Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.04.2021, RV/7100266/2019

Bei Lebensgefährten bildet der gemeinsame Haushalt am Arbeitsort den Mittelpunkt der Lebensinteressen Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung stehen nicht zu

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom sowie vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom bzw. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 sowie 2017 zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe


***Bf1*** (Beschwerdeführer i.d.F. Bf.) erzielt im Inland Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 beantragte er die Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen für seine Söhne Sohn1 und Sohn2 sowie Kosten der für diese erbrachten Unterhaltsleistungen.

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom wurde der Bf. zur Einkommensteuer 2016 veranlagt.
Die Unterhaltsleistungen des Bf. blieben unberücksichtigt, die Kinderfreibeträge gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 für nicht haushaltszugehörige Kinder wurden antragsgemäß berücksichtigt.
In der Begründung wurde ausgeführt, dass für Kinder, die nicht zum Haushalt gehören, weder dem Steuerpflichtigen noch seinem Partner der Kinderabsetzbetrag (Auszahlung mit der Familienbeihilfe) gewährt werden könne.

In seiner Beschwerde vom beantragte der Bf. dazu ergänzend die Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten i.H.v. € 3.672,- bzw. für doppelte Haushaltsführung i.H.v. € 7.560,-.
Er fahre jede Woche mit PKW von seinem Wohnsitz in Österreich, Bf-Adr zu seinem Familienwohnsitz in Bf-Adr2.
Aufgrund der Entfernung (129km) sei eine tägliche Rückkehr zu seiner Lebensgefährtin (Beginn der Beziehung ) nicht möglich.
Die Heimfahrten seien zudem erforderlich, da seine schwerkranke Mutter Betreuung benötige, die er als einziger der Familie ausüben könne.
Zudem beantrage er, die von ihm getragenen Unterhaltsleistungen an die Kindesmutter (V) für 2 Kinder zu berücksichtigen.

Dem Antrag wurden lt. seiner Darstellung folgende Unterlagen beigelegt:
- Meldezettel
- Scheidungsurteil
- Geburtsurkunden der Kinder
- Ausweise des Bf., seiner geschiedenen Gattin sowie der gemeinsamen Kinder
- Beschluß über die Unterhaltszahlungen.

Mit Ersuchen um Ergänzung der Behörde vom wurden dem Bf. die Voraussetzungen zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Familienheimfahrten und der Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung erläutert. Da er von seiner Gattin mit der er die Kinder habe geschieden sei wurde er ersucht, das Formular E9 (Bescheinigung ausländischer Steuerbehörden für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EU betreffend Einkommensteuer) betreffend seiner derzeitigen Lebensgefährtin vorzulegen.
Zudem habe er amtlich in deutsche Sprache übersetzte Mietverträge seiner Wohnungen in Ungarn sowie in Österreich ebenso beizubringen wie Belege zu den von ihm beantragten Kosten.

Der Bf. erläuterte unter Bezugnahme auf das Ersuchschreiben der Behörde mit elektronischer Eingabe vom , daß er, ungeachtet des Umstandes, dass seine Lebensgefährtin M in Österreich beschäftigt sei, Anspruch auf die beantragten Kosten (Familienheimfahrten, doppelte Haushaltsführung) habe und führte dazu folgende Gründe an:
- seine schwerkranke Mutter, die der regelmäßigen Betreuung bedürfe (die nur er ausüben könne),
- der bisherige Wohnsitz müsse beibehalten werden, da der Verkauf des Eigenheimes zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde, die die Kosten für ein neues Haus nicht abdecken würden,
- er regelmäßigen Kontakt zu seinen beiden Kindern, die bei der Kindsmutter leben würden, suche,
sodaß die Beibehaltung des Wohnsitzes im Ungarn nicht privat veranlasst und die Verlegung des Familienwohnsitzes in die Nähe Ihres Arbeitsortes nicht zumutbar sei.
Die von der Behörde angeforderten Unterlagen wurden nicht beigebracht.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Nach erneuter Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen sowie der Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Familienheimfahrten bzw. der Kosten der doppelten Haushaltsführung wurde festgestellt, dass die Partnerin des Bf. in Österreich beschäftigt sei und sich der gemeinsame Familienwohnsitz seit 2014 in Wien befinde. Vorgelegt worden seien weder Belege noch ein Fahrtenbuch sondern nur Dokumente in ungarischer Sprache.
Die alleinige Aussage, die pflegebedürftige Mutter in Ungarn besuchen zu müssen, ohne deren Pflegebedürftigkeit nachzuweisen, sei kein ausreichender Grund für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung.
Da die abverlangten Unterlagen nicht vorgelegt und keine berücksichtigungswürdigen Gründe für die Gewährung der doppelten Haushaltsführung nachgewiesen worden seien, sei die Beschwerde abzuweisen.

