Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2021/15/0040. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R. und die weiteren Senatsmitglieder R2, L1 und L2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Michael Pirker, Völkendorfer Straße 43, 9500 Villach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 Bundesabgabenordnung (BAO) in der Sitzung am nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt Spittal Villach die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 und für die Zeiträume 01 bis 09/2014 fest und verfügte die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für die Zeiträume 01 und 04/2014. Begründend wurde auf die abschließenden Feststellungen einer abgabenbehördlichen Prüfung vom verwiesen, wonach die Beschwerdeführerin (Bf.) aus China stammende Waren zunächst in den slowenischen Seehafen Koper und von dort in den weitaus überwiegenden Fällen nach Österreich verbracht, hier verzollt und sodann nach Italien und Ungarn weitergeleitet habe. In einigen Fällen sei auch eine direkte Beförderung von Koper nach Ungarn erfolgt. In China ansässige Unternehmen würden dabei als Lieferer auftreten und Rechnungen ausstellen, die Bf. werde in den Rechnungen als Empfänger angegeben, sie verrechne diese Waren an verschiedene Abnehmer in Italien oder Ungarn. Mit der Abwicklung der Einfuhrformalitäten sei eine Spedition beauftragt worden, die Bf. werde Schuldnerin der Umsatzsteuer. Da sie die Waren aber nicht erwerbe und auch bei der Einfuhr umsatzsteuerlich über sie nicht verfügungsberechtigt sei, könne ein Vorsteuerabzug nicht vorgenommen werden.
Gegen diese Bescheide hat die Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4100072/2015, wurde der Beschwerde Folge gegeben. Der Umsatzsteuerbescheid 2013 wurde abgeändert, die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 01 und 04/2014 ersatzlos aufgehoben und die Beschwerde betreffend die zugehörigen Sachbescheide als gegenstandslos erklärt. Die Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 2,3 und 5-9/2014 wurden ersatzlos aufgehoben. Das Bundesfinanzgericht kam dabei zur Ansicht, die Bf. habe Verfügungsmacht über die eingeführten Waren erlangt und sei sohin zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.
Gegen dieses Erkenntnis hat das Finanzamt Spittal Villach Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022-6, wurde das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte dabei aus, die Bf. habe Leistungen im Zusammenhang mit dem Transport erbracht, während die Lieferung der Ware als unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgt zu werten sei. Soweit in diesem Zusammenhang der Bf. auch die Verfügungsbefugnis an Gegenständen - etwa durch die Übergabe von Traditionspapieren - eingeräumt wurde, diene dies lediglich dazu, diese Abwicklung durch die Bf. zu ermöglichen. Es liege somit eine sonstige Leistung der Bf. vor.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4100657/2018, wurde die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen auf die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Im Erkenntnis wurde auch festgestellt, dass die Eheleute ***1*** am Frau ***2*** vom Finanzamt Spittal Villach aufsuchten, um Auskunft in Bezug auf diverse sich ergebende steuerrechtliche Fragen in Bezug auf die Tätigkeit der Bf. einzuholen. Gegenüber Frau ***2*** sei nicht der vollständige Sachverhalt offengelegt, insbesondere seien keine Verträge und Unterlagen vorgelegt worden. Die Auskünfte seien zudem unverbindlich und ohne rechtliches Präjudiz erteilt worden.
Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde zu Zl. E 1382/2019 wurde mit Beschluss vom mit der Begründung abgelehnt, § 12 Abs.1 Z.1 UStG schließe den Leistungsempfänger, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, nicht vom Vorsteuerabzug aus. Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde bereits mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom keine Folge gegeben, da die aktuell bestehende finanzielle Lage allein durch die Vorlage der Jahresabschlüsse für die Jahre 2013 bis 2017 nicht entsprechend belegt wurde.
Bereits mit Eingabe vom beantragte die Bf. beim Zollamt Klagenfurt Villach den Betrag von € 395.000,00 bereits entrichteter Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 236 Zollkodex (ZK) bzw. Art. 239 ZK zu erstatten. Der Antrag wurde mit Bescheid des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , Zl. 420000/60246/2015, abgewiesen. Eine dagegen am erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4200120/2016, als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.2 ZK iVm Art. 201 und Art. 71 Abs.2 Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStRL), § 2 Abs.1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) und § 26 Abs.1 UStG die Einfuhrumsatzsteuerschuld mit der Annahme der Zollanmeldung entstanden und diese daher nicht gemäß Art. 236 ZK erstattungsfähig ist. Hinsichtlich des Antrages nach Art. 239 ZK wurde die Existenzgefährdung zwar bejaht, die Erstattung der verfahrensgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer würde sich aber nur zugunsten der Darlehensgeber, die die beim Zollamt Klagenfurt Villach entrichtete Einfuhrumsatzsteuer vorfinanziert haben, auswirken, da deren Forderungen zur Gänze befriedigt würden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Erstattung (Nachsicht) nicht zu gewähren, wenn sie sich nur zugunsten anderer Gläubiger auswirken würde.
