Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.03.2021, RV/7100268/2021

Das Neuhervorkommen ist bei der beantragten Wiederaufnahme aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei, AdrRA, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom , mit denen über den Antrag vom auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für 2017 und 2018, Steuernummer 38 ***BF1StNr1***, abgesprochen wurde, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart hatte an den Beschwerdeführer (Bf.) den Einkommensteuerbescheid 2017 vom und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom erlassen.

Der Bf. stellte über FinanzOnline am den Antrag auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2017 und 2018 (sowie - nicht beim BFG anhängig - 2019). Er habe von seiner Personalstelle am eine (beigelegte) E-Mail erhalten, wonach laut Erkenntnis des Beamte bei Einsätzen iSd § 39a BDG 1979 nach dessen Abs. 2 für diesen Zeitraum als Auslandsbeamte iSd § 26 Abs. 3 BAO sowie der §§ 3 Abs. 1 Z 8 und 92 EStG 1988 anzusehen seien. Das bedeute, dass die dem Bf. für die EUeinrichtung-Einsätze 2017, 2018 und 2019 berechneten Übergenüsse (Versteuerung der Taggelder) nicht rechtens gewesen seien, weil die Gebühren von der Steuer befreit seien.
Gemäß dieser E-Mail sei nach Rücksprache mit dem BMF (durch Ministerium) jeder Bedienstete selbst verantwortlich, bei seinem zuständigen Finanzamt einen Antrag gemäß § 303 BAO zu stellen.

In der beigelegten E-Mail vom , u.a. an den Bf., mit dem Betreff "Vorgangsweise betreffend die Versteuerung von Taggeldern" wird ausgeführt:
"aufgrund mehrerer Anfragen betreffend die Versteuerung von Taggeldern von ins Ausland entsendeten Beamten wird seitens der Dienstbehörde Folgendes mitgeteilt:
Laut Erkenntnis des sind Beamte bei Einsätzen iSd § 39a BDG 1979 nach dessen Abs. 2 für diesen Zeitraum als Auslandsbeamte iSd § 26 Abs. 3 BAO sowie der §§ 3 Abs. 1 Z 8 und 92 EStG 1988 anzusehen. Das bedeutet, dass die bisherige Rechtsansicht, wonach bei Projekttätigkeiten, im Zuge derer Beamte gemäß § 39a BDG 1979 ins Ausland entsendet werden (z.B.
EUeinrichtung), alle empfangenen Entgelte - ausgenommen jene, die der Arbeitgeber gemäß § 26 EStG 1988 auszahlt - als grundsätzlich steuerpflichtig anzusehen sind, nicht aufrechterhalten wird.
Betroffen sind sämtliche Auslandseinsätze im Sinne des § 39a BDG 1979, sofern eine Verzichtserklärung gemäß § 39a Abs 5 BDG 1979 gegenüber dem Dienstgeber abgegeben wurde und so genannte "per diems" von der jeweiligen Institution im Wege des Dienstgebers zur Auszahlung gelangen.
Eine angesichts der gegenständlichen Entscheidung des VwGH geänderte Beurteilung vergangener Jahre ist ausschließlich im Rahmen der (Arbeitnehmer-)Veranlagung möglich. Dementsprechend kann eine Berichtigung nur dann erfolgen, wenn noch verfahrensrechtliche Schritte im Wege eines Veranlagungsverfahrens möglich sind, was lediglich im Einzelfall durch das zuständige Finanzamt abschließend beurteilt werden kann.
Für den Fall, dass die Arbeitnehmerveranlagung bereits durchgeführt wurde, kann gemäß § 303 BAO die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt werden. Die diesbezügliche Vorgangsweise ist beim zuständigen Finanzamt zu erfragen."

Das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart erließ hierzu an den Bf. folgende zwei, mit datierte Bescheide:

  • Bescheid, mit dem der Antrag des Bf. vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2017 abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde;

  • Bescheid, mit dem der Antrag des Bf. vom auf Wiederaufnahme des mit Einkommensteuerbescheid 2018 abgeschlossenen Verfahrens abgewiesen wurde.

