Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2021, RV/1100218/2020

Aus der Schweiz als Einmalzahlung bezogene Freizügigkeitsleistung - Drittelbegünstigung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache des Bf., T-Straße-xx, Gde X, vertreten durch die XY GmbH, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, S-Straße-xy, GDe Y, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Y (nunmehr: Österreich), E-Straße-yy, GDe Y, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2018 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe betragen:


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Die Einkommensteuer für das Jahr 2018 wird festgesetzt mit:
Das Einkommen im Jahr 2018 beträgt:
49.871,00 €
176.951,61
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit:
AB AG & Co KG
Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug
Pendlerpauschale laut Lohnzettel
Pendlerpauschale laut Veranlagung
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag
Pauschbetrag für Werbungskosten

37.851,54 €
154.657,58 €
0,00 €
- 1.836,00 €

- 12.897,51 €
- 132,00 €







177.643,61 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
177.643,61 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
Zuwendungen gem. § 18 (1) Z 7 EStG 1988
Kirchenbeitrag

- 60,00 €
- 32,00 €
0,00 €
Kinderfreibetrag für ein haushaltzugehöriges Kind gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988
- 600,00 €
Einkommen
176.951,61 €
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
0% für die ersten 11.000,00
25% für die weiteren 7.000,00
35% für die weiteren 13.000,00
42% für die weiteren 29.000,00
48% für die weiteren 30.000,00
50% für die restlichen 86.951,61

0,00 €
1.750,00 €
4.550,00 €
12.180,00 €
14.400,00 €
43.475,81 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
76.355,81 €
Verkehrsabsetzbetrag
Pendlereuro
- 400,00 €
- 187,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
75.768,81 €
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:
0 % für die ersten 620,00
6% für die restlichen 9.670,53

0,00 €
580,23 €
Einkommensteuer
76.349,04 €
Ausländische Steuer
Anrechenbare Lohnsteuer (260)
- 13.393,44 €
- 13.084,65 €
0,05 €
Festgesetzte Einkommensteuer
49.871,00 €


Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe


Der am abc geborene und im Inland ansässige Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) war bis als Grenzgänger bei der Fa. KB AG in der Schweiz und in weiterer Folge (ab ) im Inland bei der Fa. AB AG & Co KG in Ge T unselbständig beschäftigt.

Mit Beendigung des Schweizer Dienstverhältnisses wurde das Vorsorgeverhältnis mit der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin (EB-Sammelstiftung, CH-GDE L) vor Eintritt eines Vorsorgefalles aufgelöst.
Die Austrittsleistung betreffend die obligatorische berufliche Vorsorge betrug insgesamt 203.048,40 CHF (= 173.162,51 €); davon wurde der überobligatorische Anteil iHv 160.756,80 CHF (= 137.095,64 €) zuzüglich Zinsen (477,80 CHF bzw. 407,47 €) und abzüglich der Quellensteuer im Betrage von 11.165,85 CHF (= 9.522,39 €) per an den Bf. mittels Banküberweisung ausbezahlt und der Restbetrag der Austrittsleistung (BVG-Anteil) iHv 42.291,60 CHF (= 36.066,87 €) in eine Freizügigkeitspolice (mit Kapitalauszahlung) bei der RN AG (Nr. 12345) einbezahlt. Die oben erwähnte Quellensteuer wurde in weiterer Folge über Antrag des Bf. rückerstattet.
Die Austrittsleistung betreffend die außerobligatorische berufliche Vorsorge betrug 13.729,40 CHF (= 11.708,62 €) und ist per samt Zinsen iHv 86,55 CHF bzw. 73,81 € (Überweisungsbetrag gesamt: 13.815,95 CHF bzw. 11.782,44 €) auf ein Freizügigkeitskonto bei der Stiftung XYZ (Nr. 678910) überwiesen worden.

