Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.03.2021, RV/5101157/2016

Fehlender Nachweis der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***RA**, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes ***FA*** vom , Steuernummer, ***Bf1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die gegenständliche Beschwerde mit Wirkung vom der bisherigen Gerichtsabteilung infolge Versetzung in den Ruhestand abgenommen und der Gerichtsabteilung ***GA*** zugeteilt.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für Abgabenschulden der ***Bf*** GmbH im Ausmaß von € 57.520,45 gegenüber der Beschwerdeführerin geltend. Die Haftungssumme wurde wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2011
26.170,49
Umsatzsteuer
05/2011
1.373,49
Umsatzsteuer
06/2011
1.223,76
Umsatzsteuer
07/2011
5.062,45
Umsatzsteuer
08/2011
5.626,76
Umsatzsteuer
09/2011
1.628,70
Umsatzsteuer
11/2011
556,41
Lohnsteuer
2010
1.848,90
Lohnsteuer
2011
2.905,28
Körperschaftsteuer
2010
2.187,00
Körperschaftsteuer
10-12/2011
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2012
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2012
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2013
437,00
Dienstgeberbeitrag
2009
112,20
Dienstgeberbeitrag
2010
1.627,34
Dienstgeberbeitrag
2011
1.975,58
Zuschlag zum DB
2009
10,75
Zuschlag zum DB
2010
153,65
Zuschlag zum DB
2011
240,51
Verspätungszuschlag
07/2011
506,24
Verspätungszuschlag
08/2011
574,89
Pfändungsgebühr
2011
190,73
Pfändungsgebühr
2012
76,75
Barauslagenersatz
2011
1,24
Barauslagenersatz
2012
0,62
Säumniszuschlag 1
2011
680,48
Säumniszuschlag 1
2011
159,48
Summe
57.520,45

Begründend wurde nach Darlegung der Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass im Zuge der Vorbehaltsbeantwortung vom vorgebracht worden sei, dass aus der beigelegten Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom eine klare Sachverhaltsdarstellung hervorgehe und in dieser Entscheidung auch genauestens auf den Rückstand von rund € 26.000 eingegangen worden sei. Dazu werde festgehalten, dass aus dieser Entscheidung nicht hervorgehe, dass zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Es sei kein entsprechender Nachweis vorgelegt worden. Aus der Berufungsentscheidung könne nicht entnommen werden, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung vorliege. Vertreter würden mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben haften - leichte Fahrlässigkeit gelte bereits als Verschulden.
Zu dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin könne keinerlei Einflüsse auf die Prüfungsergebnisse im Konkursverfahren haben, da sie zu diesem Zeitpunkt weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der Primärschuldnerin gewesen sei, werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin laut Firmenbuch vom bis als Geschäftsführerin der Primärschuldnerin eingetragen gewesen sei. Somit würden sämtliche offenen Abgabenbeträge in den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit fallen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Haftungsverfahren die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern. Gemäß § 248 BAO könne der nach den Abgabenvorschriften Haftungspflichtige innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. In diesem Fall sei zunächst über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, da sich erst aus dieser Entscheidung ergeben würde, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt bestehe.
Weiters werde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin, als sie noch Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen sei, dem Finanzamt mehrfach Möglichkeiten vorgebracht habe Rückstände abzubezahlen. Es sei der Vorschlag unterbreitet worden, die größte Forderung abzutreten bzw. Ratenansuchen gestellt worden, die abgewiesen worden seien. Dazu werde festgehalten, dass es nicht Aufgabe des Finanzamtes sein könne, als "Inkassobüro" für nicht einbringliche Kundenforderungen zu dienen bzw. dass gemäß § 212 BAO Voraussetzung zur Bewilligung eines Ratenansuchens sei, dass die Einbringlichkeit durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet sei. Diese Voraussetzung wäre durch die Angaben im Ratenansuchen nicht gegeben gewesen. Die geleisteten Zahlungen seien auf dem Abgabenkonto verbucht worden.
Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten habe (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabeneinspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstelle. Die Beschwerdeführerin wäre im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden die einzige handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen, somit die einzig in Betracht kommende Haftende im Sinn des § 9 Abs. 1 i.V.m. den §§ 80 ff BAO. Die Abgabenschulden könnten bei der GmbH nicht mehr eingebracht werden. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin keine in ihrer wirtschaftlichen Lage gelegenen Billigkeitsgründe vorgetragen, weswegen das Finanzamt in der Inanspruchnahme als Haftende eine Unbilligkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit erblicken hätte könne.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes müsse vom Vorliegen einer Schuldhaftigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden und sei die Haftung i.H.v. € 57.520,45 auszusprechen.
Dem Bescheid wurden beigelegt der Umsatzsteuerbescheid 2011, GPLA-Bericht vom bezüglich des Zeitraumes bis inklusive Abgabenbescheide, BP-Bericht vom bezüglich Umsatzsteuer 6/2011-4/2011, Körperschaftsteuerbescheide 2010,2011 und 2012, Verspätungszuschlagsbescheide 07/2011 und 08/2011, Säumniszuschlagsbescheide vom , , ,, , , .