Diese beiden Bescheide waren jeweils folgendermaßen begründet:

"Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Wiederaufnahmeantrag zu enthalten
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird und
b) die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird.

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, 6. Auflage, Wien 2017, § 303, Tz 21 und die dort zitierte Judikatur).

Keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) sind etwa (siehe Ritz, aaO, § 303 Tz 23)
a) neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (; , 96/15/0148; , 2008/15/0215),
b) Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden (; , 96/17/0373; , 2002/16/0286-0289),
c) Hervorkommen von Rechtsirrtümern (),
d) unterschiedliche Beweiswürdigung durch eine Verwaltungsbehörde einerseits und durch eine Verwaltungsstrafbehörde oder ein Gericht andererseits (; , 97/13/0269, 0270; , 96/15/0108),
e) höchstgerichtliche Erkenntnisse (vgl. -0161; , 97/17/0257-0279; , 98/14/0015; , 2008/13/0175), wie etwa EuGH-Entscheidungen (; , 2009/16/0005; , 2012/16/0210) oder Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (),
f) die Änderung von Erlässen, wie zB der EStR 2000 ( ).

Sie stützen sich in Ihrem Antrag auf Wiederaufnahme auf die Entscheidung des VwGH (Ro 2018/13/0008).
Auf Grund der obigen Ausführungen sind in gegenständlichem Verfahren keine neuen Tatsachen hervorgekommen, weshalb Ihr Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens iSd § 303 BAO abzuweisen war."

Mit zwei Schreiben vom (Eingangsstempel jeweils ) erhob der Bf. - vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei - Beschwerden gegen die beiden vorgenannten, abweisenden Bescheide vom , welche am elektronisch zugestellt worden seien. Beantragt wurde jeweils, den Bescheid zu beheben und dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vollinhaltlich stattzugeben und eventualiter die Wiederaufnahme von Amts wegen zu bewilligen.

Unter Punkt 2 der Beschwerden wurden jeweils die Beschwerdegründe wie folgt ausgeführt:
"2.1 Die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist zulässig.
2.2 Hinsichtlich des oben angeführten Erkenntnisses
[) wird zunächst darauf hingewiesen, dass sich der dortige Sachverhalt auf die Entsendung des Revisionswerbers im Rahmen von FRONTEX Einsätzen bezog. Der Beschwerdeführer war im Rahmen von EUeinrichtung Einsätzen entsandt, die allerdings ebenfalls eine Verzichtserklärung gemäß §39a BDG voraussetzten (Erlass Punkt 4.5), um die entsprechenden Taggelder zu erhalten (Erlass Punkt 4.4). Die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis RO 2018/13/0008 vertretene Rechtsansicht, wonach von dritter Seite empfangene Zahlungen als Zulagen gemäß § 21 GehaltsG gelten und damit unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 fallen, ist daher auch auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt anzuwenden.
2.3 Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer gemäß § 39a Abs 5 BDG einen schriftlichen Verzicht auf die ihm nach RGV gebührenden Leistungen abgegeben hat, wurde und konnte im bereits abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden.
2.4 Nunmehr liegen dem Beschwerdeführer auch die von ihm damals abgegebenen Verzichtserklärungen vor. Der Beschwerdeführer stützt daher seine Wiederaufnahme daher auch auf die beiliegenden Verzichtserklärungen
2.5 Die Kenntnis dieser Umstände alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hätte einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt. Dies aufgrund der Entscheidung des RO 2018/13/0008, wonach bei einem schriftlichen Verzicht des entsandten Beamten auf die ihm nach der RGV gebührenden Leistungen die von dritter Seite empfangenen Zahlungen als Zulagen gemäß § 21 GehaltsG gelten und damit unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 8 EStG 1988 fallen.
2.6 Selbst unter der Prämisse, man würde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs 1 BAO verneinen - was ausdrücklich bestritten wird - wird angeregt, das Verfahren von Amts wegen unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen wieder aufzunehmen. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen sind auch nicht bloß geringfügig."

