Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2021, RV/5100218/2021

Wiederaufnahme auf Antrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***3*** vom über die Zurückweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom abgeschlossenen Verfahrens, Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

  • Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom abgeschlossenen Verfahrens wird abgewiesen.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Streitpunkt

Strittig ist im Beschwerdefall, ob der von der Bf. gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2018 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zulässig ist.

Verfahrensgang

II.1. Die Beschwerdeführerin, im folgenden "die Bf.", unterliegt der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Sie hat ihren einzigen Wohnsitz in Österreich.

In einem Schreiben des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken Versorgungsamt vom wird der Bf. ab 2016 unbefristet bescheinigt, dass sie einen Grad der Behinderung von 70% aufweist.

Die Bf. erhält eine geringfügige Pension von der Pensionsversicherungsanstalt in Österreich und zwei Renten von der Deutschen Rentenversicherung aus Deutschland, eine Altersrente und eine Witwenrente. Die Bf. hatte darüber hinaus einen Betriebsrentenanspruch gegenüber der deutschen Firma ***1***. Dieser Betriebsrentenanspruch wurde ihr im Jahr 2018 als einmaliger Kapitalbetrag in Höhe von EUR 65.114,00 abgegolten. Diesbezüglich stellte die Bf. einen Antrag auf 3-Jahres-Verteilung, dem stattgegeben wurde. In die Arbeitnehmerveranlagung 2018 wurde daher erstmals ein Drittel dieser Abfindung (€ 21.704,67/Jahr) einbezogen.

Die Bf. unterliegt auch in Deutschland aufgrund eines Antrags der unbeschränkten Steuerpflicht.

II.2. Mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom wurde die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. durchgeführt. Im Einkommensteuerbescheid wurde ein Drittel der Betriebsrentenabfindung und die bis Juli 2018 laufend bezahlten Rententeile der Fa. ***1*** gem. Art. 18 DBA Deutschland der österreichischen Besteuerung unterzogen. Die beiden deutschen Sozialversicherungsrenten wurden unter Progressionsvorbehalt freigestellt. Es resultierte eine Nachforderung in Höhe von EUR 5.018,00.

Der Einkommensteuerbescheid 2018 wurde rechtskräftig.

II.3. Am gab die Bf. persönlich ein handschriftlich erstelltes Schreiben mit folgendem Inhalt ab:

"(Eigene Anmerkung: Überschrift) Wiederaufnahme des Verfahrens der ANV 2018

Begründung:

Der Antrag auf Freistellung vom in Deutschland und in Gmunden, weiterhin, da ich - Name der Bf. - unbeschränkte Steuerpflicht für Deutschland/Österreich, da mein Einkommen mehr als 90% von Deutschland kommt, in Österreich nur 60,- Euro sind und ich sogar noch draufzahle für Versicherungspflicht weiterhin. 5000 Steuerabgabe nicht der Norm entsprechen, da ich beim Finanzamt Gmunden da am eingereicht habe liegt bei und monatlich Zahlungen mein Einkommen einschrenkt, ich das nicht mehr bezahlen kann. Anbei Freistellung.

Unterschrift der Bf."

Diesem Schreiben liegt ein Formular an das Finanzamt Stuttgart-Körperschaften Lohnsteuer-Arbeitgeber bei, wonach die Bf. am einen Antrag auf Freistellung vom deutschen Lohnsteuerabzug für die Betriebsrente der ***1*** stellt, weil sie ab ihren deutschen Wohnsitz aufgegeben hat und ausschließlich in Österreich wohnt.

II.4. Mit Bescheid 2018 vom hat das Finanzamt den Antrag der Bf. gemäß § 303 Abs. 1 BAO vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom abgeschlossenen Verfahrens mit folgender Begründung zurückgewiesen:

"Der Antrag auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (4) BAO war zurückzuweisen, weil keine Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Abfindung von Pensionsansprüchen

Fließt einer in Österreich ansässigen Person eine Abfindung von Pensionsansprüchen zu, dann unterliegt diese gemäß Art. 18 DBA Deutschland der österreichischen Besteuerung. Ruhegehälter werden von Art. 18 nicht nur dann erfasst, wenn sie laufend zur Auszahlung gelangen; vielmehr unterliegt auch eine Einmalzahlung (Abfindungszahlung) der Zuteilungsregel des Art. 18 (EAS 860 und Z 5 OECD-Kommentar zu Art. 18 OECD-MA).

