Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung iSd FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***V*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom , mit dem der Antrag vom auf Familienbeihilfe ab Dezember 2018 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
1. Der angefochtene Bescheid wird für die Zeiträume Dezember 2018 bis März 2020 und Juni bis September 2020 aufgehoben.
2. Für den Zeitraum April und Mai 2020 und ab Oktober 2020 bleibt der angefochtene Bescheid unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz BF) ***Bf1*** beantragte am über FinanzOnline die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***A*** ab Beginn des Polizeigrundausbildungslehrganges am .
2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom mit Verweis auf das VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 als unbegründet abgewiesen.
3. Gegen die Abweisung wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben. Nach Rechtsansicht der BF beziehe sich das im Bescheid angeführte VwGH-Erkenntnis auf die 6-monatige grenz- und fremdenpolizeiliche Ausbildung (Greko) und nicht auf die von ihrem Sohn absolvierte 24-monatige Grundausbildung für den Exekutivbereich. Das Erkenntnis sei außerdem nicht auf den gegenständlichen Fall anwendbar, da es eine Unterbrechung der Berufsausbildung und eine Praxisausbildung behandle, welche im Beschwerdefall nicht vorliege. Die BF sieht eine Ungleichbehandlung ihrerseits dadurch, dass ihr Antrag vor Ergehen des zitierten VwGH-Erkenntnisses gestellt worden sei und Anträgen anderer Personen bis dahin stattgegeben worden sei.
4. Am langte ein mit "Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid-Ergänzung" bezeichneter Schriftsatz der BF bei der belangten Behörde ein. Darin wurden Unterschiede der Polizeigrundausbildung zur grenz- und fremdenpolizeilichen Ausbildung herausgearbeitet und eine Anwendbarkeit des zitierte VwGH-Erkenntnis nochmals bestritten.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen, da keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) vorliege.
Neben dem Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG und einer Erläuterung des Begriffes Berufsausbildung im Sinne des FLAG, wurde das Erkenntnis des , angeführt. Darin verneine der VwGH das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziere dies als Berufsausübung. Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert werde.
Im Erkenntnis , habe sich das Bundesfinanzgericht dieser Ansicht angeschlossen und die exekutivdienstliche Ausbildung einer Polizeischülerin ebenfalls als Berufsausübung und nicht als Berufsausbildung gewertet.
6. Mit Schriftsatz vom , persönlich überreicht bei der belangten Behörde am , beantragte die BF die Vorlage der Beschwerde beim Bundesfinanzgericht unter Verweis auf die Ausführungen in der Bescheidbeschwerde.
Darüber hinaus weist die BF darauf hin, dass es sich bei ihrem Sohn um einen Sonderfall eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses mit dem Bund handle. Erst nach Abschluss der zweijährigen Grundausbildung werde ihr Sohn in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis der Verwendungsgruppe E2b überstellt.
7. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung entsprechend der Begründung in der Beschwerdevorentscheidung.
8. Am wurde vom Bundesfinanzgericht ein Vorhalt folgenden Inhalts an die BF verschickt:
"1) Ihr Sohn hat die zweijährige Grundausbildung für den Exekutivdienst am begonnen und offenkundig erfolgreich beendet. Den im AJ-WEB gespeicherten Versicherungsdaten ist zu entnehmen, dass Ihr Sohn ab Angestellter der Landespolizeidirektion ***Z*** war (wie alle anderen Polizeischüler war er wohl aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 Vertragsbediensteter des Bundes). Seit dem ist er öffentlich Bediensteter der LPD ***Z***.
2) Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung sind im beiliegenden Ausbildungsplan näher beschrieben. Allfällige Abweichungen der konkreten Grundausbildung Ihres Sohnes von diesem Ausbildungsplan mögen bekannt gegeben werden.
Die Stundentafel (Seite 9 des Ausbildungsplans) entspricht der Anlage 1 zur Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017.
3) Die Grundausbildung gliedert sich nach den Informationen auf der Homepage des Bundesministeriums für Inneres in die Basisausbildung (12 Monate Theorie), das Berufspraktikum I (3 Monate), die Vertiefung der Basisausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung) und das Berufspraktikum II (4 Monate).
Demzufolge sollte im gegenständlichen Fall die Dienstprüfung am Ende des zweiten Theorie-Ausbildungsblockes und somit bis abgelegt worden sein. Um Übermittlung einer Ablichtung des Dienstprüfungszeugnisses wird ersucht.
4) Es wird um Bekanntgabe ersucht, auf welcher Polizeiinspektion das Berufspraktikum II absolviert wurde und auf welcher Polizeiinspektion Ihr Sohn seit dem eingesetzt wird."
9. Mit E-Mail vom beantwortete die BF den Vorhalt wie folgt:
"Dem Beschluss des BFG entsprechend werden weitere Unterlagen übermittelt, zudem werden die Punkte 1 u. 2 als richtig anerkannt.
Zu den Punkten 3 u. 4 wird mitgeteilt, dass auf Grund der COVID-Pandemie die Dienstprüfung nicht im Juli 2020, sondern erst im September 2020 stattfand.
Situationsbedingt wurde daher das 4 Monate umfassende Berufspraktikum II wie folgt gesplittet:
Monate April/Mai 2020 - Polizeiinspektion ***Y*** (vor Dienstprüfung)
Monate Oktober/November 2020 - Autobahnpolizeiinspektion ***X*** (nach Dienstprüfung)
Nach Abschluss der Ausbildung wurde mein Sohn ***A*** mit auf der Autobahnpolizeiinspektion ***X*** als Exekutivbeamter in Verwendung genommen."
