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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2021, RV/1100196/2020

Aus der Schweiz als Einmalzahlung bezogene Freizügigkeitsleistung - Drittelbegünstigung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache des Bf., N-Straße-xx, Gde X, vertreten durch die XYZ GmbH & Co KG, F-Straße-xy, Gd Y, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Z (nunmehr: Österreich), S-Straße-zz, Ge Z, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2015 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Der am abc geborene und im Inland ansässige Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war bis als Grenzgänger bei der Fa. GL AG in der Schweiz unselbständig beschäftigt.

Das Vorsorgeguthaben der 2. Säule (berufliche Vorsorge, Pensionskasse) wurde bei Beendigung dieses Schweizer Dienstverhältnisses von der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung auf ein Freizügigkeitskonto der Freizügigkeitsstiftung der AA AG in CH-L überwiesen. In der Folge wurde antragsgemäß der überobligatorische Anteil des Freizügigkeitsguthabens (samt Zinsen) iHv 151.439,80 CHF (= 139.683,67 €) abzüglich der Quellensteuer im Betrage von 10.127,60 CHF (= 9.341,40 €) per an den Bf. mittels Banküberweisung ausbezahlt (Auszahlungsbetrag: 141.312,20 CHF bzw. 130.342,27 €; siehe diesbezügliche Abrechnung der Freizügigkeitsstiftung).

Mit Erkenntnis vom , RV/1100639/2016, hat das Bundesfinanzgericht über die gegenständliche Beschwerde stattgebend entschieden. Auf den in diesem Erkenntnis dargestellten Gang des Verwaltungsverfahrens wird verwiesen.

Auf Grund der (außerordentlichen) Revision des Finanzamtes Z vom wurde dieses BFG-Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom , Ra 2019/15/0091-5, wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses trat die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG).

Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG). Bei seiner neuerlichen Entscheidung ist das Bundesfinanzgericht somit an die Rechtsanschauung des Höchstgerichtes gebunden. Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auf jene Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat, sowie auf solche Fragen, die notwendige Voraussetzung für den Inhalt des aufhebenden Erkenntnisses sind (vgl. zB ; , jeweils mwN).

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:

Im gegenständlichen Fall bestand allein (noch) Streit darüber, ob die aus der Schweiz als Einmalbetrag bezogene Freizügigkeitsleistung eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" darstellt und folgedessen zu einem Drittel (46.561,22 €) steuerfrei zu belassen ist. Im Konkreten war strittig, ob der Bf. in diesem Zusammenhang ein begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen Kapital und Rente hatte.

Im Hinblick auf den Sachverhalt und dessen rechtlichen Würdigung wird zunächst auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100639/2016, verwiesen. Der im Vorverfahren festgestellte und unstrittige Sachverhalt und die bereits im ersten Rechtsgang unter Verweis auf , dargestellten Rechtsgrundlagen sind auch diesem Verfahren zu Grunde zu legen bzw. bilden insoweit einen integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0091-5, unter Verweis auf das Erkenntnis vom selben Tag, Ra 2019/15/0043, ua. Folgendes zu Recht erkannt:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. , mit weiteren Nachweisen).

Im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem vergleichbaren, allerdings die liechtensteinische Gesetzeslage betreffenden, Fall ausgesprochen, entscheidend sei, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice hätte aufrecht erhalten werden können (vgl. auch ). Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers, sondern von einem "privaten Versicherungsunternehmen" erfolgt, steht der Annahme eines Wahlrechtes nicht entgegen, sofern ein Verbleib innerhalb des ausländischen Vorsorgesystems trotz Beendigung der Auslandstätigkeit möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.

In Verkennung der Rechtslage hat das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob der Mitbeteiligten nach der schweizerischen Rechtslage und der hiezu in der Schweiz gepflogenen Interpretation sowie den tatsächlichen Gegebenheiten eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre."

Diesen höchstgerichtlichen Feststellungen Rechnung tragend hat das Bundesfinanzgericht entsprechende Auskunftsersuchen an den Schweizerischen Pensionskassenverband (ASIP), das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), die Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge (OAK BV), die Finanzmarktaufsicht sowie den Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) gerichtet und die daraufhin eingegangenen Antwortschreiben (die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht und der Schweizerische Versicherungsverband haben sich für nicht zuständig erklärt; im Hinblick auf die angesprochenen Auskunftsersuchen und Antwortschreiben wird auf die umfangreichen Ausführungen in , , und , verwiesen) der Abgabenbehörde mit dem Hinweis zur Stellungnahme übermittelt, dass daraus seiner Ansicht nach eine Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Anspruches auf eine Altersrente nicht abgeleitet werden könne und, sofern die Abgabenbehörde weiterhin vom Bestehen eines begünstigungsschädlichen Wahlrechtes ausgehen sollte, konkrete Versicherungsgesellschaften namhaft zu machen seien, die tatsächlich Freizügigkeitspolicen mit Anspruch auf eine spätere Auszahlung in Rentenform auf dem freien Markt angeboten hätten (vgl. die entsprechende E-Mail des ).

