Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2021, RV/6100294/2018

Vollstreckung von rückständigen Abgaben im Rechtshilfeverkehr

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Pfändungsbescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend die ***GmbH*** und die ***Stiftung*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt Salzburg-Stadt ist vom Finanzamt ***X*** im Rechtshilfeverkehr um Vollstreckung von rückständigen Abgaben des Beschwerdeführers (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) bei der ***GmbH*** und der ***Stiftung*** ersucht worden.

In Entsprechung dieses Ersuchens erklärte das Finanzamt Salzburg-Stadt den betreffenden Abgabenbetrag mit Bescheiden vom gemäß Artikel 1 Abs 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BGBl. 1955/249, in Verbindung mit § 31 Abs 1 des Bundesgesetzes vom , BGBl I Nr. 9/2010, Artikel 1, über den Aufbau und die Zuständigkeitsregelung der Abgabenverwaltung des Bundes (Abgabenverwaltungs-organisationsgesetz 2010 - AVOG 2010) als anerkannt und für vollstreckbar und hat entsprechende Pfändungsbescheide erlassen.

Gegen diese Bescheide haben sowohl die Drittschuldner ***GmbH*** und ***Stiftung*** als auch der Bf als Abgabenschuldner am Berufung erhoben und im Wesentlichen falsche Anwendung der Rechtshilfe, Mängel des Verfahrens in Deutschland sowie falsche Bescheidadressaten, mangelnde Begründung und einen mangelnden Exekutionstitel geltend gemacht.

Das Finanzamt Salzburg-Stadt hat die Berufungen unmittelbar dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt und deren Abweisung beantragt.

Die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen sind vom Bundesfinanzgericht gemäß § 323 Abs 38 BAO als Beschwerden im Sinn des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen.

Die ***GmbH*** und die ***Stiftung*** haben ihre Beschwerden mit Schreiben vom zurückgezogen und wurden diese im September 2015 als gegenstandslos erklärt. Eine Zurücknahme der Beschwerde des Bf dürfte laut Aktenlage unterblieben sein, da diese irrtümlich auch als erledigt angesehen worden ist.

Die offene Beschwerde ist nach Pensionierung des ursprünglich zuständigen Richters neu zugeteilt worden.
Zu diesem Zeitpunkt war ein Insolvenzverfahren gegen den Bf anhängig. Der ursprüngliche Vertreter des Bf, der die Berufung eingebracht hatte, war nicht mehr zuständig und der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Bf hat es aus Haftungsgründen abgelehnt, eine offene Beschwerde zurückzuziehen.
Mit Beschluss des Amtsgerichtes ***X*** ***Az***, ist das Insolvenzverfahren aufgehoben worden.
Ein Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes an den Bf um Zurücknahme der offenen Beschwerde ist unbeantwortet geblieben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der oben genannte Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom (ratifiziert´am ), BGBl. 1955/249 idmF, lautet auszugsweise:

"I. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer deutschen Rückstandsanzeige

Artikel 3:
Beide Staaten verpflichten sich, in allen Abgabensachen, im Ermittlungs-, Feststellungs- und Rechtsmittelverfahren, im Sicherungs- und Vollstreckungsverfahren sowie im Verwaltungsstrafverfahren einander auf der Grundlage der Gegenseitigkeit nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen Rechtshilfe zu leisten.

Artikel 11:
(Abs. 1) Dem Ersuchen um Vollstreckung von Verfügungen, die unanfechtbar und vollstreckbar sind, ist eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates beizufügen ,in der die Unanfechtbarkeit bestätigt wird. Vorbehaltlich des Artikels 13 ist die Zuständigkeit dieser Behörde durch die jeweils zuständige Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Als Grundlage der Vollstreckung können an die Stelle der im ersten Satz bezeichneten Verfügungen auch Rückstandsausweise treten.
(Abs. 2) Verfügungen (Rückstandsausweise), die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind vorbehaltlich des Artikels 13 von den jeweils zuständigen Oberfinanzdirektionen oder Finanzlandesdirektionen des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.
(Abs. 3) Die in Absatz 2 bezeichneten Verfügungen werden durch die Finanzämter oder Gerichte gemäß der Gesetzgebung des ersuchten Staates vollstreckt."

Auszug aus dem OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen:

"Art. 27 Abs.3:
Ist der Abgabenanspruch eines Vertragsstaates nach dem Recht dieses Staates vollstreckbar und wird er von einer Person geschuldet, die zu diesem Zeitpunkt nach dem Recht dieses Staates die Vollstreckung nicht verhindern kann, wird dieser Abgabenanspruch auf Ersuchender zuständigen Behörden dieses Staates für die Zwecke der Vollstreckung von der zuständigen Behörde des anderen Vertragsstaates anerkannt. Der Abgabenanspruch wird vom anderen Staat nach dessen Rechtsvorschriften über die Einbringung und Vollstreckung seiner eigenen Steuern vollstreckt, als handle es sich bei dem Abgabenanspruch um einen solchen des anderen Staates.

