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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.04.2021, RV/7100431/2021

Anträge nach § 295 Abs. 1 BAO und nach § 295 Abs. 4 BAO (in der ab 8.1.2021 geltenden Fassung)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Austria GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung nach § 295 Abs. 1 BAO und eines Antrages auf Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO (jeweils betreffend Einkommensteuer 2008) zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung nach § 295 Abs. 1 BAO wird abgewiesen.

  • Der Beschwerde betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Aufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO wird Folge gegeben und wird der angefochtene Bescheid insoweit aufgehoben, als er über den Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO abgesprochen hat.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

In seiner Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführers (Bf) die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom (Änderungsbescheid gemäß § 295 Abs. 1 BAO zu Bescheid vom ) gemäß § 295 Abs 1 BAO und gemäß § 295 Abs. 4 BAO, da die Berufung der ***1*** GmbH & Co KG vom gegen die Bescheide vom über die Einkünftefeststellung für 2008 und 2009 mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts als unzulässig zurückgewiesen wurde (). Der Einkommensteuerbescheid stütze sich demnach auf einen "Nichtbescheid". Beantragt wurde auch die Nichtfestsetzung der Anspruchszinsen gemäß § 205 Abs. 6 BAO.

Mit Bescheid vom wies die Abgabenbehörde die Anträge des Bf gemäß § 295 Abs 1 BAO und § 295 Abs. 4 BAO zurück und wies den Antrag auf Nichtfestsetzung der Anspruchszinsen gemäß § 205 Abs 6 BAO ab. In der Bescheidbegründung führte die Abgabenbehörde aus:

1. Zum Antrag gemäß § 295 Abs. 1 BAO stellte das Finanzamt fest, dass diese gesetzliche Bestimmung kein Antragsrecht vorsehe. Bei Zutreffen der Voraussetzungen sei von Amts wegen vorzugehen. Der Antrag wurde daher mit Verweis auf die Rechtsprechung des BFG zurückgewiesen.

2. Auf einen Nichtbescheid gestützte Änderungsbescheide nach § 295 Abs. 1 BAO seien auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs. 4 BAO aufzuheben. Der Antrag sei vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen.

Der Einkommensteuerbescheid 2008, dessen Aufhebung der Bf begehre, sei am ergangen. Es seien seither keine Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO gesetzt worden. Der zugrundeliegende Feststellungsbescheid zu 000/0000 sei am ergangen. Auch im Feststellungsverfahren seien seither keine Verlängerungshandlungen gesetzt worden.

Das Recht, die Einkommensteuer 2008 festzusetzen, sei am verjährt. Die Frist sei durch Verlängerungshandlungen um ein Jahr verlängert worden und habe mangels weiterer Verlängerungshandlungen im Jahr 2014 am geendet.

Der gegenständliche Antrag sei am , und somit nicht innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Einkommensteuerbescheides 2008 eingebracht worden und sei daher verspätet.

Daran würden auch die Ausführungen des Antrages iZm § 209a Abs. 2 und 4 BAO nichts ändern. Aufgrund dieser Bestimmungen sei noch über die Feststellungserklärung des Jahres 2008 zu 000/0000 abzusprechen. Da die Festsetzung der Einkommensteuer der an diesem Feststellungsverfahren Beteiligten mittelbar von diesem Feststellungsbescheid abhängig sei, stehe dieser zutreffendenfalls die mittlerweile eingetretene Verjährung des Jahres 2008 einer Änderung gemäß § 295 abs. 1 BAO nicht entgegen.

§ 209a BAO erlaube zwar eine Abgabenfestsetzung nach Eintritt der Verjährung, regle jedoch keine Durchbrechung der Rechtskraft oder schiebe diese Verjährung hinaus. Wann eine Durchbrechung der Rechtskraft auch nach Eintritt der Verjährung in Betracht komme, regle § 295 Abs. 4 iVm § 304 BAO. Der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO sei daher als verspätet zurückzuweisen.

3. Der Antrag auf Nichtfestsetzung von Nachforderungszinsen gemäß § 205 Abs. 6 BAO sei abzuweisen, da weder ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vorliege noch ein Guthaben am Abgabenkonto bestanden habe.

In der Beschwerde vom beantragte der steuerliche Vertreter, den Zurückweisungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.

Nach einem entsprechenden Mängelbehebungsauftrag führte der steuerliche Vertreter zur Begründung aus, dass der Antrag gemäß § 295 Abs. 1 BAO auf Aufhebung des Abgabenbescheides gemäß § 302 Abs. 1 BAO innerhalb der Bemessungs- oder Festsetzungsverjährungsfrist iSd §§ 207 ff BAO zulässig sei. Der Antrag sei insbesondere im Anwendungsbereich des § 209a Abs. 2 iVm Abs 4 BAO fristgerecht eingebracht (Ellinger/Sutter/Urtz BAO³, § 295 Rz 10).