Nach Einlangen seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 samt Beilagen veranlagte das Finanzamt den Bf. mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2018; dabei unterzog die Abgabenbehörde den dem Bf. ausbezahlten überobligatorischen Anteil an der Austrittsleistung iHv gesamt 161.234,60 CHF (= 137.503,12 €) ohne Gewährung der Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zur Gänze der Einkommensteuer und begründete dies im Wesentlichen damit, dass nach der derzeitigen Verwaltungspraxis von einem für die Anwendung dieser Drittelbegünstigung schädlichen Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente auszugehen sei. Im Übrigen habe auch der Verwaltungsgerichtshof in einem jüngst ergangenen Erkenntnis ausgesprochen, dass die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch zur Folge habe, dass eine dennoch erfolgte Kapitalabfindung als begünstigungsschädlich zu beurteilen sei (Verweis auf , Tz 12).

Mit Beschwerde vom wandte sich die steuerliche Vertretung des Bf. in dessen Namen und Auftrag gegen die nicht gewährte Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 für den im Jahr 2018 ausbezahlten Anteil an der Austrittsleistung, begehrte in diesem Zusammenhang, dass ein Drittel davon (d.s. 53.744,87 CHF bzw. 45.834,38 €) steuerfrei gestellt werde, und verzichtete gemäß § 262 BAO auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung. Nach entsprechenden Angaben zum Sachverhalt wie auch zu den rechtlichen Grundlagen (auf die diesbezüglichen Ausführungen wird an dieser Stelle verwiesen) führte sie Folgendes begründend aus:
""Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. , mit Hinweis auf , und ; ebenso jüngst , und ). Bei fehlender Alternative zur Inanspruchnahme einer Abfindungszahlung soll dadurch eine tarifmäßige Besteuerung vermieden werden (vgl. ). Eine "Abfindung" eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sohin nicht vor, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen der Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) andererseits eingeräumt ist (vgl. , und ). Wiederholt hat der Verwaltungsgerichtshof in Fällen, in denen das Vorsorgeverhältnis mit der beruflichen Pensionskasse des bisherigen Dienstgebers vor Eintritt des Vorsorgefalles beendet und in der Folge eine Tätigkeit in Österreich aufgenommen wurde, auch ausgesprochen, dass die Besteuerung des im Zusammenhang mit dem "endgültigen Verlassen der Schweiz" ausbezahlten "Altersguthabens" als Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 rechtmäßig ist (vgl. . Ra 2018/15/0086, mit Verweis auf , , und ). Auf Grundlage der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hat das Bundesfinanzgericht mehrfach die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeit zur Übertragung der Austrittsleistung auf eine Freizügigkeitspolice kein begünstigungsschädliches Wahlrecht im Sinne einer "obligatio alternativa" darstelle, da kein Anspruch auf Verbleib in der Pensionskasse und den (späteren) Bezug einer Altersrente bestehe (vgl. ua. , , und ). Auch könne der bei einer Freizügigkeitspolice auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhende Rentenanspruch nicht mit einem gesetzlichen Rentenanspruch gleichgestellt werden (vgl. ; )."
Zusammengefasst kann daher festgestellt werden, dass aufgrund des fehlenden Wahlrechts zwischen einer Kapitalabfindung und einem Rentenanspruch die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG auf die gesamte Barauszahlung der (überobligatorischen) Austrittsleistung anzuwenden ist. Auch bei einer Übertragung der Austrittsleistung auf eine Freizügigkeitspolice hätte der Abgabenpflichtige keinen Rentenanspruch erwerben können, da derartige Produkte am Markt nicht angeboten werden.""

