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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 14.04.2021, RV/6100378/2017

Beschwerde gegen Haftungsinanspruchnahme gem. §§ 9 und 80 BAO; Aufhebung und Zurückverweisung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** über die Beschwerde des ***1***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, nunmehr Finanzamt Österreich, vertreten durch ***2***, vom , betreffend Haftungsinanspruchnahme gem. § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) beschlossen:

Der angefochtene Bescheid vom wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom wurde der Beschwerdeführer (Bf) ***1***, gem. den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der Fa. ***3*** GmbH (kurz GmbH), FN ***XZ***, im Ausmaß von
€ 143.317,20 (bestehend überwiegend aus Selbstbemessungsabgaben insbesondere Umsatzsteuern für 2010 bis 2012 und für 07/2013, sowie KöSt 2011 und 2012) herangezogen.

Diese Abgaben waren in der Art aufgegliedert, dass für die Jahressteuern USt und KöSt jeweils die Zeiträume 1-12 der einzelnen Jahre in einem Jahresbetrag angegeben waren. Die Fälligkeiten dieser Abgaben (Jahresbeträge und USt 07/3013) wurden nicht angeführt.

Die Jahresbescheide für USt 2010-2012 und für KöSt 2011 und 2012 wurden ebenso übermittelt, wie der Feststellungsbescheid betreffend USt 07/2013. Den Umsatzsteuerbescheiden sind keine Fälligkeiten zu entnehmen.

In der Begründung wurde im Wesentlichen auf die Bestimmungen der §§ 9 und 80 BAO verwiesen, wonach ein Vertreter für Abgaben der Gesellschaft haftet, wenn die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Festgestellt wurde, dass der Bf lt. Firmenbuch seit ***^YZ*** Geschäftsführer der GmbH ist.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben ergebe sich daraus, dass das Konkursverfahren über die GmbH mit ***YX*** aufgrund nicht vollständiger Befriedigung der Masseforderungen aufgehoben wurde.

Auf die weiteren Ausführungen zur Einstellung der Tätigkeit der GmbH und Neugründung eines weiteren Unternehmens wird verwiesen.

Hingewiesen wurde darauf, dass der Bf die Pflicht betreffend einer zeitgerechten Einreichung von Abgabenerklärungen, sowie seine Pflicht betreffend der Entrichtung von Abgaben verletzt habe. Teilweise erfolgte die Festsetzung der Abgaben somit durch Schätzungen gem. § 184 BAO.

Laut Rechtsprechung des VwGH ist bei einer schuldhaften Pflichtverletzung davon auszugehen, dass ebenjene kausal für den Abgabenausfall ist, womit die Voraussetzungen der Kausalität im gegenständlichen Fall gegeben seien.

Ein Hinweis auf die Beweislastumkehr sowie Ausführungen auf die offenbar zu Ungunsten des Bf getroffene Ermessensentscheidung erfolgte nicht.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer (selbst) mit Anbringen vom das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

In der Begründung wurde die

1. Einhaltung der Verfahrensvorschriften;
2. Festgestellte Höhe der Abgabenforderung;
3. Schuldhafte Pflichtverletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen;
4. Uneinbringlichkeit, verursacht durch den Haftungspflichtigen und
5. Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

bekämpft.

Auf die jeweils umfangreichen Ausführungen zu diesen angeführten Punkten wird verwiesen.

Unter Punkt 2. (Höhe der Abgabenforderungen) wurde unter anderem ausgeführt, dass die im Haftungsbescheid angeführten Abgabenrückstände zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung nicht rechtskräftig gewesen seien und sind. Jedenfalls seien zu den jeweils angeführten Zahlen allesamt Beschwerden samt Anträgen nach § 212a BAO anhängig.

Unter Punkt 3. (schuldhafte Pflichtverletzung) wurde unter anderem ausgeführt, dass Zahlungen insbes. für USt nur nach monetärer Verfügbarkeit durchgeführt hätten werden können.

