Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.04.2021, RV/5101287/2018

1. Stattgabe einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Aufhebungsantrages 2. Berücksichtigung der Kosten für auswärtige Berufsausbildung als ag Belastung nach der tatsächlichen Kostentragung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101287/2018-RS2
Eine erforderliche Aufteilung des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 erfolgt nach der tatsächlichen Kostentragung, soweit diese feststellbar oder zumindest im Schätzungsweg zu ermitteln ist, da die tatsächliche Kostentragung und nicht die bloße Unterhaltspflicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Folgerechtssätze
RV/5101287/2018-RS1
wie RV/5101032/2011-RS1
Erweist sich ein geltend gemachter Aufhebungsgrund im Beschwerdeverfahren als berechtigt, so hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Huber & Rosenthal Steuerberatung KG, Stadtplatz 56, 5280 Braunau/Inn, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend die Abweisung der Anträge auf Aufhebung § 299 BAO / ESt 2013, ESt 2014 und ESt 2015, Steuernummer , zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Einkommensteuerbescheide vom betreffend die Jahre 2013, 2014 und 2015 werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt hatte mit Bescheiden vom für 2013 im wiederaufgenommenen Verfahren, für 2014 nach Aufhebung des ESt-Bescheides vom und für 2015 erstmals Einkommensteuer für ***Bf1*** (in der Folge: Beschwerdeführer: Bf) festgesetzt. Dabei kam es mit der Begründung, dass der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung der Kinder bereits von der Mutter der Kinder zu 90% (2014, 2015) bzw. zu 94% in Anspruch genommen worden sei, zu Kürzungen der zunächst anerkannten bzw. beantragten außergewöhnlichen Belastung durch Kosten für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern (2013: -1.953,60; 2014 und 2015: -2.376).

Der dagegen am unter Angabe der getragenen Kosten für die auswärtige Berufsausbildung eingebrachte Antrag auf Aufhebung dieser Bescheide vom wurde vom Finanzamt mit Bescheiden vom abgewiesen. Begründet wurden die Abweisungen damit, dass nach den Angaben der Kinder keine Zahlungen durch den Bf erfolgt seien. Hinsichtlich der Mutter wurden nach der Aktenlage Zahlungen iHv ca € 3.000 jährlich für beide Söhne gemeinsam nachgewiesen.

Anm. d. Ri.: Offensichtlich wertete das Finanzamt die nachweislich erfolgten Unterhaltszahlungen des Vaters in Höhe von ca € 17.000 (2013, 2014) bis ca € 19.000 (2015) nicht als Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung sondern lediglich als Unterhaltsleistungen. Unstrittig fielen Kosten iZm einer auswärtigen Berufsausbildung der beiden Söhne an. Da der Bf in einem Scheidungsvergleich zu Unterhaltszahlungen verpflichtet ist, die Mutter dagegen nicht, ging man offensichtlich davon aus, dass der Vater mit seinen Zahlungen seiner Unterhaltspflicht nachkommt und die Mutter mit ihren Zahlungen die Kosten der Berufsausbildung trägt.

Mit der Beschwerde vom gegen die Abweisung seiner Aufhebungsanträge wies der Bf nochmals die angefallenen Zahlungen auch anhand von Kontoauszügen nach.

Diese Beschwerde wurde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen (BVE) vom als unbegründet abgewiesen. Auch diese Abweisungen erfolgten im Wesentlichen mit der Begründung, dass nicht nachgewiesen worden sei, welche Kosten mit den geleisteten Unterhaltszahlungen abgedeckt worden seien und nach den Schreiben der Kinder keine finanzielle Unterstützung für die Berufsausbildung erfolgt sei.

Die Söhne hatten aber nach dem im Akt aufliegenden Schreiben schon zuvor bestätigt, dass "außer den Unterhaltszahlungen/Alimenten keine Zahlungen durch den Vater" erfolgt seien.

Mit einem Anbringen vom wurde gegen diese BVEs ein Vorlageantrag eingebracht. Der darin gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde am zurückgezogen.

Die Vorlage der Beschwerde an das BFG erfolgte mit Vorlagebericht vom .

