf dieses Zeitraumes überwiege hingegen die Rechtssicherheit.

Eine Bescheidaufhebung außerhalb der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 BAO bzw. eines nicht innerhalb der Jahresfrist eingebrachten Aufhebungsantrages finde im Gesetz keine Deckung.

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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte vor, dass der angefochtene Bescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung aus nachfolgenden Gründen rechtswidrig seien:

a) Fehlende Zustellung

Gemäß § 302 Abs. 1 BAO seien Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden, soweit nichts anderes bestimmt sei, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 BAO jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97 BAO) des Bescheides zulässig

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO würden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben würden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt seien. Die Bekanntgabe erfolge bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung.

Der Bf. habe sich vom D-1 bis D-2 in Haft befunden, währenddessen auch im Krankenhaus (Ende 2015). Er habe daher bis zum Antrag vom keinerlei Kenntnisse über die Vorschreibungen gehabt. Eine Zustellung sei nicht erfolgt.

Die Behörde gehe unrichtig davon aus, dass eine Zustellung erfolgt sei, diese sei aber eben nicht erfolgt und habe eine Zustellung niemals stattgefunden, dieses sei auch seines Wissens nicht ausgewiesen bzw. könne deswegen nicht ausgewiesen sein, da er niemals eine Zustellung erhalten habe.

Stelle die Abgabenbehörde ein Schriftstück ohne Zustellnachweis zu, so treffe sie die Beweislast. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH könne ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstückes die Behörde den Lauf einer Frist nicht mit irgendeinem bestimmten Tag als "feststehend" betrachten.

Die Frist gemäß § 302 BAO sei sohin am noch nicht abgelaufen gewesen bzw. habe noch gar nicht begonnen gehabt.

Die belangte Behörde möge sohin die betreffenden Zustellnachweise vorlegen.

b) Haftungspflichtiger Vertreter

Der Bf. sei nie Geschäftsführer der G-1 gewesen. Im österreichischen Firmenbuch sei P-1 als einzige Geschäftsführerin eingetragen gewesen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten jedoch nur die in den §§ 80ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.

§ 9 BAO stelle nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab. Ein de-facto-Geschäftsführer sei kein Vertreter im Sinn des § 80 Abs. 1 BAO und des § 18 Abs. 1 GmbHG; seine Heranziehung zur Haftung sei daher unzulässig (). Maßgebend für die Vertreterhaftung sei die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Dies gelte unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig oder nur ein "pro-forma-Geschäftsführer" sei () oder "nur auf dem Papier" ().

Der Bf. sei nie Vertreter gemäß §§ 80ff BAO der Gesellschaft gewesen.

c) Fehlende Rechtsgrundlage

Über das Vermögen der G-1, Zweigniederlassung Österreich, sei mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-3 ein Konkursverfahren eröffnet worden. Der Bf. sei für die rückständigen Abgabenbeträge an Kommunalsteuer mit Bescheid vom zur Haftung herangezogen worden. Grundlage der Kommunalsteuer sei der Einkommensteuerbescheid bzw. der Steuerbescheid. Dieser sei jedoch ersatzlos aufgehoben worden, sodass keine Rechtsgrundlage für eine Haftung aus dem Titel der Kommunalsteuer bestehe.

Der Grundlagenbescheid der Gesellschaft sei aufgehoben worden.

Weiters verweise er auf die Ausführungen in seiner Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen der Entscheidung zugrunde gelegt:

In Beantwortung eines an den Bf. gerichteten Haftungsvorhaltes des Magistrates der Stadt Wien MA6 vom , der an ihn per Adresse A-2, A-4, am durch persönliche Übernahme zugestellt wurde, erfolgte seine Stellungnahme vom .

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien MA6 vom wurde der Bf. gemäß §§ 6a Abs. 1 KommStG und DGAG iVm § 80 BAO als Haftungspflichtiger der G-1, Zweigniederlassung Österreich, für Kommunalsteuern und Säumniszuschläge 01-12/2009, 01-12/2010 und 01-12/2011 sowie Dienstgeberabgaben 01-12/2010 und 01-12/2011 in der Höhe von insgesamt € 15.695,62 zur Haftung herangezogen.