In der Beschwerde betreffend 2018 wurde zusätzlich ausgeführt: "Dazu wird ergänzend ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer - wie auch den übrigen betroffenen Kollegen - von dem ministerium Anfang März 2020 mit Hinweis auf laufende Gespräche mit dem Bundesministerium für Finanzen empfohlen wurde, die laufenden Gespräche abzuwarten, was der Beschwerdeführer auch getan hat. Hätte er umgehend einen Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO bzw. Berichtigung gemäß § 293b BAO gestellt, wäre diesem hinsichtlich des Einkommenssteuerbescheides 2018 vom stattzugeben gewesen, sodass eine Wiederaufnahme von Amts wegen auch unter diesem Gesichtspunkt den Billigkeitserwägungen entspricht."

Den Beschwerden lagen der Erlass Geschäftszahl vom sowie vom Bf. unterschriebene Verzichtserklärungen gemäß § 39a BDG aus 2017, 2018 und 2019 bei.

Das Finanzamt erließ hierzu an den Bf. folgende zwei mit datierte Beschwerdevorentscheidungen:

  • Zurückweisung der Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend 2017,

  • Zurückweisung der Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend 2018.

Beide Beschwerdevorentscheidungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass die Zustellung des Abweisungsbescheides zum Antrag auf Wiederaufnahme am in die Databox erfolgt sei, und dass die Beschwerde mit eingebracht worden sei, und dass somit die Beschwerdefrist nicht eingehalten worden und die Beschwerde als verspätet eingebracht zurückzuweisen sei.

Mit Schreiben vom stellte der Bf. . - vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei - gegen die beiden zurückweisenden Beschwerdevorentscheidungen den Vorlageantrag (Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht).

Gegen die Zurückweisungen als verspätet wurde vorgebracht: "Festgehalten wird, dass der ein Sonntag war, sodass der nächste Tag, nämlich der , als letzter Tag der Frist gemäß § 108 Abs. 3 BAO gilt. Die Tage des Postenlaufs werden bekanntlich gemäß § 108 Abs. 4 BAO in die Frist nicht eingerechnet, sofern das Schriftstück innerhalb der Frist der Post übergeben und auf dem Briefumschlag an die zuständige Behörde mit richtiger Anschrift gerichtet ist. Festgehalten wird, dass beide Beschwerden am , 9:22 Uhr, bei dem Postamt in 7000 Eisenstadt aufgegeben und bereits am , 8.51 Uhr, der zuständigen Behörde zugestellt wurden. Abgesehen davon, dass das Finanzamt offenbar davon ausgeht, dass Poststücke noch am Tag der Aufgabe in der Früh durch die Post zugestellt werden, was wohl einigermaßen lebensfremd ist, ist insbesondere auf § 260 BAO hinzuweisen, wonach die Behörde vor Zurückweisung der Beschwerde als verspätet entweder von Amts wegen zu prüfen hat, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer die offenbare Verspätung des Rechtsmittels vorzuhalten. Dies hat die Behörde unterlassen, obwohl, wie dies durch den beiliegenden Sendungsverlauf sowie die Kopie des Aufgabescheins zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass die Beschwerde selbstverständlich rechtzeitig im Sinne des § 108 BAO am bei der Post aufgegeben wurde."