Es wurde daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie eine mündliche Verhandlung vor einem Senat beantragt.

Diese Beschwerde wurde seitens des Finanzamtes mit Beschwerdevorentscheidung vom
als unbegründet abgewiesen.

Die wesentlichen Beschwerdegründe wurden dargestellt.

Zum Einwand des Verfahrensmangels durch die Verletzung des Parteiengehörs (Erg. Vorhalteverfahren) wurde auf die Rechtsprechung des VwGH verwiesen. Dem Bf ist zwar vor Erlassung des Bescheides keine Möglichkeit gegeben worden sich zum Sachverhalt zu äußern, jedoch stelle dies lt. VwGH eine im Beschwerdeverfahren sanierbaren Mangel dar.

Hingewiesen wurde darauf, dass die Richtigkeit der Abgabenfestsetzungen im Haftungsverfahren nicht mit Erfolg vorgebracht werden können. Auf die Bestimmung des § 248 BAO wurde verwiesen.

Hingewiesen wurde auch darauf, dass die Abgabenbescheide gegenüber der GmbH zugestellt wurden und dadurch in (materielle) Rechtskraft erwuchsen. Dazu wurde auch auf § 254 BAO verwiesen, sodass die Einhebung und zwangsweise Einbringung der Abgaben durch erhobene Bescheidbeschwerden nicht aufgehalten werde.

Auch von der GmbH gestellte Aussetzungsanträge nach § 212a BAO könnten nichts an der Rechtsrichtigkeit des Haftungsbescheides ändern. Der Haftungsbescheid als Einhebungsmaßnahme und nicht Einbringungsmaßname sei daher von § 230 Abs. 6 BAO nicht umfasst.

Auf die gegebene Uneinbringlichkeit der Abgaben, welche unabhängig vom Verschulden des Bf sei, wurde wiederum verwiesen.

Zur schuldhaften Pflichtverletzung wurde darauf verwiesen, dass aufgrund der Angaben des Bf von vorhandenen Mitteln, wenn auch Fremdmitteln, auszugehen sei. Weiters dürfe der Vertreter den Abgabenschuldner nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden. Dies stelle eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar. Dies sei dem Bf bewusst gewesen und habe er sich damit abgefunden.

Ebenso wurde wiederum auf die Pflichtverletzung aufgrund der nicht fristgerecht abgegebenen Abgabenerklärungen hingewiesen.

Auf die weiteren Ausführungen bzw. auf Ausführungen die im gegenständlichen Verfahren ohne Relevanz sind, wird verwiesen.

Daraufhin stellte der Bf mit Anbringen vom einen Vorlageantrag, in dem das bisherige Vorbringen und die gestellten Anträge zur Gänze aufrechterhalten wurden.

Eine weitere Begründung erfolgte nicht.

Mit Vorhalt (E-Mail) des wurde das Finanzamt aufgefordert zu einer allfälligen doppelten Inanspruchnahme von Umsatzsteuerbeträgen in Höhe von € 44.668,77 der Jahre 2011 und 2012 in Bezug auf das spätere Haftungsverfahren zu RV/6100190/2019, Stellung zu nehmen.

Darin wurde festgehalten, dass die Nachforderungen aufgrund der Umsatzsteu-erjahresbescheide mit den in Haftung gezogenen Bescheiden nicht überein-stimmen.

Dies wurde seitens des Finanzamtes mit Replik vom (kurz Replik) dahingehend beantwortet, dass tatsächlich in Bezug auf Umsatzsteuer für 2011 und 2012 in beiden Haftungsbescheiden (Erg. zweiter vom ) über idente Abgabenschulden abgesprochen wurde.

Der Beschwerde gegen den zweiten Haftungsbescheid vom müsste daher in Bezug auf diese Abgaben Folge gegeben werden.

