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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.03.2021, RV/4100011/2020

Aufhebung Kaufvertrag - echte Rückgängigmachung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. ***5*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch Mag. ***6***, Öffentlicher Notar, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes vom betreffend die Anträge auf Herabsetzung von Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG 1987 zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) kaufte mit Kauf- und Bauträgervertrag vom von der Firma ***1*** GmbH die ***2*** Miteigentumsanteile an der im Punkt 1.1 genannten Liegenschaft, welche nach Parifizierung und Schaffung von Wohnungseigentum mit der im 2. Obergeschoß des Hauses 9 gelegenen Wohneinheit Top 9-8 (2.OG) Keller 9-8 untrennbar verbunden wurden. Weiterer Vertragsgegenstand waren die ***2*** Miteigentumsanteile, welche nach Parifizierung und Schaffung von Wohnungseigentum mit dem KFZ Tiefgaragenabstellplatz Nr. ***3*** untrennbar verbunden wurden. Die Wohneinheit hat ein Ausmaß von 50,20 m². Der Kaufpreis betrug Euro 160.700,00.
Gleichzeitig erwarb der Bf. mit weiteren Kauf- und Bauträgervertrag die Wohnung 10-3 mitsamt Tiefgaragenplatz Nr. ***7*** zum Kaufpreis iHv. Euro 163.400,00.

Am unterfertigte der Bf. den Aufhebungsvertrag zu den Kauf- und Bauträgerverträgen vom 28.06.2017und hoben beide Parteien die Verträge auf und erklärten diese für null und nichtig. Die Verkäuferin verpflichtete sich den Kaufpreis binnen 14 Tagen zu treuen Handen des Urkundenverfassers zu erlegen.
Der Bf. unterfertigte den Aufhebungsvertrag am . Die Verkäuferin am .

Mit Kauf- und Bauträgervertrag vom 24./ kaufte die Ehegattin T. P die ***2*** Miteigentumsanteile an der im Punkt 1.1 genannten Liegenschaft welche nach Parifizierung und Schaffung von Wohnungseigentum mit der im 2. Obergeschoß des Hauses 9 gelegenen Wohneinheit Top 9-8 (2.OG) Keller 9-8 untrennbar verbunden wurden. Weiterer Vertragsgegenstand waren die Miteigentumsanteile, mit welchen Wohnungseigentum am KFZ Tiefgaragenabstellplatz Nr. ***3*** untrennbar verbunden ist. Der Kaufpreis betrug Euro 140.349,34 zzgl. 20% Umsatzsteuer, sohin insgesamt Euro 168.419,21.
Mit weiteren Kauf- und Bauträgervertrag vom 24./ kaufte die Ehegattin die Wohnung 10-3 im Haus 10 mitsamt dem Tiefgargagenstellplatz Nr. ***7***.

Der Bf. beantragte, wie im Aufhebungsvertrag vom festgehalten, die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 GrEStG.

Bescheide vom :

Das Finanzamt wies mit Bescheiden vom die Anträge des Bf. auf Herabsetzung und Rückerstattung ab.
In der Sache wurde darauf verwiesen, dass der Bf. den Aufhebungsvertrag am unterschrieben hat. Die neuen Kaufverträge über dieselben Wohnobjekte wurden von der Ehegattin am selben Tag () unterschrieben. Die ***1*** GmbH unterfertigte beide Verträge am .
Der Aufhebungsvertrag und die neuen Kauf- und Bauträgerverträge wären somit vom Bf. und Frau T. P am selben Tag unterschrieben worden. Die neuen Kauf- und Bauträgerverträge wären somit vor Aufhebung der ursprünglichen Verträge unterschrieben worden.
Daraus leite das Finanzamt ab, dass die Verkäuferin ihre ursprüngliche Verfügungsmacht nicht mehr wiedererlangt habe.
Rechtlich wurde ausgeführt, dass es bei der Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z GrEStG 1987 wesentlich darauf ankomme, dass der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück wiedererlange, welche er vor Vertragsabschluss innegehabt hatte. Werde ein Vertrag lediglich zu dem Zwecke rückgängig gemacht, um in weiterer Folge das Grundstück auf eine vom Käufer ausgewählte dritte Person zu übertragen, ohne dass der Verkäufer in irgendeiner Weise sein früheres Verfügungsrecht über die Liegenschaft rückerlangt, so ist der frühere über seine formale Aufhebung hinaus auch nicht teilweise rückgängig gemacht. Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragsparteien derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt ().