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die in Rede stehende Beschwerde schließlich - wie dem Bf. mitgeteilt wurde - direkt (ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor; dabei gab die Abgabenbehörde nach entsprechenden Sachverhaltsdarstellungen folgende Stellungnahme ab:
""Gemäß § 124b Z 53 EStG sind Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen. Es ist daher auf den gegenständlichen Sachverhalt bezogen zu untersuchen, ob sämtliche sich aus dem Gesetzestext ergebende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann § 124b Z 53 EStG bei einem freien Wahlrecht zwischen Rente und Kapitalabfindung nicht zur Anwendung kommen, da ein solches Wahlrecht das Vorliegen einer Pensionsabfindung im Sinne des Einkommensteuergesetzes ausschließt (vgl. ). Gemäß Art. 4 des Schweizer Freizügigkeitsgesetzes (FZG) haben Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen. Gemäß Art. 10 der Schweizer Freizügigkeitsverordnung (FZV) wird der Vorsorgeschutz durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten.
Freizügigkeitspolicen im Sinne dieser Bestimmung sind besondere, ausschließlich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- und Rentenversicherungen, einschließlich allfälliger Zusatzversicherungen für den Todes- und Invaliditätsfall bei einer Versicherungseinrichtung. Herr
Bf hatte aufgrund der genannten gesetzlichen Bestimmungen anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung (anlässlich der Beendigung seiner Grenzgängertätigkeit) die Möglichkeit, den Vorsorgeschutz auch im Wege einer Freizügigkeitspolice aufrecht zu erhalten und die späteren Altersleistungen in Rentenform zu beziehen. Damit stand Herrn Bf ein schädliches Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente zu.
Auch die ins Treffen geführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluss vom , Ra 2016/15/0025, der ebenfalls eine Person betroffen hat, die zunächst in der Schweiz beschäftigt war und sodann in Österreich eine nichtselbständige Tätigkeit aufgenommen hat, dargelegt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Besteuerung eines "Altersguthabens", das im Zusammenhang mit dem "endgültigen Verlassen der Schweiz" ausbezahlt wird, als Pensionsabfindung iSd § 124b Z 53 EStG 1988 nicht als rechtswidrig erachtet wird (vgl. ; , 2006/15/0258).
Ob in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall der Vorsorgeschutz in der Schweiz mit späterem Rentenanspruch hätte aufrechterhalten werden können, war nicht Gegenstand der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof. Das Höchstgericht stellt im angeführten Erkenntnis dennoch fest: "Hätte ein derartiger Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch aufrechterhalten werden können, wäre eine dennoch erfolgte Kapitalabfindung als begünstigungsschädlich zu beurteilen."
Dass die aufgrund der sich aus den im gegenständlichen Fall anzuwendenden Schweizer Rechtsvorschriften (Art. 4 Abs. 1 FZG iVm Art. 10 FZV) ergebende Möglichkeit, den Vorsorgeschutz im Wege einer Freizügigkeitspolice entweder als Kapital- oder als Rentenversicherung aufrecht zu erhalten, in der Praxis nicht bestehe, ist nicht nachvollziehbar, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine Lebensversicherung, so wie jedes andere wirtschaftlich tätige Unternehmen, daran interessiert ist, alle ihr sich bietenden Gelegenheiten, durch zusätzliche Geschäftsabschlüsse zum Gewinn ihres Unternehmens beizutragen, jederzeit wahrnimmt, zumal Rentenversicherungen geradezu typische Lebensversicherungsprodukte sind. Es ist deshalb als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung (bzw. danach gemäß Art. 12 Abs. 2 FZV durch Wechsel der Vorsorgeform bis zu seiner Pensionierung) bei einer Lebensversicherung eine Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung hätte abschließen können, entweder indem eine Lebensversicherung diese Vorsorgeform als Produkt angeboten hat oder im Wege eines als Freizügigkeitspolice zu wertenden Einzelvertrages (die Möglichkeit der Übertragung auf eine Rentenversicherung mit Auszahlung einer Rente ab Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters wurde vom BFG in einem ansonsten gleichgelagerten Falles eines Grenzgängers nach Liechtenstein, wobei die Rechtslage in Liechtenstein im Wesentlichen jener der Schweiz entspricht, im Erkenntnis vom , RV/1100359/2016, als unstrittig festgestellt; ungeachtet der Aufhebung dieses Erkenntnisses mit Entscheidung des -3, geht das Finanzamt weiterhin davon aus, dass die Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes in Rentenform auch nach den tatsächlichen Gegebenheiten durch entsprechende Disposition des Steuerpflichtigen in derartigen Fällen möglich war, vgl. https://www.cash.ch/ratgeber/strategie/das-vorsorgegeld-richtig-parkieren-413346 , wobei sich aus der Beantwortung der Frage "Ist bei der Pensionierung ein Rentenbezug anstatt einer Auszahlung des Freizügigkeitskontos möglich?" ergibt, dass bei einigen Freizügigkeitsstiftungen ein Rentenbezug für das überobligatorische Kapital möglich sei, wenn auch zu tieferen Umwandlungssätzen als bei der Pensionskasse).""