Hingewiesen wurde auch auf einen vorangegangenen Haftungsbescheid betreffend die GmbH vom , der ebenfalls Umsatzsteuern 2011 und 2012 enthalten hat. Durch die Aufhebung dieses Bescheides durch das ergebe sich keine Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Haftungsbescheide.

Das Finanzamt vermeinte weiters einen Vorwurf der mangelnden Aufgliederung der Umsatzsteuerbeträge und allfällige Rechtswidrigkeit des Bescheides aus dem E-Mail des BFG herauszulesen.

Dem hält das Finanzamt das Erkenntnis des , dem ein Haftungsverfahren gem. § 11 BAO zugrunde liegt, entgegen.

Daraus ergebe sich aufgrund der mangelnden Aufteilung von Umsatzsteuerbeträgen der Jahre 1999 bis 2001 (welche im Haftungsbescheid in einem Betrag angeführt wurden) im Spruch und in der Begründung eine Rechtswidrigkeit. Dies vermag jedoch keine ersatzlose Aufhebung (durch den UFS) zu begründen. Der UFS hätte daher eine entsprechende Aufgliederung für die einzelnen Veranlagungsjahre vornehmen müssen.

Daraus schließt das Finanzamt, dass eine jährliche Aufteilung genügt und eine Aufteilung für die einzelnen Voranmeldungszeiträume bei der USt nicht nötig ist.

Das BFG wäre daher selbst angehalten, aufgrund der Tatsache lt. VwGH, dass eine jährliche Aufgliederung genügt, eine Aufgliederung der im Spruch des Haftungsbescheides enthaltenen Umsatzsteuern der Jahre 2011 und 2012 vorzunehmen.

Weiters vertritt das Finanzamt die Ansicht, dass es dem Bf aus den zugegangenen Umsatzsteuerjahresbescheiden (samt den dortigen Begründungen) und der zu fordernden Kenntnis über die damals eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen, die somit auch Bestandteil der Buchhaltung sein müssen, selbst möglich sein müsste eine entsprechende Liquiditätsaufstellung zu den Fälligkeitstagen vorzunehmen und die monatlichen Quoten zu berechnen.

Ein Verfahrensmangel liege daher nicht vor.

Ein allfälliger Verfahrensmangel sei nach Ansicht des Finanzamtes im Rechtsmittelverfahren sanierbar, weshalb eine Aufhebung des Haftungsbescheides durch diesen Mangel nicht begründet werde.

Auf die weiteren Ausführungen zum Haftungsbescheid vom wird verwiesen.

Anlässlich eines vor dem BFG am durchgeführten Erörterungstermines, unter anderem zum gegenständlichen Haftungsverfahren, wurde auf die doppelte Geltendmachung von Umsatzsteuerbeträgen der Jahre 2011 und 2012, welche vom Finanzamt eingestanden wurde, hingewiesen.

Festgehalten wurde, dass diese Abgaben jedenfalls einmal wegfallen.

Festgestellt wurde weiters, dass im gegenständlichen Haftungsverfahren ein Vorverfahren (Vorhalt zur Stellungnahme) nicht durchgeführt wurde.

Die Haftungsbeträge nicht aufgegliedert wurden, Fälligkeiten nicht bekannt gegeben wurden und auf die Beweislastumkehr konkret nicht hingewiesen wurde.

Nach Ansicht des Berichterstatters sei daher, ohne der Entscheidung des Senates nach mündlicher Verhandlung endgültig vorzugreifen, mit Aufhebung und Zurückverweisung der Sache vorzugehen. Es könne nicht Sache des BFG sein ein Haftungsverfahren gem. §§ 9 und 80 BAO von Grund auf neu durchzuführen.

Das Finanzamt gab dazu an, dass eine Aufgliederung der Beträge nicht nötig sei und verwies dazu auf die Replik.

Dazu wurde auch auf ein Erkenntnis des , verwiesen.

Der Bf zog seine Anträge auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich zurück.

Mit erfolgte eine weitere Stellungnahme des Finanzamtes zur erfolgten Erörterung vom (kurz Stellungnahme).

