Anwendung der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden in der Fassung der Verordnung des BGBl. II Nr. 215/2018 (Anwendung auf alle noch nicht rechtskräftig veranlagten Fälle)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Freilinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Untere Hauptstr 10, 3150 Wilhelmsburg an der Traisen,
über die Beschwerde vom
gegen die Bescheide des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer 2012 (Berichtigung gem. § 293 BAO),
Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013, Umsatzsteuer 2013, Einkommensteuer 2013,
Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 und Einkommensteuer 2014, Steuernummer 039/8999, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde, soweit sie die Einkommensteuer 2012 (Berichtigung gem. § 293 BAO),
die Aufhebungdes Einkommensteuerbescheides 2014 vom und die Einkommensteuer 2014betrifft, wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und diese Bescheide werden aufgehoben.
Die Beschwerde, soweit sie die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013 sowie Umsatzsteuer 2013 betrifft, wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 wird teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben betragen:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 15.503,66 €
Einkommen: 12.611,66 €
Festgesetzte Einkommensteuer: 588,26 €
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz als Bf. bezeichnet) betreibt eine Werkstätte für die Instandhaltung und die Reparatur von Kraftfahrzeugen. Er erzielte aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
In den beim Finanzamt eingelangten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 ermittelte der Bf. den Gewinn pauschal nach Durchschnittssätzen unter Berücksichtigung der Verordnung zu § 17 EStG für nicht buchführende Gewerbetreibende, BGBl. 55/1990.
Das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten erließ zunächst erklärungsgemäß am den Einkommensteuerbescheid für 2012. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in Höhe von 41.847,99 € festgestellt.
Am erließ das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten ebenfalls erklärungsgemäß den Umsatz- und den Einkommensteuerbescheid für 2013. Im Umsatzsteuerbescheid 2013 wurde eine Gutschrift von 6.648,63 € festgesetzt. Im Einkommensteuerbescheid 2013 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.707,42 € festgestellt.
Am wurde der Einkommensteuerbescheid für 2014 ebenfalls erklärungsgemäß erlassen. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in Höhe von - 36.018,54 € festgestellt.
Im Jahr 2016 wurde beim Bf. eine Außenprüfung durchgeführt.
Im Bericht vom wurde u.a. Folgendes festgehalten:
"Im Prüfungszeitraum 2012 bis 2014 lag keine Buchführungspflicht vor. Es wurden keine Bücher freiwillig geführt. Von Seiten der steuerlichen Vertretung wurden für das Jahr 2012 Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen übermittelt, die im Akt aufliegen. DieseBeilagen bestehen aus einer vollständigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sowie einer Aufstellung von Einnahmen und Ausgaben unter Berücksichtigung der Verordnung (VO) zu § 17 EStG für nichtbuchführende Gewerbetreibenden, BGBl. 55/1990.
Da der Gewinn aus der vollständigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung beträchtlich höher war, als der Gewinn unter Berücksichtigung der Berechnung laut VO, wurde in der Einkommensteuererklärung 2012 der Gewinn unter Berücksichtigung der Berechnung laut VO BGBl. 55/1990 angesetzt.
Auch in den Jahren 2013 und 2014 fand die Pauschalierung für Kfz-Mechaniker (laut Beilagen) Anwendung."
Nach der auszugsweisen Zitierung der Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden, BGBl. 1990/55, werden verschiedene Literaturstellen zitiert, darunter auch die Kommentare zum Einkommensteuergesetz von Jakom (7. Auflage 2014) und Doralt.
Als Stellungnahme der Außenprüfung wurde auszugsweise ausgeführt:
"Für das Jahr 2012 wurde seitens des steuerlichen Vertreters eine vollständigen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als Beilage an das Finanzamt übermittelt. Für die Jahre 2013 und 2014 wurden Aufzeichnungen geführt, die eineGewinnermittlung ermöglichen. Im Zuge des Prüfungsverfahrens wurde vom steuerlichen Vertreter mündlich angeführt, dass zu Vergleichszwecken immer eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erstellt wurde. Damit wurde sichergestellt, dass die günstigere Variante zur Anwendung gelangt.