Der Bf. beantragte mit elektronischer Eingabe vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Er habe zahlreiche Unterlagen vorgelegt, die nicht berücksichtigt worden seien. Der Sachverhalt sei von der Behörde mangelhaft dargelegt worden.
Er sei jede Woche zu seinem Familienwohnsitz in Ungarn gefahren und habe in der Beschwerde mehrere Gründe angeführt, die seines Erachtens zur steuerlichen Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten führen müssten. Um Korrektur des Bescheides für 2016 wurde ersucht.

Der Bf. brachte weiters am eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 ein, in der er u.a. (wie für das Vorjahr) die Berücksichtigung der Kosten für Familienheimfahrten, der doppelten Haushaltsführung, von Unterhaltsleistungen und Kinderfreibeträge für seine Söhne Sohn1 und Sohn2 beantragte.

Der von der Behörde erlassene Einkommensteuerbescheid 2017 vom erging ohne Berücksichtigung dieser Anträge (somit auch ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen).
In der Begründung wurde auf jene im Bescheid des Vorjahres verwiesen.

In der vom Bf. am eingebrachten Beschwerde ersuchte dieser um Überprüfung der Bescheide sowie Berücksichtigung der von ihm beantragten Kosten.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und darin erneut auf die vorjährige Begründung hingewiesen.

Der Bf. brachte am einen Antrag auf Behandlung der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein. Die Begründung ist mit jener, die in dem Vorlageantrag für das Jahr 2016 erstattet wurde, ident.

Der Vorlagebericht der Behörde langte am beim Bundesfinanzgericht ein. Nach Darstellung des Sachverhaltes, der Bezeichnung der Beweismittel sowie einer Stellungnahme wurde beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:


§ 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 lautet:
3. Steuerpflichtigen, die für ein Kind den gesetzlichen Unterhalt leisten, steht ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 Euro monatlich zu, wenn
- sich das Kind in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz aufhält und
- das Kind nicht ihrem Haushalt zugehört (
§ 2 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967) und
- für das Kind weder ihnen noch ihrem jeweils von ihnen nicht dauernd getrennt lebenden (Ehe-)Partner Familienbeihilfe gewährt wird.
Leisten sie für mehr als ein nicht haushaltszugehöriges Kind den gesetzlichen Unterhalt, so steht für das zweite Kind ein Absetzbetrag von 43,80 Euro und für jedes weitere Kind ein Absetzbetrag von jeweils 58,40 Euro monatlich zu. Erfüllen mehrere Personen in Bezug auf ein Kind die Voraussetzungen für den Unterhaltsabsetzbetrag, so steht der Absetzbetrag nur einmal zu.

§ 34 Abs. 1 sowie Abs. 7 Z 1, 4 und 5 EStG 1988 lauten (auszugsweise):
(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen.

§ 106 EStG 1988 lautet:
(1) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.
(2) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht.
(3) (Ehe-)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG eingetragen ist.
(4) Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 sind die Abs. 1 bis 3 sinngemäß anzuwenden.

§ 106a Abs. 1+2 EStG 1988 lautet (auszugsweise):
(1) Für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 steht auf Antrag ein Kinderfreibetrag zu. Dieser beträgt

- 300 Euro jährlich pro Steuerpflichtigem, wenn einem anderen nicht im selben Haushalt lebenden Steuerpflichtigen für dasselbe Kind ein Kinderfreibetrag nach Abs. 2 zusteht.
(2) Für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2 steht auf Antrag ein Kinderfreibetrag in Höhe von 300 Euro jährlich zu.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen…

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Weiters dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit e EStG 1988 die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz(Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeitbezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

§ 167 BAO lautet:
(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Folgender Sachverhalt wird von Seiten des Bundesfinanzgerichts der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Bf. war im Beschwerdezeitraum in Österreich (Wien) unselbstständig tätig.
Er wurde im Jahr 2009 von seiner Gattin V, mit der er zwei Kinder, Sohn1x (geb. tt.mm.1999) bzw. Sohn2 (geb. tt.mm.2006) hatte geschieden und verpflichtete sich im Zuge der Scheidung zu Unterhaltsleistungen für seine beiden Söhne i.H.v. je 25.000,- HUF monatlich.
Die Söhne lebten im beschwerdeverfangenen Zeitraum bei der Kindesmutter in Ungarn.
Der Bf. verfügt über eine Wohnung in Bf-Adr2 und ist seit Dezember 2012 in Österreich, zuletzt seit in Bf-Adr mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Die Distanz zwischen den beiden Wohnorten beträgt (lt. Routenplaner ÖAMTC) 121 Kilometer.
Die Lebensgefährtin des Bf., M ist in Österreich seit 2013 durchgehend beschäftigt und lebt seit Anfang 2015 im gemeinsamen Haushalt mit dem Bf., wo sie wie dieser (seit ) hauptgemeldet ist.