Mit Schriftsatz vom wurde durch die ausgewiesene steuerliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom eingebracht. Zu den einzelnen Positionen werde ausgeführt:
Umsatzsteuer 2011 € 26.170,49: Festgehalten werde, dass der gegenständliche Saldo anhand der abgegebenen Erklärung i.V.m. einer internen Prüfung in weiterer Folge mit Bescheid vom festgestellt worden sei. Zu bemerken sei, dass es sich um die gesamte Umsatzsteuer für 2011 handle. In der Folge wurden die einzelnen Buchungen am Abgabenkonto der Primärschuldnerin wiedergegeben und kommentiert (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde).
Inhaltlich wurde darauf hingewiesen, dass mit über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet und Mag. ***MV*** zum Masseverwalter bestellt worden sei. Aufgrund einer Veräußerung des Unternehmens wäre die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses nicht mehr Gesellschafter und Geschäftsführer des gegenständlichen Unternehmens gewesen. Im Mai 2013 habe das Finanzamt eine GPLA Prüfung vorgenommen und vorab mit der ehemaligen Geschäftsführerin Kontakt aufgenommen auch im Hinblick auf deren Einzelunternehmen. Es sei auch eine GPLA Prüfung in deren Einzelfirma vorgenommen worden. Der Betriebsprüferin sei der Sachverhalt erklärt und auch dargelegt worden, dass Stundenaufstellungen vorliegen würden. Die Betriebsprüferin habe i.V.m. dem Masseverwalter eine Schätzung sämtlicher Abgaben vorgenommen. Die ehemalige Geschäftsführerin habe keinerlei Mitsprache führen können und es sei zu dieser Abgabennachforderung gekommen. Die Interventionen der ehemaligen Geschäftsführerin, diese Bescheide vom Masseverwalter bekämpfen zu lassen, seien leider im Sande verlaufen, da der Masseverwalter diese Schritte nicht unternommen habe. Ausdrücklich werde auch auf die Sachverhaltsfeststellung an das Finanzamt vom und auf die bereits im November 2013 ergangene Senatsentscheidung GZ FSRV/002-W/13 miterledigt FSRV/001-W/13, verwiesen, wo auch genauestens auf die "schuldige Umsatzsteuer 2011" eingegangen worden sei.
Das Finanzamt habe mehrere Beträge doppelt verrechnet und würde den Gesamtbetrag einerseits z.B. mit der Umsatzsteuer 2011 im Gesamtbetrag von über € 26.000 verrechnen und einzelne Beträge. Durch die Vielzahl der Betriebsprüfungen mit jeweils immer wieder anderen Ergebnissen könnte wohl eine persönliche Haftung der Geschäftsführerin gar nicht gegeben sein, da sie hier kein Verschulden zu verantworten habe, weil es sich im Wesentlichen um Ansprüche handle, die entstanden seien aus Auffassungsunterschieden, nicht nur zwischen der steuerpflichtigen GmbH und dem Finanzamt sondern sogar aus Auffassungsunterschieden mehrerer Prüfer untereinander, die beim selben Sachverhalt zu verschiedenen Ergebnissen gekommen seien. Das habe die Geschäftsführerin im Vorhinein weder wissen noch ahnen können. Es wäre dies eine reine Erfolgshaftung, abhängig von der Willkür der Steuerprüfer, die sodann zu Lasten des Geschäftsführers gehe aufgrund eines Haftungsbescheides mit der Behauptung all das, was verschiedentliche Steuerprüfer, die dieselben Sachverhalte verschieden beurteilt hätten, hätte wissen müssen und das Endergebnis in vorausahnender Weise bereits im Vorhinein zu bezahlen gehabt hätte. Das würde dem entsprechend, wenn einer eine Strafe dafür erhalte, dass er nicht vorausahnend das Ergebnis des letzten Prüfers sozusagen vorweggenommen habe und dieses hätte wissen müssen. Es könne aber auch der Beschwerdeführerin nicht das Ergebnis der Prüfung beim Masseverwalter zugeordnet werden, da sie dort selbst nicht teilgenommen habe und keine Stellung nehmen konnte. Der Masseverwalter habe keine Berufung erhoben. Eine Bindungswirkung könne daher in dem Fall gar nicht gegeben sein. Sohin werde der Antrag auf volle Stattgabe der vorliegenden Beschwerde und Aufhebung des Haftungsbescheides gestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung von wurde die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin laut Firmenbuch unstrittig von bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am alleinvertretungsbefugte Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen sei und somit als gesetzliche Vertreterin im Sinn des § 80 Abs. 1 BAO zur Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO heranzuziehen sei. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin sei ebenso durch die am erfolgte amtswegige Löschung unbestritten erwiesen.
Soweit die Beschwerdeführerin vermeinen würde, für die bescheidmäßig festgesetzten Abgabenbeträge betreffend Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag resultierend aus der GPLA Prüfung nicht zur Haftung herangezogen werden zu können, sei ihr entgegenzuhalten, dass diese Selbstbemessungsabgaben gemäß § 79 Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 1 FLAG eine monatliche Fälligkeit hätten und daher unabhängig vom Zeitpunkt einer bescheidmäßigen Festsetzung monatlich einzubehalten und zur gesetzlichen Fälligkeitstag, also bis spätestens am 15. Tag des Folgemonats, vollständig zu entrichten seien. Folglich wäre der Dienstgeberbeitrag 2009 bis spätestens , die Lohnsteuer und der Dienstgeberbeitrag 2010 bis , die Lohnsteuer und der Dienstgeberbeitrag 2011 bis abzuführen gewesen. Im Zeitpunkt des insolvenzbedingten Ausscheidens der Geschäftsführerin wären diese Abgaben sohin bereits seit mehr als 14 Monaten unberichtigt ausgehaftet. Durch die nicht ordnungsgemäße Abfuhr dieser Selbstbemessungsabgaben bis spätestens zum gesetzlichen Fälligkeitstermin habe die Beschwerdeführerin als Vertreterin im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO schuldhaft ihre abgabenrechtlichen Pflichten verletzt, für die sie nach § 9 BAO-hafte.
Das Vorliegen weiterer schuldhafter Pflichtverletzungen hinsichtlich der nicht (vollständigen) Entrichtung von Umsatz-bzw. Körperschaftsteuer(voraus)zahlungen sowie sonstiger Nebengebühren durch die ehemalige Geschäftsführerin werde in gegenständlicher Beschwerde nicht bestritten, sodass sie auch für die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenschulden gemäß §§ 80 Abs. 1 i.V.m. 9 Abs. 1 BAO Haftung heranzuziehen sei.
Soweit die Beschwerdeführerin ausschließlich Einwendungen gegen die Richtigkeit und Ordnungsgemäßheit der dem gegenständlichen Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgabenfestsetzung im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. § 80 BAO erhebe, sei für sie daraus im Haftungsverfahren nichts zu gewinnen. Sämtliche der Haftunginanspruchnahmen zugrundeliegenden Bescheide seien laut Aktenlage unstrittig gleichzeitig mit dem hier gegenständlichen Haftungsbescheid vom der Beschwerdeführerin zugestellt und ihr auch der Bericht über die Feststellungen der durchgeführten Prüfung vom sowie der Außenprüfung vom übermittelt worden. Dadurch sei der Beschwerdeführerin anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides auch Kenntnis im Sinne des § 248 BAO über den Abgabenanspruch, dessen Grund und Höhe, verschafft worden. § 248 BAO gewähre dem Haftenden einen Rechtszug gegen die haftungsbegründenden Abgabenbescheide. Folglich hätte sie alle Einwendungen gegen die im Haftungsanspruch zugrundeliegenden Bescheide zielgerichtet in einer Beschwerde gemäß § 248 BAO vorbringen müssen und darin insbesondere auch das Ergebnis der GPL A Prüfung beim Masseverwalter und daraus resultierende Bescheide bekämpfen können.
Wenn einem Haftungsbescheid, wie im gegenständlichen Fall, mehrere Abgabenbescheide vorangehen würden, so sei die Behörde daran gebunden und habe sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diese Abgabenbescheide zu halten. Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch gegeben sei, wäre als Vorfrage im Haftungsverfahren vielmehr nur dann zu beantworten, wenn dem Haftungsverfahren keine Bindungswirkung auslösende Abgabenbescheide vorangegangen seien. Insofern sei aufgrund der Bindungswirkung im Haftungsverfahren auf das Beschwerdevorbringen zur Richtigkeit der bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung nicht näher einzugehen. Dass an den jeweiligen Fälligkeitstagen keine ausreichenden liquiden Mittel zur (vollen) Bezahlung der Abgabenschuld mehr zur Verfügung gestanden wären, sei weder behauptet worden noch sei dies den Feststellungen des vorangegangenen Abgabenverfahrens zu entnehmen. Sonstige geeignete Gründe, die die Beschwerdeführerin als Vertreterin an der Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten ohne ihr Verschulden gehindert hätten, bringe sie nicht vor, weshalb die Abgabenbehörde annehmen dürfe, dass die oben erwähnten Pflichtverletzungen ursächlich für die Uneinbringlichkeit gewesen wären. Ferner habe die Beschwerdeführerin weder ein geeignetes Vorbringen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung noch zu einer mangelhaften Ermessensausübung erstattet und sei dies aus der Aktenlage nicht ableitbar, weshalb die Beschwerdeführerin zur Haftung heranzuziehen sei.

