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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2021, RV/7103930/2020

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten; Kinderfreibetrag; Alleinverdienerabsetzbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr2018 machte der Beschwerdeführer (Bf.) Aufwendungen für Familienheimfahrten nach Polen iHv 2.940 € sowie Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 1.253,25 € geltend. Weiters beantragte er die Zuerkennung des Kinderfreibetrages für die haushaltszugehörigen Kinder ***A***, geb. am Datum1, und ***B***, geb. am ***Datum2***.

Mit Ergänzungsvorhalt vom wurde der Bf. um Beantwortung nachstehender Fragen bzw. um Vorlage der angesprochenen Nachweise ersucht:

".) Warum ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort Ihres Arbeitsplatzes (Wien) nicht möglich?
.) Meldezettel aller am Familienwohnsitz gemeldeter Personen
.) Nachweis, dass Sie am Familienwohnsitz über einen eigenen Haushalt verfügen
.) Einkommensnachweis Ihrer (Ehe)Partnerin (durch am Familienwohnsitz ansässige Steuerbehörde (ausgefülltes Formular E9)
.) Bei Vorliegen einer Landwirtschaft oder einer selbständigen Tätigkeit wird auch der Einkommensteuerbescheid Ihres/r Gatten/in benötigt
.) genaue Aufstellung der doppelten Haushaltsführung
.) Mietvertrag der Wohnung am Arbeitsort, sowie Nachweis über die Mietzahlungen
.) Wie groß ist die Wohnung am Arbeitsort (Quadratmeter)?
.) genaue Aufstellung der Heimfahrten mit Angaben zu jeder Reise hinsichtlich Datum der Hin.-und Rückreise und dem verwendeten Verkehrsmittel, bei Fahrten mit dem eigenen KFZ: Vorlage des detailliert geführten Fahrtenbuches, des KFZ-Zulassungsscheines, sowie sämtliche Tankbelege
.) Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln: genaue Aufstellung sowie Vorlage der Tickets"

In Beantwortung des Ergänzungsvorhaltes gab der Bf. bekannt, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes nicht möglich sei, weil er keinen ständigen Arbeitsplatz habe. In den letzten zwei Jahren habe er in zwei Betrieben gearbeitet, die beide in Konkurs gegangen seien. Die Wohnung am Arbeitsort sei 99 m2 groß.
Der Bf. legte die Meldezettel aller Familienmitglieder in Polen, eine beglaubigte Übersetzung des Grundbuchauszuges (einfache Grundbuchabschrift) betreffend die Liegenschaft in Polen, das ausgefüllte Formular E9 ("Bescheinigung EU/EWR der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR)"), wonach die in Blonie wohnhafte Ehefrau des Bf. im Jahr 2018 keine Einkünfte bezogen hat, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen, eine genaue Aufstellung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung (Miete: 723,87 x 11 + 834,42 / 7 Personen = € 1.256,67; Strom: 64,80+94,80+36,80+21,55+45,60+103,69+145,42+32,40+15,80 / 7 Personen = €80,12; DHF: 1.256,67 + 80,12 = € 1.336,79), Kopien vom Mietvertrag, den monatlichen Mietzins- und Betriebskostenvorschreibungen und den Zahlungsbestätigungen betreffend Strom, die Bestätigung eines polnischen Transportunternehmens, dass er für die Strecke von seinem Familienwohnsitz nach Wien und zurück die Dienste dieses Unternehmens in Anspruch genommen hat und dass der Preis für eine Fahrt AT-PL-AT 60 € beträgt sowie eine Aufstellung der Familienheimfahrten nach Polen vor.

Am erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018, mit welchem es die vom Bf. geltend gemachten Aufwendungen für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannte. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass der Bf. keine Gründe nachgewiesen habe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machten. Darüber hinaus wurde der Kinderfreibetrag für den mj. ***B*** mit der Begründung, dass für dieses Kind im Jahr 2018 der Kinderabsetzbetrag nicht für mindestens 7 Monate zustehe, nicht anerkannt.

Gegen den angeführten Bescheid erhob der Bf. am Beschwerde und brachte - nach allgemeinen Ausführungen und beispielhaft angeführten Gründen zur Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort - vor, dass ihm eine Wohnsitzverlegung nicht zumutbar sei, weil er im Jahr 2018 in einer Firma gearbeitet habe, die in Konkurs gegangen sei und weil die auswärtige Tätigkeit von vornherein mit vier bis fünf Jahre befristet sei. In Polen verfüge er über eine eigene Wohnung. Für die Wohnung habe er einen Kredit aufgenommen. Der Verkauf der Wohnung am Familienwohnsitz würde aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Auch aus diesem Grund sei eine Wohnsitzverlegung an den Arbeitsort unzumutbar.