In § 1 (1) der VO BGBl. 55/1990 wird verordnet, dass bei Führung von Aufzeichnungen, die eine Gewinnermittlung ermöglichen, die VO BGBl. 55/1990 nicht zur Anwendung kommt. Im konkreten Fall wurde derartigeAufzeichnungen geführt. Der Abgabepflichtige hat daher keine Wahl, ob er die VO BGBl. 55/1990 anwendet oder nicht."
Der Prüfer ermittelte daraufhin den Gewinn für die Jahre 2012 bis 2014 auf Basis einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.
Zur Bescheidberichtigung gemäß § 293b BAO (des Einkommensteuerbescheides für 2012 vom ) wurde im Bericht vom auszugsweise ausgeführt:
"Ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchführen zu müssen, hätte die Abgabenbehörde bei einer ordnungsgemäßen Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit erkennen müssen. Im konkreten Fall lag die Unrichtigkeit in der unzutreffenden Rechtsauffassung des Abgabepflichtigen und dessen steuerlicher Vertretung…
Der Berichtigungsgrund liegt somit in der Übernahme der Daten laut Gewinnermittlung nach den Bestimmungen der VO, obwohl der Abgabenbehörde einevollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vorlag. Aus Sicht derAußenprüfung basierte der Einkommensteuerbescheid 2012 auf einer unvertretbaren Rechtsansicht."
Zur Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO (des Einkommensteuerbescheides für 2014) wurde im Bericht vom auszugsweise ausgeführt:
"Der Aufhebungsgrund desEinkommensteuerbescheides 2014 liegt darin, dass für das Jahr 2014 eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen laut VO BGBl. 55/1990 erfolgte. Im Zuge des Prüfungsverfahrens wurde von der Außenprüfung festgestellt, dass für das Jahr 2014eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erstellt wurde. Seitens des Abgabepflichtigen wurden Aufzeichnungen geführt, die eine Gewinnermittlung ermöglichen. Die VO BGBl. 55/1990 ist somit nicht anwendbar."
Zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO (Prüfungsjahr 2013) wurde im Bericht vom auszugsweise ausgeführt:
"Anlässlich der Außenprüfung ist die Tatsache neu hervor gekommen, dass Einnahmen im Ausmaß von netto 5.649,52 Euro nicht erfolgswirksam berücksichtigt wurden und auch nicht der Umsatzsteuer unterzogen wurden.
Der im Punkt 2 geschilderte Sachverhalt stellt eine neue Tatsache dar, die demFinanzamt bei Erlassung des Erstbescheides nicht bekannt war. Hätte das Finanzamt Kenntnis all dieser Umstände gehabt, hätte dies zu anderslautenden Bescheiden geführt. Im Hinblick auf die Höhe der sich aus der getroffenen Feststellung ergebenden Änderung war nach Grundsatz der Zweckmäßigkeit dieWiederaufnahme zu verfügen."
Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung erließ das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten am neuerlich einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 (Berichtigung gemäß § 293b BAO zu Bescheid vom ).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dieser Bescheid nicht an die Stelle des Bescheides vom trete, sondern diesen hinsichtlich eines Ausfertigungsfehlers betreffend den Punkt Einkünfte aus Gewerbebetrieb berichtige.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden in Höhe von 41.847,99 € festgestellt.
Ebenfalls mit Bescheiden vom erließ das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2013 (Bescheide vom ) gemäß § 303 Abs. 1 BAO.
In den Bescheidbegründungen wurde jeweils ausgeführt:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit, und die Auswirkungen können nicht als geringfügig angesehen werden."
Im am erlassenen Umsatzsteuerbescheid 2013 wurde eine Gutschrift von 5.404,20 € festgesetzt.