In weiterer Folge hat die Abgabenbehörde 33 liechtensteinische und schweizerische Versicherungsunternehmen (einschließlich schweizerischer Versicherungsunternehmen die in Liechtenstein im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugelassen sind) um Beantwortung nachstehender Fragen ersucht:

"1. Bietet oder bot Ihr Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit die Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung (also mit Anspruch auf spätere Auszahlung in Rentenform) als eigenes Versicherungsprodukt an?

2. Sollte Frage 1 zu verneinen sein: Besteht bzw. bestand in der Vergangenheit dennoch die Möglichkeit, den Vorsorgeschutz in Rentenform durch Abschluss einer Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung im Wege eines individuellen Einzelvertrages aufrecht zu erhalten?"

Von 24 der 33 angeschriebenen Versicherungsunternehmen erhielt die Abgabenbehörde eine Rückmeldung. Davon verneinten 22 Versicherungsunternehmen beide Fragen, ein Versicherungsunternehmen verneinte die erste Frage und beantwortete die zweite Frage unter Verweis auf deren Allgemeincharakter und einer deshalb aus seiner Sicht notwendigen Abstimmung mit der liechtensteinischen Steuerverwaltung nicht. Ein weiteres Versicherungsunternehmen erachtete eine Beantwortung der Fragen nur im Wege eines Rechtshilfeersuchens als zulässig (vgl. die diesbezügliche E-Mail der Abgabenbehörde vom ).

Zusammenfassend gesehen haben die durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bezüglich der Austrittsleistung (Freizügigkeitsleistung) im Falle des endgültigen Verlassens der Schweiz eine Möglichkeit bestanden hätte, den Vorsorgeschutz mit Anspruch auf eine spätere Rentenzahlung durch den Abschluss einer Freizügigkeitspolice aufrechtzuerhalten.

Der Bf. war im Zeitpunkt der Kündigung seines Dienstverhältnisses zur Fa. GL AG 54 Jahre alt und war daher auch eine vorzeitige Pensionierung in der beruflichen Vorsorge nicht möglich. Mit Beendigung des Dienstverhältnisses wurde das bestehende Vorsorgeverhältnis mit der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin aufgelöst. Der Bf. hat damit die Vorsorgeeinrichtung (die Pensionskasse) verlassen, bevor ein Vorsorgefall eingetreten war (Freizügigkeitsfall). Demzufolge hatte er Anspruch auf eine Austrittsleistung nach Art. 2 FZG (Freizügigkeitsleistung) und konnte schließlich (bei endgültigem Verlassen der Schweiz) eine Barauszahlung des überobligatorischen Anteils an der Austrittsleistung verlangen.
Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen war nunmehr zweifelsfrei davon auszugehen, dass dem Bf. (de facto) weder zum Zeitpunkt der Überweisung des Altersguthabens auf das Freizügigkeitskonto noch zum Zeitpunkt der Auszahlung des Kapitals die Möglichkeit offenstand, den (ausländischen) Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice aufrecht zu erhalten (vgl. dazu auch ; ; ; ).

Da der Bf. sohin - wie oben aufgezeigt - kein (begünstigungsschädliches) Wahlrecht zwischen Kapital und Rente im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hatte, war die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung anzuwenden und sohin dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren Folge zu geben.

Was den (unstrittigen) Beschwerdepunkt "Nichtberücksichtigung der VGKK-Beiträge iHv 1.261,01 € als Werbungskosten" anlangt, schließt sich der erkennende Richter - wie bereits im Vorverfahren - der (stattgebenden) Beurteilung bzw. Vorgehensweise der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung vom an.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall war über die Beschwerde im fortgesetzten Verfahren nach Aufhebung des Vorerkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden und damit die vom Höchstgericht vorgegebene Rechtslage nach Durchführung beauftragter Sachverhaltsermittlungen herzustellen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren damit nicht berührt und ist damit eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100196.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at