Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung iSd FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, ***3***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom , mit dem der Antrag vom auf Familienbeihilfe für ***Name1*** ***Nachname*** ab Juni 2018 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
1. Der angefochtene Bescheid wird für den Zeitraum Juni 2018 bis Jänner 2020 aufgehoben.
2. Für den Zeitraum ab Feber 2020 bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz BF) ***Bf1*** beantragte mit dem am beim Finanzamt eingelangten Formblatt Beh100 die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihre Tochter ***Name1*** ab Beginn des Polizeigrundausbildungslehrganges am .
Dem Antrag wurde beigelegt waren eine Bestätigung des Bildungszentrums der Sicherheitsakademie vom mit dem Datum des Beginns der Ausbildung am und dem Datum des voraussichtlichen Ende des Lehrgangs "VB/S-Polizeigrundausbildungslehrgang" am und der Sondervertrag für die exekutivdienstliche Ausbildung vom .
2. Der Antrag wurde mit Bescheid vom unter Anführung der wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung nach § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) und mit Verweis auf das VwGH-Erkenntnis vom , GZ Ra 2018/16/0203 als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde eingelegt. Nach Rechtsansicht der BF beziehe sich das im Bescheid angeführte VwGH-Erkenntnis auf die 6-monatige grenz- und fremdenpolizeiliche Ausbildung (Greko) und nicht auf die von ihrer Tochter absolvierte 24-monatige Grundausbildung für den Exekutivbereich. Der Beschwerde wurde der ergangene Abweisungsbescheid sowie ein Ausdruck des VwGH-Erkenntnisses angeschlossen.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der Behörde abgewiesen. Neben dem Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG und einer Erläuterung des Begriffes "Berufsausbildung" im Sinne des FLAG, wurde zur Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs angeführt.
Der VwGH verneine im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziere dies als Berufsausübung. Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert wird.
Im Erkenntnis vom , RV/2101014/2019, habe sich das Bundesfinanzgericht dieser Ansicht angeschlossen und die exekutivdienstliche Ausbildung einer Polizeischülerin ebenfalls als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung gewertet.
5. Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter der BF mit Schriftsatz vom , der von der belangten Behörde als Vorlageantrag gewertet wurde, Beschwerde erhoben und der Antrag gestellt die Familienbeihilfe für die Zeit der Ausbildung zu gewähren.
6. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung entsprechend der Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.
7. Am wurde vom Bundesfinanzgericht ein Vorhalt folgenden Inhalts an den Vertreter der BF verschickt:
"1) Ihre Tochter hat die zweijährige Grundausbildung für den Exekutivdienst am begonnen und offenkundig erfolgreich beendet. Den im AJ-WEB gespeicherten Versicherungsdaten ist zu entnehmen, dass Ihre Tochter ab Angestellte der Landespolizeidirektion ***Z*** war (wie alle anderen Polizeischüler war sie wohl aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 Vertragsbedienstete des Bundes). Seit dem ist sie öffentlich Bedienstete der LPD ***Z***.
2) Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung sind im beiliegenden Ausbildungsplan näher beschrieben. Allfällige Abweichungen der konkreten Grundausbildung Ihrer Tochter von diesem Ausbildungsplan mögen bekannt gegeben werden.
Die Stundentafel (Seite 9 des Ausbildungsplans) entspricht der Anlage 1 zur Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017.
3) Die Grundausbildung gliedert sich nach den Informationen auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres in die Basisausbildung (12 Monate Theorie), das Berufspraktikum I (3 Monate), die Vertiefung der Basisausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung) und das Berufspraktikum II (4 Monate).
Demzufolge sollte im gegenständlichen Fall die Dienstprüfung am Ende des zweiten Theorie-Ausbildungsblockes und somit bis abgelegt worden sein. Um Übermittlung einer Ablichtung des Dienstprüfungszeugnisses wird ersucht.
4) Es wird um Bekanntgabe ersucht, auf welcher Polizeiinspektion das Berufspraktikum II absolviert wurde und auf welcher Polizeiinspektion Ihre Tochter seit dem eingesetzt wird."
8. Mit E-Mail vom teilte der Vertreter der BF mit, dass die Tochter der BF die Dienstprüfung am abgelegt habe und übermittelte eine Ablichtung des Dienstprüfungszeugnisses.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die am ttmm1999 geborene ***Name1*** ***Nachname*** ist bei der BF (Mutter) haushaltszugehörig.
Am begann sie die Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie in ***Y*** und befand sich seitdem in einem - aufgrund eines Sondervertrags nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten - privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Am bestand sie die Dienstprüfung und absolvierte von Feber bis Mai 2020 das Berufspraktikum 2.
