Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 ist ein Zwang zur Pensionsabfindung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Die im Jahr ***2*** geborene Beschwerdeführerin (in der Folge abgekürzt Bf.) war bis zum in Liechtenstein nichtselbständig tätig. Nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses und dadurch bedingtem Auflösen des Vorsorgeverhältnisses mit der Pensionskasse der Arbeitgeberin wurde das Altersguthaben auf ein Freizügigkeitskonto bei der ***1*** transferiert.
Im Zeitraum bis bezog die Bf. Arbeitslosengeld. Seit und damit mit Erreichen des 55. Lebensjahres bezieht sie eine inländische ASVG-Pension und seit (mit Erreichen des 60. Lebensjahres) auch eine AHV-Rente aus Liechtenstein. Mit wurde das Freizügigkeitskonto aufgelöst und das sich auf diesem Konto befindliche Guthaben in Höhe von 132.323,51 CHF der Bf. ausbezahlt.
Das Finanzamt besteuerte den Auszahlungsbetrag ohne Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988.
In ihrer dagegen eingebrachten Beschwerde beantragte die Bf. die Anwendung der streitgegenständlichen Steuerbegünstigung und führte aus, sie habe keine Wahlmöglichkeit bei der Auszahlung "der zweiten Säule" gehabt.
Das BFG gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom , RV/1100398/2018, statt und verneinte die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Begründend wurde ausgeführt, im Beschwerdefall seien der Dienstaustritt sowie das Verlassen des ausländischen Dienstortes im 52. Lebensjahr der Bf. und damit unstrittig vor Erreichen des Rentenalters bzw. vor Erreichung des Vorsorgefalles erfolgt. Die Bf. habe daher keinen Anspruch auf Verbleib in der Pensionskasse und (späteren) Bezug einer Altersrente, sondern gemäß Art. 11 Abs. 1 BPVG lediglich einen Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung sowie gemäß Art. 12 Abs. 4 BPVG aufgrund des endgültigen Verlassens des ausländischen Dienstortes einen Anspruch auf Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung gehabt. Ein begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen zwei gleichrangigen Ansprüchen habe somit nicht bestanden, weil ein solches auch nicht durch die Möglichkeit, das Altersguthaben auf dem Freizügigkeitskonto stehen zu lassen oder auf eine Freizügigkeitspolice zu übertragen, begründet werde. Die begünstigte Besteuerung der Freizügigkeitsleistung sei daher zu Unrecht versagt worden.
Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BFG habe in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung angewendet, obwohl anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung ein Wahlrecht zwischen Übertragung des Vorsorgeguthabens auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice, somit ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schädliches Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente ausgeübt worden sei.
Mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0065, hat der Verwaltungsgerichtshof eine Revision für zulässig erklärt und das Erkenntnis des , wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich der Streitfrage, ob der Bf. nach Beendigung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit in Liechtenstein die Möglichkeit offen stand, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen, hat das Höchstgericht folgende Rechtsauffassung vertreten:
"…Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. ausführlich VwGH vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, mwN).
Vor diesem Hintergrund geht das BFG im Revisionsfall von einer unrichtigen Rechtsansicht aus, wenn es die von ihm nach liechtensteinischem Recht festgestellte Möglichkeit einer Übertragung der "Freizügigkeitsleistung" auf eine Freizügigkeitspolice - ohne weitere Prüfung - als nicht begünstigungsschädlich eingestuft hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, ausgeführt hat, kann nämlich nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn der Mitbeteiligten nach Beendigung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit in Liechtenstein die Möglichkeit offen stand, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen. Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers, sondern von einem "privaten Versicherungsunternehmen" erfolgt wäre, ändert nichts an der Möglichkeit eines späteren Rentenbezugs. Entscheidend ist, ob der Mitbeteiligten ein Verbleib innerhalb des betrieblichen Vorsorgesystems Liechtensteins durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.
Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."
Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des BFG tritt die Rechtssache betreffend Einkommensteuer 2017 in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG). Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG).