Das Zeugnis vom über die bestandene Dienstprüfung und die erste Seite des Sondervertrages für die exekutivdienstliche Ausbildung wurden ebenfalls übermittelt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der am ***Datum***1998 geborene ***A*** ist bei der BF haushaltszugehörig.
Am begann er die Polizeigrundausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie in ***W*** und befand sich bis in einem - aufgrund eines Sondervertrages nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten - privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Aufgrund der COVID-Pandemie fand die Dienstprüfung nicht im Juli 2020, sondern erst am statt und wurde das 4 Monate umfassende Berufspraktikum II aufgeteilt.
In den Monaten April und Mai 2020 absolvierte er das Berufspraktikum II bei der Polizeiinspektion ***Y***.
Im Oktober und November absolvierte er das Berufspraktikum II bei der Autobahnpolizeiinspektion ***X***, wo er auch nach Beendigung der Grundausbildungszeit eingesetzt wurde.
Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen. Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Z. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.
Der Ausbildungsplan beruht auf einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht.
Ausbildungsziel der Grundausbildungen ist die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff ist entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO).
Die Sicherheitsakademie (SIAK) hat für die in § 1 angeführten Grundausbildungen nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes Grundausbildungslehrgänge bereitzustellen. Die Leitung der Grundausbildungslehrgänge obliegt der SIAK (§ 3 Abs. 1 der VO).
Die Grundausbildungen sind in Form von Grundausbildungslehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge für die jeweilige Grundausbildung sind in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).
Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).
Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).
Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die
1. Basisausbildung (12 Monate Theorie),
2. das Berufspraktikum I (3 Monate),
3. die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
4. das viermonatige Berufspraktikum II.
Ferner werden im Ausbildungsplan Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt beschrieben:
Die Polizeigrundausbildung soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch praxisnahe Lehre unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden jene Kompetenzen vermitteln, die im Kompetenzprofil für den uniformierten Polizeidienst als relevant definiert wurden. Die Schwerpunkte der polizeilichen Grundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens.
BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.
BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE
Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.
VERTIEFUNG - 5 MONATE
Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.
BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE
Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.
In der im Ausbildungsplan ferner enthaltenen Stundentafel werden die in der Anlage 1 zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten wie folgt näher aufgegliedert:
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Lehrgegenstand | Unterrichts-einheiten | Gesamt |
1. PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN | ||
Einführung und Behördenorganisation | 24 | |
Angewandte Psychologie | 48 | |
Kommunikation und Konfliktmanagement | 48 | |
Berufsethik und Gesellschaftslehre | 28 | |
Menschenrechte | 56 | 204 |
2. POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN | ||
Dienstrecht | 40 | |
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre | 240 | |
Straf- und Privatrecht | 172 | |
Verfassungsrecht und Europäische Union | 32 | |
Verkehrsrecht | 176 | |
Verwaltungsrecht | 160 | |
Kriminalistik | 164 | |
Bürokommunikation | 150 | 1134 |
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN | ||
Modulares Kompetenztraining | 160 | |
Einsatztraining | 424 | |
Sport | 120 | |
Erste Hilfe | 16 | |
Fremdsprachen | 4 | |
Themenzentrierter Unterricht | 82 | 806 |
4. BERUFSPRAKTIKUM | 468 | |
Summe | 2612 |
(Quelle: https://bmi.gv.at/104/Beruf_und_Karriere/start.aspx).
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensgang angeführten Aktenteilen, den Angaben des BF, den und dem im Internet veröffentlichten Grundausbildungsplan für den Exekutivdienst sowie den aus dem AJ-WEB ersichtlichen Versicherungsdaten.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Zu klären ist im vorliegenden Fall, ob die Grundausbildung für den Exekutivdienst eine Berufsausbildung im Sinne des Famlilienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) darstellt.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.
Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG ausgehen zu können. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, hat der Verwaltungsgerichtshof diese in der Rz 11 wie folgt zusammengefasst:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung (). Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).
Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass bei einer "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt (Rz 32).
Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle (Rz 26, 27). Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle (Rz 28).
Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.
Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikums I noch keine Berufsausübung darstellt.
Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.
Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar.
Beim Berufspraktikum II (nach der Dienstprüfung) liegt bereits eine Berufsausübung als Polizist vor, da dieses nach der Dienstprüfung erfolgt und einer Einschulung am Arbeitsplatz gleichzusetzen ist.
Der Sohn der BF hat im Dezember 2018 mit der Basisausbildung im Exekutivdienst begonnen. Somit liegt iSd Erkenntnisse des VwGH eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ab Dezember 2018 bis zur Ablegung der Dienstprüfung im September 2020 für die ersten drei Teile der Ausbildung vor.
Davon ausgenommen sind die Monate April und Mai 2020, in denen die Hälfte des Berufspraktikums II absolviert wurde, das -wie oben ausgeführt- keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt.
Insgesamt besteht somit in der 24-monatigen Grundausbildungszeit ein Beihilfenanspruch im Umfang von 20 Monaten.
Der bekämpfte Bescheid ist daher spruchgemäß bezüglich der Zeiträume Dezember 2018 bis März 2020 und Juni bis September 2020 aufzuheben.
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.
Ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 vorliegen, wird das Finanzamt zu berücksichtigen haben.
Steht wie im beschwerdegegenständlichen Fall Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Auflage 2020, § 26 Rz 3 mwN).
Hält die Antragstellerin die zur Auszahlung kommende Familienbeihilfe für falsch, kann diese einen Antrag auf Auszahlung eines anderen Betrages stellen, über den dann das Finanzamt gesondert abzusprechen haben wird. Gegen diese Entscheidung des Finanzamtes kann wieder Beschwerde erhoben werden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis folgt der Rechtsprechung des , zur Frage der Berufsausbildung iSd FLAG 1967. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101772.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at