Parkometer: Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung Zustellung unwirksam (Vollstreckungsverfügung nicht erhalten, Zustellung an Nebenwohnsitz)
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht fasst durch seinen Richter Dr. Alexander Hajicek über die Beschwerde des A**** E****, geb.: **.**.****, [Adresse], vom , gegen die Vollstreckungsverfügungen des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 32, vom ,
1. MA67/196700220098/2019,
2. MA67/196700225786/2019 und
3. MA67/196700276777/2019,
jeweils im Zusammenhang mit einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 2 (Wiener) Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs 1 Parkometergesetz 2006 (Strafverfügungen vom ) den Beschluss:
Die Beschwerde wird gemäß § 50 Abs 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 iVm Abs 9 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Begründung
Im Streitfall erließ der Magistrat der Stadt Wien mit Datum vom drei Strafverfügungen zu den im Spruch genannten Geschäftszahlen, mit welchen über den Beschwerdeführer jeweils eine Geldstrafe von 60 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt wurde.
Diese Strafverfügungen wurden jeweils mit RSb-Brief versandt, am Postamt hinterlegt und nicht behoben.
Mit Datum vom erließ der Magistrat der Stadt Wien betreffend diese Strafverfügungen jeweils eine Vollstreckungsverfügung.
Mit E-Mail vom wendete der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit diesen Strafverfügungen bzw Vollstreckungsverfügungen ein, er habe die Verwaltungsübertretungen nicht begangen, da er nicht der Fahrzeuglenker gewesen sei.
Der Magistrat der Stadt Wien wertete dieses E-Mail vom als Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügungen vom und legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.
Das Gericht hielt dem Beschwerdeführer mit Beschluss (Mängelbehebungsauftrag) vom diesen Sachverhalt vor und führte aus, der Beschwerde fehlten die Angaben, die erforderlich seien, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht worden sei (§ 9 Abs 1 Z 5 VwGVG). Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, diesen Mangel zu beheben.
Mit E-Mail vom teilte der Beschwerdeführer dazu dem Gericht zusammengefasst mit, er habe zum damaligen Zeitpunkt (offensichtlich gemeint Zeitpunkte der Übertretungen des Parkometergesetzes im Februar und März 2019) in Ljubljana, Slowenien gelebt. Seine Ehefrau sei slowenische Staatsangehörige. Diese sei mit ihrer Tochter von Ljubljana nach Wien übersiedelt um hier zu arbeiten. Er habe jedoch weiterhin in Ljubljana gewohnt, da er in Wien keine Arbeitsstelle gehabt habe und habe seine Ehefrau nur an Wochenenden in Wien besucht. Er habe an der Adresse seiner Ehefrau (nur) einen Nebenwohnsitz angemeldet gehabt.
Bis er eine passende Stelle in Wien gefunden habe, habe er nach vorübergehenden Beschäftigungen in Wien gesucht, um bei seiner Familie sein zu können. In der Nähe der Wohnadresse seiner Ehefrau sei die Stelle eines Fahrers ausgeschrieben gewesen, er habe sich dort beworben, die Stelle allerdings nicht erhalten, da das wegen seiner serbischen Staatsangehörigkeit erforderliche Visum dem Unternehmen zu umständlich gewesen sei.
Es handle sich bei dem Tatfahrzeug um einen Firmenwagen, er könne nicht der Lenker gewesen sein, da er zu den Tatzeitpunkten kein Arbeitsvisum gehabt habe und daher die Stelle nicht bekommen habe.
Er habe sich nicht früher gemeldet, da er niemals irgendein Schreiben erhalten habe, da er nicht in Wien gewesen sei und nichts vom Postamt habe abholen können. Es handle sich offenbar um ein Missverständnis.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im Zustellzeitpunkt in Ljubljana gewohnt und sich nur an Wochenenden bei seiner Familie in Wien aufgehalten. Er hat dieses Vorbringen ua mit einem Auszug aus dem ZMR belegt, aus welchem sich ergibt, dass er bis in Wien nur über einen Nebenwohnsitz verfügte (die Vollstreckungsverfügungen stammen vom ).
Die angefochtenen Vollstreckungsverfügungen (wie im übrigen auch die zugrundeliegenden Strafverfügungen) wurden an diesen Nebenwohnsitz zugestellt.
