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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.04.2021, RV/7104663/2018

Anspruchszinsen - Bagatellgrenze von € 50,- gemäß § 205 Abs. 2 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Bescheide der Abgabenbehörde

Mit Einkommensteuerbescheid 2013 vom wurde für das Jahr 2013 aus der Arbeitnehmerveranlagung des Herrn ***Bf1*** (in der Folge kurz: Bf.) eine Abgabengutschrift in Höhe von € 1.649,00 festgestellt. Aufgrund dieser Gutschrift erfolgte - ebenfalls mit Bescheid vom - die Berechnung der Anspruchszinsen, woraus sich eine Gutschrift für das Jahr 2013 in Höhe von € 93,06 ergab.

Mit Bescheid vom wurde der Einkommenssteuerbescheid 2013 vom gemäß § 299 BAO aufgehoben. Dies mit der Begründung, dass gemäß § 299 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben kann, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Mit Bescheid vom erging ein neuer Einkommensteuerbescheid 2013, aus welchem sich eine Gutschrift in Höhe von € 2.459,00 ergab.

2. Beschwerde

Mit fristgerechter Beschwerde vom erhob der Bf. Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013 vom . Begründend führte er aus, dass der Einkommenssteuerbescheid sowie der Anspruchszinsenbescheid vom unrichtig seien, weshalb der Einkommensteuerbescheid 2013 aufgehoben worden sei, nicht jedoch der Anspruchszinsenbescheid.

Die Einkommensteuer 2013 sei mit Bescheid vom neu festgelegt, ein entsprechender Bescheid über die Festsetzung der Anspruchszinsen 2013 jedoch nicht erlassen worden. Es werde daher die Aufhebung des unrichtigen Anspruchszinsenbescheides vom sowie die Festsetzung der Anspruchszinsen 2013 auf Basis des Einkommensteuerbescheides 2013 vom beantragt.

3. Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 205 Abs. 2 BAO die Anspruchszinsen 2% über dem Basiszinssatz pro Jahr betragen. Anspruchszinsen, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, seien nicht festzusetzen. Die angepassten Anspruchszinsen lägen unter € 50,00 (€ 46,00), der Anspruchszinsenbescheid werde daher nicht geändert.

4. Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Begründend führte er aus:

"1. Aufgrund eines Fehlers der Finanzbehörde wurde die Einkommenssteuer 2013, sowie die entsprechenden Anspruchszinsen ursprünglich zu niedrig berechnet.

Nach meiner Beschwerde wurde die Einkommenssteuer 2013 korrigiert, wegen § 205 Abs 2 BAO jedoch nicht die Anspruchszinsen. Dadurch habe ich einen Zinsnachteil (It. Beschwerdevorentscheidung € 46,-) erlitten.

2. Wäre die Einkommenssteuer von Anfang an richtig berechnet worden hätten sich auch die tatsächlich zustehenden Anspruchszinsen in der Höhe von rd. € 139,- statt rd. € 93,- ergeben.

3. Die Abgaben müssen wohl soweit klar geregelt sein, dass der Steuerpflichtige sie auch in Voraus exakt berechnen kann. Dem Umstand, dass sich aufgrund eines Fehlers der Behörde - auch nach dessen Korrektur - letztendlich ein höherer (und je nach Art des Fehlers, in der Höhe unterschiedlicher) Abgabenbetrag ergibt, als im Falle einer von Anfang an richtigen Berechnung, liegt eine gewisse Willkür inne, weil er dazu führt, dass die Abgaben eben nicht im Voraus exakt berechenbar sind.

Bei genau den gleichen steuerbaren Umständen kann es je nach Art des Fehlers des Beamten - auch nach Korrektur - zu letztendlich unterschiedlichen Abgaben kommen.

4. Dass Abgabenpflichtige geneigt sind, einen derart willkürlich erlittenen Zinsnachteil als "Korrektur- oder Änderungsbescheidgebühr" zu empfinden, kann wohl nicht im Interesse der Finanzverwaltung sein.