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:


Aufgrund der Aktenlage wird der Entscheidung folgender Sachverhalt als entscheidungswesentlich zugrundgelegt:

Der am abc geborene Bf. ist österreichischer Staatsbürger und hatte seinen Wohnsitz im Streitjahr unstrittig in Österreich; außer Streit stand in diesem Zusammenhang, dass er im Inland ansässig war. Er war bis als Grenzgänger bei der Fa. KB AG in der Schweiz und in weiterer Folge (ab ) im Inland bei der Fa. AB AG & Co KG in Ge T unselbständig beschäftigt.

Mit Beendigung des Schweizer Dienstverhältnisses wurde das Vorsorgeverhältnis mit der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin (EB-Sammelstiftung, CH-GDE L) vor Eintritt eines Vorsorgefalles aufgelöst.
Die Austrittsleistung betreffend die obligatorische berufliche Vorsorge betrug insgesamt 203.048,40 CHF (= 173.162,51 €); davon wurde der überobligatorische Anteil iHv 160.756,80 CHF (= 137.095,64 €) zuzüglich Zinsen (477,80 CHF bzw. 407,47 €) und abzüglich der Quellensteuer im Betrage von 11.165,85 CHF (= 9.522,39 €) per an den Bf. mittels Banküberweisung ausbezahlt und der Restbetrag der Austrittsleistung (BVG-Anteil) iHv 42.291,60 CHF (= 36.066,87 €) in eine Freizügigkeitspolice (mit Kapitalauszahlung) bei der RN AG (Nr. 12345) einbezahlt. Die obgenannte Quellensteuer wurde in weiterer Folge über Antrag des Bf. rückerstattet.
Die Austrittsleistung betreffend die außerobligatorische berufliche Vorsorge betrug 13.729,40 CHF (= 11.708,62 €) und ist per samt Zinsen iHv 86,55 CHF bzw. 73,81 € (Überweisungsbetrag gesamt: 13.815,95 CHF bzw. 11.782,44 €) auf ein Freizügigkeitskonto bei der Stiftung XYZ (Nr. 678910) überwiesen worden (vgl. entsprechende Übersichten der Austrittsleistungen der EB-Sammelstiftung, die Freizügigkeitspolice und die Eröffnungsbestätigung der Stiftung XYZ).

Zur Frage, ob zum Zeitpunkt der Auszahlung des überobligatorischen Anteils der Austrittsleistung an den Bf. die Möglichkeit bestand, den Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch aufrechtzuerhalten, ist Folgendes zu sagen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrere Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes, mit welchen ua. im Zusammenhang mit dem endgültigen Verlassen der Schweiz ausbezahlte Freizügigkeitsleistungen als gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 begünstigte Pensionsabfindungen beurteilt wurden, wegen prävalierender Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Dabei hat das Höchstgericht beispielhaft mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0043 (siehe ua. auch ; ; ; ), Folgendes zu Recht erkannt:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. , mit weiteren Nachweisen).
Im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem vergleichbaren, allerdings die liechtensteinische Gesetzeslage betreffenden, Fall ausgesprochen, entscheidend sei, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice hätte aufrecht erhalten werden können (vgl. auch ). Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers, sondern von einem "privaten Versicherungsunternehmen" erfolgt, steht der Annahme eines Wahlrechtes nicht entgegen, sofern ein Verbleib innerhalb des ausländischen Vorsorgesystems trotz Beendigung der Auslandstätigkeit möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.
In Verkennung der Rechtslage hat das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob der Mitbeteiligten nach der schweizerischen Rechtslage und der hiezu in der Schweiz gepflogenen Interpretation sowie den tatsächlichen Gegebenheiten eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre."