Das Höchstgericht hat dem BFG im Beschwerdefall unter Verweis auf sein Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0003, aufgetragen, konkrete Feststellungen darüber zu treffen, ob der Bf. ein Verbleib innerhalb des betrieblichen Vorsorgesystems Liechtensteins durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.
In Entsprechung dieses Ermittlungsauftrages wurden seitens des BFG an die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA), den Liechtensteinischen Pensionskassenverband (LPKV) sowie den Liechtensteinischen Versicherungsverband (LVV) nachstehende Fragen gerichtet:
"1. Besteht im Falle des endgültigen Verlassens Liechtensteins vor Eintritt des Vorsorgefalles eine Möglichkeit, den Anspruch auf eine Altersrente aus der beruflichen Vorsorge aufrechtzuerhalten bzw. gibt es in solchen Fällen eine Möglichkeit, sich die Freizügigkeitsleistung in Rentenform auszahlen zu lassen?
2. Besteht für einen Arbeitnehmer, der zwar das vorzeitige (reglementarische) Rentenalter, nicht aber das gesetzliche Rentenalter erreicht hat, im Falle des endgültigen Verlassens Liechtensteins die Möglichkeit, eine Freizügigkeitsleistung in Anspruch zu nehmen oder hat er in diesem Fall nur mehr Anspruch auf die Altersleistung (die er sich gegebenenfalls bar auszahlen lassen kann)?
3. Gelten auch Schweizer Versicherungsunternehmen, die ein Produkt im Sinne des Art. 12 Abs. 2 BPVG anbieten, als in Liechtenstein zugelassene Versicherungsunternehmen und steht es daher einem Arbeitnehmer, der seinen liechtensteinischen Arbeitgeber verlässt, frei, die Freizügigkeitsleistung in eine prämienfreie Freizügigkeitspolice eines Schweizer Versicherungsunternehmens mit späterem Anspruch auf Rentenausrichtung einzuzahlen?
4. Sind die Fragen 1., 2. und 3. im Hinblick auf den obligatorischen und den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge jeweils unterschiedlich zu beantworten?"
Die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein (FMA) beantwortete die obig wiedergegebenen Fragen in ihrem Schreiben vom wie folgt:
"Ad 1. Grundsätzlich bestehen von Gesetzes wegen bei definitivem Verlassen des Wirtschaftsraumes vor Eintritt des Vorsorgefalles die Möglichkeiten der Bildung eines Freizügigkeitskontos und einer Freizügigkeitspolice (Art. 12 Abs. 2 BPVG). Da zur Zeit keine Freizügigkeitspolicen in Liechtenstein angeboten werden, besteht aktuell jedoch leider keine Auswahlmöglichkeit. Bei einem Freizügigkeitskonto besteht keine Möglichkeit eines Rentenbezuges. Somit ist es zur Zeit nicht möglich, sich in solchen Fällen die Freizügigkeitsleistung in Rentenform auszahlen zu lassen.
Ad 2. Bei dieser Frage muss unterschieden werden, wo sich das Altersguthaben des Versicherten bei Erreichen des reglementarischen Rentenalters befindet. Erreicht der Arbeitnehmer gleichzeitig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses das reglementarische Rentenalter, erhält er die Möglichkeit, sich pensionieren zu lassen. Höchstwahrscheinlich wird er die Möglichkeit eines direkten Bezugs der Altersleistung, sei dies in Form einer Rente oder in Form eines Kapitalbezugs ausnützen und dies so bei der Vorsorgeeinrichtung anmelden, bevor diese eine Freizügigkeitsleistung ausrichtet. Die Vorsorgeeinrichtungen sind verpflichtet, dem Versicherten die Möglichkeit anzubieten, die Altersleistung anteilig als Rente oder als Kapital beziehen zu können (Art. 9 Abs. 1a BPVG). Der Arbeitnehmer ist indessen nicht verpflichtet, das Altersguthaben bereits bei Erreichen des reglementarischen Rentenalters zu beziehen. Er kann sich auch eine Freizügigkeitsleistung auf ein Freizügigkeitskonto überweisen und das Guthaben bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters (AHVG, Alter 65) auszahlen lassen (Anmerkung FMA: Was aber aufgrund der hohen Gebühren für die Freizügigkeitskonti sehr unwahrscheinlich erscheint).
