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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.12.2020, RV/2100742/2019

In Hinblick auf § 295 Abs 4 BAO idF BGBl I Nr. 62/2019 vorsorglich eingebrachtes ESt-Rechtsmittel

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch FIDAS Graz Steuerberatung GmbH, Petersbergenstraße 7, 8042 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2005 zur Steuernummer 69-083/1680 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Gegenstand des anhängigen Rechtsmittelverfahrens ist der Einwand der Verjährung gegen den angefochtenen Einkommensteuer- (ESt-) Bescheid 2005 des Finanzamtes ***1*** (FA) vom , der auf Basis des § 295 Abs. 1 BAO erging und mit bescheidmäßigen Feststellungen aufgrund des Ergebnisses einer Außenprüfung (AP) bei der XY- (im Folgenden Pflegeheim-KG) begründet ist, bei welcher der Beschwerdeführer (Bf) bis zur AP in der Funktion eines Kommanditisten erfasst war.

Die Rechtsmittel gegen den verfahrensgegenständlichen ESt-Bescheid zielt auf eine ersatzlose Aufhebung ab, um den "ursprünglichen" Bescheid "wieder in Rechtskraft erwachsen zu lassen."

Der Bf begründet seine Berufung gegen den geänderten ESt-Bescheid 2005 mit einer "möglichen Verjährung" im Gefolge der Rechtsmittelerledigungen betreffend die nach der AP an die Pflegeheim-KG ergangenenFeststellungsbescheide nach § 188 BAO und beantragt zugleich, sein Rechtsmittel - zur Vermeidung "einer allfälligen Verjährung" des ESt-Bescheides - bis zur Erledigung des Rechtsmittels "gegen die Steuerbescheide" der (Pflegeheim-KG) "offen zu halten", "auch wenn eine Berufung gegen die Auswirkung des vorgelagerten Bescheides der (Pflegeheim-KG) unzulässig" sei.

Nach antragsgemäßer Aussetzung der verfahrensgegenständlichen ESt-Schuld gemäß § 212a BAO und mehrjähriger faktischer Aussetzung der RM-Erledigung durch das FA, erging am u.a. zur Berufung gegen den ESt-Bescheid 2005 eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) mit Verweis auf die Bestimmungen des § 252 Abs. 1 und Abs. 2 BAO.

Im dagegen gemäß § 264 BAO eingebrachten Vorlageantrag (VA) beschränkte sich der Bf auf die Wiederholung seines bisherigen Vorbringens.

Eine Aufforderung zur Konkretisierung seines Rechtsmittelvorbringens im finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahren ließ er unbeantwortet.

Anderseits hielt das FA die erstmals im Vorlagebericht vertretene Argumentation, dass aufgrund der Rechtsgrundlage der bei der Pflegeheim-KG durchgeführten AP (§ 99 Abs.2 FinStrG) die verlängerte Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben bei den in der Folge gemäß § 295 Abs.1 BAO ergangenen ESt-Bescheiden des Bf zum Tragen komme, im finanzgerichtlichen Ermittlungsverfahren nicht mehr aufrecht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I.) Als Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (Auswertung der vorgelegten Verfahrensunterlagen, BFG-Vorhalteverfahren, abgabenbehördlichen Datenbanken), legt das BFG der gegenständlichen Beschwerdeentscheidung folgenden Sachverhalt als erwiesen zugrunde:

Der - steuerlich vertretene - Bf, ein zwischenzeitig pensionierter Facharzt, erzielte neben den Einkünften aus seiner ärztlichen Tätigkeit langjährig auch Einkünfte aus Beteiligungen an verschiedenen Personengesellschaften, darunter ab 1986 auch aus einer über einen Treuhänder gehaltenen Kommanditbeteiligung an der Pflegeheim-KG.

Nach Ergehen von Gewinn-/Einkünftefeststellungsbescheiden an Personengesellschaften mit Beteiligung des Bf erließ das FA jeweils nach § 295 Abs. 1 BAO geänderte ESt-Bescheide.

Zum Jahr 2005 war zunächst am ein erklärungsgemäßer ESt-Bescheid ergangen, dem am eine Bescheidänderung nach § 295 Abs. 1 BAO gefolgt war. Beide Bescheide waren jeweils unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

In den Jahren 2010/2011 führte das FA bei der Pflegeheim-KG auf Basis des § 99 Abs. 2 FinStrG eine AP für 2003-2005 durch (lt. AP-Unterlagen Prüfungsbeginn ).

Dem zugehörigen AP-Bericht vom zufolge, fand in diesem AP-Verfahren am eine Schlussbesprechung statt, der am in gemäß § 303 BAO wiederaufgenommenen Gewinnfeststellungsverfahren auf Basis des § 188 BAO erlassene "Nichtfeststellungsbescheide" des FA für 2003-2005 folgten.

Das abgabenbehördliche Rechtmittelverfahren betreffend die am eingebrachte Berufung gegen diese Bescheide wurde zeitlich parallel zum verfahrensgegenständlichen Rechtsmittel des Bf geführt bzw. zur Entscheidung an das BFG vorgelegt. Eine Entscheidung ist in diesem BFG-Verfahren bisher noch nicht ergangen.

Der kurz vor Einbringung der Berufung gegen die oa. "Nichtfeststellungsbescheide" erlassene verfahrensgegenständliche ESt-Bescheid 2005 an den Bf war im Gefolge der AP bei der Pflegeheim KG wiederum auf Basis des § 295 Abs. 1 BAO ergangen.