Seitens des Richters konnten in einem Schreiben an das Finanzamt vom die bestehenden Missverständnisse aufgeklärt werden. Insbesondere konnte Einigkeit darüber erzielt werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine auswärtige Berufsausbildung je nach Sparsamkeit, Wohnmöglichkeit , erforderlicher Lehrmittel usw Kosten von mindestens zwischen € 500 und € 1.000 verursachen wird und, dass im Fall des Nichtvorliegens einer Berufsausbildung der Bf aufgrund des Alters der Söhne gar nicht mehr unterhaltspflichtig gewesen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Zahlungen des Vaters 85% der Mehraufwendungen am Studienort abgedeckt haben. In diesem Zusammenhang wurde auch auf des Erkenntnis des verwiesen, welches exakt einen gleichgelagerten Fall betroffen hat.

In weiterer Folge stimmten beide Parteien der Ansicht des Richters zu, dass dem Bf aufgrund seiner tatsächlichen Kostentragung 85% des jährlichen Pauschbetrages und somit € 2.244,00 als zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung zustehen würden (FA mit Mail vom und Bf mit Fax vom ).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Mittlerweile ist zwischen den Parteien dieses Verfahrens unstrittig und auch nach den oben geschilderten Unterlagen im Akt gedeckt, dass der Bf die Kosten der auswärtigen Berufsausbildung seiner beiden Söhne zu 85% getragen hat. Dass eine auswärtige Berufsausbildung iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988 vorliegt, war immer unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gem. § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheids und die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt zu enthalten.

Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Die Aufhebung setzt die vorherige Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (vgl. Ritz, BAO6 § 299 Tz 13). Bei der Aufhebung auf Antrag bestimmt die betreffende Partei den Aufhebungsgrund. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Die Sache, über die in der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, wird bei der beantragten Aufhebung somit auch durch die Partei im Aufhebungsantrag festgelegt (, sowie vom , 2009/15/0119).

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, zwangsläufig erwachsen und muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

§ 34 Abs. 8 EStG 1988 bestimmt, dass Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung gelten, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Nach Ansicht des Richters ist insbesondere in Fällen, bei denen die tatsächliche Kostentragung feststellbar ist oder zumindest geschätzt werden kann, auf diese abzustellen. Nicht durch eine bloße Unterhaltspflicht sondern durch die tatsächliche Kostentragung wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zahlenden beeinträchtigt.

Wenn der Bf nachweislich und mittlerweile unstrittig 85% der fraglichen Kosten getragen hat, erweist sich der Spruch eines Bescheides, der von einer Kostentragung iHv 6 bzw 10% ausgeht als nicht richtig.

Zur erforderlichen Ermessensübung führt das Erkenntnis des , aus: § 299 BAO dient - wie eine Beschwerdeentscheidung - dem Ziel der Erlassung objektiv richtiger Bescheide. Da dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Rahmen einer Ermessensübung bei der Erlassung eines Aufhebungsbescheids nach § 299 BAO wesentliche Bedeutung zukommt (), wird das - bei der Aufhebung eines Bescheides eingeräumte - Ermessen nach der Rechtsprechung des VwGH regelmäßig dann im Sinne des Gesetzes gehandhabt, wenn bei der Wahrnehmung einer nicht bloß geringfügigen Rechtswidrigkeit mit Aufhebung des Bescheids vorgegangen wird (; vgl. Ehrke, SWK 2003, S 447).

: Erweist sich ein geltend gemachter Aufhebungsgrund (hier: ……..) im Beschwerdeverfahren als berechtigt, so hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, (hier: der …..-Bescheid), aufgehoben wird. Eine Bindungswirkung der Begründung des Aufhebungsbescheids für die nachfolgend vom Finanzamt zu treffende Sachentscheidung besteht nicht, weil diese selbst nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war (vgl. , sowie , 99/15/0135)

Erweist sich ein geltend gemachter Aufhebungsgrund (hier: die Nichtberücksichtigung der Kosten der auswärtigen Berufsausbildung als ag. Bel in richtiger Höhe) im Beschwerdeverfahren als berechtigt, so hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung: Die Konsequenz aus der Aufhebung des Bescheides, nämlich die Erlassung der neuen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2015 verbleibt gem. § 299 Abs. 2 Satz 2 BAO im Wirkungsbereich des Finanzamtes. Auf § 209a Abs. 2 BAO wird hingewiesen. Trotz fehlender Bindung (siehe oben) ist davon auszugehen, dass das Finanzamt dabei die gemeinsam festgestellte Höhe von 85% Kostentragung zur Anwendung bringt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dieses Erkenntnis folgt in rechtlicher Hinsicht der Rechtsprechung des VwGH (insbes.: ), weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101287.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at