Grundsätzlich gilt, die Freizügigkeitsleistung ist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ein Freizügigkeitskonto oder an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen. Das Versicherungsverhältnis mit der Vorsorgeeinrichtung ist beendet, sobald das Arbeitsverhältnis endet, gleichsam wird eine Freizügigkeitsleistung fällig. Die Freizügigkeitsleistung ist in den Art. 11 und 12 BPVG geregelt. Der Erhalt einer Freizügigkeitsleistung ist nur im beendeten Arbeitsverhältnis möglich. In diesem Stadium kann keine Rente bezogen werden, sondern nur das Kapital. Sodann sieht Art. 12 Abs. 6 BPVG vor, dass dieses erst bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters nach AHVG (zur Zeit Alter 65) ausbezahlt werden kann.
Die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung haben keinen Einfluss auf das Freizügigkeitsguthaben bei der Bank.
Ad 3. Ein Arbeitnehmer, der seinen liechtensteinischen Arbeitgeber verlässt, hat keine Möglichkeit, die Freizügigkeitsleistung in eine prämienfreie Freizügigkeitspolice eines schweizerischen Versicherungsunternehmens in der Schweiz einzuzahlen. Ein grenzüberschreitender Transfer der Freizügigkeitsleistung ist nur zwischen den Vorsorgeeinrichtungen vorgesehen, nicht indessen zwischen Vorsorgeeinrichtung und Freizügigkeitspolicen-Anbieter. Sofern das schweizerische Versicherungsunternehmen jedoch in Liechtenstein domiziliert oder notifiziert ist, wäre es durchaus möglich, die Freizügigkeitsleistung in eine prämienfreie Freizügigkeitspolice eines schweizerischen Versicherungsunternehmens mit späterem Anspruch auf Rentenausrichtung einzubezahlen, sofern dieses Unternehmen eine solche Police anbietet. In Liechtensteingibt es zur Zeit jedoch keine schweizerischen Versicherungsunternehmen, die hier im Lande Vorsorgepolicen respektive Freizügigkeitspolicen anbieten.
Ad 4. Das System in Liechtenstein unterscheidet sich etwas von demjenigen der Schweiz vor allem im Hinblick auf die überobligatorischen Leistungen. Während in der Schweiz von überobligatorischen Leistungen gesprochen wird, gibt es in Liechtenstein kein Überobligatorium. Stattdessen gibt es die weitergehenden Leistungen (siehe dazu Art. 2 Abs. 2 BPVG). In der Schweiz wird das Alterskapital im Rahmen einer Schattenrechnung klar in Guthaben aus der obligatorischen und überobligatorischen Vorsorge unterteilt und dementsprechend unterschiedlich behandelt. In Liechtenstein wird keine solche Unterscheidung bezüglich der Art des angesparten Kapitals getroffen, d.h. ob es aus dem obligatorisch zu versichernden Teil der beruflichen Vorsorge stammt oder es sich um weitergehende Leistungen der Vorsorgeeinrichtung handelt. In Liechtenstein verfügt man daher nur über ein Alterskapital, welches sich aus Teilen der obligatorischen Vorsorge und Teilen der weitergehenden Vorsorge zusammensetzt.
In diesem Hinblick sind die drei vorhergehenden Fragen nicht unterschiedlich zu beantworten."
Der Liechtensteinischen Pensionskassenverband (LPKV) beantwortete die obig wiedergegebenen Fragen im Schreiben vom wie folgt:
" Ad 1. Es besteht keine Möglichkeit, einen Anspruch auf eine Altersrente außerhalb einer Vorsorgeeinrichtung aufrecht zu erhalten. Freizügigkeitseinrichtungen bieten keine Altersrenten an. Auch Freizügigkeitspolicen, welche kaum noch am Markt angeboten werden, versichern unseres Wissens als Altersleistung nur Kapitalien und keine Altersrenten.
