Familienheimfahrten, Zumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer ***BF*** reichte am die Arbeitnehmerveranlagung 2015 auf elektronischem Wege über FinanzOnline ein. Darin beantragte der Steuerpflichtige die strittigen Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.672,00 als
Werbungskosten anzuerkennen.
Es erfolgte zunächst eine antragsgemäße Veranlagung mit dem Einkommensteuerbescheid 2015 vom . Aus dem Bescheid ergab sich eine Gutschrift in Höhe von € 1.476,00.
2. Im Zuge eines Vorhalteverfahrens des Finanzamts betreffend die Arbeitnehmerveranlagungen 2010 bis 2014 teilte der Beschwerdeführer am mit, dass der Familienwohnsitz in Ungarn liege und er einen Wohnsitz am Arbeitsort in ***Ort Z*** habe. Die Entfernung zwischen beiden Adressen betrage 269 km. Das Haus in Ungarn befinde sich im Eigentum. Das Zimmer (16 m²) am Beschäftigungsort sei vom Arbeitgeber gemietet. Er sei verheiratet. Seine Frau sei seit Oktober 2013 in Pension, habe zuvor nicht gearbeitet und in den Jahren 2010 bis 2015 keine Einkünfte gehabt. Das Eigentumsblatt für das Haus und die Formulare E 9 (Bescheinigung EU/EWR / der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)) für seine Gattin übermittelte der Beschwerdeführer mit per Post.
Aufgrund der Erkenntnisse, welches das Finanzamt aus den Arbeitnehmerveranlagungen 2010 bis 2014 (Bescheide vom 12. bzw. ) gewonnen hatte, wurde vom Finanzamt am von Amts wegen eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 293b BAO vorgenommen. Dabei wurden die beantragten Aufwendungen für Familienheimfahrten nachträglich aberkannt, da im Zuge des Vorhalteverfahrens zu den Arbeitnehmerveranlagungen 2010 bis 2014 vom Beschwerdeführer nach Ansicht des Finanzamts keine Gründe nachgewiesen werden konnten, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar gemacht hätten. Die beantragten Werbungskosten für Gewerkschaftsbeiträge wurden ebenfalls nicht anerkannt, da diese bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt worden seien. Gegen die Nichtanerkennung der Gewerkschaftsbeiträge wurden in der Beschwerde keine Einwendungen erhoben.
3. Die Beschwerde vom richtet sich gegen die Nichtanerkennung der Familienheimfahrten in den Einkommensteuerbescheiden 2012 bis 2015. Als Begründung wurde vom Beschwerdeführer angeführt, dass er und seine Frau schon in Pension sei. Er habe 24 Jahre in Österreich gearbeitet und habe nur für die letzten 6 Jahre seine Arbeitnehmerveranlagung abgegeben. Seine Frau habe als Buchhalterin in Ungarn gearbeitet und sei seit Oktober 2013 in Pension. Sie besäßen ein gemeinsames Haus in Ungarn und hätten bei einem Umzug nach Österreich eine Wohnung mieten müssen. Die ganze Familie lebe in Ungarn. Seine Mutter lebe in einem Altersheim und brauche jemanden, der sie täglich besucht. Der Sohn habe bereits selbst eine Familie. Der Sohn und dessen Frau seien beide berufstätig. Der Enkelsohn sei 14 Jahre alt und die Frau des Beschwerdeführers sei die einzige gewesen, die sich um den Enkelsohn habe kümmern können, wenn dieser früher aus der Schule heimgekommen sei oder seine Eltern länger gearbeitet hätten. Die Frau des Beschwerdeführers habe die ganze Familie zusammengehalten, so dass ihr Umzug nach Österreich überhaupt nicht in Frage gekommen wäre.
In der Beschwerde war angegeben, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers vor ihrer Pensionierung in Ungarn als Buchhalterin tätig gewesen sei. Dem Finanzamt lagen Informationen aufgrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Formulare E 9 (Bescheinigung EU/EWR / der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)) vor, wonach die Gattin des Beschwerdeführers für die Jahre für 2010 bis 2015 keinerlei Einkünfte in Ungarn habe.