Mit Schreiben vom wurde durch den steuerlichen Vertreter der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht eingebracht. Begründend werde ausgeführt, dass im Haftungsverfahren Beträge eingebunden seien, wobei im Finanzstrafverfahren entschieden worden sei, dass finanzstrafrechtlich die Beschwerdeführerin kein Verschulden treffe. Daher könne auch keine Haftungsbegründung gegeben sein.
Abgesehen davon habe der Masseverwalter gegen die Bescheide aus den Prüfungen keinerlei Einwendungen erhoben. Die Beschwerdeführerin sei in die Stellungnahme oder Nichtstellungnahme des Masseverwalters nicht eingebunden gewesen und sei in rechtsverletzender Weise durch das Nichthandeln oder Handeln eines Dritten in eine Haftung hineingezogen worden, die es ihr unmöglich gemacht hätte, selbst dementsprechende Einwendungen zu erheben. Da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr Geschäftsführerin der Primärschuldnerin gewesen sei, hätte sie diesbezüglich auch keine Legitimation. Die vom Finanzamt behauptete Bindungswirkung könne im Sinne der MRK und auch der Europäische Rechtsnormen nur Fiktion sein.
Es werde daher die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Nach ausführlicher Sachverhaltsdarstellung wurde ergänzend zur Beschwerdevorentscheidung darauf hingewiesen, dass in der Berufungsentscheidung vom festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin fahrlässig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatz- und Einkommensteuer 2007 und 2008 bewirkt und somit das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung begangen habe. Betreffend der Umsatzsteuervoranmeldungen 2-4/2011 sei zwar gemäß § 49 Abs. 1 lit a FinStrG die von der Haftungsschuldnerin begangene Finanzordnungswidrigkeit hinsichtlich der Höhe von 14.283,92 € auf 800,00 € herabgesetzt worden, jedoch eine Unterlassung der Entrichtung der Vorauszahlungen bis zum fünften Tag nach der jeweiligen Fälligkeit mit Eventualvorsatz bestätigt worden. Eine Einstellung des Finanzstrafverfahrens sei nur in Bezug auf die Umsatzsteuervorauszahlungen 12/2009 in Höhe von 3.219,02 € und 12/2010 in Höhe von 3.461,49 € erfolgt. Diese Abgaben seien jedoch mit dem gegenständlichen Haftungsbescheid gar nicht geltend gemacht worden.

Mit Schreiben des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der Beschwerdeführerin die Rechtslage ausführlich vorgehalten und auch auf die Beweispflicht in Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz hingewiesen.