Inhaltlich wurde im Vorlageantrag ergänzend vorgebracht:
"5. In den Einkommensteuerbescheiden 2017 und 2018 ging das Finanzamt mangels Kenntnis der Verzichtserklärung gemäß § 39a BDG davon aus, dass der Beschwerdeführer auch während seiner Entsendung zu den EUeinrichtung (***1***) - Einsätzen seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Die schriftliche Verzichtserklärung des Beschwerdeführers während der EUeinrichtung-Einsätze sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, sohin Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.
6. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Urkunden liegt der Dienstort des Beschwerdeführers für die Dauer der Entsendung im Ausland. Der schriftliche Verzicht des Beschwerdeführers auf die ihm nach der RGV gebührenden Leistungen führt dazu, dass die von Dritter Seite empfangenen Zahlungen als Zulagen gemäß § 21 GehaltsG gelten und damit die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 8 StG 1988 fallen.
7. Festgehalten wird weiters, dass hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2019 die erstmalige Wiederaufnahme des Verfahrens und eine Aufrollung hinsichtlich der rechtswidrig versteuerten Taggelder gemäß § 299 BAO erfolgte. Es kam allerdings zu einer nochmaligen Wiederaufnahme von Amts wegen des bereits rechtskräftigen abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO aufgrund einer nachgemeldeten Spende und sind dadurch Tatsachen und Beweismittel vorgekommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind.
8. Zentral ist, dass auch für die Jahre 2017 und 2018 eine derartige Meldung am durch den Verein "
***2***" an das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart erfolgte. Das bedeutet, dass auch aus diesem Grund die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 1 BAO gegeben sind, diese auch aufgrund der nunmehr gemeldeten Spenden vorzunehmen ist und aufgrund dessen auch gleichzeitig eine Aufrollung der zu Unrecht erfolgten Taggelder zu erfolgen hat."

Erwägungen über die Beschwerde:

Die angefochtenen Bescheide wurden am zugestellt. § 245 Abs. 1 BAO bestimmt: "Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat." § 108 Abs. 2 Satz 1 BAO bestimmt:"Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht." Der war ein Sonntag. § 108 Abs. 3 BAO bestimmt: "Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen." Sohin endete die Beschwerdefrist gegen die beiden angefochtenen Bescheide mit Ablauf des .

Die mit datierten Beschwerdeschriften wurden per Post eingeschrieben an das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart gesendet, wo sie laut Eingangsstempel am einlangten. Da Postsendungen nicht am Aufgabetag zugestellt werden, muss die Postaufgabe spätestens am erfolgt sein. Der mit dem Vorlageantrag eingebrachte Aufgabeschein weist einen Poststempel vom auf. Laut der mit dem Vorlageantrag eingebrachten Sendungsverfolgung erfolgte die Postaufgabe am 7. September um 9:22 Uhr und die Zustellung am 8. September um 8:51 Uhr.
Sohin erfolgte die Postaufgabe der Beschwerdeschriften am .

§ 108 Abs. 4 BAO bestimmt: "Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet." Sohin wurden die Beschwerden fristgerecht eingebracht; und über die Beschwerden ist inhaltlich (meritorisch) zu entscheiden.

§ 303 BAO wurde durch FVwGG 2012, BGBl. I 14/2013 neu gefasst. Die mit in Kraft getretenen Absätze 1 und 2 des § 303 idF BGBl. I 14/2013 bestimmen:
"(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird."

Der Wiederaufnahmstatbestand des § 303 Abs. 1 lit. a BAO wird Erschleichungstatbestand genannt, derjenige des § 303 Abs. 1 lit. b BAO Neuerungstatbestand und derjenige des § 303 Abs. 1 lit. c BAO Vorfragentatbestand.

§ 303 Abs. 2 lit. b BAO erfordert nicht, dass im Wiederaufnahmsantrag der geltend gemachte Wiederaufnahmstatbestand angegeben wird. Die Umstände im Sinne der lit. a bis c des § 303 BAO sind im Wiederaufnahmsantrag anzugeben, wobei mit dieser Angabe für den nun folgenden Verfahrensgang (insb. Rechtsmittelverfahren) festgelegt ist, anhand welcher Umstände zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme vorliegen. D.h. es sind die mit dem Wiederaufnahmsantrag geltend gemachten Umstände darauf zu untersuchen, ob zumindest einer dieser Umstände einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund darstellt. Unzulässig ist hingegen die nachträgliche Geltendmachung eines Umstandes als Wiederaufnahmsgrund, das sogenannte Nachschieben eines Wiederaufnahmsgrundes, im Rechtsmittelverfahren.