Mit Eingabe vom beantragte die Bf., die gesamte nicht zum Vorsteuerabzug zugelassene Einfuhrumsatzsteuer, mit Ausnahme des Betrages von knapp € 400.000,00, der einem Verfahren nach dem Zollrecht unterliegt, gemäß § 236 BAO nachzusehen. Begründend wurde zum einen auf die Gefährdung der Existenz der Bf. (persönliche Unbilligkeit) verwiesen, da die Einhebung der vorgeschriebenen Umsatzsteuer die sofortige Insolvenz der Bf. zur Folge hätte. Die Bf. verwies in diesem Zusammenhang auf das Vorbringen vom , wonach die Bf. im Jahre 2013 einen Bilanzgewinn von € 40.017,66 erwirtschaftet habe. 2014 sei das operative Ergebnis mit € -12.334,03 zwar negativ, aber mit Rechtskosten von € 72.335,55 belastet. Seit 2015 hätten sich nur mehr Verluste ergeben, da die Geschäftstätigkeit eingestellt wurde. Die Bf. verwies weiters auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung des Bundesfinanzgerichtes vom in der Rechtssache RV/4200120/2016, wonach bei Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten die Geschäftstätigkeit mit einem anderen Konstrukt wiederaufgenommen werden könnte und auf den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an den Verfassungsgerichtshof vom . Zum anderen machte die Bf. auch die Unbilligkeit nach Lage der Sache geltend. Die Belastung der Bf. mit der Einfuhrumsatzsteuer widerspreche zumindest wertungsmäßig der Rechtsprechung des EuGH zum Neutralitätsgrundsatz im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem (, Rn. 29,30). Die endgültige Belastung der Bf. mit der Einfuhrumsatzsteuer stelle einen atypischen Vermögenseingriff dar, mit dem sie nicht habe rechnen müssen. Die Bf. habe sich vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit beim zuständigen Finanzamt erkundigt, ob ihr Geschäftsmodell mit den umsatzsteuerlichen Vorgaben kompatibel sei. Dies hätte ihr das Finanzamt - wenn auch nicht rechtsverbindlich - bestätigt. Auch das Bundesfinanzgericht habe diese Rechtsansicht zunächst geteilt. Die Interpretation der umsatzsteuerlichen Bestimmungen durch den Verwaltungsgerichtshof sei willkürlich, weswegen sie durch Billigkeitsmaßnahmen aufgefangen werden müssten. Auch nach der Rechtsprechung des EuGHs sei es erforderlich, dass Steuerpflichtige ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen, bevor sie das Geschäft abschließen (, C-492/13), diese haben dabei das Recht ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sich ihre Steuerschuld in Grenzen hält (, C-255/02). Die Finanzverwaltung hätte der Bf. daher jedenfalls nach Treu und Glauben und wegen des Vertrauensschutzes eine Übergangsfrist einräumen müssen, sich auf die neue geänderte Rechtsauffassung des Finanzamtes einzustellen. Die Bewilligung des "EV-Verfahrens" anlässlich der jeweiligen Zollabfertigung sei auch präjudiziell für den Vorsteuerabzug nach § 12 Abs.1 Z.21 UStG, jedenfalls begründe diese Entscheidung einen Vertrauensschutz. Es liege also eine unbillige Härte vor, wenn die steuerlichen Regeln nachträglich umgestellt werden und dadurch die Bf. in ihrer wirtschaftlichen Existenz ernsthaft gefährdet werde. Im Übrigen lägen für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung in Form eines "Umsatzsteuerkarussells" keine verwertbaren Nachweise vor. Schließlich stehe der Republik Österreich die Umsatzsteuer auch wirtschaftlich nicht zu, da die Waren erst in Italien in den Wirtschaftskreislauf eingegangen sind und dort der Erwerbsbesteuerung unterliegen.