Abschließend beantragte er "die Familienheimfahrten nach Polen in der Höhe von € 2.448,00 und den Alleinverdienerabsetzbetrag für zwei Kinder".

Am erging ein weiteres Ergänzungsersuchen des Finanzamts an den Bf. mit nachstehenden Inhalt:

"ad Familienheimfahrten: belegsmäßiger Nachweis, der von Ihnen durchgeführten Familienheimfahrten (Bustickets) 2018 in Höhe von € 2.880,-
ad doppelter Haushaltsführung: Nachweis sämtlicher, von Ihnen geleisteten Mietzahlungen 2018 (Kontoauszüge 01-12/2018)
Wie stellen sich die Wohnverhältnisse an Ihrem polnischen Wohnsitz dar? Angabe der Wohnnutzfläche, sowie Nachweis der angefallenen Kosten (Betriebskosten,...) für das Kalenderjahr 2018
Vorlage eines Sachverständigengutachtens, über den Wert der Immobilie in Polen (alles in beglaubigter Übersetzung)"

Der Bf. übermittelte - soweit nicht schon mit der Vorhaltsbeantwortung vom vorgelegt - nachstehende Unterlagen:

Umsatzliste der RAIFFEISENLANDESBANK NÖ-WIEN AG, aus welcher die Überweisungen der Mietzahlungen für 2018 und 2019 ersichtlich sind
Nachweise der Betriebskosten (Gas, Wasser, Grundsteuer) für das Haus in Polen
Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Tarnow über die Veranlagung der Immobiliensteuer 2020

Weiters gab er bekannt, dass er kein Sachverständigengutachten vorlegen könne, weil dieses zu teuer sei und er sich ein solches nicht leisten könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es dazu aus, dass bei Sachverhalten mit Auslandsbezug gemäß § 115 Bundesabgabenordnung eine erhöhte Mitwirkungs-, sowie Beweismittelbeschaffungspflicht des Steuerpflichtigen bestehe. Der Bf. habe dem Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde vom verspätet (Beantwortungsfrist ) und nur unzureichend entsprochen, die genaue Beantwortung wäre jedoch für die Klärung des Sachverhaltes von großer Wichtigkeit gewesen.

In seinem Vorlageantrag vom führte der Bf. aus, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie an den Beschäftigungsort unzumutbar sei, weil er in Polen über ein Haus verfüge. Der Verkauf des Einfamilienhauses bzw. der Wohnung am Familienwohnsitz würde auf Grund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen. Die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort wäre aus dem Erlös nicht möglich.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Bf. aufgetragen, seine Auslandseinkünfte durch eine Bescheinigung der ausländischen Abgabenbehörde nachzuweisen.
Mit E-Mail vom legte der Bf. dem Bundesfinanzgericht eine Bestätigung der polnischen Steuerbehörde (Formular E9) vor, aus welcher ersichtlich ist, dass der Bf. im Streitjahr in Polen keine Einkünfte erzielte.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. ist polnischer Staatsbürger und erzielt ausschließlich in Österreich Einkünfte. Im Streitjahr war er bei der Fa. ***GmbH*** in Wien beschäftigt, über deren Vermögen am das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet wurde. Nach Entziehung der Eigenverwaltung am wurde das Verfahren als Konkursverfahren weitergeführt und der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger mit Beschluss vom aufgehoben. Laut Abfrage im zentralen Melderegister ist der Bf. seit ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.

Der Bf. ist verheiratet und hat zwei Kinder, ***A*** (geb. am Datum1) und ***B*** (geb. am ***Datum2***). Der Familienwohnsitz befindet sich in Blonie, Polen. Beim Familienwohnsitz handelt es sich um eine Liegenschaft im Ausmaß von 900m² mit einem darauf befindlichen Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 141,70 m², für dessen Errichtung vom Ehepaar in den Jahren 2004 und 2005 ein Kredit aufgenommen wurde.

Seine Ehefrau erzielte im Streitjahr keine Einkünfte.