Beschwerden vom :

Der Bf. habe mit Kaufvertrag vom von der Verkäuferin die zu errichtenden Wohnungen samt Tiefgaragenstellplatz erworben. Die Grunderwerbsteuer wurde selbst berechnet und abgeführt. Mit Aufhebungsvertrag vom wurde dieser Vertrag in allen Punkten für null und nichtig erklärt und der wirtschaftliche Erfolg des Kaufvertrages vollständig beseitigt.
Frau T. P habe mit Kauf- und Bauträgerverträgen vom die rückgestellten Wohneinheiten neuerlich erworben. Dabei habe die Verkäuferin die volle Verfügungsmacht über die rückgestellte Wohnung erworben.
Die Verkäuferin habe beide Verträge am vorliegen gehabt und entscheiden können, ob sie keinen, nur den Aufhebungsvertrag, oder beide Verträge unterfertigen wolle.
Die neue Käuferin habe den Preis nicht bestimmen können.
Der Begründung des Finanzamtes, wonach beide Verträge am selben Tag unterschrieben wurden und daher die Verkäuferin kein wirtschaftliches Risiko mehr getragen habe, werde entgegnet, dass beide Vertragsparteien eine unterschiedliche wirtschaftliche Bonität aufweisen. Daraus leite sich sehr wohl ein wirtschaftliches Risiko ab.
Rechtlich erfordere die Bestimmung des 17 GrEStG 1987 lediglich die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges. Die schriftliche Rückgängigmachung sei innerhalb der drei Jahresfrist erfolgt.
Mit Unterfertigung des Aufhebungsvertrages durch den ursprünglichen Käufer habe die Verkäuferin vollkommen frei über die errichteten Eigentumswohnungen verfügen können. Die Möglichkeit des ursprünglichen Käufers, einen Abschluss mit seiner Frau zu bestimmen, ist weder vertraglich noch in anderer Weise gegeben gewesen.
Das wirtschaftliche Risiko der Auswahl des Käufers und dessen Zahlungsfähigkeit habe ausschließlich bei der Verkäuferin gelegen.
Es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor.

Beschwerdevorentscheidungen vom :

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab. Rechtlich wurde darauf ausgeführt, dass ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 17 GrEStG 1987 dann rückgängig gemacht wurde, wenn sich beide Vertragsparteien derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine Rechtstellung wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist somit nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht wiedererlangt, die er vor Vertragsabschluss innegehabt hat. Erfolgte die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Aufhebung des alten und der Abschluss des neuen Vertrages gleichsam uno actu erfolgen, hat der Käufer nicht die Möglichkeit erlangt, frei über das Grundstück zu verfügen und die Wohnung an einen Dritten zu verkaufen.

Vorlageanträge vom :

Mit schriftlichen Eingaben vom beantragte der Bf. die Vorlage an das BFG.

Das Finanzamt beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.

Über die Beschwerden wurde erkannt:

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), BGBl 1987/309, idgF, unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Das Gesetz bindet die Steuerpflicht an den Erwerb des Rechtstitels zur (späteren) Übereignung und damit an das erste, im Rechtsleben in Erscheinung tretende Ereignis, das ist das (obligatorische) Verpflichtungsgeschäft, und nicht erst an das Erfüllungsgeschäft (Verfügungsgeschäft) der Eintragung des Eigentumsrechtes in das Grundbuch (vgl. ). Ein Erwerbsvorgang wird bereits durch das Verpflichtungsgeschäft verwirklicht.
Bei einem Verpflichtungsgeschäft iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber einen Rechtsanspruch auf die Übertragung des Eigentumsrechtes erwirbt.

Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges:

Gem. § 17 Abs. 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag ua. nach Z 1 dann nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes rückgängig gemacht wird. Nach § 17 Abs. 4 GrEStG 1987 ist die Steuer dann, wenn sie in den Fällen der Abs. 1 bis 3 bereits festgesetzt wurde, auf Antrag entsprechend abzuändern (herabzusetzen). Bei Selbstberechnung ist die Steuer in den Fällen der Abs. 1 bis 3 entsprechend festzusetzen oder ein Bescheid zu erlassen, wonach die Steuer nicht festgesetzt wird.

Zweck der Bestimmungen des § 17 GrEStG 1987 ist es, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der gesetzlich normiertenFrist wieder (vollständig) beseitigt werden. § 17 verfügt daher die grundsätzliche Steuerfreiheit rückgängig gemachter Erwerbsvorgänge. Das entspricht auch der materiellen Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, den Grundstücksverkehr und nicht bloße (zu Verträgen verdichtete) Absichten zu besteuern. Ist der Erwerbsvorgang fehlgeschlagen und wird er wieder rückgängig gemacht, erweist sich seine vorgängige Besteuerung eben als unbegründet.

"Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang allerdings nur dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen, dass die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprünglicheRechtsstellung wiedererlangt, die er vor Vertragsabschluss innehatte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt in seinen Erkenntnissen ausgesprochen, dass ein Erwerbsvorgang dann nicht rückgängig gemacht werde, wenn der Vertrag zwar - was die Vertragsfreiheit nach dem Schuldrecht erlaube - der Form nach aufgehoben wird, die durch diesen Vertrag begründete Verfügungsmöglichkeit aber weiterhin beim Erwerber verbleibt und der Verkäufer seine ursprüngliche, freie Rechtsstellung nicht wiedererlangt.

