Ein Bescheid, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Veranlagung tritt, kann nicht mehr durch die Abgabe einer Steuererklärung geändert werden.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / Sonstige 2017 Steuernummer ***BfStNr*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf) erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Am erging ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 infolge einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung, welcher eine Gutschrift von 1.415 Euro auswies.
Am reichte der Bf eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung ein, in der er Werbungskosten in der Höhe von 7.572,84 Euro für doppelte Haushaltsführung geltend machte.
Das Finanzamt forderte auf Grund dieser Erklärung den Bf auf, die Kosten der doppelten Haushaltsführung nachzuweisen und setzte eine Frist zur Beantwortung der Fragen.
Innerhalb offener Frist langte keine Vorhaltsbeantwortung des Bf ein. Das Finanzamt hob den Bescheid gemäß § 299 BAO auf und erließ am einen neuen Sachbescheid, in dem die beantragten Werbungskosten mangels Nachweis keine Berücksichtigung fanden. Der neue Bescheid wies unverändert zum ursprünglichen Bescheid eine Gutschrift von 1.415 Euro aus. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Antrag vom stellte der Bf den Antrag, den Bescheid vom aufzuheben. Diesem Antrag waren Unterlagen betreffend die doppelte Haushaltsführung beigelegt.
Das Finanzamt wies den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides als nicht fristgerecht eingebracht zurück.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Bf brachte darin vor, dass zwecks ordnungsgemäßer Entscheidung über die Abgabenerklärung noch Informationen betreffend die doppelte Haushaltsführung nötig seien. Diese seien der Beschwerde beigelegt. Der Bf lege hiermit Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid ein und berufe sich dabei auf die fünfjährige Frist zur Bearbeitung der Abgabenerklärung.
Das Finanzamt entschied über die Beschwerde mit abweisender Beschwerdevorentscheidung. Begründend führte es aus, dass die Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 BAO nur zulässig sei, wenn der Antrag auf Aufhebung (im Fall des Bf ) vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides (im Fall des Bf ) eingebracht werde. Da der Antrag auf Bescheidaufhebung durch den Bf verspätet eingebracht worden sei, sei dieser seitens des Finanzamtes korrekterweise auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zurückgewiesen worden. Die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.
Der Bf brachte einen Vorlageantrag ein. Er ersuchte darin um Wiederaufnahme seines Einkommensteuerbescheides 2017 und um die Möglichkeit, wesentliche Ergänzungen nachreichen zu dürfen. Aufgrund seines beruflich auferlegten dreijährigen Zweitwohnsitzes in Graz seien wesentliche Angaben zum antragslosen Bescheid nicht berücksichtigt worden. Der Bf habe die Frist zum Ergänzungsauftrag bedauerlicherweise verpasst. Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass eine Ergänzung jedenfalls innerhalb von fünf Jahren eingebracht werden könne. Da es für den Bf einen empfindlichen monetären Unterschied mache, bitte er um die Wiederöffnung seines Bescheides, um diese Ergänzung einbringen zu können.
Das Finanzamt legte die Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Der Bf hätte mit einer Beschwerde gegen den Bescheid die Möglichkeit gehabt, die fehlenden Unterlagen einzubringen. Da er dies unterlassen habe, sei der Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Auch eine Umdeutung des Vorlageantrages in einen Wiederaufnahmeantrag sei für den Bf nichts gewonnen, da das verspätete Einbringen von Unterlagen keinen Wiederaufnahmegrund darstelle.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht hat seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Das Finanzamt führte für das Jahr 2017 beim Bf eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durch. Der Bescheid erging am .
Am brachte der Bf eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein und beantragte darin die Berücksichtigung von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung.
Den Vorhalt des Finanzamtes vom beantwortete der Bf innerhalb offener Frist nicht.
Das Finanzamt hob in der Folge den Bescheid vom auf und erließ einen neuen Sachbescheid ohne Berücksichtigung der Kosten für doppelte Haushaltsführung.
Der neue Sachbescheid betreffend die Einkommensteuer 2017 erging am . Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde eingebracht.
Am brachte der Bf elektronisch einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 BAO ein.
Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom als verspätet zurück.
Über die gegen diesen Zurückweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde entschied das Finanzamt mit abweisender Beschwerdevorentscheidung.
Beweiswürdigung
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht. Dieser Sachverhalt ist somit nicht strittig. Das Bundesfinanzgericht durfte diesen Sachverhalt daher seiner Entscheidung zugrunde legen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Der festgestellte Sachverhalt wurde vom Bundesfinanzgericht rechtlich wie folgt gewürdigt:
Um den Verwaltungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der jährlichen Arbeitnehmerveranlagung zu minimieren, wird unter bestimmten Voraussetzungen im Sinne von Serviceorientierung und Kundenfreundlichkeit eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt. Dies erfolgt in der zweiten Jahreshälfte (z.B. 2021 für das Jahr 2020) von Amts wegen, das heißt ohne Abgabe einer Steuererklärung (§ 41 Abs 2 Z 2 EStG 1988).
Durch die antragslose Arbeitnehmerveranlagung erhalten Steuerzahlerinnen und Steuerzahler unter bestimmten Voraussetzungen seit dem zweiten Halbjahr 2017 eine Steuererstattung- unabhängig von einem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung. Betroffen sind Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die bis 30. Juni des Folgejahres keine Steuererklärung abgegeben haben. Auf diese Weise wird zu viel einbehaltene Lohnsteuer automatisch refundiert oder ein Alleinverdiener/Alleinerzieherabsetzbetrag oder Sozialversicherung erstattet.