Nach gewährter Fristverlängerung wurde durch den steuerlichen Vertreter mit Antwortschreiben vom neuerlich darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr Geschäftsführerin und Gesellschafterin gewesen sei und der Masseverwalter eine Schätzung beantragt habe, die ohne Zuziehung der Beschwerdeführerin durchgeführt worden sei. Eine solche Vorgangsweise sei jahrzehntelang wider die Menschenrechtskonvention im Verkehrsunfallverfahren usus gewesen, wo eine Bindung des Strafurteils als Fiktion im Zivilverfahren aufrechterhalten worden sei und die drittbeteiligte Versicherung, die nur im Zivilverfahren beteiligt gewesen sei, habe dies gegen sich gelten lassen müssen, bis eben der Gerichtshof in Straßburg und der europäische Gerichtshof dies als konventionswidrig erkannt und festgestellt hätten, dass eine Bindung eines Dritten, der am Verfahren gar nicht beteiligt sei, eben nicht zulässig sei. Dies mag in Staaten von minderer Rechtskultur Gültigkeit haben. Aber Österreich sei immerhin seit zwei Jahrzehnten Mitglied der Europäischen Union, die immer wieder betone, dass sie eine Wertegemeinschaft sei und auf einer Rechtsbasis stehe, die auch als höchste Grundlage natürlich die MRK habe und darin sei essentiell "Fair Trial" enthalten. Davon könne hier überhaupt keine Rede sein, wenn nunmehr die vormalige Geschäftsführerin mit ihrem Privatvermögen in Anspruch genommen werde, aber im Hauptverfahren der Masseverwalter eine Mitwirkung der nunmehrigen Beschwerdeführerin abgelehnt habe, weil sie keine Stellung in der Gesellschaft mehr innehabe. Diese Vorgansweise widerspreche natürlich dem Prinzip des Fiar Trial und jeglicher Rechtskultur. Diese Auffassung könne nur als Relikt einer lange zurückreichenden Obrigkeit staatlicher Auffassung gesehen werden, wo man jegliche stattliche Äußerungen ohne diese hinterfragen zu dürfen, kritiklos übernehmen müsste.
Am sei begonnen worden, das Kalenderjahr 2009 zu prüfen. Am seien der Umsatzsteuer- und der Körperschaftsteuerbescheid 2009 mit jeweils einer Zahllast von 0,00 € eingelangt. Mit habe ein Rückstand von 96,40 € bestanden. Am sei eine weitere Prüfung erfolgt und ein Finanzstrafverfahren betreffend Umsatzsteuer 02-04/2011 eingeleitet worden. Am sei der Antrag auf Umbuchung sämtlicher Gutschriften (54.643,60 €) von der Einzelfirma ***Bf1*** auf das Konto der Beschwerdeführerin gestellt worden. Schließlich sei die Korrektur der bereits abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen 01/2011 mit einer zusätzlichen Zahllast von 301,74 € erfolgt. Am hätte die Primärschuldnerin eine Gutschrift am Konto von 32.952,29 € gehabt. Mit Bescheid vom sei die Pfändung einer Geldforderung in Höhe von 28.251,84 € erfolgt, am 0.08.2011 sei die Umsatzsteuer 05/2011 mit 5.258,80 € geschätzt worden, die Primärschuldnerin hätte einen Gesamtrückstand von 5.544,48 € gehabt.
Der Masseverwalter wäre einem Mängelbehebungsauftrag vom nicht nachgekommen. Die Beschwerdeführerin hätte keine Möglichkeit gehabt einzugreifen, weil sie zu diesem Zeitpunkt weder Gesellschafterin noch Geschäftsführerin gewesen sei und daher vom Masseverwalter als nicht mehr kompetent und als nicht relevant erachtet worden sei. Diesbezüglich werde die Einvernahme des Masseverwalters als Zeugen beantragt.
Gegen die Beschwerdeführerin seien Exekutionen durch das Finanzamt vorgenommen worden. Von dort seien auch Beträge eingegangen. Es seien auch Übertragungen aus dem Jahresausgleich und aus den Pfändungen durchgeführt worden in Gesamthöhe von 9353,44 €. Diese wären auf die beschwerlichste Schuld anzurechnen, das sei der Haftungsbescheid. Weiters werde darauf verwiesen, dass mehrere Guthaben aus den Jahresausgleichen der Beschwerdeführerin nicht ausbezahlt sondern umgebucht worden seien. In Zusammenhang mit den Lohnabgaben werde darauf verwiesen, dass ein unrichtiger Stundenteiler verwendet worden sei. Der Stundenteiler betrage pro Monat 173,2. Diäten seien mit Beginn der vierten Stunde ausbezahlt worden.
Es sei unrichtig, dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt hätte, gemäß § 248 BAO gegen die Grundlagenbescheide Beschwerde einzubringen, weil sie keine Kenntnis der Abgabenbescheide gehabt hätte und ihr diese nie zugestellt worden seien. Sie hätte lediglich Kenntnis hinsichtlich der Forderungsanmeldung gehabt. Eine Kenntnisnahme durch Nennung von Bescheiden im Haftungsbescheid könne nicht eine Zustellung in Sinne des Zustellgesetzes darstellen.
Es werde daher der Antrag auf Zustellung der dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgabenbescheide gestellt.

Zum Antwortschreiben vom führte das Finanzamt in einer Stellungnahme aus, dass die Zahlung vom iHv 1.550,94 € vom Steuerkonto der Beschwerdeführerin auf deren Strafkonto umgebucht worden sei und daher weder mit der Primärschuldnerin noch mit dem Haftungsbescheid etwas zu tun hätte.
Die Zahlung vom iHv 1.001,05 € sei von der Beschwerdeführerin für ihr Steuerkonto mit der Widmung U 4/2016 einbezahlt worden. Da der Einkommensteuerakt der Beschwerdeführerin am vom Finanzamt 29 an das Finanzamt 03 abgetreten worden sei, sei der Betrag an das Finanzamt 03 überrechnet worden. Somit hätte auch diese Einzahlung keinen Bezug zur Primärschuldnerin.
Am sei ein Betrag von 4.763,34 € und am iHv 2.038,11 € vom Steuerkonto der Beschwerdeführerin auf das Konto der Primärschuldnerin umgebucht worden. Diese Beträge seien teilweise auf die Umsatzsteuer 2011 verbucht worden, teilweise auf andere haftungsgegenständliche Abgaben und zum Teil auch auf Abgaben, für die keine Haftung ausgesprochen worden sei. Das Steuerkonto der Primärschuldnerin sei dahingehend korrigiert worden, dass diese Beträge nun ausschließlich auf haftungsgegenständliche Abgaben angerechnet worden seien, sodass die haftungsgegenständlichen Abgaben nunmehr mit einem Betrag von 50.79,00 € aushaften würden (statt 57.520,45 €).
Nicht nachvollziehbar sei, weshalb keine Kenntnis von jenen Abgabenbescheiden bestehen soll, die dem Haftungsbeschei8d zugrunde gelegen seien. Im Haftungsbescheid vom wären all diese Bescheide als Beilage angeführt worden. Hätten diese Beilagen gefehlt, wäre dies wohl umgehend beanstandet oder in der Beschwerde vorgebracht worden. Der Haftungsbescheid samt den beigelegten Abgabenbescheiden sei dem Zustellnachweis entsprechend der Beschwerdeführerin am (somit außerhalb des Konkursverfahrens von bis ) durch Hinterlegung zugestellt worden. Spätestens mit Zustellung des Haftungsbescheides hätte die Beschwerdeführerin Kenntnis von den Abgabenbescheiden und damit die Beschwerdemöglichkeit gemäß § 248 BAO gehabt.
Während eines Konkursverfahrens sei der Masseverwalter gesetzlicher Vertreter der Gemeinschuldnerin. Abgabenbescheide seien wären des Konkursverfahrens an ihn zuzustellen.
Weshalb diese Vorgangsweise einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention darstellen sollte, sei nicht erklärlich. Auch die weiteren Ausführungen in der Stellungnahme vom seien nicht nachvollziehbar, da von Sachverhalten gesprochen werde (USt 2009, Finanzstrafverfahren für USt 2-4/2011, Pfändungen im Jahr 2011), die dem Haftungsbescheid nicht zugrundliegen würden.