4. Daher wurden vom Finanzamt mit Ergänzungsersuchen vom nochmals die Einkünfte der Gattin in Ungarn hinterfragt und gleichzeitig Informationen zum Altersheimaufenthalt der Mutter des Beschwerdeführers sowie zum Wohnort des Sohnes abverlangt.
In der Vorhaltebeantwortung vom führte der Beschwerdeführer aus, dass sich seine Ehefrau seit in Pension befände. Sie sei bis arbeitssuchend gemeldet und zwischen April 2001 und September 2013 zu Hause gewesen. Beim Arbeitsmarktservice sei sie in der Zeit nicht mehr angemeldet gewesen. 2012 und 2013 habe sie keine steuerpflichtigen Einkünfte gehabt. Die Formulare E 9 seien bereits vorgelegt worden. Ab September 2013 bekomme seine Frau monatlich FT 91.405,00 (€ 304,68) Pension. Das gemeinsame Haus in ***Ungarn Ort U***, gehöre seiner Frau und ihm zu gleichen Teilen. Die Kopie des Eigentumsblattes sei bereits gesendet worden. Der Sohn lebe zwar nicht im gemeinsamen Haushalt, aber in derselben Ortschaft. So sei die Frau des Beschwerdeführers immer in der Nähe gewesen, wenn der Sohn und seine Familie Hilfe gebraucht hätten.
Die Mutter des Beschwerdeführers wohne schon seit im Altersheim (***Ungarn Ort D***). Sie habe vorher in ***Ungarn Ort M***, gewohnt. Die Kopie ihres Personalausweises, der Meldebestätigungskarte und eine Bestätigung vom Altersheim seien beigelegt.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde betreffend den Einkommensteuerbescheid 2015, datiert mit , als unbegründet abgewiesen. Aufwendungen für Familienheimfahrten gelten nach Ansicht des Finanzamts nur so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Momente bloßer persönlicher Vorliebe reichen für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes nicht aus, zumal die Gattin im Heimatland über kein aktives Erwerbseinkommen verfüge. Bei verheirateten Personen können aus diesem Grund Familienheimfahrten nur für etwa 2 Jahre gewährt werden, weshalb vom Finanzamt die Aufwendungen für Familienheimfahrten für die Jahre 2010 und 2011 als Werbungskosten berücksichtigt worden seien. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn sei ab dem Jahr 2012 privat veranlasst.
Die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen für die Jahre 2012 und 2013 ergingen am , jene für 2014 am , betrafen ebenfalls als Werbungskosten beantragte Familienheimfahrten, wurden nicht weiter bekämpft und sind daher in Rechtskraft erwachsen.
6. Die mit datierte Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung vom , wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet. Im diesem Vorlageantrag begehrt der Beschwerdeführer abermals die Berücksichtigung der Familienheimfahrten und zwar explizit lediglich für das Jahr 2015. Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer erst kurz vor Pensionsantritt Kenntnis über die Möglichkeit der Arbeitnehmerveranlagung und der damit verbundenen steuerlichen Geltendmachung von Familienheimfahrten als Werbungskosten erlangt habe. Zu dieser Zeit wäre eine Wohnsitzverlegung wirtschaftlich gänzlich unzumutbar gewesen. Schließlich habe er ohnehin für 18 Jahre keine Arbeitnehmerveranlagung eingereicht und keinen Gebrauch von der Geltendmachung der jahrelang angefallenen Kosten gemacht.
7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Begründend wurde dazu vom Finanzamt wie folgt Stellung genommen:
"Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung zum Einkommensteuerbescheid 2015 vom ausgeführt, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum die mit den Familienheimfahrten verbundenen Mehraufwendungen dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann.
Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen müsse. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines Ehegatten haben. Die Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe reichen für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes nicht aus. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Vom Finanzamt kann nicht nachvollzogen werden, weshalb eine Wohnsitzverlegung wirtschaftlich unzumutbar sein soll, obwohl die Gattin im Heimatland über kein aktives Erwerbseinkommen verfügt. Für den Bezug von Pensionseinkünften ist der Ort des Wohnsitzes nicht von Relevanz. Auch die Tatsache, dass die kranke Mutter des Beschwerdeführers von seiner Gattin täglich im Heim besucht wurde bzw. wird, ist zwar menschlich verständlich und lobenswert, die Veranlassung dazu liegt jedoch im Bereich der privaten Lebensführung und ist nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall die Wahl und die Aufrechterhaltung des Familienwohnsitzes ausschließlich durch private Motive verursacht sind und nicht aufgezeigt wurde, dass die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung durch Umstände von erheblichem objektivem Gewicht verursacht ist. Damit liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, sodass die diesbezüglichen Aufwendungen für die Familienheimfahrten im Jahr 2015 nicht als Werbungskosten anzuerkennen waren. Ergänzend wird bemerkt, dass Familienheimfahrten bei verheirateten Personen für etwa zwei Jahre gewährt werden können, weil es zumutbar erscheint, den Familienwohnsitz in dieser Zeit an den Arbeitsort zu verlegen. Für die Jahre 2010 und 2011 wurden dem Beschwerdeführer im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung die Familienheimfahrten im Ausmaß des höchsten Pendlerpauschales antragsgemäß gewährt. Ab dem Jahr 2012 ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn jedoch privat veranlasst, weshalb eine Berücksichtigung der Familienheimfahrten ab diesem Jahr nicht mehr möglich war. Auch wird als Beweis angeführt, dass der Beschwerdeführer lediglich Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 (gewertet als Vorlageantrag) eingebracht hat. Die gleichlautenden abweisenden Beschwerdevorentscheidungen für die Jahre 2012 bis 2014 hat er hingegen unwidersprochen gelassen. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 keine Aufwendungen für Familienheimfahrten als Werbungskosten beantragt hat."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer hat 24 Jahre lang in Österreich gearbeitet, wobei die Entfernung zwischen dem 16 m2 Zimmer, das er von seinem österreichischen Arbeitgeber gemietet hat, und seinem Familienwohnsitz in Ungarn 269 Kilometer beträgt. Die Ehefrau, welche ab 2001 keinerlei Einkünfte bezogen hatte und erst ab September 2013 eine Alterspension von rund € 305 erhielt, lebte am gemeinsamen Familienwohnsitz, einem Eigenheim in Ungarn, das je zur Hälfte im Eigentum des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin steht. Weiters lebt der Sohn und dessen Frau mit dem 14jährigen Enkelsohn des Beschwerdeführers in derselben Ortschaft. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt in einem Altersheim in der Nähe des Familienwohnsitzes. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers lebt in Ungarn und wird von seiner Frau zusammengehalten, die sich im Bedarfsfall auch um den 14 Jahre alten Enkelsohn kümmerte, wenn dessen Eltern länger in der Arbeit gewesen sind. Ebenso wurde die im Altersheim befindliche Mutter des Beschwerdeführers regelmäßig dessen Ehefrau besucht. Zusammenfassend meint der Beschwerdeführer, dass somit eine Wohnsitzverlegung bzw. eine Übersiedlung seiner Frau nach Österreich überhaupt nicht in Frage gekommen wäre.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt basiert auf den im Verfahrensgang angeführten Unterlagen, welche vom Finanzamt gemeinsam mit dem Vorlagebericht vorgelegt worden sind. An den vorgelegten Unterlagen und den im Vorhalteverfahren gemachten Angaben bestehen keine Zweifel.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das Jahr 2015 die beantragten Kosten von Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten absetzen kann.
Rechtlich gesehen sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung € 3.672,00 beträgt (bei einfachen Fahrtstrecken von über 60 km).