Zur Begründung wurde auf den Bericht vom verwiesen.
Im am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2013 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 52.267,05 € festgestellt.
Zur Begründung wurde auf den Bericht vom verwiesen.
Am erließ das Finanzamt auch einen Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 gemäß § 299 BAO.
Mit diesem Bescheid wurde der Einkommensteuerbescheid 2014 vom aufgehoben.
Als Aufhebungsgrund wurde angeführt:
"Rechtswidrige Anwendung derVO BGBl. 55/1990, da Aufzeichnungen geführt wurden, die eine Gewinnermittlung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermöglichen."
Im neuerlich am erlassenen Einkommensteuerbescheid 2014 wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.972,99 € festgestellt.
Mit Eingabe vom erhob der Bf. durch seinen Vertreter Beschwerde gegen die folgenden Bescheide:
Einkommensteuerbescheid 2012 (Berichtigung gem. § 293b BAO)
Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2013
Umsatzsteuerbescheid 2013
Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2013
Einkommensteuerbescheid 2013
Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 gemäß § 299 BAO
Einkommensteuerbescheid 2014
Der Bf. wandte sich gegen die Nichtanwendung der Pauschalierungsverordnung zu § 17 Abs. 4 EStG 1988 und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Der Bf. stellte den Antrag, dass die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unterbleibe.
Er beantragte, dass die Entscheidung gemäß § 274 Abs. 1 BAO durch den Senat erfolge und dass gemäß § 272 Abs. 2 BAO eine mündliche Verhandlung durchgeführt werde.
Zum Einkommensteuerbescheid 2012 brachte der Vertreter vor, dass der Tatbestand der Berichtigung nach § 293b BAO nicht gegeben sei und verwies dazu auf das VwGH-Erkenntnis vom , 89/13/0113.
Zum Umsatz- und Einkommensteuerbescheid 2013 brachte der Vertreter vor, dass kein Tatbestand des § 303 Abs. 1 BAO gegeben sei. Die Auswirkungen seien einerseits zu gering, damit keine Wiederaufnahme des Verfahrens aus anderen Titeln möglich sei. Andererseits sei die Begründung für die Wiederaufnahme standardisiert und entspreche nicht der Rechtsprechung des VwGH.
Zum Einkommensteuerbescheid 2014 brachte der Vertreter vor, dass der Tatbestand des § 299 BAO nicht vorliege.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
In der Stellungnahme zur Beschwerde führte die Abgabenbehörde aus, dass in der VO 1990/55 eindeutig geregelt sei, dass die Führung von Aufzeichnungen, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ermöglichen würden, der Inanspruchnahme der VO-Pauschalierung (gem. BGBl 1990/55) entgegenstehe. Ergänzend verwies die Abgabenbehörde auf die bereits im Bericht der Außenprüfung vom angeführte Literatur.
Mit Eingabe vom übermittelte der Vertreter des Bf. dem Bundesfinanzgericht eine Anfrage des Fachsenates für Steuerrecht an das Bundesministerium für Finanzen.
Der Bundesminister für Finanzen änderte am im BGBl II Nr. 215/2018 die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden, BGBl. I Nr. 55/1990, ab und verlautbarte sie neu. In § 3 wurde festgelegt, dass die Verordnung auf alle zum Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung noch nicht rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden ist.
Mit Eingabe vom nahm der Bf. durch seinen Vertreter die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist im Wesentlichen unstrittig und ergibt sich aus dem oben dargestellten Verfahrensgang.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Gemäß § 17 Abs. 4 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988) können für die Ermittlung des Gewinnes mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen. Solche Durchschnittssätze sind nur für Fälle aufzustellen, in denen weder eine Buchführungspflicht besteht noch ordnungsmäßige Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ermöglichen.