In einer Äußerung des steuerlichen Vertreters vom wurde dargelegt, dass am das Guthaben der Einzelfirma von 21.040,95 € auf das Steuerkonto der Primärschuldnerin gebucht worden sei Am nächste Umbuchung iHv 28.002,95 € von der Einzelfirma auf das Konto der Primärschuldnerin. Vor Umbuchung der Guthaben sei der Tagessaldo 15.788,98 € gewesen und unter Berücksichtigung der Festsetzung der Umsatzsteuer 1/2011 mit einem Betrag von 301,74 € wäre der Tagessaldo zum sohin 32.952,29 €. Die Umsatzsteuer 03/2013 vom mit 1.000,00 € könne nicht bestanden haben, weil zu diesem Zeitpunkt die Firma keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe. Mit August 2011 hätte die Primärschuldnerin die Transporttätigkeit eingestellt und habe nur mehr Handel mit Nudeln betrieben. Der Jahresumsatzsteuerbescheid 2011 würde einen Betrag von 26.170,49 € auswerfen. Da müssten aber dann die Beträge 05-11/2011 enthalten sein. Der Körperschaftsteuerbescheid 2011 sei ein Nullbescheid.

In einer weiteren Äußerung des steuerlichen Vertreters vom wurde vorgebracht, dass das Unternehmen der Primärschuldnerin vier Prüfungen mit zum Teil einander widersprechenden Ergebnissen gehabt hätte und zwar:
- am , Prüfer ***A***, Zeitraum 2/2009-12/2009 sowie 12/2010-4/2011
- am , Prüfer Frau ***B**, Zeitraum 6/2011-4/2021
- am , Prüfer ***C***, Zeitraum 5/2012-9/2012
- am , Prüfer Frau ***D***, Zeitraum 1/2009-
Im Strafverfahren im Jahr 2012 sei festgestellt worden, dass die Behauptungen des Finanzamtes nicht stimmig seien. Damals seien die Überrechnungen genau geprüft worden und sei festgestellt worden, dass "der Schaden zwischenzeitig zur Gänze gutgemacht" sei. Vor der begonnene Prüfung von Frau ***B** habe ein Negativsaldo von 7.752,16 € bestanden, nach diversen Buchungen durch die Prüferin sei der Betrag minus 21.055,56 € gewesen.
Die Kündigung durch die Firma DHL sei im Juli 2011 mit Wirksamkeit August 2011 erfolgt. Danach habe es keine Einnahmen mehr gegeben, sondern nur Aufwendungen. Sämtliche Zahlungen seien pünktlich bezahlt worden, zum habe ein Rückstand von 533,40 € bestanden. Sämtliche Dienstnehmer seien gekündigt worden, sodass auch keine Lohnabgaben mehr angefallen seien. Zum habe der Tagessaldo 15.788,98 € betragen. Durch Herrn ***A*** seien am zwei Guthabenumbuchungen iHv 21.040,06 € und 28.002,95 € durchgeführt worden. Es sei ersichtlich, dass inkl. Umsatzsteuer 1/2011-4/2011 samt Säumniszuschläge alles bezahlt worden sei und der Rückstand mit 0,00 € gewesen sei. Der KSt-Bescheid 2011 wurde mit 0,00 € erlassen, für das 1. Quartal 2011 sei Körperschaftsteuer iHv 437,00 € bezahlt worden. Die Körperschaftsteuer 2012 sei ebenfalls mit 0,00 € bemessen worden. Die Vorauszahlungen für das 1. Und 2. Quartal könne die Beschwerdeführerin nicht mehr treffen, zu diesem Zeitpunkt sei das Unternehmen bereits verkauft gewesen und sei in Insolvenz gegangen. Gleiches gelte für die USt 3/2013. Die Nachlässigkeit des Masseverwalters könne nicht die Beschwerdeführerin treffen. Der Masseverwalter sei ersucht worden, hinsichtlich des USt-Bescheides 2011 dem Mängelbehebungsverfahren nachzukommen. Er habe mitgeteilt, dass das die Beschwerdeführerin nichts mehr angehe, sie sei zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung nicht mehr Geschäftsführerin. Weiters seien auch auf die Rückstände seit November 2012 jeweils 100,00 € bezahlt worden. Zum Beweis würden folgende Unterlagen beigelegt: Rückstandsausweis vom , Anmeldung von Abgabenforderungen im Insolvenzverfahren, Niederschrift und Bericht, Zusammenfassung der bisherigen Feststellungen bzw. offenen Fragen durch das Finanzamt, Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens und Stellungnahme der Beschwerdeführerin, Kündigung des bestehenden Servicevertrages DHL, Zahlungen von je 100,00 € am 27.11., 4.12., 11.12., 18.12. und sowie Vorlage der Auftragsliste über die Ratenzahlung sowie Bescheid über die Festsetzung Umsatzsteuer für 10/2011, Abgabengutschrift, Bescheid über die Festsetzung Umsatzsteuer 6/2011, Abgabennachforderung, Umsatzsteuerbescheid 2011, Abgabennachforderung 26.170,00 €, so dass nicht noch etliche Monate gesondert verrechnet werden können, Körperschaftsteuerbescheid 2011, Pfändung einer Geldforderung, Körperschaftsteuerbescheid 2012, Nullescheid sowie Auftragslisten über die Zahlungen, bezahlt seien im Wesentlichen die Löhne, Sozialversicherung und Finanz, Zahlung an Finanz 1.584,47 €, Auftragsliste vom , Zahlung an Finanz, Zahlung an Finanz mit 4.820,00 €, Auftragsliste vom , Zahlung an Finanz , Lohnsteuer, DB, DZ sowie Zahlung an Finanz, Zahlung KSt an Finanz, Zahlung an Finanz.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Beschwerdeführerin bzw. ihres steuerlichen Vertreters im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt, ergänzend wurde vorgebracht, dass im Haftungsbescheid hinsichtlich der Umsatzsteuer 2011 der Jahresbetrag, aber auch die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Mai bis September und November enthalten seien. Dabei handle es sich um eine unzulässige Doppelbelastung. Die letzte Überweisung an das Finanzamt sei am gewesen. Lohnabgaben seien bezahlt worden, nicht jedoch die Umsatzsteuer, da ein Guthaben bestanden hätte. Im August seien die Löhne für Juni und Juli noch bezahlt worden, auch die Miete. Die wesentlichen Zahlungen der Primärschuldnerin seien nämlich Löhne, Gehälter, Krankenkasse und Finanzamt. Es liege keine Schlechterstellung der Finanz vor. Der Prüfer habe gesagt, es müssten keine UVAs mehr abgegeben werden, weil die Tätigkeit eingestellt worden sei. Eine Umsatzsteuer aus dem Jahr 2013 sei daher nicht nachvollziehbar.
Dem entgegnete der Behördenvertreter, dass am eine Schätzung in Zusammenhang mit einer Vorsteuerberichtigung durchgeführt worden sei. Der diesbezügliche Betrag scheine in der nunmehr vorliegenden Rückstandsaufgliederung nicht mehr auf.
Seitens der Beschwerdeführerin bzw. ihres Vertreters wurde dem entgegengehalten, dass die Vorsteuerberichtigung ausschließlich aus der Insolvenzeröffnung resultiere. Zu diesem Zeitpunkt sei die Primärschuldnerin nicht berechtigt gewesen, diesen Betrag zu bezahlen, unabhängig von der Rechtskraft des Bescheides. Es könne keine Haftung für eine Schätzung im Rahmen des Konkursverfahrens geben. Es liege auch keine Benachteiligung der Finanzbehörde vor, da zu diesem Zeitpunkt auch andere Gläubiger nicht mehr befriedigt worden seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***Vorgänger*** GmbH gegründet. Nach Auflösung dieser Firma wurde sie mit Generalversammlungsbeschluss vom fortgesetzt, der Gesellschaftsvertrag neu gefasst und die Firma nunmehr als ***Bf*** GmbH benannt.