Folgende Unterlagen wurden vom Bf. im Zuge seiner Beschwerde für das Jahr 2016 vorgelegt:
- Ein dem Grundbuch vergleichbares Eigentumsblatt, nach der der Bf. eine Wohnung an der Adresse in Bf-Adr2 innehat (in ungarischer Sprache);
- Auszug aus dem Geburtsregister für Sohn1 und Sohn2 (in ungarischer Sprache);
- Scheidungsurteil vom von V (in ungarischer Sprache);
- Personalausweise d. Bf., der geschiedenen Gattin und seiner Kinder, Sohn1, geb. tt.mm.1999 und Sohn2, geb. tt.mm.2006;
- Ein Protokoll der öffentlichen Anhörung beim Stadtgericht Mosonmagyarovar vom , nach dem sich der Bf. verpflichtet, je 25.000 Forinth Unterhalt für seine Kinder Sohn1 und Sohn2 zu zahlen (in ungarischer Sprache).

Dem Ergänzungsersuchen der Behörde um Vorlage weiterer Unterlagen, konkret dem Formular E9 betreffend seine Lebensgefährtin, von Mietverträgen und Belegen für die beantragte Kosten und einem Fahrtenbuch wurde nicht nachgekommen.

Unterhaltsleistungen bzw. Kinderfreibetrag

Fraglich ist zunächst, ob vom Bf. geleistete Kosten für Unterhaltsleistungen und Kinderfreibeträge für seine Söhne Sohn1 und Sohn2 steuerlich zu berücksichtigen waren.

Unterhaltsleistungen für Kinder sind mittels Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 EStG 1988) für geleistete Zahlungen (unter Berücksichtigung der einschränkenden Bestimmung des § 34 EStG 1988) zu berücksichtigen.
Da beide Kinder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wohnhaft und nicht dem Haushalt des Bf. zugehören, sowie weder dem Bf. noch seiner geschiedenen Ehegattin Familienbeihilfe gewährt wird, lagen die diesbezüglich normierten Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 vor.
Auf Grundlage der vom Bf. vorgelegten Unterlagen geht das BFG in freier Beweiswürdigung (§ 167 BAO) davon aus, dass der Bf. seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam.
Zu beachten war die einschränkende Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988, nach der Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen sind.
Der ältere Sohn des Bf., Sohn1x geb. am tt.mm.1999 erreichte im Juni 2017 das 18. Lebensjahr und wurde damit volljährig.

Dem Bf. steht somit für das Jahr 2016 gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 ein Unterhaltsabsetzbetrag i.H.v. € 29,20*12 + € 43,80*12, gesamt € 876 zu.
Im Jahr 2017 würde die Berücksichtigung des vollen Unterhaltsabsetzbetrages auf Grundlage der eingetretenen Volljährigkeit von Sohn1x voraussetzen, dass die Aufwendungen beim Bf. nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 beim diesem selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen, ein Umstand, der den Ausführungen des Bf. nicht entnommen werden kann. Damit steht der Unterhaltsabsetzbetrag für das Jahr 2017 hinsichtlich Sohn1x bis incl. Juni 2017, d.h. für 6 Monate zu und berechnet sich dessen Höhe für beide Kinder wie folgt:
€ 29,20*6 + € 43,80*6 (erstes Halbjahr) sowie € 29,20*6 (zweites Halbjahr), gesamt € 613,20.
Aufgrund der Anwendbarkeit des § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 für den Unterhaltsabsetzbetrag, Sohn2 gemäß § 106 Abs. 2 EStG 1988 im Beschwerdezeitraum als Kind und stand dem Bf. für ihn für die Jahre 2016 und 2017 der Kinderfreibetrag zu.
Bei seinem Sohn Sohn1x war § 106 Abs. 2 EStG 1988 zu beachten, nach dem als Kinder solche gelten, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht.
Da dem Bf. für Sohn1x im Jahr 2017 der Unterhaltsabsetzbetrag lediglich für 6 Monate zustand, lag die Anspruchsvoraussetzung für 2017 nicht vor und war der Kinderfreibetrag für diesen Sohn auf das Jahr 2016 beschränkt.