Der Bundesminister für Finanzen hat mit Verordnung vom , BGBl. 1990/55, über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden u.a. verordnet:
§ 1 (1) Die folgenden Durchschnittssätze für die Ermittlung der nicht von § 2 umfassten Betriebsausgaben sind bei Gewerbetreibenden der angeführten Gewerbezweige, denen gemäß § 17 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223, die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet ist, und die weder ordnungsgemäße Bücher noch Aufzeichnungen führen, die eine Gewinnermittlung ermöglichen, anzuwenden, wenn sie das Wareneingangsbuch (§ 127 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) und die gemäß § 2 erforderlichen Aufzeichnungen ordnungsmäßig führen.
Für den Gewerbezweig Kraftfahrzeugmechaniker wurde ein Durchschnittssatz von 16,2 verordnet.
In § 3 wurde festgelegt, dass die Verordnung erstmalig bei der Veranlagung für das Jahr 1989 anzuwenden ist.
Im BGBl II Nr. 215/2018 hat der Bundesminister für Finanzen die Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes bei nichtbuchführenden Gewerbetreibenden, BGBl. I Nr. 55/1990, abgeändert und neu verlautbart.
Sie lautet nunmehr auszugsweise:
§ 1 (1) Die folgenden Durchschnittssätze für die Ermittlung der nicht von § 2 umfassten Betriebsausgaben können bei Gewerbetreibenden der angeführten Gewerbezweige unter folgenden Voraussetzungen angewendet werden:
1. Es besteht keine Buchführungspflicht und es werden keine ordnungsmäßigen Bücher geführt, die eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ermöglichen.
2. Die gemäß § 2 erforderlichen Aufzeichnungen werden ordnungsgemäß geführt.
Für den Gewerbezweig Kraftfahrzeugmechaniker wurde ein Durchschnittssatz von 16,2 Kraftfahrzeugmechaniker 16,2 festgelegt.
…
(4) Die Führung von Aufzeichnungen im Sinne des § 18 des Umsatzsteuergesetzes 1994 schließt die Anwendung des Durchschnittssatzes nicht aus.
§ 3. Die Verordnung ist erstmalig bei der Veranlagung für das Jahr 1989 anzuwenden.
§ 1 Abs. 1 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 215/2018 tritt mit in Kraft und ist auf alle zum Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung noch nicht rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden.
Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren die Frage, ob der Bf. in den Jahren 2012 bis 2014 einen Anspruch auf Besteuerung nach den Durchschnittssätzen der Verordnung vom , BGBl. 1990/55, hatte.
Die strittige Verordnung vom , BGBl. 1990/55, wurde durch die Verordnung BGBl. II Nr. 215/2018 abgeändert. Nach § 3 dieser Verordnung ist § 1 Abs. 1 in der neuen Fassung auf alle zum Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung noch nicht rechtskräftig veranlagten Fälle anzuwenden.
Im beschwerdegegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die strittige Verordnung in der Fassung des BGBl. II Nr. 215/2018 anzuwenden ist, da durch die Erhebung der Beschwerde die in diesem Verfahren angefochtenen Bescheide bisher noch nicht rechtskräftig geworden sind.
Zu den angefochtenen Bescheiden wird im Einzelnen ausgeführt:
Einkommensteuerbescheid 2012vom (Berichtigung gem. § 293 BAO)
Gemäß § 293 b BAO (Bundesabgabenordnung) kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.
Im angefochtenen Bescheid wird der Berichtigungsgrund darin gesehen, dass im zu berichtigenden Bescheid die Daten laut Gewinnermittlung nach den Bestimmungen der VO BGBl. 1990/55 übernommen worden seien, obwohl eine vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung vorgelegen sei.
Wie oben ausgeführt wurde, ist im beschwerdegegenständlichen Fall die strittige Verordnung vom bereits in der Fassung des BGBl. II Nr. 215/2018 anzuwenden. Das bedeutet, dass das Vorliegen einer vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung eine Anwendung der Verordnung nicht hindert. Damit ist aber der im angefochtenen Bescheid angeführte Berichtigungsgrund weggefallen.