Seit dem ist sie öffentlich Bedienstete der LPD ***Z***.
Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen.
Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Z. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.
Ausbildungsziel der Grundausbildungen ist die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff ist entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO).
Die Sicherheitsakademie (SIAK) hat für die in § 1 angeführten Grundausbildungen nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes Grundausbildungslehrgänge bereitzustellen. Die Leitung der Grundausbildungslehrgänge obliegt der SIAK (§ 3 Abs. 1 der VO).
Die Grundausbildungen sind in Form von Grundausbildungslehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge für die jeweilige Grundausbildung sind in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).
Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).
Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).
Nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung umfasst die Polizeigrundausbildung folgende Lehrgegenstände:
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LEHRGEGENSTAND | UNTERRICHTS-EINHEITEN | GESAMT |
1. PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN | 204 | |
Einführung und Behördenorganisation | 24 | |
Angewandte Psychologie | 48 | |
Kommunikation und Konfliktmanagement | 48 | |
Berufsethik und Gesellschaftslehre | 28 | |
Menschenrechte | 56 | |
2. POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN | 1134 | |
Dienstrecht | 40 | |
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre | 240 | |
Straf- und Privatrecht | 172 | |
Verfassungsrecht und Europäische Union | 32 | |
Verkehrsrecht | 176 | |
Verwaltungsrecht | 160 | |
Kriminalistik | 164 | |
Bürokommunikation | 150 | |
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN | ||
Modulares Kompetenztraining | 160 | 806 |
Einsatztraining | 424 | |
Sport | 120 | |
Erste Hilfe | 16 | |
Fremdsprachen | 4 | |
Themenzentrierter Unterricht | 82 | |
4. BERUFSPRAKTIKUM | 448 | |
SUMME | 2612 |
(Quelle: https://bmi.gv.at/104/Beruf_und_Karriere/start.aspx).
Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die
1. Basisausbildung (12 Monate Theorie),
2. das Berufspraktikum I (3 Monate),
3. die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
4. das viermonatige Berufspraktikum II.
Ferner werden im Ausbildungsplan Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt beschrieben:
Die Polizeigrundausbildung soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch praxisnahe Lehre unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden jene Kompetenzen vermitteln, die im Kompetenzprofil für den uniformierten Polizeidienst als relevant definiert wurden. Die Schwerpunkte der polizeilichen Grundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens.
BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE
Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensgang angeführten Aktenteilen, den Angaben der BF, den zitierten Informationen des Bundesministeriums für Inneres auf seiner Homepage, den in der Beihilfendatenbank gespeicherten Daten sowie den aus dem AJ-WEB ersichtlichen Versicherungsdaten.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO treten das ***FA*** und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Zu klären ist im vorliegenden Fall, ob die Grundausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) darstellt.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.
Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG ausgehen zu können. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, hat der Verwaltungsgerichtshof diese in der Rz 11 wie folgt zusammengefasst:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).
Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass bei einer "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt (Rz 32).
Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle (Rz 26, 27). Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle (Rz 28).
Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.
Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikums I noch keine Berufsausübung darstellt.
Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.
Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar.
Beim Berufspraktikum II (nach der Dienstprüfung) liegt bereits eine Berufsausübung als Polizist vor, da dieses nach der Dienstprüfung erfolgt und einer Einschulung am Arbeitsplatz gleichzusetzen ist.
Die Tochter der BF hat im Juni 2018 mit der Basisausbildung im Exekutivdienst begonnen. Somit liegt iSd zitierten Erkenntnisse des VwGH eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für die ersten drei Teile der Ausbildung ab Juni 2018 bis zur Ablegung der Dienstprüfung im Jänner 2020 vor.
Der bekämpfte Bescheid ist daher spruchgemäß bezüglich des Zeitraumes Juni 2018 bis Jänner 2020 aufzuheben.
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.
Ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 vorliegen, wird das Finanzamt zu berücksichtigen haben.
Steht wie im beschwerdegegenständlichen Fall Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Auflage 2020, § 26 Rz 3 mwN).
Hält die Antragstellerin die zur Auszahlung kommende Familienbeihilfe für falsch, kann diese einen Antrag auf Auszahlung eines anderen Betrages stellen, über den dann das Finanzamt gesondert abzusprechen haben wird. Gegen diese Entscheidung des Finanzamtes kann wieder Beschwerde erhoben werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis folgt der Rechtsprechung des , zur Frage der Berufsausbildung iSd FLAG 1967. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100331.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at