Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 08.03.2021, RV/2100079/2021

Unzuständigkeit des BFG - keine BVE ergangen

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2100079/2021-RS1
wie RV/7101164/2017-RS1
Legt die belangte Behörde eine Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vor, ohne zuvor eine wirksam zugestellte Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben und liegt kein Fall des § 262 Abs. 2 bis Abs. 4 BAO vor, ist das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig. Das Verfahren ist daher mit Beschluss einzustellen.
RV/2100079/2021-RS2
wie RV/7101164/2017-RS1
Legt die belangte Behörde eine Beschwerde an das Bundesfinanzgericht vor, ohne zuvor eine wirksam zugestellte Beschwerdevorentscheidung erlassen zu haben und liegt kein Fall des § 262 Abs. 2 bis Abs. 4 BAO vor, ist das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig. Das Verfahren ist daher mit Beschluss einzustellen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch
***Stb***, über die Bescheidbeschwerden vom gegen die Bescheide des ***Finanzamtes** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Kapitalertragsteuer 01.2013-11.2013, Kapitalertragsteuer 01.2014-11.2014 und Kapitalertragsteuer 01.2015-11.2015 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Es wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt.

Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I) Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (=Bf.) brachte mit Eingaben über FinanzOnline am elektronische Bescheidbeschwerden gegen die Festsetzung der Kapitalertragsteuer
01-11/2013, 01-11/2014 und 01-11/2015 bei der belangten Behörde ein.
Sie verwies darauf, dass die Begründung zu diesen Bescheidbeschwerden (= kurz Beschwerden) gesondert im Postwege ergehen werde.

Die angekündigte Begründung wurde jedoch nicht nachgereicht.

In einer weiteren elektronischen Eingabe vom beantragte die Bf. Fristverlängerungen für die Einbringung der Beschwerden gegen weitere Bescheide vom betreffend Körperschaftsteuer 2013-2015, Umsatzsteuer 2013-2015, Umsatzsteuer 1-12/2016, Umsatzsteuer 1-8/2017 und Anspruchszinsen 2014-2015.

In diesen Fristverlängerungsansuchen beantragte die Bf. die Frist zur Einbringung der Beschwerden bis zum zu verlängern.

Die Bf. brachte die angekündigten Beschwerden innerhalb der verlängerten Frist am elektronisch bei der belangten Behörde ein.
Mit gesondertem Schriftsatz vom reichte die Bf. die Begründung zu den Beschwerden nach.
In der gesonderten Begründung nahm die Bf. auf die Beschwerden vom gegen die Festsetzungen der Kapitalertragsteuer nichtBezug.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 18. bzw. wies das Finanzamt die Beschwerden vom ab.
Der Bescheidspruch (§ 93 Abs. 2 BAO) dieser Beschwerdevorentscheidungen bezieht sich nicht auf die angefochtene Kapitalertragsteuer.

Der Spruch lautet:
"Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom des Bf., vertreten durch Steuerberater XY, gegen Körperschaftsteuer 2013, 2014, 2015; Umsatzsteuer 2013, 2014, 2015; Festsetzung Umsatzsteuer Jänner bis Dezember 2016 und Festsetzung Umsatzsteuer Jänner bis August 2017; Anspruchszinsen 2014 und 2015.

Über die Beschwerde wird auf Grund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden:

Ihrer Beschwerde vom wird teilweise stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird abgeändert wie in Punkt 5. dargestellt."

Der Spruch bezieht sich unmissverständlich nur auf die Beschwerden gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2013 - 2015, die Umsatzsteuerbescheide 2013-2015, die Bescheide über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2014 - 2015 sowie die Festsetzung der Umsatzsteuer 1-12/2016 und Umsatzsteuer 1-8/2017.

Die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer werden nur in der Begründung genannt.

Mit elektronischen Eingaben vom brachte die Bf. Anträge auf Entscheidung gegen die Beschwerdevorentscheidung ein.
Mit Schriftsatz vom reichte die Bf. die Begründung zu den elektronischen Vorlageanträgen vom nach.
Im Gegenstand der nachgereichten Begründung verwies die Bf. auch auf die strittige Kapitalertragsteuer, obwohl über die Beschwerden gegen die Kapitalertragsteuerbescheide noch keine Beschwerdevorentscheidungen ergangen waren.
Das Finanzamt legte die Beschwerden gegen die Festsetzungen der Kapitalertragsteuer
01-11/2013, 01-11/2014 und 01-11/2015 dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.