Im Zeitraum von bis zur Insolvenzeröffnung war die am geborene Beschwerdeführerin Geschäftsführerin der Primärschuldnerin.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Am wurde das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben und die Firma in weiterer Folge gelöscht. Von bis wurde die Primärschuldnerin von Masseverwalter Mag. ***MV*** vertreten.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt der Beschwerdeführerin gegenüber die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma ***Bf*** GmbH in Höhe von 57.520,45 € geltend. Diese Abgaben waren zwischen und fällig.


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2011
26.170,49
Umsatzsteuer
05/2011
1.373,94
Umsatzsteuer
06/2011
1.223,76
Umsatzsteuer
07/2011
5.062,45
Umsatzsteuer
08/2011
5.626,76
Umsatzsteuer
09/2011
1.628,70
Umsatzsteuer
11/2011
556,41
Lohnsteuer
2010
1.848,90
Lohnsteuer
2011
2.905,28
Körperschaftsteuer
2010
2.187,00
Körperschaftsteuer
10-12/2011
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2012
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2012
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2013
437,00
Dienstgeberbeitrag
2009
112,50
Dienstgeberbeitrag
2010
1.627,34
Dienstgeberbeitrag
2011
1.975,58
Zuschlag zum DB
2009
10,75
Zuschlag zum DB
2010
153,65
Zuschlag zum DB
2011
240,51
Verspätungszuschlag
07/2011
506,24
Verspätungszuschlag
08/201
574,89
Pfändungsgebühr
2011
11.11./
190,73
Pfändungsgebühr
2012
76,75
Barauslagenersatz
2011
11.11./
1,24
Barauslagenersatz
2012
0,62
Säumniszuschlag 1
2011
-
680,48
Säumniszuschlag 1
2011
-
159,48
Summe
57.520,45

Dem Haftungsbescheid wurden der Umsatzsteuerbescheid 2011, GPLA-Bericht vom bezüglich des Zeitraumes bis inklusive Abgabenbescheide, BP-Bericht vom bezüglich Umsatzsteuer 6/2011-4/2011, Körperschaftsteuerbescheide 2010, 2011 und 2012, Verspätungszuschlagsbescheide 07/2011 und 08/2011, Säumniszuschlagsbescheide vom , , , , , , beigelegt.