Mit Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom wurde der Antrag um Bewilligung einer Nachsicht gemäß § 236 BAO abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass derzeit ein vollstreckbarer Rückstand an Umsatzsteuer 2013 in Höhe von € 1.404.345,15 und an Umsatzsteuer 2014 in Höhe von € 1.643.822,66 bestehe. Eine persönliche Unbilligkeit könne in Entsprechung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom allein aus der Vorlage der Jahresabschlüsse 2013 bis 2017 nicht entsprechend belegt werden. Eine sachliche Unbilligkeit wiederum ist der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen und müsse seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine von Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst habe und zudem der Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (VwGH 22.3.1005, 94/13/0264). Ein solcher atypischer Vermögenseingriff bestehe nicht, da zum einen nach der Rechtsprechung des EuGHs (C-439/04) kein Recht auf Vorsteuerabzug bestehe, wenn der Abnehmer wusste oder wissen hätte müssen, dass der betreffende Umsatz mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sei. Zum anderen könne sich die Bf. nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, da bereits das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom , RV/4100657/2018, festgestellt habe, dass die belangte Behörde mangels Kenntnis der vollständigen Vertragslage nicht imstande gewesen sei, eine umfassende rechtliche Beurteilung des Falles abzugeben.
Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Bf. sei nur in den Jahren 2013 und 2014 operativ tätig gewesen, habe kaum mehr Anlagevermögen (2019: € 0,28), habe die Warenvorräte zur Gänze verkauft, besitze Forderungen mittlerweile nur mehr im geringen Ausmaß (2019: € 5.378,58), die Guthaben bei Banken und die Kassenbestände seien erschöpft und mit Ausnahme der Abgabenschuldigkeiten bestünden Verbindlichkeiten in Höhe von € 370.736,85. Die Verbindlichkeiten, welche das wirtschaftliche Ende der Bf. bedeuten würden, bestehen daher ausschließlich gegenüber Abgabenbehörden (€ 3.048.167,81), alle anderen würden keine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen. Die Bf. beantragte, von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand zu nehmen, die Entscheidung über die Beschwerde gemäß § 272 Abs.2 Z.1 BAO durch den gesamten Senat und gemäß § 274 Abs.1 Z.1 BAO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
In der mündlichen Verhandlung vom wies der Vertreter der Bf. neuerlich darauf hin, dass sich die Geschäftsführerin der Bf. vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit beim zuständigen Finanzamt nach der Rechtmäßigkeit des Geschäftsmodells erkundigt habe. Die Bf. habe sämtliche steuerrechtlichen Vorschriften penibel eingehalten, sämtliche UID-Nummern abgefragt und die zusammenfassenden Meldungen erstellt. Die Bf. verfüge auch zum Teil über Nachweise, dass die italienischen Kunden den innergemeinschaftlichen Erwerb den dortigen Finanzbehörden gemeldet haben. Über die Versteuerung von Folgeumsätzen sei nichts bekannt. Zur wirtschaftlichen Situation der Bf. führte deren Vertreter aus, dass die beim Zollamt Klagenfurt Villach entrichtete EUSt von der chinesischen Firma ***3*** vorfinanziert wurde, die Firma aber nicht mehr auffindbar bzw. existent sei. Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen seien nach Verstreichen der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr einklagbar. Die Bf. gehe davon aus, dass sie im Rechtsstreit letztlich doch noch obsiegen werde und ihre Tätigkeit nach dem bisherigen Geschäftsmodell wiederaufnehmen könne. Sollte es bei der derzeitigen Rechtslage bleiben, müsse ein neues Geschäftsmodell erst gefunden werden. Die Vertreterin des Finanzamtes Spittal Villach sprach der Geschäftsführerin der Bf. ein steuerliches Wohlverhalten ab, da es bei einem derart komplizierten Sachverhalt untunlich sei, eine mündliche Anfrage zu stellen. Derartig schwierige Sachverhalte würden eine schriftliche Anfrage unter Vorlage sämtlicher Unterlagen und eine schriftliche Anfragebeantwortung erfordern.
Mit E-Mail vom wies der Vertreter der Bf. ergänzend darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom offenbar davon ausgeht, dass der Bf. der Vorsteuerabzug zustehe. Mit E-Mail vom teilte der Vertreter der Bf. mit, dass, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat, keine ao. Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bf., eine in der Rechtsform einer GmbH geführte Import-Export Firma besteht aus den Gesellschaftern ***4*** (zugleich Geschäftsführerin), ***5***, ***6*** und ***7***.