Darin wird im Wesentlichen aufrechterhalten, dass eine Aufgliederung der Beträge nicht erforderlich ist, Fälligkeiten nicht bekannt gegeben werden müssen und der Bf von sich aus, ohne weiteren Hinweis auf die geltende Beweislastumkehr, den Nachweis zu erbringen habe, dass ihn an der Nichtentrichtung kein Verschulden trifft.

Auf die darin gemachten umfangreichen Ausführungen wird verwiesen.

Aus dem Akteninhalt werden noch folgende Feststellungen getroffen:

Wie bereits aus dem Vorhalt des ersichtlich (siehe oben), stimmen die Haftungsbeträge für Umsatzsteuern der Jahre 2011 und 2012 mit den sich aus den übermittelten Jahresbescheiden ergebenden Nachforderungsbeträgen nicht überein. Es gibt daher weitere Umsatzsteuerbeträge die weder aufgegliedert wurden noch eine Fälligkeit bekannt gegeben wurde.

Dies trifft auch auf alle weiteren angeführten Haftungsbeträge zu, da sie durch die Nachforderung lt. beigelegten Abgabenbescheiden nicht gedeckt werden.

Fälligkeiten für die sich aus diesen Bescheiden ergebenden Abgabennachforderungen sind diesen Bescheiden teilweise (für die KöSt) zu entnehmen.

Die Haftungsbeträge (ZB. KöSt 1-12/2011 lt. Haftung € 8.818,15, Nachforderung lt.
KöSt-Bescheid 2011 vom € 5.167,--; usw.) weichen jedoch jeweils von den Haftungsbeträgen ab. Eine Aufgliederung dazu ist nicht erfolgt. Es ist mangels einer dem Bf übermittelten Rückstandsaufgliederung zudem nicht ersichtlich in welchem Ausmaß Abgaben aus den Jahresbescheiden noch aushaften.

Der dem Bf übermittelte Bescheid für die Umsatzsteuer 2012 ergibt eine Gutschrift von € 0,01, sodass hier der Haftungsbetrag überhaupt nicht gedeckt wird.

Aus dem vom Finanzamt zitierten Erkenntnis wegen Haftungsinanspruchnahme gem. § 11 BAO ist zu ersehen, dass eine Verurteilung für Jahresumsatzsteuerbeträge gem. § 33 Abs. 1 FinStrG zugrunde liegt.

Aus dem Vorlagebericht des Finanzamtes geht nicht hervor, dass ein Finanzstrafverfahren anhängig ist, oder Anzeige an die Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Dies wurde jeweils mit "Nein" vermerkt (siehe Vorwurf der nicht zeitgerechten Einreichung von Abgabenerklärungen).

Aus der dem BFG übermittelten Rückstandaufgliederung gehen Fälligkeiten für Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume überwiegend nicht hervor.

Umsatzsteuerbeträge für 2010 scheinen nicht auf. Drei Buchungszeilen wurden geschwärzt.

Ein Firmenbuchauszug bzw. Datum der Eröffnung des Konkurses über die GmbH ist dem Finanzamtsakt nicht zu entnehmen und wurde im Haftungsverfahren nicht erwähnt.

Ein Vorwurf der unterlassenen Offenlegung von Kundenzahlungen und die unterlassene Führung einer gesetzmäßigen Buchhaltung (lt. Stellungnahme) geht aus dem gegenständlichen Haftungsbescheid nicht hervor.