Aus den angeführten Gründen war daher der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2012 vom aufzuheben.
Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom gehört folglich wiederum dem Rechtsbestand an.
Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013
Gemäß § 303 Abs. 1 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Abgabenbehörde begründet die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013 mit dem Hinweis auf den Bericht vom , wonach anlässlich der Außenprüfung die Tatsache neu hervor gekommen sei, dass Einnahmen im Ausmaß von netto 5.649,52 Euro nicht erfolgswirksam berücksichtigt worden und auch nicht der Umsatzsteuer unterzogen worden seien.
Dieser Feststellung der Abgabenbehörde hält der Vertreter des Bf. in der Beschwerde lediglich entgegen, dass die Auswirkungen einerseits zu gering seien, damit keine Wiederaufnahme des Verfahrens aus anderen Titeln möglich sei. Andererseits sei die Begründung für die Wiederaufnahme standardisiert und entspreche nicht der Rechtsprechung des VwGH.
Zum Einwand des Bf. bzw. seines Vertreters wird auf die Verwaltungspraxis und die ständige Entscheidungspraxis der Rechtsprechung verwiesen. Danach sind nichterklärte Einnahmen in der hier maßgeblichen Höhe von netto 5.649,52 Euro jedenfalls nicht mehr als geringfügig anzusehen und berechtigen die Abgabenbehörde zur Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer. Ein Verweis im angefochtenen Bescheid auf den Bericht der Außenprüfung ist ebenfalls zulässig und ersetzt eine detaillierte Begründung im angefochtenen Bescheid.
Aus den angeführten Gründen war daher die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013 richtete, als unbegründet abzuweisen.
Umsatzsteuer 2013
Aus den oben (zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013) angeführten Gründen war auch die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2013 als unbegründet abzuweisen.
Einkommensteuer 2013
Aus den oben (zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013) angeführten Gründen waren die bei der Außenprüfung festgestellten nicht erklärten Einnahmen bei der Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2013 zu berücksichtigen. Wie bereits oben ausgeführt wurde, konnte die strittige Verordnung vom in der Fassung des BGBl. II Nr. 215/2018 angewendet werden.
Demnach erhöhten sich die Einnahmen um 16,2 % (Pauschalsatz) der nicht erklärten Einnahmen von 5.649,52 Euro. Dieser Betrag von 915,22 € ergibt nach Abzug des Gewinnfreibetrages eine Erhöhung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 796,24 €. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb waren daher in Höhe von 15.503,66 € festzustellen. Die Berechnung ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen.
Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 war daher teilweise Folge gegeben.
Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2014 vom gem. § 299 BAO und Einkommensteuerbescheid 2014 vom
Gemäß § 299 Abs. 1 kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Die Abgabenbehörde begründet die Bescheidaufhebung mit der rechtswidrigen Anwendung der VO BGBl. 55/1990, da Aufzeichnungen geführt wurden, die eine Gewinnermittlung im Sinne des § 4 Abs. 3 EStG ermöglichten.
Wie oben ausgeführt wurde, ist im beschwerdegegenständlichen Fall die strittige Verordnung vom bereits in der Fassung des BGBl. II Nr. 215/2018 anzuwenden. Das bedeutet, dass das Vorliegen einer vollständige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung eine Anwendung der Verordnung nicht hindert. Damit ist aber der im angefochtenen Bescheid angeführte Aufhebungsgrund weggefallen.
Aus den angeführten Gründen war daher der angefochtene Aufhebungsbescheid vom aufzuheben.
Mit der Aufhebung des Aufhebungsbescheides vom war folglich gleichzeitig auch der Einkommensteuerbescheid 2014 vom aufzuheben.
Der Einkommensteuerbescheid 2014 vom gehört damit wiederum dem Rechtsbestand an.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keiner dieser Revisionsgründe vorliegt, war zu entscheiden, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 17 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101676.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
HAAAC-27252