Der Arbeitsort ist ungefähr 670 km vom Familienwohnsitz in Blonie entfernt, die einfache Fahrtzeit beträgt ca. 7 Stunden. Der Bf. nutzt gemeinsam mit 6 anderen Mitbewohnern eine Wohnung in Wien. Der Bf. ist regelmäßig mit einem Bus eines polnischen Transportunternehmens an Freitagen zu seinem Familienwohnsitz nach Polen und am darauffolgenden Sonntag wieder nach Wien zurückgefahren, wobei der Fahrpreis für eine einzelne Fahrt 30 € (hin und zurück 60 €) betrug.

2018 bezog der Bf. für beide Kinder mehr als 6 Monate die Familienbeihilfe inkl. Kinderabsetzbetrag.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf. und die vorgelegten Unterlagen sowie auf eine Abfrage des BFG im Zentralen Melderegister und im Firmenbuch.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

1. Kinderfreibetrag

Insoweit der Bf. in seiner Beschwerde den "Alleinverdienerabsetzbetrag" für zwei Kinder beantragt, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Irrtum in der Bezeichnung handelt und mit der gewählten Formulierung tatsächlich der Kinderfreibetrag gemeint ist, zumal auch in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung die Gewährung des Kinderfreibetrages für zwei Kinder beantragt wird.

Nach § 106a Abs. 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl I 117/2016 steht für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 ein Kinderfreibetrag zu. Dieser beträgt 440,00 € jährlich, wenn er von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird.

Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 jene, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

Gemäß § 33 Abs. 3 1. Satz EStG steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Da dem Bf. im Streitjahr der Kinderabsetzbetrag, der mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sowohl für ***A*** als auch für ***B*** für mehr als sechs Monate gewährt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages gemäß § 106a EStG 1988 hinsichtlich beider Kinder vor.

Der Beschwerde war daher in diesem Punkt stattzugeben.

2. Alleinverdienerabsetzbetrag

Gem. § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihrem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs.3) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt.

§ 1 Abs. 4 EStG sieht vor, dass auf Antrag auch Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anzuwenden ist, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 98 EStG haben und diese Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 11.000,00 Euro betragen.

Kann ein Steuerpflichtiger nur deshalb nicht zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren, weil er ohnehin einen (Zweit)Wohnsitz in Österreich hat und daher unbeschränkt steuerpflichtig ist, aber sonst die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 erfüllt (Haupteinkünfte in Österreich), steht nach der Verwaltungspraxis der Alleinverdienerabsetzbetrag zu, wenn die (ausländischen) Einkünfte seines unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten die Einkunftsgrenze nicht überschreiten (LStR 2002, Rz 772c).

Im vorliegenden Fall liegen alle Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 EStG - mit Ausnahme der unbeschränkten Steuerpflicht der Ehegattin - vor.

Da dem Bf. auf Grund des Inlandwohnsitzes eine Option in die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 EStG nicht möglich ist, er aber nachgewiesen hat, dass die übrigen Tatbestandselemente nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 - mit Ausnahme des fehlenden inländischen Wohnsitzes - erfüllt sind (Nachweis der Auslandseinkünfte des Bf. und Einkommensnachweis über die Einkünfte der Ehegattin), steht ihm der Alleinverdienerabsetzbetrag zu.

3. Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
Gemäß § 20 Abs 1 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte ua. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge (Z 1) sowie die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-) ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d leg. cit. angeführten Betrag übersteigen (Z. 2 lit. e) nicht abgesetzt werden.

Ist ein Arbeitnehmer jedoch aus beruflichen Gründen gehalten, an der Arbeitsstätte oder in deren Nahebereich einen zweiten Wohnsitz zu nehmen, weil ihm weder eine tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz (insbesondere aufgrund der großen Entfernung) noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort bzw. in dessen Nahebereich zumutbar ist, können bestimmte Aufwendungen für diese doppelte Haushaltsführung sowie für die damit einhergehenden Familienheimfahrten (unter der betragsmäßigen Beschränkung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) ausnahmsweise als Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988 steuerlich berücksichtigt werden.

Im beschwerdegegenständlichen Streitfall ist unbestritten, dass der Familienwohnsitz des Bf. von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr zweifelsfrei nicht zugemutet werden kann.

Allerdings ist es dem Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab, wobei die Verwaltungspraxis bei einem verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden Steuerpflichtigen von einem Zeitraum von zwei Jahren ausgeht. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchem Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa , ).

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen von Gründen für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN).

Der Bf. nennt folgende Gründe für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort:

  • Das Unternehmen, bei dem er im Jahr 2018 gearbeitet hat, ist in Konkurs gegangen

  • Seine auswärtige Tätigkeit ist mit vier bis fünf Jahren befristet

  • Der Verkauf des Eigenheimes am Familienwohnsitz würde auf Grund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen.