Rechtslage und Erwägungen

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO lautet:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gem. § 278 Abs. 1 BAO kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Abs. 2 leg. cit. lautet:
Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, wurde weder im angefochtenen Haftungsbescheid noch in der BVE eine Aufgliederung der Haftungsbeträge vorgenommen. Eine Rückstandsaufgliederung wurde dem Bf nicht übermittelt. Damit war für den Bf aber auch nicht erkennbar, welche Beträge aufgrund der mitgeschickten Bescheide noch offen waren. Fälligkeiten wurden nur teilweise (für die Köst Jahresbescheide) bekannt gegeben.
Für die über die aufgrund der Jahresbescheide darüberhinausgehenden (auch monatlichen) Abgabenbeträge wurden Fälligkeiten nicht bekannt gegeben. Dies gilt auch für Köst-Beträge (siehe Feststellungen aus dem Akteninhalt).
Weiters wurde festgestellt, dass ein der Haftungsinanspruchnahme vorangegangenes Vorhalteverfahren nicht durchgeführt wurde und der Bf auf die geltende Beweislastumkehr nicht hingewiesen wurde.
Diese Feststellungen blieben auch anlässlich des durchgeführten Erörterungstermines seitens des Finanzamtes unbestritten.

Dem Finanzamt ist daher nicht zu folgen, wenn es in der Stellungnahme davon ausgeht, dass es bezüglich der KöSt-Beträge (alle) Fälligkeiten bekanntgegeben habe.
Betreffend Teilbarkeit des Spruches ist anzumerken, dass eine solche bei Aufhebung und Zurückverweisung nicht vorgesehen ist. Entweder reicht der Umfang der Ermittlung für eine Aufhebung aus, oder sind diese durch das BFG selbst nachzuholen.

Da somit die oben angeführten Mängel weder im Bescheid noch in der BVE saniert wurden, sind diese Verfahrensmängel, ebenso wie die damit verbundene Verletzung des Parteiengehörs, nach wie vor gegeben. Eine Vorhaltewirkung in der BVE - wie in der Stellungnahme ausgeführt wurde - liegt daher nicht vor.
Ebenso geht der Vorwurf der Verletzung der Gleichbehandlung lt. BVE ins Leere, da eine Vergleichbarkeit mit Abgabenrückständen bzw. ein Nachweis der Gleichbehandlung mangels Aufgliederung der Haftungsbeträge für den Bf nicht möglich war.
Die dargestellten Zahlungen an andere Gläubiger beginnen erst mit September 2011, sodass für Haftungszeiträume ab Jänner 2010 eine schuldhafte Pflichtverletzung ohne weitere Ermittlungen nicht gegeben sein kann.

Unbestritten ist, dass in der Nichtentrichtung von Abgaben eine Pflichtverletzung vorliegt, welche sich somit unmittelbar aus dem Gesetz (§ 80 BAO) ergibt.
Eine solche Pflichtverletzung kann schuldhaft oder ohne ein Verschulden des verantwortlichen Geschäftsführers erfolgen.
Gem. § 9 BAO kommt eine Haftung nur im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung in Frage.
Aufgrund der Nichtentrichtung von Abgaben alleine, kann somit (zB. aufgrund fehlender Mittel) nicht bereits auf ein Verschulden geschlossen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH gilt im Haftungsverfahren die Beweislastumkehr, sodass der Vertreter nachzuweisen hat, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. (siehe "Ritz" Kommentar zur BAO, 6. Aufl. Tz 22). Dieses Rechtsinstitut ergibt sich somit nicht aus dem Gesetz, sodass dies einem Vertreter nicht bekannt sein muss.
Wenn das Finanzamt in der Stellungnahme ausführt, dass sich die gesetzliche Verpflichtung aus § 1298 ABGB ergibt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine zivilrechtliche Bestimmung handelt, die im Abgabenrecht (öffentlichen Recht) nicht unmittelbar zur Anwendung kommen kann. Die Verpflichtung zur Beweislastumkehr wurde nicht in die §§ 9 und 80 BAO übernommen.
Der Bf ist daher von der geltenden Beweislastumkehr in Kenntnis zu setzen. Es ist ihm die Möglichkeit einzuräumen, Entlastungsbeweise zu erbringen (Parteiengehör). Da der Bf nach der Rechtsprechung nur für die Quote haftet, um die er den Abgabengläubiger schlechter behandelt hat, ist er darüber konkret in Kenntnis zu setzten.
Dem Finanzamt kann daher nicht gefolgt werden (siehe Stellungnahme), wenn es Fälligkeiten erst nach qualifizierten Vorbringen des Bf - gleichsam Zug um Zug - mitteilen will, bzw. die Mitteilung von Fälligkeiten vom Willen des Bf zum Nachweis der Gleichbehandlung abhängig macht (siehe auch die weiteren nachfolgenden Ausführungen).

