Löschung einer slowakischen s.r.o. - Einstellung des Beschwerdeverfahrens
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***2***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Glückspielabgabe 04/2012 - 03/2013 und vom betreffend Glücksspielabgabe 04/2013 -12/2013, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Die Beschwerden werden als gegenstandslos geworden erklärt und das Beschwerdeverfahren eingestellt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei führte zur StNr. ***BF1StNr1*** Selbstberechnungen der Glücksspielabgabe für die Zeiträume April 2012 bis Dezember 2013 durch. Dabei wurde von der Bf. erklärt, dass sie grenzüberschreitend, zentralseitig Glückspiele über Video Lotterie Terminals (VLT) betreibe.
Die Bf. brachte bei der belangten Behörde ein als Offenlegung bezeichnetes Schreiben vom ein und stellte dabei auch den Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Glücksspielabgabe gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO für die Monate ab April 2012.
Nach einer durch die belangte Behörde durchgeführter Außenprüfung wurde mit Bescheiden vom bzw. gemäß § 201 BAO die Glücksspielabgabe für die Monate April 2012 bis März 2013 bzw. April 2013 bis Dezember 2013 festgesetzt.
Fristgerecht wurden durch die Bf. Beschwerden (betreffend die Monate 04/2012-09/2012 sowie 10/2012 bis 12/2013) gegen die Bescheide der belangten Behörde vom und erhoben und der Antrag auf Unterlassung der Berufungsvorentscheidung sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellt.
Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde - eine Kopie davon erging an die Bf. - dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Mit zugestellt an die dem Bundesfinanzgericht bekannte Vertreterin der Bf., PWC PriceWaterhouseCoopers, Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH - wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bekanntzugeben, ob sie ihre bisherigen Anträge aufrechterhalte oder diese modifizieren möchte.
Mit Schreiben der PWC vom retournierte diese den Beschluss des BFG und teilte mit, dass bereits seit einigen Jahren keine Vertragsbeziehung mehr mit der Bf. bestehe.
Aus einer in der Folge durch das BFG durchgeführten Internetrecherche im slowakischen Handelsregisters ging hervor, dass die Adresse des Firmensitzes bis "***1***" gelautet habe, sowie, dass das Unternehmen mit gelöscht worden war ("ex offo výmaz").
Mit ersuchte dieses die belangte Behörde um zusätzliche Information die Bf. betreffend. Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt mit, dass diesem keine Informationen über einen neuen Vertreter oder über eine Löschung vorlägen. Der Spielbetrieb in Österreich sei nach Aktenlage eingestellt worden.
Das FAGVG habe am ein Rechtshilfeersuchen in die Slowakei geschickt, dieses sei jedoch erfolglos gewesen. Die beschwerdeführende Partei sei zahlungsunfähig.
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde laut slowakischem Handelsregisterauszug mit gelöscht.
Eine Verständigung des Gerichts von diesen Umständen erfolgte - entgegen der diesbezüglichen Verpflichtung gemäß § 265 Abs. 6 BAO - nicht.
Das Bundesfinanzgericht hat die Prozessvoraussetzungen und damit das Fehlen von Prozesshindernissen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen.
Der Aktenlage ist zu entnehmen, dass in den verfahrenseinleitenden Beschwerden vom die Aussetzung der strittigen Beträge beantragt wurde. Die Aussetzung ist nach Einsicht in das Abgabenkonto der beschwerdeführende Gesellschaft bis zum heutigen Tage aufrecht.
Das Gericht gelangte daher zu der Feststellung, dass der streitgegenständliche Abgabenbetrag bis zum heutigen Tag nicht entrichtet wurde.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde bekanntgegeben, dass die beschwerdeführende Gesellschaft zahlungsunfähig und ein Betreibungsverfahren erfolglos geblieben sei.
Zur slowakischen s.r.o.
Laut Wikipedia ist Spoločnosť s ručením obmedzeným, abgekürzt s.r.o. (oder spol.s r.o.) die slowakische Bezeichnung für die Rechtsform der haftungsbeschränkten Gesellschaft in der Slowakei, (deutsch Gesellschaft mit beschränkter Haftung).
Die gesetzliche Regelung ist der österreichischen Regelung sehr ähnlich und nach dem slowakischen Handelsgesetzbuch gelten folgende Bestimmungen für die GmbH.
Grundlegendes:
• Die slowakische GmbH ist eine Kapitalgesellschaft, deren Kapitalbeiträge der Gesellschafter schon vorab festgelegt sind.
• Die GmbH kann auch nur von einer Person gegründet werden.
• In einer GmbH können maximal 50 Gesellschafter sein.
• Eine Alleingründung ist auch durch eine einzelne natürliche Person möglich, jedoch unter der Voraussetzung, dass diese nicht ein einziger Gesellschafter in mehr als zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist.
• Verbot der Kettung von Einpersonengesellschaften - eine GmbH die nur einen einzigen Gesellschafter hat, kann nicht zum einzigen Gründer oder zum einzigen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Slowakei werden
• Falls ein Konkurs auf den alleinigen Gesellschafter der GmbH eröffnet wird, so darf dieser Gesellschafter frühesten nach einem Jahr ab dem Zeitpunkt des Ausgleichs der Zahlungsverpflichtungen wieder eine Gesellschaft gründen.