Auf nichtige Feststellungsbescheide gestützte Änderungsbescheide (= abgeleitete Bescheide iSd § 295 Abs. 1 BAO) seien auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag sei vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist, also vor Eintritt der Verjährung, zu stellen.

§ 209a Abs. 2 BAO sehe als spezielle Verjährungsregelung eine Verjährungssperre für den Fall vor, wenn die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung eines in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrags abhängt und dieser vor dem Eintritt der Verjährung eingebracht wurde (Beiser, ÖStZ 8/2017, 205 (206)). Gemäß § 209a Abs. 4 BAO gelten Abgabenerklärungen als Anträge, wenn die Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde. Dies betreffe auch Feststellungserklärungen, da die Abgabenfestsetzung mittelbar von der Erledigung der Feststellungserklärung abhänge (Ritz, BAO, § 209a Rz 11c). Nach den Gesetzesmaterialien solle § 209a Abs. 4 BAO sicherstellen, dass auch lang andauernde Verletzungen der Entscheidungspflicht über Abgabenerklärungen für den Abgabepflichtigen nicht zum Verlust des Rechtsanspruches auf bescheidmäßige Erledigung führen. Dies betreffe beispielsweise Feststellungserklärungen, wenn sich erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung abgeleiteter Abgaben (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer) etwa im Rechtsmittelverfahren herausstelle, dass an Stelle eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) ein "Nichtbescheid" erlassen wurde (ErlRV 1212 BlgNR 24. GP, 30), somit genau die vorliegende Sachverhaltskonstellation.

Außer Zweifel stehe, dass die Feststellungserklärung 2008 rechtzeitig und vor Eintritt der Festsetzungsverjährung eingebracht worden sei. Das Finanzamt habe das Feststellungsverfahren nicht durch Erlassung eines Feststellungsbescheides abgeschlossen und damit seine Entscheidungspflicht verletzt. Das Feststellungsverfahren gelte damit als unerledigt. Es entspreche somit dem Normzweck des § 209a Abs 2 BAO, dass der Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung von vor Verjährungseintritt eingebrachter Abgabenerklärungen nicht durch den Eintritt der Verjährung verlorengehen soll (Ritz, BAO6 § 209a Rz 11a).

Im Sinne des verfassungsrechtlich normierten Sachlichkeitsgebotes sei im gegenständlichen Fall die Verjährungsfrist iSv § 209a Abs 2 BAO zu interpretieren, da andernfalls die Möglichkeit eines Rechtsschutzes gemäß § 295 Abs 4 BAO aufgrund der langen Entscheidungsdauer des BFG von 7 Jahren faktisch ausgeschlossen wäre (vgl , Pkt III 2.1). Die Befristung des Antragsrechts gemäß § 295 Abs. 4 BAO mit der für Wiederaufnahmeanträge geltenden Frist würde eine verfassungswidrige Beschränkung darstellen ( Rz 53 f).

Im Ergebnis greife damit die Nichtverjährbarkeit nach § 209a Abs 2 und 4 BAO.

Der Antrag gemäß § 295 Abs 1 und 4 BAO sei somit fristgerecht gestellt worden.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

Zum Antrag gemäß § 295 Abs. 1 BAO wies das Finanzamt wiederum darauf hin, dass kein Antragsrecht vorgesehen sei, sondern bei Zutreffen der Voraussetzungen von Amts wegen vorzugehen sei (, Behandlung einer VfGH-Beschwerde mit Beschluss vom , E 3071/2018 abgelehnt). Im Übrigen sei § 295 Abs. 1 BAO nicht anzuwenden, wenn ein Abgabenbescheid von einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung abgeleitet werde und in weiterer Folge die Beschwerde gegen diesen Feststellungsbescheid wegen Nichtvorliegens eines Bescheides zurückgewiesen werde. Eine Änderung des "abgeleiteten" Bescheides kann in solchen Fällen (auch) nicht von Amts wegen erfolgen, da § 295 Abs. 1 BAO die Anpasssung an das Vorliegen eines Feststellungsbescheides knüpfe ( -13).

Dem Antrag, den auf einen Nichtbescheid gestützten Einkommensteuerbescheid 2008 gemäß § 295 Abs. 1 BAO aufzuheben, konnte daher nicht Folge gegeben werden.