Wie dem vom Finanzamt selbst zitierten Erkenntnis vom zu entnehmen ist, kommt es bei schuldhafter Pflichtverletzung auf die Nichtentrichtung zu den Fälligkeitszeitpunkten an (dort Selbstbemessungsabgaben).
Der Vertreter ist daher von der Behörde über die konkreten Abgaben samt Fälligkeiten einschließlich dem Hinweis auf die Beweislastumkehr in Kenntnis zu setzen.
Erst daraus ergibt sich ein entsprechender Haftungszeitraum, der jedenfalls von der Behörde vorzugeben ist.
Im gegenständlichen Fall ergäbe sich ein Haftungszeitraum von März 2010 (UVA Jänner 2010) bis zur Fälligkeit des KöSt-Bescheides (vom ) am .

Es kann somit nicht sein, dass der Bf selbst sich die entsprechenden möglichen offen gebliebenen Haftungsbeträge samt Fälligkeiten zusammenstellen muss.
Dazu ist zu bemerken, dass dem Finanzamt diese Daten aufgrund einer entsprechenden Rückstandsaufgliederung ohnedies zur Verfügung stehen.

Dass eine solche Aufgliederung jedenfalls notwendig ist, zeigt sich schon daran, dass das Finanzamt selbst nicht erkannt hat, dass eine Haftung für Umsatzsteuervoranmeldungen der Zeiträume 2011 und 2012 bereits im gegenständliche Bescheid erfolgt ist, sodass die doppelte Geltendmachung (siehe weiteren Haftungsbescheid im Jahr 2019) jedenfalls unzulässig ist.

Aus der Rechtsprechung des VwGH zu Lohnsteuern und lohnabhängigen Abgaben ist zu ersehen (zB. vom , 2013/16/0199 und vom , 2013/16/0208), dass bei monatlich fälligen Abgaben diese entsprechend aufzugliedern sind. Die Bekanntgabe in Jahresbeträgen reicht nicht.
Demnach wurde dort der Beschwerdeführer nicht in die Lage versetzt, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubiger entfallende Quote zu berechnen.
Zudem ergibt sich aus diesen Erkenntnissen, dass die " geforderte" Liquiditätsaufstellung nicht erbracht werden konnte, woraus wiederum zu schließen ist, dass der Bf zur Erbringung einer solchen aufgefordert werden muss (Beweislastumkehr, Wahrung des Parteiengehörs-Verfahrensmangel).

Dem ist das Finanzamt im gegenständlichen Fall in keiner Weise nachgekommen. Weder wurden die Abgaben aufgegliedert, noch die Fälligkeiten bekanntgegeben, noch wurde auf die Beweislastumkehr hingewiesen.

Eine Vergleichbarkeit mit dem vom Finanzamt angeführten Erkenntnis des VwGH betreffen Haftungsinanspruchnahme gem. § 11 BAO, ist schon deshalb nicht gegeben, da dort ein Verschulden bereits aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen Finanzvergehens Voraussetzung ist. Im Haftungsverfahren gem. §§ 9 und 80 BAO ist ein Verschulden hingegen erst festzustellen.
Da dort eine Verurteilung gem. § 33 Abs. 1 FinStrG erfolgte, kommt eine Aufgliederung in Voranmeldungszeiträume nicht in Frage.
Eine ledigliche jährliche Aufgliederung der Haftungsbeträge reicht daher im gegenständlichen Fall nicht.