II. Gemäß § 295 Abs. 1 BAO ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, "ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Änderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides vom Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen.Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

§ 295 Abs. 4 BAO in der vom 1.Sept.2019 bis geltenden Fassung BGBl I Nr 62/2019 lautet: "Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines
- Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines
- Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs. 1) auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen."

Der letzte Satz des § 295 Abs. 4 BAO idF BGBl I Nr. 62/2019 wurde vom VfGH mit Erkenntnis vom , G 159/2019 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Nach § 302 Abs. 1 BAO sind "Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden (..), soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig."

Die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Einkommensteuer beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO grundsätzlich fünf Jahre, im Fall einer Abgabenhinterziehung zehn Jahre. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit a BAO). Gemäß § 4 Abs. 2 lit a Z 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch für die zu veranlagende Einkommensteuer grundsätzlich mit Ablauf jenes Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen(§ 209 Abs. 1 BAO).

Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe grundsätzlich spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches. Doch steht einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdeentscheidung zu erfolgen hat, gemäß § 209a Abs. 1 BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

"Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung auch dann nicht entgegen, wenn die betreffende Beschwerde vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde." (§ 209a Abs. 2 BAO).

III. Im anhängigen Verfahren zur ESt 2005, in dem der Abgabenanspruch mit Ablauf des Jahres 2005 entstand, endete die nach Ergehen des ersten ESt-Bescheides vom und des verfahrensgegenständlichen ESt-Bescheides vom nach § 209 Abs.1 BAO bemessene Verjährungsfrist am .

Bei Ergehen des verfahrensgegenständlichen ESt-Bescheides 2005 war die im Rechtsmittel in den Raum gestellte "mögliche Verjährung" in Bezug auf den angefochtenen Bescheid somit eindeutig noch nicht eingetreten.

Das Berufungsvorbringen und die zeitliche Parallelität des Rechtsmittelverfahrens gegen den nach dem AP-Verfahren bei der Pflegeheim KG am ergangenen "Nichtfeststellungsbescheid" (§ 188 BAO) für 2005 unterstreichen, dass das verfahrensgegenständliche Rechtsmittel tatsächlich allein der Vorsorge zur Umsetzung der ausstehenden BFG-Erledigung im Rechtmittelverfahren betreffend diesen "Nichtfeststellungsbescheid" (§ 188 BAO) dient.

Ist ein von einem Grundlagenbescheid abgeleiteter Bescheid ein Abgabenbescheid, so ist seine Änderung gemäß der zuvor dargestellten Rechtslage nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig, sofern keine Ausnahmeregelung greift (§ 302 Abs. 1 BAO). Letzterer ist, neben der Bestimmung des § 209a Abs. 2 BAO, seit 1.Sept.2019 auch § 295 Abs. 4 BAO zuzuordnen.

§ 209a Abs. 2 BAO kommt etwa bei ESt-Bescheiden zum Tragen, die von einem mit Berufung/Beschwerde angefochtenen Feststellungsbescheid nach § 188 BAO als Grundlagenbescheid abgeleitet sind.

Keine Abhängigkeit iSd § 209a Abs. 2 BAO - und damit keine Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Verfahren betreffend einen davon abgeleiteten ESt-Bescheid - liegt allerdings vor, wenn sich das betreffende "Grundlagen-Rechtsmittel" gegen einen Nichtbescheid gerichtet hat (; ).

Zur Vermeidung eines Rechtschutzdefizits, wenn sich in derartigen in Fällen die mangelnde Bescheidqualität des Grundlagenbescheides erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung bei davon abgeleiteten Abgabenbescheiden herausstellt, wurde mit BGBl I Nr. 62/2019 die Bestimmung des § 295 Abs. 4 BAO geschaffen.

Die aus dem letzten Satz dieser Bestimmung resultierende zeitliche Befristung des seither bestehenden Antragsrechts wurde vom VfGH mit dem genannten Erkenntnis vom , G 159/2019 als dem Normzweck der Regelung widersprechend aufgehoben und die zeitliche Befristung dieses Antragsrechts mit Ablauf des beseitigt:

"Der Verfassungsgerichtshof begründete die Gesetzesaufhebung im Wesentlichen damit, dass der Gesetzgeber durch das Anknüpfen an die Rechtskraft des abgeleiteten Bescheides - ebenso wie durch das Anknüpfen an den Eintritt der Verjährung - in unsachlicher Weise nicht berücksichtige, dass das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung (erst) im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde betreffend die als Grundlagenbescheid intendierte Enunziation erlange." ()

Da der Bf somit ab 1.Jän.2020 in seinem Antragsrecht auf Anpassung des verfahrensgegenständlichen ESt-Bescheides 2005 an allfällige Auswirkungen der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren der Pflegeheim-KG betreffend den "Nichtfeststellungsbescheid" (§ 188 BAO) für das Jahr 2005 vom nicht beeinträchtigt ist, erscheint sein Rechtschutzbedürfnis nach einem offenen Rechtsmittelverfahren zum ESt-Bescheid 2005 nicht mehr gegeben.

Da der Bf andere Gründe, mit welchen eine Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan oder auch nur behauptet wurde, im Verfahren trotz Aufforderung nicht vorbrachte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine gesicherte Rechtsprechung besteht bereits bei Vorliegen eines begründeten Erkenntnisses (vgl. )

Im anhängigen Verfahren lagen die genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nicht vor. Die Entscheidung folgt dem klaren Wortlaut der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und gefestigten VwGH-Judikatur bzw. berücksichtigt das VfGH-Erkenntnis vom , G 159/2019.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 302 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100742.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at