Gem. § 41 Abs. 1 1. Einkommensteuergesetz 1988 besteht ein Pflichtveranlagungstatbestand, wenn der Steuerpflichtige andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag 730 Euro übersteigt. Für die Besteuerung der Pensionsabfindung 2018 haben Sie einen Antrag gem. § 37 Abs. 2 2. EStG 1988 gestellt (3-Jahres-Verteilung), der die Höhe der Steuerlast abfedert.

Eine Wiederaufnahme ist nicht möglich. Das Besteuerungsrecht hat Österreich."

II.5. Am hat die Bf. ein vorgefertigtes Formular abgegeben, in dem sie unter der Überschrift "Antrag auf Bescheidänderung (Aufhebung)" vier von fünf Auswahlmöglichkeiten angekreuzt hat: 1. § 293 b (Übern. offens. Unrichtigkeiten), 2. § 299 Aufhebung (Jahresfrist), 3. Berufung, 4. Sonstiges.

Nach den bereits vorgegebenen Worten "Betrifft: Einkommensteuerbescheid(e) für d. Jahr(e)" wurde eingefügt "2018 vom " und bei dem vorgegebenen Wort"Begründung:" finden sich folgende Einfügungen: "+ Stundung und Bescheide 2015 bis 2017, da da nur meine Witwenrente bezogen habe, meine Krankenkasse selbst geleistet habe, weiterhin 2019, deren Abgabe ich nicht tätige, bis zu Klärung. Weiterhin möchte ich Anhörung beim Bundesfinanzministerium in Linz."

Nach der Wortfolge "Beantragt wird zu berücksichtigen" wurden 5 von 6 Auswahlmöglichkeiten angekreuzt und lediglich bei den außergewöhnlichen Belastungen und bei Sonstiges handschriftlich ein Text eingefügt. 1. Alleinverdienerabsetzbetrag, 2. Sonderausgaben, 3. Werbungskosten, 4. Außergew. Belastung: "Umzug aus Schimmelwohnung 3650,-", 5. Sonstiges: "Rente von Österreich, die voll zur Krankenkasse geht, zwecks Zahlung an Kinder 16.000 Euro, Schulden , die nicht aufgehört sind, usw., Belege liegen vor, die nicht zur Kenntnis genommen worden sind."

Beim vorgegebenen Text "Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 2012 a BAO (nur bei Berufung!)" hat die Bf. die Aussetzung der Einhebung des Betrages von Euro 5.018 bis zur Erledigung der Berufung und Stundung beantragt.

Das Formular wurde mit der Datumsangabe und der Unterschrift der Bf. versehen.

Gleichzeitig wurde diesem Formular der Bescheid vom beigelegt, auf dem handschriftlich in Höhe der Überschrift Begründung vermerkt ist: "deswongen Ersuche ich eine Anhörung auf den Bundesfinanzministerium in Linz". Am Ende des Textteils des Bescheides nach der Rechtsmittelbelehrung findet sich handschriftlich "desen Widersprech ich" und sodann die Unterschrift der Bf. und das Datum .

Ebenso sind beigelegt die deutschen Einkommensteuerbescheide der Bf. für die Jahre 2018 und 2019, ein Zahlungsauftrag der Bf. in Höhe von EUR 4.161,57 offensichtlich zur Abdeckung von Schulden aus einem Exekutionsverfahren betreffend ***4***, ein Schreiben der ***5*** Bank vom betreffend eines per offenen Rückstandes von EUR 6.210,85 und ein Auszug vom OnlineBanking-Konto der Bf. bei der Bank Austria vom , das einen Saldo von EUR 39.135,51 ausweist. Dazu hat die Bf. handschriftlich vermerkt "nach Abzug meiner Schulden".

II.6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Die Begründung lautet wie folgt:

"Die Eingabe vom wird als Berufung (Beschwerde) gewertet. Die anderen angekreuzten Eingaben auf dem vorgefertigten Formular werden mit dieser Beschwerdevorentscheidung miterledigt. Nur speziell im Gesetz angeführte Zahlungen führen als Sonderausgaben, Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastung zu einer Kürzung der Steuerbemessungsgrundlage. Der Umzug aus einer Schimmelwohnung, die Rente von Österreich, die voll zur Krankenkasse geht, Zahlungen an Kinder in Höhe von € 16.000,00 oder die Begleichung von Telefonkosten können nicht anerkannt werden.

Abfindung von Pensionsansprüchen (….): Anmerkung: Diesbezüglich wird die Bescheidbegründung vom wortwörtlich übernommen.

