Berechnung des Jahressechstels bei Zahlungen zweier Konzerngesellschaften für ein einziges Dienstverhältnis
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2021/13/0010. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 des Finanzamtes Baden Mödling vom zu Steuernummer 16 ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 279 BAO wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Einkommensteuer für das Jahr 2018 wird mit 73.205,00 € festgesetzt. Die Bemessungsgrundlagen hierfür sind dem angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
B) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde von der Heimatgesellschaft, ausländischeStadt, zur Konzerngesellschaft in Österreich als Titel (Geschäftsführer) entsandt. Für diese Tätigkeit erhielt der Bf. im Streitjahr 2018 von der Konzerngesellschaft laufende Bezüge, welche in einem, an die Finanzverwaltung übermittelten Lohnzettel ausgewiesen wurden. Weiters erhielt der Bf. im Streitjahr Bezüge von der Heimatgesellschaft.
Das Finanzamt Baden Mödling berücksichtigte in dem angefochtenen, mit datierten Einkommensteuerbescheid 2018 nur die (laufenden) Bezüge aus dem Lohnzettel der Konzerngesellschaft.
Gegen diesen Bescheid wurde am eine Beschwerde samt u.a. einem Formular L17 (Lohnausweis/Lohnbescheinigung) mit den darin eingetragenen, von der Heimatgesellschaft stammenden Bezügen des Bf. eingebracht. Angefochten wurde die Nichtberücksichtigung des Lohnausweises L17. Beantragt wurde die Ergänzung der (laufenden) Einkünfte um 135.583,38 €. Dieser Betrag resultiert folgendermaßen aus den Eintragungen bei folgenden Kennzahlen des L17:
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Kennzahl | Kurzbeschreibung | Berechnung |
350 | Brutto | 187.995,24 € |
351 | Sonstige Bezüge | -43.987,86 € |
357 | SV-Beiträge laufend | -8.424,00 € |
Saldo | 135.583,38 € |
Das Finanzamt Baden Mödling erließ hierzu eine mit datierte Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Einkommensteuerveranlagung 2018 folgendermaßen geändert wurde:
Erhöhung der (laufenden) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 155.570,01 € (= 163.994,01 abzüglich 8.424,00 €) und ebensolche Erhöhung des Gesamtbetrages der Einkünfte sowie des Einkommens;
zusätzlicher Ansatz der Steuer (1.402,87 € = 6% von 23.381,23) auf sonstige Einkünfte in Höhe von insgesamt 24.001,23 € (= 620,00 + 23.381,23).
Dagegen wurde am der Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht) eingebracht. In Summe würden sämtliche Bezüge von einem Arbeitgeber geleistet. Somit könnten für die Ermittlung des Jahressechstels sämtliche Bezüge berücksichtigt werden. Auf Beilagen zum Vorlageantrag wurde erläutert, wie der Betrag laut Kennzahl 351 auf dem Formular L17 ermittelt worden war.
Auf ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Baden Mödling wurden der Entsendungsvertrag mit der Heimatgesellschaft sowie der Dienstvertrag mit der Konzerngesellschaft eingereicht. Weiters wurden dem Finanzamt Baden Mödling das Lohnkonto Österreich und das Lohnkonto Heimatland übermittelt.
Das Finanzamt Baden Mödling legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht samt einem Vorlagebericht vor. In diesem wurde vorgebracht:
Auf dem (ausländischen) Lohnkonto der entsendenden Gesellschaft werde das Auslandsgehalt inkl. einmaliger Vergütungen mit 182.209,13 € ausgewiesen.
Im Entsendungsvertrag würden keine sonstigen, neben dem laufenden Arbeitslohn auszuzahlenden Beträge erwähnt. Eine Auszahlung von sonstigen Bezüge scheine auf dem Lohnkonto nicht auf.
Die Eintragungen auf dem Formular L17 stimmten nicht mit dem (ausländischen) Lohnkonto nicht überein. Es wären 182.209,13 € bei Kennzahl 350 einzutragen; bei Kennzahl 351 wäre nichts einzutragen.
Somit wäre die Berechnung der Arbeitnehmerveranlagung in dergestalt neu vorzunehmen, als der Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 334.536,69 € als Besteuerungsgrundlage herangezogen werde. Sonstige Bezüge, auf die der begünstigte Steuersatz von 6% angewendet werden könnte, seien nicht zu berücksichtigen.
