Grunderwerbsteuer: Zusammenrechnung bei mehreren unentgeltlichen Erwerben
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Adr_Bf, vertreten durch RA, Adr_RA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamtes Österreich ) vom betreffend Grunderwerbsteuer, ERfNr., St.Nr. 10-StNr.,zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt/Verfahrensgang
I.1. Die Beschwerdeführerin (Bf), ihr Vater V und ihre Schwester S sind gesetzliche Erben der am verstorbenen Mutter der Bf, M. Als solche waren sie zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft GB_1 in K. Darüber hinaus stand ihnen zu je einem Drittel das Vermächtnis an der Liegenschaft GB_2 in K zu, betreffend welche M ihrerseits Vermächtnisnehmerin nach ihrem 2016 verstorbenen Vater war.
Für den Erwerb des Drittelanteils der Bf an der Liegenschaft GB_2 erfolgte am die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer iHv € 10.091,03. Da aufgrund eines Vorerwerbs, der ebenfalls von Todes wegen von der Mutter erfolgte, die ersten beiden Tarifstufen des § 7 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1987 aufgebraucht waren, wurde diese Steuer mit 3,5 % berechnet.
I.2. Am schloss die Beschwerdeführerin (Bf) mit ihrem Vater V und ihrer Schwester S eine Vereinbarung, mit welcher V und S der Bf jeweils ein Drittel der Liegenschaft GB_2 übertrugen. Weiters übertrug S der Bf mit dieser Vereinbarung die Liegenschaft GB_3 in Innsbruck. Die Bf übertrug im Gegenzug an ihre Schwester ihren Drittelanteil an der Liegenschaft GB_1.
I.3. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel gegenüber der Bf Grunderwerbsteuer in Höhe von € 12.182,02 fest, wobei als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer nach dem Stufentarif des § 7 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1987 die Gesamtsumme der Verkehrswerte aller drei Erwerbe der Bf herangezogen wurde. Begründend wurde ausgeführt, es sei mit der Liegenschaft GB_2 eine wirtschaftliche Einheit übergeben worden, weshalb nur ein Rechtserwerb vorliege.
I.4. Die Beschwerde vom wurde damit begründet, dass die Rechtserwerbe iZm der Liegenschaft GB_2 vom Vater bzw. der Schwester in keinem wirtschaftlichen, sondern nur einem zeitlichen Zusammenhang stünden und zu gänzlich unterschiedlichen Bedingungen erfolgt seien. Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb die beiden je 1/3-Anteile zusammen eine wirtschaftliche Einheit darstellen sollten. Solches könnte nur angenommen werden, wenn die gesamten Anteile einer Liegenschaft in einem Zuge übergeben würden.
I.5. Mit der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte eine Neuberechnung der Grunderwerbsteuer gem. § 7 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1987, die zu einer teilweisen Stattgabe der Beschwerde führte: Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung wurde die Grunderwerbsteuer gegenüber der Bf mit € 10.512,57 festgesetzt. Im Übrigen wurde die Beschwerde unter Hinweis auf die in der genannten Gesetzesstelle vorgesehene Zusammenrechnung abgewiesen.
I.6. Der Vorlageantrag wurde am eingebracht. Er enthielt kein neues Vorbringen.
I.7. Mit dem Vorlagebericht vom beantragte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel unter Beilage eines Berechnungsblattes, in welchem die Grunderwerbsteuer mit € 8.843,14 errechnet wurde, die teilweise Stattgabe der Beschwerde.
II. Rechtslage und Erwägungen
II.1. Gemäß § 2 Abs. 1 BewG 1955 ist jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten. Ihr Wert ist im Ganzen festzustellen. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehres zu entscheiden. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen.
Bei den bebauten und unbebauten Grundstücken wird in der Regel jedes Grundstück für sich eine wirtschaftliche Einheit bilden (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz [29. Lfg 2019] zu § 2 BewG Rz 28 mit Hinweis auf ).
Dass es sich beim Grundstück GB_2 insgesamt um eine wirtschaftliche Einheit iSd BewG handelt, wird von der Bf nicht in Abrede gestellt. Es wird dennoch darauf verwiesen, dass das Grundstück GB_2 beim Lagefinanzamt unter der Einheitswert-Aktenzahl EW_AZ erfasst ist und dieser Umstand Bindungswirkung für grunderwerbsteuerliche Zwecke entfaltet ().