Eine echte Rückgängigmachung liegt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH daher nur vor, wenn der Veräußerer die ihm ursprünglich als Eigentümer der Liegenschaft zustehende Möglichkeit, ein für ihn erfüllbares neues Verpflichtungsgeschäft nach seinem Belieben und nach seinen Vorstellungen abzuschließen, zurückerhält (; u.v.a.).

Erfolgte die Rückgängigmachung des Kaufvertrages nur, um den Verkauf des Grundstückes an den im Voraus bestimmten neuen Käufer zu ermöglichen, wobei die Auflösung des alten und der Abschluss des neuen Kaufvertrages gleichsam uno actu erfolgten, hat der Verkäufer in Wahrheit nicht die Möglichkeit wiedererlangt, über das Grundstück anderweitig zu verfügen und an einen Dritten zu verkaufen (vgl. ; u.v.a.).

Von der Wiedererlangung der freien Verfügungsmacht durch die Vereinbarung über die Aufhebung der ersten Kaufverträge konnte angesichts des Umstandes, dass die Aufhebung der Verträge mit dem Bf. lediglich zu dem Zweck erfolgte, um die Wohneinheiten gleichzeitig zu denselben Konditionen an die Ehegattin des Bf zu verkaufen, nicht ernsthaft gesprochen werden ().

Eine Rückgängigmachung liegt also dann nicht vor, wenn ein Vertrag zwar formell, aber nur zu dem Zweck aufgehoben wird, gleichzeitig das Grundstück auf eine vom Käufer ausgesuchte andere Person zu übertragen (; ).

Es trifft zwar zu, dass die Dreijahresfrist gemäß § 17 Abs. 1Z 1 GrEStG eingehalten und eine Aufhebungsvereinbarung beigebracht wurde.
Im vorliegenden Sachverhalt hat der Bf. mit der Verkäuferin in der Aufhebungsvereinbarung vom die beiden Kauf- und Bauträgerverträge aufgehoben und die Ehegattin die neuen Kauf- Bauträgerverträge unterfertigt. Die Ehegatten unterfertigten ihre Verträge am . Die Verkäuferin fertigte die Urkunden am .

Daraus leitet sich für den Richter beim BFG denklogisch ab, dass die Verkäuferin ihre ursprüngliche Rechtsstellung und freie Verfügungsmacht nicht wiedererlangt hat, sondern vielmehr von Vornherein festgestanden hat, dass beide Wohneinheiten der Ehegattin verkauft werden. Damit war jedoch die Verkäuferin nicht frei in ihrer Verfügung. Die Verkäuferin war bereits am gebunden, entsprechend der neuen Kaufverträge die Wohnungen an eine im Vorhinein bestimmte Käuferin zu verkaufen.
Damit konnte die Verkäuferin entsprechend bestehender vorvertraglicher Pflichten nicht mehr beliebig über die Wohnungen verfügen. Die Käuferin stand vor Aufhebung der ursprünglichen Verträge bereits fest.

Die Verkäuferin konnte, angesichts der Tatsache, dass die Aufhebung und der neuerliche Verkauf an die Ehegattin des Bf. bereits festgestanden haben, ihre ursprüngliche Rechtsstellung nicht wiedererlangen. Laut VwGH spricht gerade der enge zeitliche Zusammenhang wie hier zwischen Aufhebung und neuem Vertragsabschluss gegen eine "echte Rückgängigmachung".
Ausschlaggebend für diese Beurteilung ist das tatsächliche Geschehen und nicht etwaige theoretische Möglichkeiten.

Nachdem somit im Ergebnis die Verkäuferin in keiner Weise ihre ursprünglich freie Verfügungsmöglichkeit über die Wohneinheiten wiedererlangt hatte, etwa nach eigenem Belieben mit jedwedem Erwerber (Dritten) ein neues Verpflichtungsgeschäft abzuschließen, kann - entgegen dem Dafürhalten des Bf - von einer echten Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 keine Rede sein.
Dem Antrag auf Herabsetzung bzw. Rückerstattung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer war daher zu Recht nicht entsprochen worden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sievon der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondereweil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht,eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigenRechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zu der im vorliegenden Fall strittigen Frage der "echten Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges" liegt die oben angeführte und einheitliche VwGH-Judikatur vor, in deren Anwendung das Bundesfinanzgericht die Entscheidung getroffen hat. Der Lösung der zugrundeliegenden Rechtsfrage kommt demnach keine grundsätzlicheBedeutung zu. Daher ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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