Gemäß § 106a Abs. 2 EStG 1988 betrugen die zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge für das Jahr 2016 daher € 600,- und für das Jahr 2017 € 300,-.

Der Beschwerde war insoweit statt zu geben.

Familienheimfahrten, doppelte Haushaltsführung

Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen ist. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten allerdings dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird).
Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen oder nicht anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Rz 220 Familienheimfahrten sowie Rz 200/14).

Die Berücksichtigung eines Mehraufwandes durch doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten kommt nur in Betracht, wenn dieser ausschließlich durch berufliche Umstände und nicht bloß durch private oder durch ein Zusammenwirken beruflicher oder privater Umstände verursacht wird (vgl. v. , VwGH 93/15/0083).

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) ist nach Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 16 Werbungskosten-ABC, Stichwort "Doppelte Haushaltsführung - Allgemeines", Anm 25) grundsätzlich dann als beruflich veranlasst anzusehen, wenn der Familienwohnsitz des Stpfl
1. von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückfahrt nicht zugemutet werden kann und entweder
2. die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der (Ehe-)Partner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist oder
3. die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann.

Der Bf. verweist in seiner elektronisch eingebrachten Eingabe vom auf mehrere, aus seiner Sicht vorliegende private Gründe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar erscheinen lassen:
1) Seine schwerkranke Mutter die einer regelmäßiger Betreuung bedarf, wobei er als einziger in der Familie, der diese Betreuung ausüben kann;
2) der Verkauf des Eigenheims der zu erheblichen Vermögenseinbußen führen, und die Kosten eines neuen Hauses am Arbeitsort nicht decken würden sowie
3) der regelmäßig Besuch seiner beiden bei seiner geschiedenen Frau lebenden Kinder, mit denen er Kontakt zu halten versucht.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom Zl. VwGH 2008/15/0157 erwogen:
,Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine "doppelte Haushaltsführung", wie z. B. für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist. Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind die Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2002/15/0119).'

Die Unzumutbarkeit kann nach Ansicht des VwGH ( Zl. 2006/14/0038)
,ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung haben als auch in der weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0011). Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0047)'.

Zur Frage des Familienwohnsitzes hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom Zl. 2008/13/0156 ausgeführt:
,Als Familienwohnsitz gilt bei einem verheirateten Steuerpflichtigen jener Ort, an dem er mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0235, mwN).'

Von einem gemeinsamen Familienwohnsitz ist bei einem gemeinsamen Haushalt, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen darstellt, auch zwischen Lebensgefährten auszugehen (vgl. ).

Der Bf. hat mit seiner Lebensgefährtin im Jahr 2015 einen Haushalt am gemeinsamen Arbeitsort in Wien gegründet. Damit ist von einem Familienwohnsitz in Österreich (Wien) auszugehen.
Die Lebensgefährtin des Bf. ist an dessen Beschäftigungsort (Wien) tätig, Fahrten des Bf. vom Arbeitsort zum Wohnsitz in Ungarn stellen daher keine Fahrten zu dem von ihm behaupteten Familienwohnsitz in Ungarn dar.
Das der Beschwerde zu Grunde liegende Ansinnen, wonach die Beibehaltung des Wohnsitzes im Ungarn nicht privat veranlasst und die Verlegung des Familienwohnsitzes an seinen Arbeitsortes nicht zumutbar war, trifft nicht zu.
Damit ist das Schicksal des vom Bf. gestellten Antrags auf Berücksichtigung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung bereits entschieden und sind die beantragten Kosten steuerlich nicht zu berücksichtigen.