Dieser Haftungsbescheid wurde an den Bf. per Adresse A-2, A-4, am durch persönliche Übernahme zugestellt.

Aufgrund der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde bot der Magistrat der Stadt Wien MA6 dem Bf. Gelegenheit, einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen. Dieses Schreiben vom wurde dem Bf. an die in der Beschwerde genannte Adresse A-3, A-5, am durch persönliche Übernahme zugestellt.

Nachdem diesem Ersuchen nicht nachgekommen wurde, wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und dem Bf. per Adresse A-3, A-5, am durch persönliche Übernahme zugestellt.

Ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde wurde nicht eingebracht.

Beweiswürdigung:

Die Zustellung sämtlicher genannter im Haftungsverfahren ergangener behördlicher Schriftstücke erfolgte aktenkundig durch persönliche Übernahme des Bf. Beweis wurde erhoben in die vorliegenden Zustellnachweise, die dem Bf. auch zur Kenntnis gebracht wurden.

Dem aktenwidrigen Vorbringen des Bf., vom Haftungsverfahren keine Kenntnis gehabt zu haben, kann daher nicht gefolgt werden. Im Gegenteil wurden die ordnungsgemäßen Zustellungen durch die Angaben des Bf., sich im Zeitraum vom D-1 bis D-2 in Haft und währenddessen im Krankenhaus befunden zu haben, bestätigt.

Auch fand weder eine Hinterlegung der Schriftstücke statt noch eine Zustellung ohne Zustellnachweis.

Rechtliche Würdigung:

Die Abgabenbehörde kann gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

Darüber hinaus sind gemäß § 302 Abs. 2 lit. b BAO Aufhebungen nach § 299 auch dann zulässig, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist.

Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen (…) durch Zustellung.

Gemäß § 13 Abs. 1 ZustG ist das Dokument dem Empfänger zuzustellen.

Da der (rechtskräftige) Haftungsbescheid vom an den Bf. gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 13 Abs. 1 ZustG am zugestellt wurde, erfolgte sein Antrag auf dessen Aufhebung vom verspätet, da die Frist des § 302 Abs. 1 und 2 lit. b BAO von einem Jahr nach Bekanntgabe des Bescheides iSd § 97 BAO bereits am abgelaufen war.

Gemäß § 110 Abs. 1 BAO können gesetzlich festgelegte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.

Diese Jahresfrist ist eine gesetzliche Frist. Sie ist dem § 110 Abs. 1 BAO zufolge weder erstreckbar noch hemmbar.

Aus den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich somit unmissverständlich, dass eine Bescheidaufhebung innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe (idR Zustellung) des aufzuhebenden Bescheides zulässig ist bzw. eine Aufhebung außerhalb der Jahresfrist die Einbringung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO vor Ablauf eines Jahres ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides voraussetzt (vgl. Ritz, BAO6, § 299 Tz 21 sowie § 302 Tz 8f).

Im gegenständlichen Fall ist der Antrag bei der Behörde außerhalb der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 BAO eingelangt. Eine Bescheidaufhebung außerhalb der Jahresfrist bzw. aufgrund eines nicht innerhalb der Jahresfrist eingebrachten Aufhebungsantrages findet im Gesetz keine Deckung. Insoweit besteht auch kein Raum für eine Ermessensausübung durch die Behörde.

Die Befugnis zur Bescheidaufhebung ist auf ein Jahr nach Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides beschränkt bzw. setzt einen innerhalb eines Jahres eingebrachten Aufhebungsantrag voraus. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. ) unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 24/64, ausgeführt, dass nach diesem Zeitpunkt ein Bescheid weder wegen schwerer noch wegen leichter Rechtswidrigkeiten aufgehoben werden kann. Innerhalb des einen Jahres stellt der Gesetzgeber die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die materielle Richtigkeit der Entscheidung über die Rechtssicherheit, nach Ablauf dieses Zeitraumes überwiegt hingegen die Rechtssicherheit.

Der angefochtene Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien MA6 erging damit zu Recht, weshalb die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH sowie VfGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 13 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 110 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400017.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at