Ad 2. Das BPVG sieht drei Voraussetzungen vor, eine Freizügigkeitsleistung vor Erreichen des AHV-Rentenalters bar zu beziehen. Sie wird bar ausbezahlt, wenn sie weniger als einen Jahresbeitrag der versicherten Person beträgt. Auf Verlangen des Arbeitnehmers wird die Freizügigkeitsleistung außerdem bar ausbezahlt, falls er den Wirtschaftsraum Liechtenstein-Schweiz endgültig verlässt oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt und - in beiden Fällen - nicht nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraumes für die Risiken Alter, Tod und Invalidität weiterhin obligatorisch in der Rentenversicherung versichert ist.
Bei einer Pensionierung vor Erreichen des AHV-Rücktrittsalters besteht in der Regel zudem die Möglichkeit, eine Austrittsleistung auf ein Freizügigkeitskonto zu überweisen. Dies bedeutet, dass die versicherte Person keine vorzeitige Pensionierung, sondern einen Austritt geltend macht. Wir gehen davon aus, dass die meisten Pensionskassen diese Möglichkeit zulassen.
Ad 3. Eine Freizügigkeitsleistung kann gemäß BPVG als Einlage für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice bei einem in Liechtenstein zugelassenen Versicherungsunternehmen einbezahlt werden, also auch in ein Schweizer Versicherungsunternehmen, sofern dieses in Liechtenstein zugelassen ist. Wie unter Z. 1 ausgeführt, gibt es aber kaum noch Anbieter von Freizügigkeitspolicen und unseres Wissens ist es bei keinem Anbieter möglich, die Altersleistungen in Rentenform zu beziehen.
Ad 4. Diese Unterscheidung ist für die obigen Fragestellungen nicht von Relevanz."
Der Liechtensteinische Versicherungsverband (LVV) erklärte sich für die Fragebeantwortung als unzuständig.
Nach Übermittlung der Ermittlungsergebnisse des BFG zur Stellungnahme an das Finanzamt wandte sich dieses mit folgenden Fragen an insgesamt 33 liechtensteinische und schweizerische Versicherungsunternehmen (einschließlich solcher schweizerischer Versicherungsunternehmen, die in Liechtenstein im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugelassen sind):
"1. Bietet oder bot Ihr Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit die Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung (also mit Anspruch auf spätere Auszahlung in Rentenform) als eigenes Versicherungsprodukt an?
2. Sollte Frage 1 zu verneinen sein: Besteht bzw bestand in der Vergangenheit dennoch die Möglichkeit, den Vorsorgeschutz in Rentenform durch Abschluss einer Freizügigkeitspolice als Rentenversicherung im Wege eines individuellen Einzelvertrages aufrecht zu erhalten?"
Von 24 der 33 angeschriebenen Versicherungsunternehmen erhielt das Finanzamt eine Rückmeldung. Davon verneinten 22 Versicherungsunternehmen beide Fragen, ein Versicherungsunternehmen verneinte die erste Frage und verweigerte die Beantwortung der 2. Frage unter Verweis auf deren Allgemeincharakter und einer deshalb aus seiner Sicht notwendigen Abstimmung mit der liechtensteinischen Steuerverwaltung. Ein weiteres Versicherungsunternehmen erachtete eine Beantwortung nur als zulässig im Wege eines Rechtshilfeersuchens.
Nach Würdigung aller durchgeführten Ermittlungen gelangte das Finanzamt zu der Conclusio, das für österreichische Grenzpendler bei tatsächlich endgültigem Verlassen Liechtensteins keine zumutbare Möglichkeit bestand bzw. besteht, den Anspruch auf eine Altersrente aufrechtzuerhalten.