Im Wiederaufnahmsantrag des Bf. vom wurden erkennbar als Wiederaufnahmsgründe (Umstände iSd § 303 Abs. 1 lit. a bis c BAO) geltend gemacht: das Erkenntnis des bzw. die darin erfolgte Rechtsauslegung sowie die zu Unrecht erfolgte Versteuerung seiner Taggelder sowie die E-Mail vom , auf welche im Antrag verwiesen wurde.

Nichts deutet darauf hin, dass davon der Erschleichungstatbestand betroffen sein könnte.

Der Neuerungstatbestand wird vom VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0058 (bekräftigt durch ) folgendermaßen interpretiert: "Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. ).
Mit dem FVwGG 2012 erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag (vgl. auch diesbezüglich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2007 BlgNR 24. GP 22). Nicht geändert wurde aber insbesondere, dass der Wiederaufnahmeantrag u.a. die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit. b BAO idF vor FVwGG 2012; § 303 Abs. 2 lit. b BAO idF FVwGG 2012).
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. ).
Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind."

Daher ist das Neuhervorkommen der vom Bf. geltend gemachten Umstände daran zu messen,

  • ob sie hinsichtlich Einkommensteuer 2017 am (Erlassung des verfahrensabschließenden Bescheides) existierten und erst danach dem Bf. bekannt wurden, d.h. aus seiner Sicht neu hervorgekommen sind,

  • bzw. ob sie hinsichtlich Einkommensteuer 2018 am (Erlassung des verfahrensabschließenden Bescheides) existierten und erst danach dem Bf. bekannt wurden, d.h. aus seiner Sicht neu hervorgekommen sind:

Das Erkenntnis des samt der darin erfolgten Rechtsauslegung existierten sowohl am als auch am noch nicht, und konnten daher nicht neu hervorkommen. Vielmehr sind sie neu entstanden. Außerdem handelt es sich bei einem Erkenntnis des VwGH und seinem Inhalt weder um ein Beweismittel noch um eine Tatsache iSd § 303 BAO. Denn Tatsachen iSd § 303 BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften; Tatsachen sind nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge, soweit sie rational feststellbar sind, etwa Ansichten, Absichten oder Gesinnungen wie zB die Zahlungswilligkeit (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 21)

Im weitesten Sinne kann die E-Mail vom als Beweismittel angesehen werden. Aber sie existierte sowohl am als auch am noch nicht und konnte daher nicht neu hervorkommen. Vielmehr ist sie neu entstanden.

Die Unrichtigkeit der Versteuerung der Taggelder des Bf. in den Jahren 2017 und 2018 ist keine Tatsache iSd § 303 BAO, sondern das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung.

Die Vorgänge der Versteuerung der Taggelder des Bf. im Jahr 2017 und im Jahr 2018 sind Tatsachen. Jedoch war die Tatsache der Versteuerung der Taggelder des Jahres 2017 dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Bescheides) bekannt und konnte für den Bf. nicht neu hervorkommen. Und die Tatsache der Versteuerung der Taggelder des Jahres 2018 war dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Bescheides) bekannt und konnte für den Bf. nicht neu hervorkommen.

Mit den Beschwerden wurden die vom Bf. unterschriebenen Verzichtserklärungen gemäß § 39a BDG als Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht. Die Verzichtserklärungen aus 2017 waren dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Einkommensteuerbescheides 2017) bekannt und konnten für den Bf. nicht neu hervorkommen. Die Verzichtserklärungen aus 2018 waren dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Einkommensteuerbescheides 2018) bekannt und konnten für den Bf. nicht neu hervorkommen.

Weiters kann auch der Erlass Geschäftszahl vom , welcher den Beschwerden beilag, nicht neu hervorgekommen sein, weil er am und am noch nicht existierte. Vielmehr ist er neu entstanden.