Aus den vorliegenden Akten ist kein Vorlageantrag betreffend die Kapitalertragsteuer ersichtlich.
Das Finanzamt bestätigte mit Mail vom 05.03.20121 das Fehlen von Vorlageanträgen betreffend die Kapitalertragsteuer.

II Sachverhalt

1. Das Finanzamt hat über die Beschwerden vom gegen die Bescheide über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 01-11/2013, 01-11/2014 und 01-11/2015 jeweils vom nicht mittels Beschwerdevorentscheidung abgesprochen.

2.Das Finanzamt legte diese Beschwerden vom dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht am zur Entscheidung vor.

III. Rechtslage

1. Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gemäß Abs. 2 hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist gemäß Abs. 3 keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

Gemäß Abs. 4 ist weiters keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

2. Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt werden.

3. Gemäß § 265 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde, über die keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder über die infolge eines Vorlageantrages vom Verwaltungsgericht zu entscheiden ist, nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen ohne unnötigen Aufschub dem Verwaltungsgericht vorzulegen.

4. Gemäß § 291 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht - soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes vorsehen - verpflichtet, über Anträge der Parteien und über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Bescheidbeschwerden beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde (§ 265 BAO). In den Fällen des § 284 Abs. 5 beginnt die Entscheidungsfrist mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis ausgesprochen, dass der Vorlagebericht für sich nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen ist, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde (vgl. auch ; ).

IV. Erwägungen

1. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum FVwGG 2012 (2007 BlgNR 24. GP 18) wird u.a. ausgeführt, § 265 Abs. 2 und 3 BAO "soll den Verwaltungsgerichten den Überblick über die strittigen Sach- und Rechtsfragen erleichtern".

Der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes unterliegt nach diesen Bestimmungen die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde.
Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde. Der Vorlagebericht dient hingegen - wie aus den oa. Gesetzesmaterialien hervorgeht - bloß dazu, um den Verwaltungsgerichten den Überblick zu erleichtern. Der Vorlagebericht (für sich) ist nicht als Antrag der Abgabenbehörde als Partei im Beschwerdeverfahren (§ 265 Abs. 5 BAO) zu beurteilen, der gemäß § 291 Abs. 1 BAO der Entscheidungspflicht unterliegen würde.
Auch ist es nicht der Vorlagebericht, der den Lauf der Entscheidungsfrist auslöst;
die Entscheidungsfrist beginnt vielmehr mit der Vorlage der Beschwerde. Dass eine Mangelhaftigkeit des Vorlageberichts Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung in der Sache oder auf den Beginn des Laufes der Entscheidungsfrist hätte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Beifügung des Vorlageberichtes im Rahmen einer Beschwerdevorlage erfolgt in Erfüllung einer Rechtspflicht des Finanzamtes, nicht aber um die Geltendmachung eines Rechtes durch das Finanzamt (als Partei im Beschwerdeverfahren) (vgl. ).

2. Grundsätzlich sind die Abgabenbehörden gemäß § 262 Abs. 1 BAO dazu verpflichtet, über Bescheidbeschwerden mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen. Damit soll die Abgabenbehörde dazu verhalten werden, sich vor Beschwerdevorlage an das Verwaltungsgericht eingehend mit dem Beschwerdevorbringen auseinanderzusetzen und erforderliche Ermittlungen zu ergänzen (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 262 Anm 2).

3. Da im gegenständlichen Beschwerdefall über die Beschwerden nicht mittels Beschwerdevorentscheidung abgesprochen (Punkt II.1. und 2.) worden war und in der Folge ein Vorlageantrag nicht gestellt wurde, trifft das Bundesfinanzgericht in dieser Sache keine Entscheidungspflicht iSd § 291 Abs. 1 BAO, vielmehr ist die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festzustellen (siehe ).
Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) sei danach das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.

Im Beschwerdefall erging weder eine Beschwerdevorentscheidung noch wurde ein Vorlageantrag gestellt.

Die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes war daher festzustellen und das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht einzustellen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine derartige Rechtsfrage liegt hier nicht vor zumal die Entscheidung der Judikatur des VwGH entspricht ().

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 Abs. 2 und 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 265 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100079.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at