Von einer doppelten Haushaltsführung wird dann gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Als Familienwohnsitz gilt insbesondere jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet. Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort ist dann beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann. Diese Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist nach der Verwaltungspraxis jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 km entfernt ist. Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung können immer nur so lange vorliegen, bis der Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort verlegt wurde. Nach einer gewissen Zeit ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist dabei aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (; , 2005/14/0039; , 2006/15/0047), weshalb es ohne Belang ist, ob die Verlegung des Familienwohnsitzes bereits früher zumutbar gewesen ist oder nicht. Vielmehr sind die Gründe für die Beibehaltung jährlich von der Abgabenbehörde zu prüfen (vgl. hiezu Jakom/Lenneis EStG, 2020, § 16 Rz 56).
Nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen ().
Als für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechende Gründe werden in der Judikatur beispielsweise angeführt:
- Besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger (; , 2006/13/0087), deren Mitübersiedlung unzumutbar ist (). Der bloße Umstand, dass aufgrund des Alters der Eltern wahrscheinlich mit einer Pflegebedürftigkeit der Eltern in den nächsten Jahren gerechnet werden müsse, begründet für die Streitjahre noch keinen Grund, aus welchem das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar erkannt werden könnte (). Eine teilweise Unterstützung der betagten Eltern durch die Kinder bei ihrer Haushalts- und Lebensführung an den Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub entspringt dem familiären Beistandsgebot und bildet allein keine ausreichende Grundlage für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung ().
- Wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist und beispielsweise keine Ausbildungsmöglichkeit für die Kinder am Beschäftigungsort () besteht.
- Wenn steuerlich relevante Erwerbseinkünfte iSd § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 des anderen Ehe(Partners) am Familienwohnsitz vorliegen, die bei dessen Verlegung verloren gingen (zB ).
Als Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes haben der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bzw. das Bundesfinanzgericht (BFG) hingegen folgende Sachverhalte beurteilt:
- Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen aus privaten Gründen außerhalb der üblichen Entfernung vom Arbeitsplatz, dann können die Aufwendungen für die Wohnung am Arbeitsplatz, die Verpflegungsmehraufwendungen sowie die Kosten für Familienheimfahrten steuerlich nicht berücksichtigt werden (; , 89/14/0100).
- Eine gute Wohnlage am Familienwohnort, der deshalb beibehalten werden will, sowie ein allfälliger günstiger Mietvertrag für eine Altwohnung am Familienwohnort, die für die Pension beibehalten wird (), stellen keinen Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dar.
- Eine Beeinträchtigung der "persönlichen Befindlichkeit" der Ehefrau des Steuerpflichtigen, Verlust des "sozialen Umfeldes" () stellt keinen Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dar.
Im gegenständlichen Beschwerdefall liegen die Voraussetzungen, wie oben ausgeführt, für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus steuerlicher Sicht nicht vor. Das hat zur Folge, dass im Jahr 2015 weder Kosten für doppelte Haushaltsführung noch Aufwendungen für Familienheimfahrten als Werbungskosten abzugsfähig sind. Nach einer gewissen Zeit, die nicht schematisch, sondern stets im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es dem Steuerpflichtigen in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Der Beschwerdeführer arbeitete 24 Jahre lang in Österreich und seine Ehefrau hatte von Anfang 2001 bis September 2013 keinerlei Einkünfte und danach monatlich rund € 305 Alterspension. Eine familiäre Betreuung der im Altersheim untergebrachten Mutter des Beschwerdeführers durch Besuche seiner Ehegattin bildet ebenso wie die Betreuung des 14 Jahre alten Enkelsohns im Bedarfsfall keine ausreichende Grundlage für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung. Wenn der Beschwerdeführer angibt, dass seine Frau die Familie in Ungarn zusammengehalten hat und deshalb eine Wohnsitzverlegung zum Arbeitsort nach Österreich nicht in Frage gekommen ist, so stellt dies eine persönliche Befindlichkeit und keinen tauglichen Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes dar.
Da eine doppelte Haushaltsführung und damit verbundene Familienheimfahrten nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100798.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at