Das Argument des Bf., dass ihm eine Wohnsitzverlegung nicht zumutbar sei, weil über das Vermögen der ***GmbH*** das Konkursverfahren eröffnet worden sei, vermag angesichts der Tatsache, dass der Bf. im Jahr 2018 durchgehend beim genannten Unternehmen beschäftigt war, nicht zu überzeugen. Anzumerken ist, dass der Bf. auch nach der Auflösung der Gesellschaft weiterhin in Wien (bei einem anderen Arbeitgeber) tätig war.

Dem Vorbringen in der Vorhaltsbeantwortung vom , dass er "keinen ständigen Arbeitsplatz" habe, weil die beiden Betriebe, bei denen er zuletzt tätig war, Konkurs angemeldet hätten, wird entgegengehalten, dass die Möglichkeit eines Arbeitsplatzverlustes beim Bf. abstrakt ebenso droht wie bei jedem anderen Arbeitnehmer privatwirtschaftlicher Unternehmen. Das bloß abstrakt drohende Risiko eines Arbeitsplatzverlustes reicht aber nicht hin, um die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in unüblicher Entfernung vom Arbeitsplatz zu rechtfertigen (vgl. ; , 95/14/0059).

Aus welchen Gründen seine Tätigkeit in Wien befristet sein soll, hat der Bf. nicht dargelegt.
Insoweit er seine diesbezügliche Behauptung auf die von ihm genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahre befristet ist, stützt (; , 95/14/0124; , 2008/15/0296), ist ihm entgegenzuhalten, dass keiner der dort beurteilten Sachverhalte auf den Beschwerdefall zutrifft: weder wird vom Bf. behauptet noch ist der Aktenlage zu entnehmen, dass er an ständig wechselnden Arbeitsstätten eingesetzt wird oder dass er mit einer jederzeitigen Versetzung rechnen muss (vgl. ); es ist auch keine Rede davon, dass der 48-jährige Bf. seine Berufstätigkeit wegen Erreichens des gesetzlichen Pensionsalters innerhalb der nächsten Jahre einstellen wird (vgl. ); schließlich wurden auch keinerlei Unterlagen, die auf ein von vornherein befristetes Beschäftigungsverhältnis hinweisen würden, vorgelegt (). Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass der Bf. bereits seit 2013 eine nichtselbständige Tätigkeit in Wien ausübt.

Zutreffend ist, dass nach der herrschenden Judikatur ein für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund sein könnte, dass der Verkauf eines Einfamilienhauses aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führt und die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht möglich ist (;, 2007/15/0044; , 2013/15/0146).

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass sich auch die Sachverhalte, die diesen Entscheidungen zu Grunde lagen, grundlegend vom vorliegenden Sachverhalt unterscheiden: so standen fremdenrechtliche Bestimmungen dem Nachzug der Angehörigen vom Familienwohnsitz ins Inland entgegen (; , 2013/15/0146), die Angehörigen führten am Familienwohnsitz einen landwirtschaftlichen Betrieb (; , 2013/15/0146) bzw. war die Höhe der Einkünfte so gering, dass es für die gesamte Familie nicht möglichgewesen wäre, im Inland damit das Auslangen zu finden ().

Nichts davon trifft aber auf den gegenständlichen Fall zu. Abgesehen davon beschränkt sich der Bf. in seinen Ausführungen auf eine bloß allgemein gehaltene Behauptung. Es wurde nicht anhand entsprechender Unterlagen dokumentiert, welcher Kaufpreis für die Liegenschaft in Polen zu erzielen gewesen wäre und welcher konkrete Vermögensnachteil durch einen Verkauf allenfalls entstanden wäre. Es wäre am Bf. gelegen, dieses allgemeine Vorbringen auf den Einzelfall bezogen zu konkretisieren. Auch der Umstand, dass der Bf. für die Errichtung des Wohngebäudes Fremdmittel aufgenommen hat, vermag daran nichts zu ändern.

Umstände, die eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich unzumutbar machen würden, wurden vom Bf. somit nicht nachgewiesen. Da die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, waren auch die geltend gemachten Ausgaben für Familienheimfahrten nicht anzuerkennen (Jakom12 EStG, § 16, Rz 56).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich zumutbar war, ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung zu lösende Tatfrage. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103930.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at