Die Haftungssumme haftet derzeit mit einem Betrag von 50.719,00 € unberichtigt aus. Die Differenz von 6.801,45 € ergibt sich in Folge von Umbuchungen vom Abgabenkonto der Beschwerdeführerin. Der Haftungsbetrag schlüsselt sich nunmehr wie folgt auf:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2011
22.520,79
Umsatzsteuer
05/2011
1.373,94
Umsatzsteuer
06/2011
1.223,76
Umsatzsteuer
07/2011
5.062,45
Umsatzsteuer
08/2011
5.626,76
Umsatzsteuer
09/2011
1.628,70
Umsatzsteuer
11/2011
0,00
Lohnsteuer
2010
1.848,90
Lohnsteuer
2011
2.905,28
Körperschaftsteuer
2010
2.187,00
Körperschaftsteuer
10-12/2011
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2012
437,00
Körperschaftsteuer
04-06/2012
437,00
Körperschaftsteuer
07-09/2012
437,00
Körperschaftsteuer
10-12/2012
439,00
Körperschaftsteuer
01-03/2013
437,00
Dienstgeberbeitrag
2009
112,50
Dienstgeberbeitrag
2010
1.627,34
Dienstgeberbeitrag
2011
1.975,58
Zuschlag zum DB
2009
0,00
Zuschlag zum DB
2010
0,00
Zuschlag zum DB
2011
0,00
Verspätungszuschlag
07/2011
0,00
Verspätungszuschlag
08/201
0,00
Pfändungsgebühr
2011
11.11./
0,00
Pfändungsgebühr
2012
0,00
Barauslagenersatz
2011
11.11./
0,00
Barauslagenersatz
2012
0,00
Säumniszuschlag 1
2011
-
0,00
Säumniszuschlag 1
2011
-
0,00
Summe
50.719,00

Trotz mehrfacher diesbezüglicher Hinweise - vor allem im Ergänzungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom - wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht dargelegt, über welche finanziellen Mittel die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum verfügt hat bzw. wie diese Mittel verwendet worden sind. Es wurde nicht behauptet, dass der Primärschuldnerin die finanziellen Mittel zur (vollständigen) Begleichung der Abgabenverbindlichkeiten gefehlt hätten. Es wurde auch keine Berechnung vorgelegt, aus der hervorgeht, welche finanziellen Mittel der Primärschuldnerin zu den jeweiligen Fälligkeitstagen zur Verfügung gestanden sind und wie diese Mittel auf die einzelnen Gläubiger aufgeteilt worden sind.

Die Beschwerdeführerin ist 45 Jahre alt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden nicht offen gelegt.

Beweiswürdigung

Beweise wurden aufgenommen durch Einsicht in die vorliegenden Akten und Parteienvorbringen, in das Firmenbuch und das Abgabeninformationssystem.

Erstmalig im Schreiben vom behauptete die Beschwerdeführerin, dass ihr die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide nie zugestellt worden seien. Wären diese Bescheide tatsächlich dem Haftungsbescheid nicht angeschlossen worden, wäre die logische Folge gewesen, dass die Beschwerdeführerin sofort bei Erhalt des Haftungsbescheides das Fehlen der Beilagen reklamiert hätte. Dies vor allem auch deshalb, weil diese Bescheide ausdrücklich als Beilagen im Haftungsbescheid angeführt waren und in der Rechtsmittelbelehrung des Haftungsbescheides auf die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Abgabenansprüche hingewiesen wurde. Das Finanzamt hat in der Beschwerdevorentscheidung darauf hingewiesen, dass sämtliche der Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Bescheide gleichzeitig mit dem Haftungsbescheid der Beschwerdeführerin zugestellt worden seien (vgl. Seite 3 2. Absatz der Beschwerdevorentscheidung). Im Vorlageantrag wurde ebenfalls nicht auf das nunmehr behauptete Fehlen dieser Bescheide hingewiesen. Dass nach mehr als sechsjähriger Verfahrensdauer nun der Beschwerdeführerin auffällt, dass die im Haftungsbescheid angeführte Beilagen fehlen, ist äußerst unglaubwürdig. Dabei handelt es sich um eine reine Schutzbehauptung.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 248 BAO kann der nach den Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Beschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gemäß § 248 BAO gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche Beschwerde einbringt, ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen die Abgabenansprüche überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gemäß § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen ( mit weiteren Verweisen).

Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Abgabenanspruch objektiv gegeben ist, ist als Vorfrage im Haftungsverfahren nur dann zu beantworten, wenn kein Bindungswirkung auslösender Abgabenbescheid vorangegangen ist. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung aber kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht (; Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 248 Anm 3 Satz 1 und 2).

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0032, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (vgl. ). Durch § 248 BAO ist dem Haftenden allerdings ein eigenständiger Rechtszug gegen den seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheid eingeräumt."

Im Erkenntnis vom , Ra 2017/15/0055, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Beschwerderecht gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch dem Haftungspflichtigen auch dann zusteht, wenn der betreffende Bescheid bereits vom Erstschuldner angefochten wurde, und selbst dann, wenn dazu bereits eine Entscheidung vorliegt (vgl. , sowie Ritz, BAO5 § 248 Tz 7). Damit ist der Rechtsschutz des zur Haftung Herangezogenen gewahrt (vgl. auch - zum Fall, dass gegenüber dem Erstschuldner kein Abgabenbescheid erlassen wurde - ).

Die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide wurden der Primärschuldnerin mit dem Haftungsbescheid zugestellt. Die Beschwerdeführerin bemängelt wiederholt, dass sie keinen Einfluss auf diese Bescheide gehabt hätte. Dies ist insofern richtig, als sie während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht befugt war, Handlungen für die Primärschuldnerin zu setzen, da diese in diesem Zeitraum vom Masseverwalter vertreten wurde. Allerdings hätte sie gegen die Abgabenbescheide innerhalb der für den Haftungsbescheid zustehenden Beschwerdefrist gemäß § 248 BAO ebenfalls Beschwerde hätte erheben können (vgl. Seite 3 des Haftungsbescheides und Rechtsmittelbelehrung im Haftungsbescheid mit Verweis auf § 248 BAO).

Aufgrund des § 248 BAO hätte die Beschwerdeführerin jedenfalls die Möglichkeit gehabt, gegen die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide Beschwerde zu erheben. Dieser Rechtsweg wurde jedoch gegenständlich nicht gewählt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

1. Zur Vertreterhaftung

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war.

Die abgabenrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der ***Bf*** GmbH war daher im haftungsgegenständliche Zeitraum gegeben.

2. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (; ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (; ). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (; ).

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit grundsätzlich unbestritten fest, da laut Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben und schließlich die Firma gemäß § 40 FBG gelöscht worden ist.