Zum Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO stellte das Finanzamt fest, dass der Bf keine Einwendungen gegen die im bekämpften Bescheid erfolgte Berechnung des Eintritts der Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 2008 erhoben habe. Es sei somit unstrittig, dass der Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO am und damit später als 3 Jahre nach Eintritt der Festsetzungsverjährung der Einkommensteuer 2008 eingebracht worden sei.

Der VfGH habe die in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bestätigt und habe die derzeitige Befristung des Antragsrechtes gemäß § 295 Abs. 4 BAO ("Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen") als verfassungswidrig aufhoben ( -13). Die gesetzliche Bestimmung sei jedoch im vorliegenden Beschwerdefall noch anzuwenden, da die Aufhebung erst mit Ablauf des in Kraft trete. Nach derzeitiger Rechtslage sei der Antrag verspätet.

Die Zurückweisung des Antrags gemäß § 295 Abs. 1 BAO als nicht zulässig und die Zurückweisung des Antrags gemäß § 295 Abs. 4 BAO als verspätet sei daher zu Recht erfolgt.

Der Bf beantragte mit Eingabe vom fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Aufgrund der Änderung des Feststellungsbescheides am betreffend die Fa. ***1*** GmbH & Co KG erging gemäß § 295 Abs. 1 BAO für den Bf ein neuer Einkommensteuerbescheid 2008 vom . Das BFG stellte im Rechtsmittelverfahren mit Beschluss fest, dass die als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung vom nicht rechtswirksam geworden ist, und wies die Beschwerde als unzulässig zurück (). Dieser Beschluss wurde am bzw am an die Parteien zugestellt. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.

In der Folge brachte der Bf am - somit innerhalb eines Jahres nach Zurückweisung - einen Antrag gemäß § 295 Abs. 1 BAO und einen Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO ein jeweils mit dem Begehren, den Einkommensteuerbescheid 2008 vom aufzuheben.

2. Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht stützt sich bei dieser Feststellung auf die unstrittige Aktenlage und die Entscheidung des .

3. Rechtliche Beurteilung

Die Bundesabgabenordnung bestimmt in § 295 BAO idgF:

(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(4) Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs. 2 erster Satz gilt sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 1 BAO)

Eine Abänderung (oder Aufhebung) nach § 295 Abs. 1 BAO setzt voraus, dass nachträglich (nach Erlassung des "abgeleiteten" Bescheides) ein Feststellungsbescheid abgeändert, aufgehoben oder erlassen wird (). Der Verwaltungsgerichtshof hielt in diesem Erkenntnis in einem vergleichbaren Fall zu einem abgeleiteten Bescheid gemäß § 295 BAO fest, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO nicht gegeben ist, wenn der "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete. Es liegt dann keine Abänderung, Aufhebung oder (erstmalige) Erlassung eines Feststellungsbescheides vor.

Handelt es sich bei einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung um einen Nichtbescheid, ist eine darauf gestützte Änderung gemäß § 295 Abs 1 BAO rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit ist nicht dadurch sanierbar, dass nachträglich der Grundlagenbescheid erlassen wird (). Der gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderte Bescheid wäre im Falle einer Bescheidbeschwerde aufzuheben oder seit dem AbgÄG 2011 auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs 4 BAO aufzuheben (vgl. ).

Im Übrigen ist auf die Entscheidungspraxis des Bundesfinanzgerichts zu verweisen, wonach § 295 Abs. 1 BAO kein Antragsrecht einräumt (zB , mwN; ).

Vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall der Einkommensteuerbescheid vom rechtswidrig, jedoch war weder von Amts wegen noch auf Antrag eine Aufhebung dieses von einer nicht rechtswirksamen Erledigung abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 Abs. 1 BAO zulässig.

Diesbezüglich ist die Beschwerde daher abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Aufhebung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO)

Sache des diesbezüglichen Beschwerdeverfahrens ist die Zurückweisung des Antrages gemäß § 295 Abs. 4 BAO als verspätet. Die belangte Behörde gründete die Ansicht, dass der Bf den Antrag auf Aufhebung verspätet eingebracht habe, auf die damals geltende Bestimmung des § 295 Abs. 4 letzter Satz BAO idF BGBl. I 70/2013, wonach "der Antrag vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen ist".

Mit Erkenntnis vom , G 159/2019 ua., hat der VfGH den genannten letzten Satz in § 295 Abs. 4 BAO, BGBl. 194/1961, idF BGBl. I 70/2013 als verfassungswidrig aufgehoben.

In der Folge ist am § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr 3/2021 in Kraft getreten. Die Neufassung enthält eine Änderung der Frist für die Einbringung von Anträgen auf Aufhebung von abgeleiteten, auf einen rechtsunwirksamen Feststellungsbescheid gestützten Bescheiden. Der Antrag ist nunmehr innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung der Beschwerde, die gegen ein Dokument gerichtet ist, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides hat, zu stellen.