Am trat das Finanzamt Österreich gemäß § 323b Abs. 1 BAO an die Stelle des Finanzamtes Baden Mödling.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die vom Finanzamt vorgebrachte Differenz zwischen Betrag laut Kennzahl 350 des Formulares L17 und dem ausländischen Lohnkonto ist unproblematisch, weil die 187.995,24 € bei Kennzahl 350 nur für österreichische Besteuerungszwecke folgendermaßen errechnet wurden:
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laufende Bezüge (auf Österreich entfallend) | 103.043,60 € |
Jahressechstelüberhang netto | +20.481,89 € |
Steuerübernahme | +20.481,89 € |
Zwischensumme (laufende Bezüge) | 144.007,38 € |
Sonderzahlungen innerhalb des Jahressechstels | 43.987,86 € |
Gesamtbrutto (hinsichtlich Heimatland) | 187.995,24 € |
Der Entsendungsvertrag selbst enthält eine Bestimmung über einen sonstigen Bezug, der zusätzlich zu den laufenden Bezügen von der entsendenden Gesellschaft ausbezahlt wird: die variable Abschlussvergütung in Punkt 3.4. Weiters wird im Entsendungsvertrag (in Punkt 3.1) auch auf eine Konzernrichtlinie verwiesen. Weiters tritt der Entsendungsvertrag zum Dienstvertrag im Heimatland hinzu.
In den Zeilen des ausländischen Lohnkontos mit den Bezeichnungen ***1***, ***2***, ***3***, ***4*** sind sonstige Bezüge, die nur einmal bzw. nicht regelmäßig ausbezahlt wurden, ausgewiesen.
Kontrolle der Rück- und Hochrechnungen, die seitens des Bf. vorgenommen worden sind:
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laufender Bezug von Konzerngesellschaft | 160.883,56 € |
laufender Bezug von Heimatgesellschaft | 144.007,38 € |
abzüglich Jahressechstelüberhang netto | -20.481,89 € |
abzüglich Steuerübernahme | -20,481,89 € |
Basis für Jahressechstel-Ermittlung | 263.927,16 € |
dividiert durch 6 ergibt Jahressechstel | 43.987,86 € |
Ergebnis der Kontrolle: OK
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Zu Spruchpunkt A (Stattgabe)
Entscheidend ist die tatsächliche Auszahlung von sonstigen Bezügen zusätzlich zu den laufenden Bezügen. Die tatsächliche Auszahlung ist laut auslaend. Lohnkonto erfolgt.
Dass im Entsendungsvertrag selbst nur wenig über sonstige Bezüge, die zusätzlich zu den laufenden Bezügen ausbezahlt werden, enthalten ist, lässt nicht den Schluss zu, dass tatsächlich keine sonstigen Bezüge ausbezahlt worden sind. Schließlich gibt es auch den weiterbestehenden Dienstvertrag im Heimatland sowie eine Konzernrichtlinie.
In wirtschaftlicher Betrachtungsweise hat der Bf. nur ein Dienstverhältnis und einen Arbeitgeber. Die von zwei Stellen desselben Konzernes ausgezahlten Vergütungen sind daher für Zwecke der Sechstelberechnung gemeinsam zu betrachten.
Die sonstigen Bezüge innerhalb des Jahressechstels betragen 43.987,86 € (wie auch seitens des Bf. vorgebracht wurde) und sind gegenüber dem angefochtenen Bescheid zusätzlich zu den "festen Steuersätzen" des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern.
Bei der Einkünfte- und Einkommensermittlung für die Tarifsteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 sind die laufenden Bezügen einerseits um 144.007,38 € (=187.995,24 - 43.987,86) zu erhöhen und andererseits um 8.424,00 € (ausländische Sozialversicherungsbeiträge) zu vermindern. Per Saldo (144.007,38 - 8.424,00 = 135.583,38) werden die zum laufenden Tarif steuerpflichtigen Einkünfte damit gegenüber dem angefochtenen Bescheid um genau jene 135.583,38 € erhöht, welche im Vorlageantrag angeführt sind.
Sohin wird dem Beschwerdebegehren in der Fassung des Vorlageantrages stattgegeben.
2.2. Zu Spruchpunkt B (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Rechtsfrage, ob alle laufenden bzw. sonstigen Bezüge aus einem Dienstverhältnis, für welches die Entlohnung von zwei Konzerngesellschaften bezahlt wird, jeweils in Summe bei der Jahressechstelermittlung zu berücksichtigen sind, ist keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ersichtlich. Die (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 67 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Zitiert/besprochen in | Romstorfer/Hubmann in ecolex 2022/54 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103462.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
CAAAC-27284