Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.04.2021, RV/7103355/2020

Erbringung Studienerfolgsnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBE in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe für das Kind To, geb. 1998, fürdie MonateMärz 2020 und April 2020, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf) begehrte mit Antrag vom , beim Finanzamt (FA) eingebracht am , die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt "sobald es möglich ist", für ihre Tochter, To (geb. am 1998).

Mit Bescheid vom wies das FA den eingebrachten Antrag ab März 2020 unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass ab dem zweiten Studienjahr ein Anspruch nur dann bestehe, wenn für das vorhergehende Studienjahr (Nachweiszeitraum) die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen werde. Werde der erforderliche Studienerfolg nicht erreicht, bestehe zunächst für die weitere Studienzeit kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Werde der Studienerfolg dann erreicht, so könne die Beihilfe wieder ab Beginn des Monats, in dem der Studienerfolg erreicht worden sei, zuerkannt werden. Die Prüfungen aus dem ersten Studienjahr würden dabei allerdings nicht mehr berücksichtigt.

Gegen den Abweisungsbescheid vom erhob die Bf am fristgerecht Beschwerde mit der Begründung, dass ihre Tochter nach einem zuvor abgebrochenen Studium begonnen habe, im Oktober 2019 "Pferdewissenschaften" zu studieren und in den vier Monaten bis Jänner 2020 15-ECTS-Punkte erreicht habe. Aufgrund der COVID-19-Krise seien alle Prüfungen abgesagt worden und auch keine neuen Prüfungstermine festgesetzt worden, weshalb es der Tochter unmöglich gewesen sei, den einen fehlenden ECTS-Punkt - den sie ab März 2020 erlangen hätte können - zu erreichen. Sie beziehe sich auf die Aussagen des Ministers Faßmann im ORF und in einem "Kurier-Interview", wobei dieser gesagt habe, dass den Studenten kein Nachteil aus der COVID-19-Krise, insbesondere hinsichtlich der Familienbeihilfe entstehen dürfe. Im vorliegenden Fall entstünde der Bf ein Nachteil und eine Ungleichbehandlung, denn andere Studenten dürften in der COVID-19-Krise ohne Nachweis von ECTS-Punkten weiter Familienbeihilfe beziehen. Sie ersuche deshalb im Sinne des "Erlasses" des Ministers zu entscheiden.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde betreffend den Zeitraum 03/2020 bis 04/2020 ab und gab der Beschwerde hinsichtlich des Zeitraumes ab 05/2020 mit der Begründung statt, dass der ausreichende Studienerfolg gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für die Weitergewährung der Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr im Mai 2020 nunmehr erbracht worden sei. Eine Ausnahme aufgrund der COVID-19-Regelung sei für den Zeitraum März bis April 2020 nicht möglich, auch hätte der Studienerfolgsnachweis vor der COVID-Krise erbracht werden können.

Dagegen richtete sich die Bf mit ihrem Vorlageantrag vom . Sie begründete im Wesentlichen wie in ihrer Beschwerde vom und begehrte die Gewährung der Familienbeihilfe auch für März und April 2020. Ihrem Rechtsempfinden nach sei es eine Ungleichbehandlung bzw. Schlechterstellung, wenn anderen Studenten automatisch eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes zur Erbringung "der 16 Punkte Frist" um 3 Monate gewährt werde, hingegen für ihre Tochter im Zeitraum März bis April 2020 kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestünde.

Im Vorlagebericht vom beantragte das FA im Sinne der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden und führte im Wesentlichen aus, dass COVID Sonderregelungen im vorliegenden Fall nicht anzuwenden seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Tochter der Bf, To (geb. am 1998), vollendete am 2016 das 18. Lebensjahr.

Im Zeitraums Oktober 2017 bis September 2018 betrieb die Tochter das Diplomstudium der Rechtswissenschaften, wobei sie Prüfungen im Umfang von 5 ECTS Punkten bzw. 3 Semesterstunden ablegte (Universität Wien: Sammelzeugnis Rechtswissenschaften vom ).

Am wurde die Tochter zum Bachelorstudium "Pferdewissenschaften" zugelassen und geht folglich, seit dem Wintersemester 2019/2020, nur mehr diesem Studium nach.

Laut Bestätigung der Veterinärmedizinischen Universität Wien hat die Tochter im Studienjahr 2019/20 im Bachelorstudium Pferdewissenschaften (in chronologischer Abfolge) bis zum folgende Prüfungen/Lehrveranstaltungen positiv abgelegt bzw. mit Erfolg teilgenommen:


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Titel
Note
Semesterstunden
ECTS Punkte
Prüfungs- / Anerkennungsdatum
Pferderassen und Pferdebeurteilung
mit Erfolg teilgenommen
1,00
0,00
Organisation des Reit- und Rennsports
1
1,00
1,50
Pferdezucht- und Gestütmedizin
mit Erfolg teilgenommen
1,00
0,00
Geschichte der Reiterei und Pferdezucht
2
0,00
1,50
Geschichte der Reiterei und Pferdezucht
mit Erfolg teilgenommen
1,00
0,00
Pferderassen und Pferdebeurteilung
1
0,00
1,50
Pferdezucht und Gestütmedizin
2
1,00
1,50
Naturwissenschaftliche Grundlagen-Physik
mit Erfolg teilgenommen
1,00
0,00
Naturwissenschaftliche Grundlagen-Chemie
3
0,00
4,50
Naturwissenschaftliche Grundlagen-Chemie
mit Erfolg teilgenommen
3,00
0,00
Ethologie des Pferdes
4
1,00
1,50
Zoologie für Pferdewissenschaften
3
2,00
3,00
Klassische Reitlehre und Pferdeausbildung
mit Erfolg teilgenommen
1,00
1,00
Biomechanische Grundlagen der Pferdeausbildung
mit Erfolg teilgenommen
1
1,5

Im Studienjahr 2019/20 legte sie im Bachelorstudium Pferdewissenschaften bis zum Prüfungen im Ausmaß von 10 Semesterstunden ab.