Diesen höchstgerichtlichen Feststellungen Rechnung tragend hat das Bundesfinanzgericht entsprechende Auskunftsersuchen an den Schweizerischen Pensionskassenverband (ASIP), das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), die Oberaufsichtskommission berufliche Vorsorge (OAK BV), die Finanzmarktaufsicht sowie den Schweizerischen Versicherungsverband (SVV) gerichtet und die daraufhin eingegangenen Antwortschreiben (die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht und der Schweizerische Versicherungsverband haben sich für nicht zuständig erklärt; im Hinblick auf die angesprochenen Auskunftsersuchen und Antwortschreiben wird auf die umfangreichen Ausführungen in , , und , verwiesen) der Abgabenbehörde mit dem Hinweis zur Stellungnahme übermittelt, dass daraus seiner Ansicht nach eine Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Anspruches auf eine Altersrente nicht abgeleitet werden könne und, sofern die Abgabenbehörde weiterhin vom Bestehen eines begünstigungsschädlichen Wahlrechtes ausgehen sollte, konkrete Versicherungsgesellschaften namhaft zu machen seien, die tatsächlich Freizügigkeitspolicen mit Anspruch auf eine spätere Auszahlung in Rentenform auf dem freien Markt angeboten hätten (vgl. die entsprechende E-Mail des ).

In weiterer Folge hat die Abgabenbehörde 33 liechtensteinische und schweizerische Versicherungsunternehmen (einschließlich schweizerischer Versicherungsunternehmen die in Liechtenstein im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugelassen sind) um Beantwortung nachstehender Fragen ersucht:

"1. Bietet oder bot Ihr Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit die Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung (also mit Anspruch auf spätere Auszahlung in Rentenform) als eigenes Versicherungsprodukt an?
2. Sollte Frage 1 zu verneinen sein: Besteht bzw. bestand in der Vergangenheit dennoch die Möglichkeit, den Vorsorgeschutz in Rentenform durch Abschluss einer Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung im Wege eines individuellen Einzelvertrages aufrecht zu erhalten?"

Von 24 der 33 angeschriebenen Versicherungsunternehmen erhielt die Abgabenbehörde eine Rückmeldung. Davon verneinten 22 Versicherungsunternehmen beide Fragen, ein Versicherungsunternehmen verneinte die erste Frage und beantwortete die zweite Frage unter Verweis auf deren Allgemeincharakter und einer deshalb aus seiner Sicht notwendigen Abstimmung mit der liechtensteinischen Steuerverwaltung nicht. Ein weiteres Versicherungsunternehmen erachtete eine Beantwortung der Fragen nur im Wege eines Rechtshilfeersuchens als zulässig (vgl. die diesbezügliche E-Mail der Abgabenbehörde vom ).

Zusammenfassend gesehen haben die durchgeführten Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bezüglich der Austrittsleistung (Freizügigkeitsleistung) im Falle des endgültigen Verlassens der Schweiz eine Möglichkeit bestanden hätte, den Vorsorgeschutz mit Anspruch auf eine spätere Rentenzahlung durch den Abschluss einer Freizügigkeitspolice aufrechtzuerhalten.

Bezogen auf den konkreten Fall war daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung davon auszugehen, dass dem Bf. zum Zeitpunkt der Auszahlung des überobligatorischen Anteils der Austrittsleistung (de facto) nicht die Möglichkeit offenstand, den (ausländischen) Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch aufrecht zu erhalten.

Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:

Im gegenständlichen Fall bestand allein Streit darüber, ob der im Streitjahr aus der Schweiz als Einmalbetrag bezogene überobligatorische Anteil der Austrittsleistung iHv gesamt 161.234,60 CHF (= 137.503,12 €) eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" darstellt und folgedessen zu einem Drittel (53.744,87 CHF bzw. 45.834,38 €) steuerfrei zu belassen ist. Im Konkreten ist strittig, ob der Bf. im Zeitpunkt der Auszahlung dieser Austrittsleistung ein begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen Kapital und Rente hatte.

Das Bundesfinanzgericht hat dazu zuletzt mit Entscheidung vom , RV/1100601/2016, streitwesentlich ua. Folgendes festgestellt:

""§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002, lautet:
"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

Der letzte Satz wurde der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 mit BGBl. I Nr. 54/2002 angefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wird dazu ausgeführt:
"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern".

Nach Art. 13 Abs. 1 des Schweizer Bundesgesetzes vom über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) haben Männer, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben und Frauen, die das 64. Altersjahr zurückgelegt haben, Anspruch auf Altersleistungen. Abweichend davon können nach Art. 13 Abs. 2 BVG die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass der Anspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit entsteht.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 BVG werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement nach Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG jedoch vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten an Stelle einer Rente eine Kapitalabfindung wählen können.