Den parlamentarischen Materialien (ErläutIA 1109/A XXVII. GP, 31f) ist als Erläuterung der Novellierung von § 295 Abs 4 BAO zu entnehmen:

"Zu Z 7 (§ 295 Abs. 4):

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom , G 159/2019, den letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO als verfassungswidrig aufgehoben. In der Entscheidung hat der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass er in der bisherigen Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO eine eigenständige Regelung zur Aufhebung von Bescheiden sieht, die unabhängig von der in § 302 Abs. 1 BAO mit dem Ablauf der Verjährungsfrist begrenzten Zulässigkeit von Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden besteht. Dies führt zunächst dazu, dass nach Ablauf der durch den VfGH gewährten Frist zur Anpassung der gesetzlichen Regelung Aufhebungsanträge gemäß § 295 Abs. 4 BAO unbegrenzt zulässig wären. In weiterer Folge zeitigt die bisherige Regelung des § 295 Abs. 4 BAO in Zusammenhang mit der Aufhebung des letzten Satzes unsachliche Folgen: Der geltende Gesetzeswortlaut des § 295 Abs. 4 BAO lässt lediglich Aufhebungen abgeleiteter Bescheide zu. Feststellungsbescheide nach § 188 BAO können jedoch ohne Rücksicht auf die Verjährungsfristen der BAO erlassen werden. Stellt sich demnach im Beschwerde- oder Revisionsverfahren gegen einen Feststellungsbescheid heraus, dass dieser eine als Grundlagenbescheid intendierte Enunziation - somit ein "Nichtbescheid" - ist, kann die Abgabenbehörde zwar einen rechtswirksamen Feststellungsbescheid erlassen, ein von der als Grundlagenbescheid intendierten Enunziation abgeleiteter Bescheid könnte jedoch nur mehr aufgehoben werden. Damit tritt der ursprüngliche Erstbescheid oder ein zuvor ergangener abgeleiteter Bescheid wieder in den Rechtsbestand; derartige Bescheide entsprechen in den allermeisten Fällen aber inhaltlich nicht mehr dem geltenden Feststellungsbescheid. Dies führt zu unsachlichen Ergebnissen, die häufig dazu führen können, dass eigentlich nicht zustehende Verluste nur deshalb lukriert werden können, weil ein unwirksamer Feststellungsbescheid bestanden hat, der aber mittlerweile durch einen wirksamen Feststellungsbescheid ersetzt wurde.

Mit der Änderung wird für die Partei die Möglichkeit geschaffen, einen Antrag auf Aufhebung des Bescheides zu stellen, der sich auf den Nichtbescheid gestützt hat. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage betrifft die Aufhebung damit nicht nur Änderungsbescheide gemäß § 295 Abs. 1 BAO sondern alle Bescheide, die auf den Nichtbescheid gestützt sind. Die Aufhebung ist nur zulässig, wenn der Antrag innerhalb von einem Jahr ab Rechtskraft der Zurückweisung gestellt wird. Mit dieser Antragsbefristung wird den Ausführungen des VfGH, wonach das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde erlangt, Rechnung getragen.

Zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen ist vorgesehen, dass der Übernahme der im (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) getroffenen Feststellungen die Verjährung nicht entgegensteht, wenn der neue Abgabenfestsetzungsbescheid innerhalb von einem Jahr ab Aufhebung ergeht. Wird gegen den (neu) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) fristgerecht Beschwerde erhoben, soll durch die Anwendung des § 209a Abs. 2 erster Satz BAO - zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes - trotz Verjährungseintritt eine allfällige Anpassung des abgeleiteten Festsetzungsbescheides an den im Beschwerdeverfahren abgeänderten Feststellungsbescheid möglich sein."

Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (; ).

Im vorliegen Fall brachte der Bf - von der belangten Behörde unbestritten - innerhalb eines Jahres nach Zurückweisung einen Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO ein, der nach der neuen Rechtslage fristgerecht gestellt wurde.

Da die Gesetzmäßigkeit eines angefochtenen Bescheides grundsätzlich nach dem aktuell geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen ist, ist der Beschwerde in diesem Punkt daher Folge zu geben und der angefochtene (nach der alten Rechtslage ergangene) Zurückweisungsbescheid vom insoweit aufzuheben, als er über den Antrag gemäß § 295 Abs. 4 BAO abgesprochen hat. Durch die Aufhebung ist der Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO wiederum unerledigt.

3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall erfolgte die Lösung der zu klärenden Rechtsfragen im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. ergibt sie sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4B-VG liegt somit nicht vor, weshalb eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100431.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at