Die Bf bezog bzw. bezieht für Ihre Tochter in den Monaten Oktober 2017 bis September 2018 und seit Mai 2020 Familienbeihilfe.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt basiert auf den jeweils erwähnten und als glaubhaft erachteten Beweismitteln.

Rechtsgrundlagen

(Hervorhebungen erfolgen durch das erkennende Gericht.)

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. (…) Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einerTeilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punktennachgewiesen wird; (…) Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Gemäß § 10 Abs 1 lit b FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt.

Die Familienbeihilfe wirdgemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit je nach Änderung der Sach- und Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa , ).

Der gegenständliche Abweisungsbescheid vom ist ein Sammelbescheid, da er über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Familienbeihilfenanspruchs für die Monate ab März 2019 abspricht. Mangels konkreter Angabe im entsprechenden Feld des Antragsformulars ging das Finanzamt zutreffend vom Beginn des geltend gemachten Anspruches mit März 2020 (ab Antragstellung) aus (vgl. ).

Das Finanzamt gab der Beschwerde der Bf vom mit Beschwerdevorentscheidung vom hinsichtlich des Zeitraums ab Mai 2020 statt. Diese ist insoweit in Rechtskraft erwachsen, nachdem sich der Vorlageantrag gegen die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für März und April 2020 richtet.

Zu prüfen ist somit, ob die Tochter der Bf in den Monaten März und April 2020 als Studentin in Berufsausbildung im Sinne des FLAG stand und der Bf daher für diese Monate Familienbeihilfe zusteht.

Der Bf wurde für den Zeitraum des ersten Studienjahres ihrer Tochter (Oktober 2017 bis September 2018), in dem sie "Rechtswissenschaften" studierte, Familienbeihilfe gewährt. Mit dem im Wintersemester 2019/2020 aufgenommen Bachelorstudium "Pferdewissenschaften" nahm ihre Tochter einen Studienwechsel vor und befand sich insgesamt betrachtet somit im vierten Semester, also zweiten Studienjahr (zum Begriff des Studienjahres: Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG2, § 2 Rz 60). Vorweggenommen werden kann, dass gemäß § 2 Abs 1 lit b Satz 10 FLAG 1967 iVm § 17 StudFG im gegenständlichen Fall kein für den Anspruch auf Familienbeihilfe schädlicher Studienwechsel vorliegt.

Gemäß § 2 Abs 1 lit b Satz 12 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird.

Der Studienerfolgsnachweis ist erbracht, wenn im betriebenen Studium Prüfungen im erforderlichen Ausmaß positiv beurteilt werden. Ist die Benotung nach dem Schulnotensystem unzweckmäßig, hat die positive Beurteilung hat nach § 72 UG "mit Erfolg teilgenommen" zu lauten (Lenneis in Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG2, § 2 Rz 69).

Die Tochter der Bf hat den erforderlichen Studienerfolg nach dem ersten Studienjahr unstrittig nicht nachgewiesen.

Wird der Studienerfolg nach dem ersten Jahr nicht im erforderlichen Ausmaß nachgewiesen, fällt der Anspruch auf Familienbeihilfe weg, bis der Erfolgsnachweis aus einem Studienjahr erbracht wird. Nach gängiger Verwaltungspraxis besteht, wenn im laufenden Jahr der Studienerfolg erreicht wird, wieder Anspruch ab dem Monat, in dem der Studienerfolg aus dem laufenden Studienjahr erbracht wird (Lenneis in Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG2, § 2 Rz 73).

Die Tochter der Bf erreichte im Jänner 2020 den gem. § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 erforderlichen Erfolgsnachweis von acht Semesterwochenstunden. Mit konnte sie laut erhobenem Sachverhalt die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächer ihres betriebenen Studiums "Pferdewissenschaften" im Gesamtumfang von 10 Semesterwochenstunden nachweisen.

Der gängigen Verwaltungspraxis folgend war somit der Beschwerde im Umfang ihrer Anfechtung Folge gegeben zu geben und ist die Familienbeihilfe für die Monate März 2020 und April 2020 zu gewähren.

Hinweis: Da die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nach der Verwaltungspraxis bereits für die Monate Jänner 2020 und Februar 2020 vorliegen, könnte die Bf mittels Antrag ergänzend für die Monate Jänner und Februar 2020 Familienbeihilfe beantragen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lö-sung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Rechtslage im vorliegenden Fall hinsichtlich der gegenständlichen Berücksichtigung der Familienbeihilfe eindeutig ist, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103355.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at