5. Die mit § 205 Abs 2 BAO definierte Bagatellgrenze trägt in Zeiten der vollautomatisierten Abgabenberechnung seitens der Behörde wenn überhaupt, nur mehr sehr bedingt zur Verwaltungsökonomie bei, womit zu prüfen wäre, ob die Bagatellgrenze (aktuell noch) gesetzeskonform ist.

6. Der oft vernommene Hinweis, dass sich die ggst. Bagatellregelung nicht nur zu Lasten von Abgabepflichtigen, sondern je nach Fallkonstellation ebenso zu ihren Gunsten auswirken kann, geht insoweit ins Leere, da jeder Steuerfall und jeder Steuerpflichtige für sich zu beurteilen ist. Es ist einem Steuerpflichtigen wohl nicht zuzumuten, einen Zinsnachteil hinzunehmen, weil ihm oder einem anderen Steuerpflichtigen vielleicht in einem anderen Steuerfall ein Zinsvorteil aus dieser Regelung erwachsen könnte.

7. Ähnliche Bagatellregelungen wären in der Privatwirtschaft wohl zu Recht undenkbar.

8. Ich wurde seitens der Behörde diskriminiert gegenüber anderen Steuerpflichtigen mit genau den gleichen steuerbaren Umständen, bei denen sich der Beamte entweder nicht geirrt hat, oder bei denen er sich "anders" geirrt hat, was zu einem niedrigeren oder keinem Bagatellbetrag gem. § 205 Abs 2 BAO führte. Dies, da ich letztendlich höhere Abgaben leisten musste als diese Abgabenpflichtigen.

9. Durch den ursprünglichen Fehler des Beamten ist mir letztendlich ein finanzieller Schaden in der Höhe des Zinsnachteils (It. Beschwerdevorentscheidung € 46,-) entstanden. Ich ersuche um Schadenersatz."

5. Vorlagebericht

Mit Vorlagebericht vom - eine Kopie davon erging an den Bf. - legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde zur Entscheidung vor. In ihrer Stellungnahme wie sie nochmals darauf hin, dass gemäß § 205 Abs. 2 BAO Anspruchszinsen, wenn sie den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, nicht festzusetzen sind.

6. Vorlageerinnerung

Mit Eingabe vom brachte der Bf. seinen Vorlageantrag in Erinnerung und ersuchte um Entscheidung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Im Einkommensteuerbescheid 2013 vom ist eine Abgabengutschrift von € 1.649,00 ausgewiesen.

Im Anspruchszinsenbescheid 2013 vom ist eine Abgabengutschrift von € 93,06 ausgewiesen.

Mit Bescheid vom wurde gemäß § 299 BAO der Einkommensteuerbescheid 2013 vom durch die belangte Behörde aufgehoben.

Im Einkommensteuerbescheid 2013 vom ist eine Abgabengutschrift von € 2.459,00 ausgewiesen.

Ein neuer Anspruchszinsenbescheid erging nicht.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht nahm Einsicht in die von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteile. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Bescheiden und sind unstrittig. Der Sachverhalt wird daher als erwiesen angesehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdeabweisung)

Rechtslage

Gemäß § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgaben ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Nach § 205 Abs 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von EUR 50 nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Höchstens sind Anspruchszinsen für einen Zeitraum von 48 Monaten festzusetzen.

Die Regelung des § 205 Abs 2 zweiter Satz, dass Anspruchszinsen, die den Betrag von EUR 50 nicht übersteigen, nicht festzusetzen sind, gilt auch für Gutschriftzinsen (vgl Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 6. Auflage, § 205 Rz 15).