Die antragslose Arbeitnehmerveranlagung kann innerhalb einer Frist von fünf Jahren durch die Einbringung einer Steuererklärung für das betreffende Jahr aufgehoben werden. Sollte daher eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung erfolgt sein, können Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen etc. auch nachträglich über eine Steuererklärung berücksichtigt werden. Das Recht, derartige Abzugsposten geltend zu machen, bleibt daher auch nach einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung unverändert bestehen (§ 41 Abs 2 Z 2 lit c iVm § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988).
Ein Bescheid, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Veranlagung tritt, kann nicht mehr durch die Abgabe einer Steuererklärung geändert werden (Jakom, Peyerl, EStG 2018, § 41, Rz 35).
Wird somit nach einer antragslosen Veranlagung eine Erklärung vor dem Ablauf von fünf Jahren eingebracht und vom Finanzamt mittels Bescheid über diese Erklärung abgesprochen, so sind ab diesem Zeitpunkt die Verfahrensvorschriften betreffend Bescheide und betreffend Rechtsmittel gegen diese Bescheide zu beachten. Dies betrifft insbesondere die in den Verfahrensvorschriften geregelten Fristen für Beschwerden und Anträge.
Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden an die Verwaltungsgerichte zulässig.
Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 245 Abs 1 BAO einen Monat. Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist.
Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen gemäß § 299 Abs 1 BAO einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Aufhebungen von Bescheiden sind gemäß § 299 Abs 1 BAO bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (idR Zustellung) des aufzuhebenden Bescheides zulässig (§ 302 Abs 1 BAO).
Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Der Bescheid infolge der antragslosen Veranlagung wurde mit Bescheid vom aufgehoben und mit gleichem Datum ein neuer Sachbescheid erlassen. Damit trat dieser neue Bescheid an die Stelle des antragslosen Veranlagungsbescheides.
Ab Erlassung dieses Bescheides vom (Zustellung in die Databox am gleichen Tag) galten daher die allgemeinen Verfahrensvorschriften der BAO. Diese räumt im konkret vorliegenden Fall folgende Möglichkeiten der Abänderung von Bescheiden ein:
Der Bf hätte die Möglichkeit gehabt, diesen Bescheid innerhalb offener Beschwerdefrist von einem Monat mit Beschwerde zu bekämpfen und im Rahmen der Beschwerde die Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend zu machen und nachzuweisen. Der Bf hätte auch binnen Jahresfrist ab Bekanntgabe des Bescheides vom einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides stellen können und mit diesem Antrag die Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend machen und nachweisen können.
Die Frist zur Erhebung der Beschwerde endete am . Die Frist für einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides endete am . Der Bf stellte seinen Antrag auf Aufhebung des Bescheides erst am . Sowohl die Beschwerdefrist als auch die Frist für einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides waren zu diesem Zeitpunkt daher bereits abgelaufen. Der Antrag auf Aufhebung erfolgte damit verspätet. Er war als verspätet zurückzuweisen.
Zum allfälligen Antrag auf Wiederaufnahme wird klarstellend ausgeführt:
Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn unter anderem Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten.
Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - das sind solche, die schon vor Erlassung des das wiederaufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta) - kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund iS des Neuerungstatbestandes (§ 303 Abs 1 lit b) in Betracht.
Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insb die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit b iVm Abs 2 lit b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist ().
Der Wiederaufnahme wohnt somit konzeptiv eine Antragsteller-Perspektive inne, zumal auch der Antragsteller bestimmt, welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch welchen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen werden und daher Sache des Wiederaufnahmsverfahrens sind. Nur wenn die neue Tatsache für den Antragsteller neu hervorgekommen ist und ihm somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmsverfahrens gemacht werden. Andernfalls wäre sie von ihm im Abgabenverfahren bereits geltend zu machen gewesen. Ein "Zurückhalten" von Informationen ermöglicht somit bspw keine spätere Wiederaufnahme. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme auf Antrag dient nämlich nicht der Verlängerung von Abgabenverfahren und der Aushöhlung der Rechtskraft, sondern soll ausschließlich die Berücksichtigung von Tatsachen ermöglichen, deren Geltendmachung im Abgabenverfahren mangels Kenntnis nicht möglich war.
Da dem Bf im vorliegenden Verfahren die Umstände der doppelten Haushaltsführung bereits im Zeitpunkt der Erlassung des neuen Sachbescheides am bekannt waren, stellen diese Umstände keine neuen Tatsachen und Beweismittel dar. Es fehlt für eine allfällige Wiederaufnahme daher an einem tauglichen Wiederaufnahmegrund. Es war damit der Behörde mangels eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes verwehrt, den verspäteten Antrag auf Aufhebung des Bescheides oder den Vorlageantrag als Antrag auf Wiederaufnahme zu werten.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ergab sich die Beantwortung der Rechtsfragen bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Hinsichtlich Klarstellung bezüglich Wiederaufnahme verwies das Bundesfinanzgericht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag somit nicht vor.
Aus diesem Grund war die Revision für unzulässig zu erklären.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100206.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at