Art. 27 Abs. 6:
Verfahren im Zusammenhang mit dem Bestehen, der Gültigkeit oder der Höhe des Abgabenanspruches eines Vertragsstaates können nicht bei den Gerichten oder Verwaltungsbehörden desanderen Staates eingeleitet werden."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof besteht bei Vorliegen der - durchwegs formellen - Voraussetzungen des Artikels 11 Abs 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen für die nach Artikel 11 Abs 2 zuständige Behörde nicht nur die Berechtigung, sondern die Verpflichtung, ohne dass vorherige weitere Erhebungen auch nur zulässig wären, Rückstandsausweise anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären (; ; ; ; ; ).

Die Zuständigkeit des Finanzamtes Salzburg-Stadt zur Erlassung des in Berufung gezogenen Bescheides ergibt sich aus § 31 Abs 1 AVOG 2010, BGBl. I 9/2010, der lautet:

"Soweit Aufgaben von der Finanzlandesdirektion oder von Finanzlandesdirektionen (§ 2 AVOG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 124/2003) wahrzunehmen waren, die nicht auf besondere Organisationseinheiten im Sinne des § 8 Abs. 2 AVOG übertragen werden, sind diese von den in § 27 AVOG definierten Zollämtern für die ihnen übertragenen Aufgaben, in allen anderen Fällen von den in § 13 AVOG definierten Finanzämtern wahrzunehmen."

Das Bestehen oder die Höhe des zu vollstreckenden Anspruches sind in Österreich nicht zu prüfen. Einwendungen dagegen wären bei der ersuchenden Behörde in Deutschland einzubringen und würden nach deutschem Recht beurteilt werden.

Da die im Artikel 11 Abs 1 des Rechtshilfevertrages genannten Voraussetzungen vorlagen, hatte das gemäß § 31 Abs 1 AVOG 2010 zuständige österreichische Finanzamt die Rückstandsanzeige gemäß Artikel 11 Abs 2 des Rechtshilfevertrages anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Soweit das Vorbringen des Bf angebliche Fehler des Finanzamtes ***X*** betrifft, sind diese nach den Bestimmungen des Art 27 Abs 6 des OECD-Musterabkommens 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen jeder Überprüfung und Beurteilung durch die Behörden des um die Rechtshilfe bei der Vollstreckung ersuchten Staates entzogen, weil diese Behörden an die Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates, in der die Unanfechtbarkeit und Vollstreckbarkeit bestätigt wird, gebunden sind ().

Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind gemäß § 226 BAO in dem von der Behörde festgesetzten bzw vom Abgabepflichtigen bekannt gegebenen Ausmaß vollstreckbar.

Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen gemäß § 4 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.

Gemäß § 65 Abs 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei gemäß Abs 2 mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Pfändung ist gemäß Abs 3 mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Es trifft somit nicht zu, dass die an die ***GmbH*** und die ***Stiftung*** ergangenen Pfändungsbescheide falsch adressiert worden sind.
Gemäß Abs 4 kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten oder beim Finanzamt die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.
Wie bereits ausgeführt, haben die Drittschuldner ihre Beschwerden durch ihren Vertreter zurückgezogen.

Zwar ist gemäß § 77 Abs 1 Z 1 AbgEO ein Rechtsmittel gegen Bescheide, welche dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellte Pfand untersagen, unstatthaft, doch ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Rechtsmittel, soweit damit die gegen den Drittschuldner gemäß § 65 AbgEO erlassenen Bescheide bekämpft werden, zulässig ().

Den gegenständlichen Pfändungsbescheiden liegt eine Rückstandsanzeige des Finanzamtes ***X*** zu Grunde, die vollstreckbare Abgabenschuldigkeiten in näher genannter Höhe ausweist.

Wenn der Abgabenschuldner bestreitet, dass die Vollstreckbarkeit eingetreten ist, so hat er gemäß § 13 Abs 1 BAO seine diesbezüglichen Einwendungen beim Finanzamt geltend zu machen. Die Bestimmungen des § 12 Abs 3 und 4 BAO finden sinngemäß Anwendung.

Gemäß § 12 Abs 3 BAO müssen alle Einwendungen, die der Abgabenschuldner zur Zeit der Antragstellung vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss gleichzeitig geltend gemacht werden.

Im gegenständlichen Fall haben sich alle vom Bf in seiner Berufung bzw Beschwerde gelten gemachten Einwendungen aus den genannten Gründen als nicht zutreffend erwiesen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Vermögen der ***Stiftung*** im ***Februar*** eingefroren worden ist. Die Staatsanwaltschaft ***X*** hat Anklage beim Landgericht ***X*** gegen den Bf erhoben. Er hat sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen eingelassen; das Gericht wertete diese Einlassung als Geständnis. Am ***Datum*** ist der Bf wegen Bestechlichkeit als Amtsträger in Tateinheit mit Untreue und Tatmehrheit mit Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt worden.
In der Folge sollen aus dem Vermögen der ***Stiftung*** laut Medienberichten ***Euro*** an den früheren Arbeitgeber des Bf überwiesen worden sein, um diesen teilweise zu entschädigen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen liegen - insbesondere in Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH - nicht vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Rechtsschutz, Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955
§ 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
Verweise







ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100294.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at