Anspruchszinsen sind mit Abgabenbescheid festzusetzen. Bemessungsgrundlage ist die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift. Aufgrund des klaren Wortlautes des § 205 Abs 1 BAO ("Differenzbeträge, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben") und nach herrschender Lehre (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 6. Auflage, § 205 Tz 33) löst jede Nachforderung und jede Gutschrift in Bezug auf den Stammabgabenbescheid (Grundlagenbescheid) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen eigenen Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt jeDifferenzbetrag eine Abgabe vor. Dies entspricht auch der ständigen Rsp des Bundesfinanzgerichtes (vgl ; , RV/7104620/2014; , RV/6100343/2010; , RV/7101338/2015).

Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (vgl. ).

Anspruchszinsenbescheide sind somit nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- (Körperschaft-) Steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (vgl. ; ; ).

Eine rechtskräftige Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung wird vom Gesetz nicht verlangt (vgl. ).

Wegen der Bindung der Anspruchszinsenbescheide an die zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide könnten die Anspruchszinsenbescheide nicht mit der Begründung erfolgreich angefochten werden, der jeweilige Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 34).

Erweist sich der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (zB Gutschriftszinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung).

Erfolgt eine Änderung oder Aufhebung des Stammabgabenbescheids, hat ein neuer, eigenständiger Anspruchszinsenbescheid zu ergehen, und ist nicht der bisherige Anspruchszinsenbescheid abzuändern. (vgl. ; Ritz, BAO6, § 205 Tz 35 f).

Bis zu einem errechneten Zinsbetrag von € 50,00 unterbleibt eine Festsetzung (Bagatellgrenze). Das gilt sowohl für Nachforderungs- als auch für Gutschriftszinsen und soll primär der Verwaltungsökonomie dienen (§ 205 Abs. 2 zweiter Satz BAO). Jeder Abgabenbescheid löst eine (neue) Berechnung der Anspruchszinsen aus und führt zu einem getrennten Anspruchszinsenbescheid.

Erwägungen:

Im gegenständlichen Fall löste der Einkommensteuerbescheid 2013 vom aufgrund des Guthabens eine eigene Berechnung aus, welche eine Anspruchszinsengutschrift von EUR 93,06 ergab. Der Einkommensteuerbescheid vom löste eine weitere Berechnung aus. Daraus ergab sich ein (angepasster) Zinsenbetrag - wie von der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung dargelegt - in Höhe von € 46,00.

Dieser Betrag blieb unter der Bagatellgrenze von € 50,00 und verhinderte damit die Erlassung eines neuen Anspruchszinsenbescheides.

Dem Bundesfinanzgericht ist bewusst, dass diese Gesetzeslage zu einem Ergebnis führt, das für den Abgabepflichtigen unbefriedigend sein muss. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass die Regelung im (umgekehrten) Fall von Einkommensteuernachforderungen Vorteile für den Steuerzahler mit sich bringt. Dass es in Fällen der Anwendung der Bagatellgrenze von € 50,00, die sich immer auf den einzelnen Anspruchszinsenbescheid bezieht, nicht zu einer vollständigen Egalisierung kommt, wurde vom Gesetzgeber offenbar gerade deshalb in Kauf genommen, weil sich die Bagatellregelung des § 205 Abs. 2 BAO nicht nur zu Lasten von Abgabepflichtigen, sondern je nach Fallkonstellation ebenso zu ihren Gunsten auswirken kann. Weder im einen noch im anderen Fall räumt das Gesetz einen Entscheidungsspielraum ein.

Die vom Beschwerdeführer im Vorlageantrag dargelegte Ausführung zur Berechnung (nämlich der Berechnung der Anspruchszinsen nur anhand der ausgewiesenen Gutschrift im Einkommensteuerbescheid 2013 vom ) führt aufgrund der oben getätigten Ausführungen nicht zum Erfolg. Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Erkenntnis ergibt sich die Lösung der Rechtsfrage bereits klar aus dem Gesetz (vgl § 205 Abs. 1 und Abs. 2 BAO).

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at