Gemäß Art. 55 des liechtensteinischen Gesetzes vom über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) haben Personen, welche das 65. Altersjahr vollendet haben, Anspruch auf eine Altersrente; der Rentenvorbezug gemäss Art. 73 bleibt vorbehalten. Der Anspruch entsteht am ersten Tag des Monats, welcher der Vollendung des 65. Altersjahres folgt. Er erlischt mit dem Tod.
Gemäß Art. 73 Abs. 1 AHVG können Personen, welche die Mindestbeitragsdauer für den Anspruch auf Altersrente erfüllen, die Rente ab dem 60. Altersjahr vorbeziehen. Der Rentenanspruch entsteht in diesen Fällen am ersten Tag des Monats nach Vollendung des 60., 61., 62., 63. oder 64. Altersjahres.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 des liechtensteinischen Gesetzes vom über die betriebliche Personalvorsorge (BPVG) entsteht der Anspruch auf Altersleistungen mit Erreichen des ordentlichen Rentenalters nach dem AHVG. Reglementarisch kann auch ein anderes Rentenalter gewählt werden.
Gemäß Art. 9 Abs. 1 BPVG werden Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenleistungen in der Regel als lebenslängliche oder temporäre Renten ausgerichtet.
Gemäß Art. 9 Abs. 2 BPVG kann das Reglement der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass die anspruchsberechtigte Person anstelle einer Alters-, Invaliden- oder einer Witwen- oder Witwerrente eine Kapitalabfindung verlangen kann, die mindestens 90 % des versicherungstechnischen Barwertes der abzulösenden Rente betragen muss. Für die Altersleistung hat die versicherte Person die entsprechende Erklärung spätestens drei Jahre vor Entstehung des Anspruchs abzugeben, sofern das Reglement keine kürzere Frist festlegt.
Scheidet ein Arbeitnehmer aus einem anderen Grunde als wegen Alter, Invalidität oder Tod aus der Vorsorgeeinrichtung aus, so hat diese gemäß Art. 11 Abs. 1 BPVG eine Freizügigkeitsleistung zu erbringen.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 BPVG ist die Freizügigkeitsleistung weiterhin für die Vorsorge des aus der Versicherung ausscheidenden Arbeitnehmers zu verwenden. Zu diesem Zweck wird sie an die Vorsorgeeinrichtung seines neuen Arbeitgebers überwiesen.
Falls sich dies nicht durchführen lässt, ist sie gemäß Art. 12 Abs. 2 erster Satz BPVG als Einlage für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice bei einem in Liechtenstein zugelassenen Versicherungsunternehmen einzuzahlen oder auf ein für Vorsorgezwecke gesperrtes Konto bei einer liechtensteinischen Bank einzulegen.
Gemäß Art. 12 Abs. 3 BPVG wird die Freizügigkeitsleistung bar ausbezahlt, wenn diese weniger als einen Jahresbeitrag des Versicherten beträgt.
Gemäß Art. 12 Abs. 4 BPVG wird auf Verlangen des Arbeitnehmers die Freizügigkeitsleistung außerdem bar ausbezahlt, falls er den Wirtschaftsraum Liechtenstein - Schweiz endgültig verlässt oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt (lit. a) und nicht nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraumes für die Risiken Alter, Tod und Invalidität weiterhin obligatorisch in der Rentenversicherung versichert ist (lit. b).
Aufgrund der obig wiedergegebenen Ermittlungsergebnisse kommt das Finanzgericht zum Ergebnis, dass der Bf. nach Beendigung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit in Liechtenstein nicht die Möglichkeit offen stand, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen. Daher ist die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung anzuwenden und der Beschwerde sohin Folge zu geben.
III. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG hat in Entsprechung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu z.B. ; ), wonach in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz "iura novit curia" nicht gilt, die im fortgesetzten Verfahren wiedergegebenen amtlichen Ermittlungen zur Streitfrage, ob der Bf. ein Verbleib innerhalb des betrieblichen Vorsorgesystems Liechtensteins durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können, zur Grundlage seiner rechtlichen Beurteilung gemacht. Eine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag daher nicht vor, sodass eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.
Gesamthaft war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 124b Z 53 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100217.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at