Zustellungen haben an eine der gesetzlich angeführten Abgabestellen zu erfolgen. Abgabestelle ist der Ort, an dem die Zustellung einer Sendung in Papierform zu erfolgen hat (Ritz, BAO6, § 2 Zustellgesetz Tz 6 mwN).
Gemäß § 2 Z 4 bedeutet der Begriff "Abgabestelle": die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.
Unter einer "Wohnung" ist jene Räumlichkeit zu verstehen, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er also tatsächlich wohnt. Das Faktum des Bewohnens setzt nicht nur das tatsächliche Aufhalten voraus, sondern ist dies jener Ort, an dem eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat. Eine bloß fallweise Benutzung ist dabei ebenso wenig ausreichend wie eine Benützung als häufiger Besucher. Der regelmäßige Aufenthalt eines Empfängers ist rein nach objektiven Gesichtspunkten ex post und ohne Rücksicht darauf zu beurteilen, wie sich die Verhältnisse dem Zustellorgan seinerzeit subjektiv geboten haben sowie ohne Rücksicht auf die Absichten des Empfängers (Larcher, Zustellrecht (2010) Rz 147 ff).
Im Beschwerdefall lag daher - unterstellt man das Vorbringen des Beschwerdeführers als zutreffend - mit dem bloßen Nebenwohnsitz keine Abgabestelle vor und war daher die Zustellung der angefochtenen Vollstreckungsverfügungen (wie im übrigen wohl auch die Zustellung der zugrundeliegenden Strafverfügungen) unwirksam. Dies kann jedoch aus folgendem Grund dahinstehen:
§ 26 ZustG bestimmt:
(1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.
(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Der Beschwerdeführer bestreitet, die angefochtenen Vollstreckungsverfügungen erhalten zu haben.
Die angefochtenen Vollstreckungsverfügungen wurden jeweils mit Fensterkuvert versendet. Über die erfolgte Zustellung gibt es daher jeweils keinen Nachweis.
Die Vermutung, wonach Zustellungen am dritten Werktag nach der Übergabe an die Post (die Gemeinde, den behördlichen Zusteller) als bewirkt gelten, ist widerlegbar. Gegenteilige Behauptungen des Empfängers dürften reichen, es sei denn, die Behörde kann die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung beweisen; die Beweislast trifft somit die Behörde (Ritz, BAO6, § 26 Zustellgesetz Tz 3).
Wenn eine Zustellung ohne Zustellnachweis bestritten wird, so reicht hierfür bereits die reine Behauptung aus, ohne dass es weiterer Bescheinigungen bedarf. Im Fall einer bestrittenen Zustellung hat daher die Behörde die volle Beweislast für eine erwirkte Zustellung zu tragen, dh sie muss mit Beweisen belegen können, wann das zuzustellende Dokument zugestellt wurde. Gelingt ihr dies nicht, so gilt eine bestrittene Zustellung als nicht bewirkt (Larcher, Zustellrecht (2010) Rz 315).
Den Magistrat der Stadt Wien trifft daher die Beweislast für die Tatsache (und den Zeitpunkt) der Zustellung der angefochtenen Vollstreckungsverfügungen.
Der Magistrat der Stadt Wien hat dem Gericht mitgeteilt, dass die Erbringung dieses Nachweises aufgrund der Zustellung mit Fensterkuvert nicht möglich ist (Telefonat am ).
Das Gericht geht daher davon aus, dass die angefochtenen Vollstreckungsverfügungen nicht wirksam zugestellt wurden.
Gemäß § 50 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis in der Sache zu entscheiden.
Eine Zurückweisung hat ua dann zu erfolgen, wenn die Beschwerde unzulässig ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, § 28 VwGVG Anm 5).
Eine Beschwerde ist ua dann unzulässig, wenn sich nicht gegen einen Bescheid richtet, weil der betreffende Akt keine Bescheidqualität aufweist, nicht rechtswirksam erlassen oder wieder aufgehoben wurde (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Anm 24).
Da die angefochtenen Vollstreckungsverfügungen nicht wirksam zugestellt wurden erweist sich die dagegen gerichtete Beschwerde mangels Anfechtungsgegenstand als unzulässig und ist daher mit Beschluss zurückzuweisen.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision für die belangte Behörde ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen ist, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Streitfall ist vielmehr lediglich die unstrittige Rechtslage auf den unstrittigen Sachverhalt anzuwenden. Bei dieser schlichten Rechtsanwendung ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision ist daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 2 Z 4 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7500732.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at