Zum Vorbringen des Finanzamtes zu möglichen Aussetzungsanträgen der GmbH gem. § 212a BAO ist festzustellen, dass derartigen Anträgen hemmende Wirkung gem. § 230 Abs. 6 BAO zukommt. § 212a BAO dient der faktischen Effizienz von Beschwerden, sodass § 254 BAO in seiner Wirkung eingeschränkt wird. Solange ein Aussetzungsantrag aufrecht ist, besteht somit keine Pflicht zur Entrichtung der Abgaben.
Es wird daher zu ermitteln sein, für welche haftungsgegenständlichen Abgaben Aussetzungsanträge gestellt wurden, ob diese rechtzeitig waren und inwieweit dadurch und auch durch folgende Beschwerdemöglichkeiten der GmbH, die den Bf treffende Zahlungspflicht hinausgeschoben wurde oder nicht. Es sind daher Feststellungen zu treffen, ob überhaupt eine Pflicht für die Entrichtung von Abgaben vorlag.
Darauf ist das Finanzamt bisher in keiner Weise eingegangen, noch wurden dem BFG dazu relevante Unterlagen vorgelegt.

Dem Finanzamt kann daher nicht gefolgt werden (z.B. in der BVE), wonach das Vorbringen des Bf, dass Anträge der Primärschuldner gem. § 212a BAO gestellt wurden, nichts an der Rechtsrichtigkeit des Haftungsbescheides ändern könnte.

Wenn das Finanzamt in der Stellungnahme anklingen lässt, dass eine Haftungsinanspruchnahme auch nach Beendigung des Konkursverfahrens wiederum möglich sei (der Bf war wieder vertretungsbefugt; damit Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben) ist festzustellen, dass dies dem Bf bisher nicht vorgeworfen wurde.
Konkrete Feststellungen dazu sind dem vorgelegten Akt nicht zu entnehmen.
Es werden daher auch zu diesem Punkt entsprechende Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durchzuführen sein.

Zum Vorwurf der nicht rechtzeitigen Einreichung von Abgabenerklärungen, wurde vom Finanzamt lediglich ausgeführt, dass der Bf diese Pflichten bewusst (somit Annahme eines Vorsatzes) verletzt hätte, sodass Schätzungen gem. § 184 BAO durchzuführen waren. Konkrete Feststellungen zu den einzelnen Abgaben wurden dazu nicht getroffen. Eine finanzstrafrechtliche Verantwortung im Sinne einer Finanzordnungswidrigkeit gem. § 51 Abs. 1 FinStrG (siehe "Nein Nein" im Vorlagebericht) ist offenbar nicht gegeben.
Es werden daher auch hier die konkreten Sachverhalte unter Wahrung des Parteiengehörs zu ermitteln sein.

Im Haftungsverfahren wurde der Zeitpunkt der Konkurseröffnung bisher nicht angeführt (Ende des Konkursverfahrens ***YX***; die letzte Fälligkeit liegt mit lediglich ***X*** Tage davor). Es wird daher zu ermitteln sein, ob danach festgesetzte oder fällige Abgaben bestehen, in wieweit den Bf dafür eine Zahlungspflicht traf und worin ein schuldhaftes Verhalten gelegen sein kann.

Betreffend der Bekanntgabe von Fälligkeiten gegenüber dem BFG in der übermittelten Rückstandsaufgliederung ist auf die Feststellungen aus dem Akteninhalt zu verweisen. Demnach fehlen teilweise Fälligkeiten bzw. scheint USt 2010 gar nicht auf.

Wenn das Finanzamt auf ein BFG Verfahren verweist, in dem von diesen Fälligkeiten bekanntgegeben wurden, ist darauf zu verweisen, dass die Ermittlung allein von Fälligkeiten im gegenständlichen Fall nicht ausreichend anzusehen ist.

Zudem erfolgten keine konkreten Feststellungen der für eine Haftungsinanspruchnahme gem. § 20 BAO zu treffenden Ermessensentscheidung.