Die Haftungsschuld wurde zwar im Ausmaß von 6.801,45 € von der Beschwerdeführerin getilgt und haftet nunmehr mit einem Betrag von 50.719,00 € aus. Diese Abgaben waren jedoch nicht bei der Primärschuldnerin nicht uneinbringlich, sondern wurden von der Beschwerdeführerin getilgt. Sie sind daher nicht von der Haftung auszunehmen, auch wenn sie nunmehr getilgt sind.

3. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (). Tritt er diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdingszur Gänze vorgeschrieben werden ().

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (; ; ).

Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl zB ; ; ; ; ); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (; ). Der Umstand, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben erst im Laufe des Konkursverfahrens festgesetzt wurden, dann daher der gegenständlichen Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Ausschlaggebend ist, dass die Abgaben im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet worden sind.

Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist grundsätzlichdie erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 10).

Im gegenständlichen Haftungsverfahren hat die Beschwerdeführerin keine Angaben über die finanziellen Mittel der Primärschuldnerin während des haftungsgegenständlichen Zeitraumes gemacht. Es wurde weder behauptet, dass die Primärschuldnerin nicht über (ausreichende) Mittel verfügt hätte, noch wurde eine Aufstellung bzw. Berechnung vorgelegt, aus der ersichtlich wäre, in welchem Ausmaß das Finanzamt bei gleichmäßiger Behandlung aller Gläubiger befriedigt worden wäre.

Betreffend die Haftung für die Lohnsteuer ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Abfuhrpflichtige bei nicht ausreichenden Mittel zur Entrichtung der Lohnsteuer, die auszuzahlenden Löhne entsprechend zu kürzen und vom niedrigeren ausbezahlten Lohn die Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen.

Daraus folgt, dass die Lohnsteuer von den ausbezahlten Löhnen immer zur Gänze zu berechnen und abzuführen ist. Das Gleichbehandlungsgebot gilt für die Lohnsteuer nicht.

Wird die abzuführende Lohnsteuer nicht oder nicht zu Gänze entrichtet, liegt darin ein pflichtwidriges Verhalten der für die Abfuhr der Lohnsteuer verantwortlichen Person. Wird die Lohnsteuer bei der lohnsteuerpflichtigen Gesellschaft uneinbringlich so haftet gemäß § 9 iVm §§ 80ff BAO der oder die im Gesetz genannte Vertreter/Vertreterin für den Steuerausfall (-RS1). Wird die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführer sauszugehen ().

Es ist hinsichtlich der Lohnsteuer von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin auszugehen und der Haftungsanspruch besteht daher zu Recht.

Bezüglich der haftungsgegenständlichen Verspätungszuschläge, Pfändungsgebühren, Barauslagenersätze und Säumniszuschläge ist auf die Bestimmung des § 7 Abs 2 BAO zu verweisen, nach der sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs 1 und 2 BAO erstrecken.

4. Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).

Haftungsbegründend ist die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten. Die Beschwerdeführerin legte nicht erfolgreich dar, dass sie die ihr auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin nicht ohne Verschulden verletzt hätte.

Dass die Beschwerdeführerin ihre abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche und vollständige Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln, verletzt hat, wurde bereits dargelegt.

5. Kausalzusammenhang

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davonausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (; ).

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beschwerdeführerin konnte die Abgabenbehörde daher auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

6. Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren2, § 224 Anm. 2).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Von der Beschwerdeführerin wurde nichts dahingehend vorgebracht, weshalb die Haftung wegen ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig erzielte Einkünfte oder künftig neu hervorgekommenes Vermögen zur Einbringlichkeit der Haftungsschuld führen. Aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin (45 Jahre) ist mit der Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben noch zu rechnen.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen. Im Übrigen wurde diesbezüglich seitens der Beschwerdeführerin kein Vorbringen erstattet.

In Zusammenhang mit dem wiederholten Vorbringen der Beschwerdeführerin, die verschiedenen Umbuchungen vom Konto des Einzelunternehmens auf das Konto der Primärschuldnerin seien nicht richtig durchgeführt worden, ist darauf hinzuweisen, dass ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto im Verfahren gemäß § 216 BAO auszutragen ist. Im Rahmen eines Haftungsverfahrens gemäß der §§ 9, 80 BAO können solche Einwendungen nicht zum Erfolg verhelfen.

Was die behauptete Doppelbelastung in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer 2011 und den haftungsgegenständlichen Vorauszahlungen anlangt, ist auf dem Umsatzsteuerbescheid 2011 vom zu verweisen. Die Umsatzsteuer wurde festgesetzt mit 58.405,98 €. Bisher vorgeschrieben waren 32.235,49 €, sodass sich eine Nachforderung von 26.170,49 € ergibt. Das bedeutet, dass im Jahr 2011 die Umsatzsteuervoranmeldungen zu niedrig bekannt gegeben worden sind, sodass es zu einer Nachforderung kam (vgl. Umsatzsteuer 2011). Da die (zu niedrig) gemeldeten Umsatzsteuervorauszahlungen Mai bis September und November 2011 nicht (vollständig) entrichtet worden sind, scheinen auch diese im Haftungsbescheid auf.

Schließlich wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin keinesfalls für eine Vorsteuerkorrektur für März 2013, die im Zuge des Insolvenzverfahrens im Schätzungsweg ermittelt wurde (1.000,00 €), zur Haftung herangezogen werden könne.
Aus dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin geht hervor, dass die Umsatzsteuervorauszahlung für März 2013 mit Bescheid vom festgesetzt wurde und eine Steuerbelastung von 1.000,00 € (Vorsteuerkorrektur) mit Fälligkeitstag ergab. Die Umsatzsteuervorauszahlung für März 2013 ist jedoch im beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid nicht enthalten. Es sind nur Umsatzsteuerbeträge aus dem Jahr 2011 enthalten.

Von der beantragten Einvernahme des Zeugen Mag. ***MV*** wurde abgesehen, da der Beweisantrag insofern nicht erheblich ist, als es für das gegenständliche Verfahren nicht erheblich ist, ob bzw. wie der Masseverwalter seine Verpflichtungen im Insolvenzverfahren erfüllt hat.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Das Verwaltungsgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen am eindeutigen Gesetzestext sowie an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101157.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at