Am erfolgte - wie seitens des Bf. vorgebracht - die Meldung von je 60,00 € Spenden des Bf. in den Jahren 2017 und 2018 an "***3***" (Hilfe für ***2***). Diese durch den Bf. erfolgten Spenden sind Tatsachen. Allerdings waren die Spenden im Jahr 2017 dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Einkommensteuerbescheides 2017) bekannt und konnten für den Bf. nicht neu hervorkommen. Und die Spenden im Jahr 2018 waren dem Bf. am (Erlassung des verfahrensabschließenden Einkommensteuerbescheides 2018) bekannt und konnten für den Bf. nicht neu hervorkommen. Im Übrigen können zusätzliche Umstände nicht erstmals im Rechtsmittelverfahren als Wiederaufnahmsgründe wirksam geltend gemacht werden.

Das Erkenntnis des , betreffend einen Polizisten hinsichtlich Reisezulagen (Taggelder) der EU-Agentur Frontex ist keine Entscheidung über eine Vorfrage, von der die Einkommensteuerbescheide 2017 und 2018 des Bf. abhängig waren. Eine Wiederaufnahme beim Vorfragentatbestand würde nämlich u.a. voraussetzen, dass dieses Erkenntnis des VwGH gegenüber dem Bf. bindend (rechtskräftig) geworden ist (vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz 40). Dies kann aber nicht sein, weil der Bf. nicht Partei (Revisionswerber) des VwGH-Verfahrens zur Zahl Ro 2018/13/0008 gewesen ist. Vgl. auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO, Anm. 22 zu § 303: Die Entscheidung, in der über eine Rechtsfrage, die von einer (anderen) Abgabenbehörde als Vorfrage zu behandeln war, von der hiefür zuständigen Behörde oder dem hiefür zuständigen Gericht als Hauptfrage abgesprochen wurde, muss sowohl für die Abgabenbehörde, welche die Vorfrage beurteilt hat, als auch für die Partei (§ 78) des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend sein.
Das Hervorkommen einer Entscheidung eines (innerstaatlichen) Höchstgerichtes vermittelt dementsprechend keine Berechtigung zur Wiederaufnahme all jener (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren, in denen die gleiche Rechtsfrage abweichend beantwortet worden war. Eine Vorfrage kann nicht durch ein Erkenntnis des VwGH entschieden werden, das in einem anderen, wenn auch rechtlich gleich zu beurteilenden Fall ergangen ist (vgl VwSlg 644 F/1952 sowie ). Unabhängig von der fehlenden Parteienidentität kommt als Vorfrage nämlich nur eine Frage in Betracht, zu deren verbindlicher Beantwortung die entscheidende (Abgaben-)Behörde im konkreten Verfahren sachlich nicht zuständig ist.

Das Neuhervorkommen aus Sicht des Finanzamtes ist bei der Wiederaufnahme auf Antrag unerheblich. Es mag im vorliegenden Fall durchaus sein, dass aus Sicht des Finanzamtes Tatsachen neu hervorgekommen sind, die aus dem Wiederaufnahmsantrag des Bf. und aus seinen Rechtsmitteln und aus der nachträgliche Übermittlung einer Mitteilung über abzugsfähige Spenden dem Finanzamt bekannt geworden sind. Die "Sache" des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist jedoch durch die Entscheidung über die beantragte Wiederaufnahme begrenzt. Eine Abänderung der angefochtenen Bescheide dahingehend, dass sie die amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren aussprächen, würde die durch die "Sache" begrenzte Abänderungsbefugnis des BFG gemäß § 279 BAO überschreiten.

Die beantragten Wiederaufnahmen der Einkommensteuerverfahren für die Jahre 2017 und 2018 werden daher nicht bewilligt; die Beschwerden sind abzuweisen.

Zur (Un)Zulässigkeit der (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die wesentliche zu lösende Rechtsfrage, nämlich aus wessen Sicht (Finanzamt oder Antragsteller) das Neuhervorkommen bei der beantragten Wiederaufnahme zu beurteilen ist, durch und beantwortet worden. Somit ist die (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100268.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at