Nach Art. 2 Abs. 1 des Schweizer Bundesgesetzes vom über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz, FZG) haben Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), Anspruch auf eine Austrittsleistung.

Die Austrittsleistung wird mit dem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung fällig (Art. 2 Abs. 3 FZG). Treten Versicherte in eine neue Vorsorgeeinrichtung ein, so hat gemäß Art. 3 Abs. 1 FZG die frühere Vorsorgeeinrichtung die Austrittsleistung an die neue zu überweisen. Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, haben gemäß Art. 4 Abs. 1 FZG ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen, in welcher zulässigen Form sie den Vorsorgeschutz erhalten wollen.

Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung vom über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsverordnung, FZV) wird der Vorsorgeschutz durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten. Als Freizügigkeitspolicen gelten besondere, ausschließlich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Kapital- oder Rentenversicherungen, einschließlich allfälliger Zusatzversicherungen für den Todes- oder Invaliditätsfall bei einer dort angeführten Versicherungseinrichtung (Art. 10 Abs. 2 FZV), als Freizügigkeitskonten besondere, ausschließlich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Verträge mit einer Stiftung, welche die Voraussetzungen nach Art. 19 erfüllt (Art. 10 Abs. 3 FZV).

Gemäß Art. 5 Abs. 1 FZG können Versicherte die Barauszahlung der Austrittsleistung ua. verlangen, wenn sie die Schweiz endgültig verlassen (lit. a). Dies gilt nach Art. 25f Abs. 1 FZG ua. nicht, wenn sie nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft für die Risiken Alter, Tod und Invalidität weiterhin obligatorisch versichert sind (lit. a).

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. ua. , , und , mwN). Begünstigungsschädlich ist sohin eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Rentenbezug und einer Kapitalauszahlung (vgl. , sowie jüngst bis 0183).

In Fällen, in denen das Vorsorgeverhältnis mit der betrieblichen Pensionskasse des bisherigen Schweizer bzw. liechtensteinischen Dienstgebers infolge der Beendigung des Dienstverhältnisses vor Eintritt des Vorsorgefalles beendet wurde, ist daher, wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, entscheidend, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice hätte aufrechterhalten werden können (betreffend Liechtenstein vgl. ua. , und ; betreffend die Schweiz vgl. ua. , mwN, und , mwN). Es könne nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung ausgegangen werden, wenn dem Abgabepflichtigen nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen (vgl. , mwN).""

Der erkennende Richter schließt sich diesen Überlegungen und Einschätzungen an.

Der Bf. war im Zeitpunkt der Beendigung seines Schweizer Dienstverhältnisses 43 Jahre alt und war daher auch eine vorzeitige Pensionierung in der beruflichen Vorsorge nicht möglich. Mit Beendigung des Dienstverhältnisses wurde das bestehende Vorsorgeverhältnis mit der Pensionskasse seiner bisherigen Schweizer Arbeitgeberin aufgelöst. Der Bf. hat damit die Vorsorgeeinrichtung (die Pensionskasse) verlassen, bevor ein Vorsorgefall eingetreten war (Freizügigkeitsfall). Demzufolge hatte er Anspruch auf eine Austrittsleistung nach Art. 2 FZG (Freizügigkeitsleistung) und konnte (bei endgültigem Verlassen der Schweiz) eine Barauszahlung des überobligatorischen Anteils an der Austrittsleistung verlangen.
Entsprechend der obigen Ausführungen war zweifelsfrei davon auszugehen, dass dem Bf. zum Zeitpunkt der Auszahlung dieses Kapitals (de facto) nicht die Möglichkeit offenstand, den (ausländischen) Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung im Rahmen einer Freizügigkeitspolice aufrecht zu erhalten (vgl. dazu auch ; ; ; ; ).
Da der Bf. sohin kein (begünstigungsschädliches) Wahlrecht zwischen Kapital und Rente im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung hatte, war die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung anzuwenden und sohin dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren Folge zu geben.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Die im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen beschränkten sich einerseits auf Rechtsfragen, welche bereits in der bisherigen (oben zitierten) VwGH-Rechtsprechung beantwortet wurden. Im Übrigen hing der Beschwerdefall von der Lösung von nicht über den Einzelfall hinausgehenden Sachverhaltsfragen ab. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100218.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at