Zu den vom Bf. angeführten Argumenten betreffend die Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist im Einzelnen (ergänzend) anzuführen:
- Aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen kann sich ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben.
Zur Darstellung des Bf. dass seine schwerkranke Mutter regelmäßiger Betreuung bedarf, die er als einziger in der Familie, ausüben kann ist anzumerken, dass das Erfordernis einer ständigen Betreuung der schwerkranken Mutter vom Bf. nicht nachgewiesen wurde und auch angesichts des von ihm dargestellten Umstandes, wonach er wöchentliche Fahrten zu seinem Wohnsitz in Ungarn unternommen hat, von dringenden, nur von ihm zu erbringenden Pflegeleistungen nicht auszugehen war, bedürfen solche bei einer schwerkranken Person doch einer unmittelbaren und raschen Reaktion, zu der der Bf. nicht in der Lage sein konnte.
- Wenn der Bf. erläutert, dass der Verkauf des Eigenheims zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde, die die Kosten eines neuen Hauses am Arbeitsort nicht decken würden so ist dazu zu bemerken, dass er sich dabei auf bloß allgemein gehaltene Behauptungen beschränkt und z. B. nicht anhand entsprechender Unterlagen dokumentiert hat, welchen Kaufpreis er erzielt und welchen konkreten Vermögensnachteiler durch den Verkauf betragsmäßig erlitten hätte.
Ungeachtet dessen wäre dem Begehren des Bf. auch bei einem entsprechenden Nachweis nicht zu folgen gewesen, da er seinen Familienwohnsitz wie oben dargestellt, bereits 2015 nach Österreich verlagert hatte.
Der Umstand, dass er seinen in Ungarn liegenden Wohnsitz ohne finanzielle Verluste nicht veräußern könnte wäre, sofern er zutrifft, seiner privaten Sphäre zuzurechnen.
- Der VwGH hat u.a erwogen dass Fahrten zum Besuch der Eltern bzw. Fahrten eines allein stehenden Arbeitnehmers zum Eltern- und somit zum gemeinsamen Wohnsitz ausschließlich der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnen und unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG 1988 fallen (vgl. ; ; ; Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Tz 346 ff zu § 4 EStG 1988; Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz 3 zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988).
Dies gilt umso mehr, als der Bf. nicht alleinstehend, sondern am Arbeitsort in Wien in eine Lebensgemeinschaft eingebunden ist.
Zudem ist nicht bekannt, wo die geschiedene Ehegattin (bei der die Söhne des Bf. leben) ihren Wohnsitz hat und ob dieser in räumlicher Nähe zu seiner Wohnung in Györ lag.
Weshalb die gelegentlichen Besuche bei seinen Söhne eine derartig zentrale Rolle beim Bf. einnehmen sollten, dass sie seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen trotz Hausstandgründung mit seiner neuen Lebensgefährtin am Arbeitsort in Wien in seiner Wohnung in Ungarn belassen würde, erschließt sich dem Gericht nicht und ist nicht glaubhaft.

Zu alledem kommt, dass die vom Bf. behaupteten wöchentlichen Fahrten zu seiner Wohnung in Györ weder durch Vorlage eines Fahrtenbuches noch die damit verbundenen Kosten durch Belege nachgewiesen wurden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.


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Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen:
Einkommensteuer
lt. Erst-Bescheid
lt. BFG
2016
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
18.098,65
18.098,65
Pendlerpauschale
-372,00
-372,00
Pauschbetrag f. Werbungskosten
-132,00
-132,00
Gesamtbetrag der Einkünfte
17.594,65
17.594,65
Sonderausgaben
Pauschbetrag Sonderausgaben
-60,00
-60,00
Steuerberatungskosten
-90,00
-90,00
Kinderfreibeträge § 106a (2) EStG 1988
-600,00
-600,00
Einkommen
16.844,65
16.844,65
Steuer vor Absetzbeträgen
1.461,16
1.461,16
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
-400,00
Pendlereuro
-16,00
-16,00
Unterhaltsabsetzbetrag
-876,00
Steuer nach Absetzbeträgen
1.045,16
169,16
Steuer für sonstige Bezüge
147,18
147,18
Einkommensteuer
1.192,34
316,34
anrechenbare Lohnsteuer
-1.507,62
-1.507,62
0,28
0,28
festgesetzte Einkommensteuer
-315,00
-1.191,00
2017
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit
18.380,61
18.380,61
Pendlerpauschale
-372,00
-372,00
Pauschbetrag f. Werbungskosten
-132,00
-132,00
Gesamtbetrag der Einkünfte
17.876,61
17.876,61
Sonderausgaben
Viertel d. Aufwendungen f. Personenvers.
-730,00
-730,00
Steuerberatungskosten
-100,00
-100,00
Kinderfreibeträge § 106a (2) EStG 1988
-300,00
Einkommen
17.046,61
16.746,61
Steuer vor Absetzbeträgen
1.511,65
1.436,65
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
-400,00
Pendlereuro
-16,00
-16,00
Unterhaltsabsetzbetrag
-613,20
Steuer nach Absetzbeträgen
1.095,65
407,45
Steuer für sonstige Bezüge
150,24
150,24
Einkommensteuer
1.245,89
557,69
anrechenbare Lohnsteuer
-1.587,42
-1.587,42
-0,47
-0,27
festgesetzte Einkommensteuer
-342,00
-1.030,00



Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das gegenständliche Erkenntnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging, war eine ordentliche Revision als nicht zulässig zu erklären.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100266.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at