Den Alleinverdienerabsetzbetrag haben wir nicht berücksichtigt.

Der Grund: Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht Personen in eheähnlicher Gemeinschaft nur unter

diesen Voraussetzungen zu:

• Die Partnerschaft besteht im Kalenderjahr länger als 6 Monate

• Einer der Partner bezieht für ein Kind länger als 6 Monate den Kinderabsetzbetrag, der

gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird."

II.7. Am langte folgendes handschriftliches Schreiben der Bf. beim Finanzamt ein:

"Betreff: Vorauszahlung 01-03.2021, Steuernr. 53 ***BF1StNr1***

Hiermit Bitte ich um Stundung für Jahr 2021
Begründung: Nettoeinkommen 1.577,30 Euro
Anbei die Schreiben von was Ausgaben im Monat (…)

Weiterhin warte ich auf Bescheidabänderung des Einschreiben vom und eine Anhörung beim Bundesfinanzministerium Linz."

Dieses Schreiben wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet.

II.8. Mit Vorlagebericht vom hat das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung statt. In dieser legte die Bf. ihren österreichischen Behindertenpass vor, der am durch das Sozialministeriumservice vorgelegt wurde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem in Punkt II. dargestellten Verfahrensablauf. Dieser beruht auf dem vorgelegten Akteninhalt und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung zu

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

2.1.1. Rechtslage

Gemäß § 303 BAO, BGBl. Nr. 194/1961 idgF kann

"(1) ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruchanders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.

(3) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die für die Ermessensübung bedeutsamen Umstände zu bestimmen."

2.1.2. Judikaturgrundsätze

Gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl ). Mit dem FVwGG 2012 erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag (vgl auch diesbezüglich die ErläutRV 2007 BlgNR 24. GP 22). Nicht geändert wurde aber insbesondere, dass der Wiederaufnahmeantrag ua die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit b BAO idF vor FVwGG 2012; § 303 Abs 2 lit b BAO idF FVwGG 2012).

Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl ). Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind.

Gem. § 279 Abs. 2 BAO hat das BFG außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das BFG gem. § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom FA herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das FA als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl mwH ).

Aufgabe des BFG bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein FA ist es daher zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom FA angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das FA die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das BFG den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des FA ersatzlos beheben (vgl nochmals ).

Aufgrund der mit FVwGG 2012 erfolgten weitgehenden Gleichstellung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag ist davon auszugehen, dass die soeben zitierte Rechtsprechung des VwGH der Bindung des BFG an die von der Abgabenbehörde erster Instanz herangezogenen Wiederaufnahmegründe auch für die Wiederaufnahme auf Antrag gilt.

Konkrete Anwendung im Beschwerdefall

Um eine Wiederaufnahme zu ermöglichen, muss ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund für die Partei neu hervorgekommen sein. Im Beschwerdefall ist jedoch aus dem Vorbringen nicht ersichtlich, welche Tatsachen für die Antragstellerin neu hervorgekommen sind, die sie im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend hätte machen können.

Aus ihrem Vorbringen geht lediglich hervor, dass die Bf. nicht in der Lage ist, die vorgeschriebene Einkommensteuerschuld zu bezahlen. Es handelt sich hierbei um keine neue Tatsache, die geeignet wäre, einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbei zu führen, sondern um einen Umstand, der den Spruch des Bescheides rechtlich in keiner Weise berührt. Für das Vorbringen der Bf. stehen andere Rechtsinstrumente zur Verfügung: Stundung, Ratenzahlung oder ein Schuldenregulierungsverfahren.

Die erst in der Beschwerde angekreuzten Abzugsposten, die zu einer Erweiterung der Wiederaufnahmegründe führen, hat das BFG nicht zu berücksichtigten, weil das BFG nur über jene Wiederaufnahmgsgründe entscheiden darf, die die Antragstellerin in ihrem Wiederaufnahmeantrag anführt.

Die Beschwerde ist daher - materiell - abzuweisen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag im Beschwerdefall nicht erfüllt sind.

Das Finanzamt wird darauf hingewiesen, dass es noch über die im vorgefertigten Formular gestellten und noch unerledigten Anträge vom zu entscheiden hat. Bis zur Entscheidung kann die Bf. noch Nachweise über im Jahr 2018 geleistete außergewöhnliche Belastungen erbringen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Rechtsfrage ist durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100218.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at