Haftung:
Die slowakische GmbH haftet mit dem Gesamtvermögen. Der Gesellschafter haftet für Verbindlichkeiten bis zur Höhe der ausständigen Einlage, die im Handelsregister eingetragen ist.
Handelsname:
Der Handelsname muss den Zusatz "spoločnosť s ručením obmedzeným" oder die Abkürzung "spol. s r. o." oder "s.r.o." enthalten.
Stammkapital und Stammeinlage:
Das Stammkapital einer slowakischen GmbH beträgt mindestens 5000 Euro, wobei die Stammeinlage jeden einzelnen Gesellschafters mindestens 750 Euro beträgt.
…
Auflösung und Liquidierung der Gesellschaft:
• Entscheidung des Gerichts
• Aus anderen Gründen die im Gesellschaftsvertrag aufgeführt sind
• Bevor eine Liquidierung beginnt, ernennt die Generalversammlung einen Liquidator.
• Wenn die GmbH durch Liquidierung aufgelöst wird, dann haben die Gesellschafter Recht auf Anteil vom Liquidationsrestbetrag. Dieser Anteil wird zum Verhältnis der Einlage bestimmt, diese der Gesellschafter geleistet hat, zu gezahlten Einlagen aller Gesellschafter außer der Gesellschaftsvertrag bestimmt es anders
• nach Zeitablauf
• ab dem Tag der Einigung der Gesellschafter über die Auflösung
• ab den Tag der Gerichtsbeschlusses
• Die GmbH erlischt zum Tag der Löschung der GmbH aus dem Handelsregister
(Quelle: http://www.slc-europe.sk/9-uncategorised)
Registrierung
Rechtsgrundlage für die Registrierung einer Gesellschaft im Handelsregister ist das slowakische Handelsregistergesetz (Gesetz Nr. 530/2003 Z.z., Zákon o obchodnom registri, letzte Änderung durch Gesetz 141/2017 Z.z.) in Verbindung mit § 27 des slowakischen Handelsgesetzbuches. Demzufolge erfolgt eine Eintragung ins staatlich geführte Handelsregister (Obchodný register) bei Wahrung aller Pflichtangaben innerhalb von 5 Tagen. (Quelle: https://www.gtai.de/gtai-de/trade/recht/portal21/laender/slowakei/rechtsrahmen/zivilrecht/gesellschaftsrecht)
Das Europäische Justizportal (e-justice.europa.eu) bietet ein System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (Business Registers Interconnection System - BRIS) und können dort die Handelsregisterdaten der einzelnen EU- Mitgliedstaaten abgefragt werden.
Rechtlich folgt hieraus:
Ist eine Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen Recht des Gründungsstaates erloschen, ist dieser Status auch in Österreich rechtsverbindlich, weil sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nach dem Recht des Gründungsstaates beurteilt, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet ().
Da damit für die Bf. das slowakische Gesellschaftsrecht galt, ist sie seit ihrer Löschung im Handelsregister nicht mehr handlungs- und prozessfähig.
Ob die Löschung im slowakischen Handelsregister konstitutive oder bloß deklaratorische Wirkung hat, ist im gegenständlichen Fall nicht von entscheidender Bedeutung, da die Bf. zudem über kein verwertbares Aktivvermögen mehr verfügt. Der streitgegenständliche Abgabenbetrag ist bis zum heutigen Tag ausgesetzt und die belangte Behörde stellte selbst fest, dass die beschwerdeführende Partei zahlungsunfähig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , VwGH Ro 2014/13/0035 (unter Verweis auf seine diesbezügliche Judikaturlinie) ausgesprochen, dass ein Abwicklungsbedarf der Rechtsverhältnisse der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht (mehr) vorliegt, da im gegenständlichen Fall aufgrund der aufrechten Aussetzung der Einhebung des strittigen Abgabenbetrages und somit mangels eines potentiellen Rückzahlungsanspruches (selbst bei Stattgabe des Rechtsmittels) in keiner Verfahrenskonstellation mehr von einem verwertbaren Aktivvermögen gegenüber dem Abgabengläubiger ausgegangen werden kann.
Der Verlust der Rechts- und Handlungsfähigkeit im Sinne des § 79 BAO bewirkt einerseits, dass die beschwerdeführende Partei keine Prozesshandlungen mehr setzen kann, und andererseits, dass ihr gegenüber keine rechtswirksamen Erledigungen mehr erlassen werden können. An nicht (mehr) existente Gesellschaften gerichtete Bescheide gehen ins Leere (vgl. ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu entschieden, dass beim Erlöschen der Rechtssubjektivität einer Kapitalgesellschaft die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen ist (vgl. ).
Gemäß § 272 Abs. 4 BAO können, wenn die Entscheidung über Beschwerden dem Senat obliegt, die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen (§ 85 Abs. 2) und von Aufträgen gemäß § 86a Abs. 1 sowie Zurückweisungen (§ 260), Zurücknahmeerklärungen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1), Gegenstandsloserklärungen (§ 256 Abs. 3, § 261), Verfügungen der Aussetzung der Entscheidung (§ 271 Abs. 1) und Beschlüsse gemäß § 300 Abs. 1 lit. b.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Im Hinblick auf das Erlöschen der Parteifähigkeit der Bf. wird der gegenständliche Beschluss nur der Amtspartei zugestellt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (u.a. Zl. Ro 2014/13/0035)
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 272 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | VwGH, Ro 2014/13/0035 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103413.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at