Zweck der Aufhebungsmöglichkeit des § 278 Abs. 1 BAO ist die Entlastung des Verwaltungsgerichtes (somit der Rechtsmittelinstanz) und die Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, anstatt seine Kontrolltätigkeit wahrzunehmen, erstmals den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu ermitteln und einer Beurteilung zu unterziehen (vgl. Ritz, BAO 6 Aufl., § 278 Tz 5).

Im gegenständlichen Fall wurden dem Bf die wesentlichen Grundlagen (Aufgliederung und Fälligkeiten der Haftungsbeträge) eines Haftungsverfahrens gem. § 9 und § 80 BAO und die geltende Rechtsprechung nicht (Fälligkeiten teilweise nicht) zur Kenntnis gebracht. Der Bf wurde auch nicht konkret über die geltenden Beweislastumkehr und der Möglichkeit Entlastungsbeweise zu erbringen in Kenntnis gesetzt.
Das betrifft sämtliche haftungsgegenständliche Abgaben somit das gesamte Haftungsverfahren. Damit wurde dem Bf im Sinne der VwGH Entscheidung, 2013/16/0208, die Wahrung des entsprechenden Parteiengehörs nicht ermöglicht.

Weiters wurde auf Einwendungen des Bf nicht oder nicht richtig Bedacht genommen (siehe
§ 212a BAO). In diesem Zusammenhang ist daher zu ermitteln ob den Bf überhaupt eine Pflicht zur Entrichtung der Abgaben traf.
Weitere Ermittlungen betreffen eine mögliche Haftung des Bf nach Beendigung des Konkursverfahrens der GmbH, wenn das Finanzamt, völlig neu, von möglichen weiterhin bestehenden schuldhaften Pflichtverletzung ab diesem Zeitpunkt ausgeht.
Auf weitere notwendige Ermittlungen - wie weiter oben bereits dargestellt - , wird verwiesen.

Für eine Aufhebung und Zurückverweisung reicht es bereits, wenn nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen ein anders lautender erlassen werden könnte oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Davon ist im gegenständlichen Fall jedenfalls auszugehen.

Bei derart umfangreichen Ermittlungen würde die gesamte Ermittlung des Entscheidungswesentlichen Sachverhaltes sowie dessen Beurteilung auf das Bundesfinanzgericht übertragen. Aufgrund des zu wahrenden Parteiengehörs unter Mitwirkung des BFG ist weder von einer rascheren noch von einem kostengünstigeren Verfahren, als in einem zwei Parteienverfahren, auszugehen.

Auf den Einwand des allfälligen Verlustes von Besicherungen des Finanzamtes in Zusammenhang mit einem Anfechtungsverfahren, ist im Haftungsverfahren nach §§ 9 und 80 BAO nicht einzugehen, da über die Einbringlichkeit von Haftungsgegenständlichen Abgaben nicht abzusprechen ist.
Dazu ist darauf zu verweisen, dass eine Haftung, nach ständiger Rechtsprechung, auch bei schlechtesten wirtschaftlichen Verhältnissen eines Vertreters ausgesprochen werden kann.
Eine überlange Verfahrensdauer vor dem BFG (nicht ganz vier Jahre) ist zudem nicht gegeben.
Im gegenständlichen Fall ist bei der zu treffend Ermessensentscheidung von einem erheblichen Überwiegen der für eine Aufhebung und Zurückverweisung sprechenden Gründe, wie oben dargestellt, auszugehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Auf die von den Parteien im Übrigen im gegenständlichen Haftungsverfahrengemachten Ausführungen brauchte daher nicht eingegangen werden.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt (die Erhebung des erstmals für eine Haftungsinanspruchnahme erforderlichen gesamten Sachverhaltes - nicht nur einzelner Sachverhaltselemente - , welche als Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme gesehen werden können, rechtfertigt aufgrund des dargestellten Umfanges der Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs die gegenständliche Entscheidung und ist somit als Ausfluss der gesetzlichen Bestimmung anzusehen), der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100378.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at