II.2. Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. c GrEStG 1987 gilt ein Erwerb unter Lebenden durch den in § 26a Abs. 1 Z 1 des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG) in der geltenden Fassung, angeführten Personenkreis als unentgeltlich.
Der Personenkreis des § 26a Abs. 1 GGG umfasst ua Verwandte in gerader Linie und Geschwister.
II.3. Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1987 beträgt die Grunderwerbsteuer beim unentgeltlichen Erwerb von Grundstücken
- für die ersten 250.000 Euro .............................. 0,5%
- für die nächsten 150.000 Euro ......................... 2%
- darüber hinaus .................................................. 3,5%
des Grundstückswertes.
(…)
Für die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes sind von derselben Person an dieselbe Person anfallende Erwerbe innerhalb der letzten fünf Jahre, soweit die Steuer nach dieser Litera berechnet wurde, zusammenzurechnen; dabei sind frühere Erwerbe mit ihrem früheren Wert anzusetzen. Für die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils auf den Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld abzustellen. Eine Zusammenrechnung hat auch dann zu erfolgen, wenn - durch zwei oder mehrere Erwerbsvorgänge - eine wirtschaftliche Einheit oder Teile einer wirtschaftlichen Einheit innerhalb der Fünfjahresfrist an dieselbe Person anfällt.
II.3.1. Die in der Beschwerde und im Vorlageantrag vertretene Ansicht, wonach eine Zusammenrechnung nur stattfinden könne, wenn die gesamten Anteile einer Liegenschaft in einem Zug übergeben würden, findet bereits im im vorigen Absatz wiedergegebenen Gesetzestext selbst keine Deckung.
Darüber hinaus hat dieser Gesetzestext durch das AbgÄG 2015, BGBl I 163/2015, insofern eine Änderung erfahren, als die Wortfolge "oder Teile einer wirtschaftlichen Einheit" eingefügt wurde. Diese Ergänzung sollte klarstellen, dass die Zusammenrechnung auch dann zu erfolgen hat, wenn ein Erwerber innerhalb von 5 Jahren auch nur einen Anteil an einer wirtschaftlichen Einheit durch mehr als einen Erwerbsvorgang erhält (ErlRV 896 BlgNR XXV. GP, 14). Insofern würde auch der im beschwerdegegenständlichen Fall zu beurteilende Erwerb von lediglich zwei Dritteln einer Liegenschaft der Zusammenrechnung der genannten Bestimmung unterliegen.
II.3.2. Im Beschwerdefall ist Folgendes geschehen: Mit der Vereinbarung vom haben V und S jeweils ein Drittel der genannten Liegenschaft an die Bf übertragen, welche zuvor bereits als Rechtsnachfolgerin ihrer verstorbenen Mutter zu einem Drittel Eigentümerin dieser Liegenschaft war.
Es ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen, dass es sich bei den zwei oder mehreren (unentgeltlichen) Erwerbsvorgängen nicht um Erwerbe von Todes wegen neben Erwerben unter Lebenden handeln kann.
Es hatte daher eine Zusammenrechnung gemäß dem 2. Tatbestand des § 7 Abs. 2 lit. a letzter Satz GrEStG 1987 zu erfolgen, da durch die insgesamt drei Erwerbsvorgänge eine wirtschaftliche Einheit innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren an eine Person, die Bf, angefallen ist. Da im gegenständlichen Fall jedoch der Erwerb des Drittelanteils von der Mutter aufgrund eines Vorerwerbes vollständig mit 3,5 % besteuert worden war, standen für die Besteuerung des Erwerbes aufgrund der mit dem Vater und der Schwester getroffenen Vereinbarung die ersten beiden Tarifstufen des § 7 Abs. 2 Z. 1 lit. a GrEStG 1987 nach wie vor zur Verfügung.
II.3.3. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Zusammenrechnung gemäß dem 1. Tatbestand (Personenidentität) der genannten Bestimmung wurde nicht bekämpft. Trotz Zusammenrechnung bereits nach dem 2. Tatbestand war die Tarifstufe 1 (0,5 %) nur zu einem Teil aufgebraucht. Auch der Erwerb der GB_3 von der Schwester S hatte somit insgesamt mit 0,5 % zu erfolgen.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage im gegenständlichen Fall nicht zu lösen war, war die Revision nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 7 Abs. 1 Z 1 lit. c GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 7 Abs. 1 Z 2 lit. a GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987 § 2 Abs. 1 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.3100696.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at