Das Geschäftsmodell der Firma bestand darin, dass zunächst Rahmenverträge mit chinesischen Lieferanten und Kunden in Europa abgeschlossen wurden und in der Folge aus China stammende Waren zunächst in den slowenischen Seehafen Koper und von dort in den weitaus überwiegenden Fällen nach Österreich verbracht, in Österreich verzollt und sodann nach Italien und Ungarn weitergeleitet wurden. In einigen Fällen erfolgte auch eine direkte Beförderung von Koper nach Ungarn. In China ansässige Unternehmen traten dabei als Lieferer auf und stellten Rechnungen aus, in denen die Bf. als Empfänger angegeben wurde. Die Bf. verrechnete diese Waren an verschiedene Abnehmer in Italien oder Ungarn weiter. Die Bestellungen erfolgten direkt von den Endkunden beim chinesischen Lieferanten oder über ein von der Bf. beauftragtes Unternehmen, der Zahlungsfluss erfolgte direkt vom Endkunden an den chinesischen Lieferanten. Mit der Abwicklung der Einfuhrformalitäten wurde eine Spedition beauftragt, die Bf. erhielt für ihre Mühewaltung ein pauschales Entgelt je Container. Die Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr der Europäischen Union mittels "Verfahrenscode 4000" erfolgte in Österreich unter Inanspruchnahme des § 26 Abs.3 Z.2 UStG, Anmelderin der Waren beim Zollamt Klagenfurt Villach war die Bf.. Die Warenlieferungen an die Kunden in Italien oder Ungarn wurden anschließend als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Abnehmer behandelt.
Vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit suchten die Eheleute ***1*** am Frau ***2*** vom Finanzamt Spittal Villach auf, um Auskunft in Bezug auf diverse sich ergebende steuerrechtliche Fragen in Bezug auf die Tätigkeit der Bf. einzuholen. Gegenüber Frau ***2*** wurde aber nicht der vollständige Sachverhalt offengelegt, insbesondere wurden keine Verträge und Unterlagen vorgelegt. Die Auskunft, dass das beabsichtigte Geschäftsmodell mit den umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben kompatibel sei, wurde unverbindlich und ohne rechtliches Präjudiz erteilt.
Die Firma begann daraufhin mit der Aufnahme der Geschäftstätigkeit. Im Jahre 2013 wurde ein Bilanzgewinn von € 40.017,66 erzielt.
Ab wurde eine Betriebsprüfung des Finanzamtes Spittal Villach bei der Bf. durchgeführt. Parallel dazu erfolgte auch eine Betriebsprüfung durch das Zollamt Klagenfurt Villach. Das Zollamt Klagenfurt Villach stellte dabei fest, dass die Bf. umsatzsteuerlich nicht über die Waren verfügungsberechtigt war und diese nicht für ihr Unternehmen eingeführt hatte. Am teilte das Zollamt Klagenfurt Villach mit, hinkünftig die Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 26 Abs.3 Z.1 UStG zu erheben. Die noch auf dem Seeweg befindlichen Waren wurden weiter beim Zollamt Klagenfurt Villach verzollt und die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 395.250,27 mit Fremdmitteln entrichtet. Danach stellte die Bf. ihre Geschäftstätigkeit ein.
Auch das Finanzamt Spittal Villach kam im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom zum Ergebnis, dass die Bf. keine Waren, die sie anschließend weiterliefert, erwirbt und auch bei der Einfuhr umsatzsteuerlich über sie nicht verfügungsberechtigt ist, sodass ein Vorsteuerabzug nicht vorgenommen werden kann.
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt Spittal Villach die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 und für die Zeiträume 01 bis 09/2014 fest und verfügte die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuerfestsetzung für die Zeiträume 01 und 04/2014.
Gegen diese Bescheide hat die Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4100072/2015, wurde der Beschwerde Folge gegeben. Der Umsatzsteuerbescheid 2013 wurde abgeändert, die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Umsatzsteuer 01 und 04/2014 ersatzlos aufgehoben und die Beschwerde betreffend die zugehörigen Sachbescheide als gegenstandslos erklärt. Die Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume 2,3 und 5-9/2014 wurden ersatzlos ausgehoben. Das Bundesfinanzgericht kam dabei zur Ansicht, die Bf. habe Verfügungsmacht über die eingeführten Waren erlangt und sei sohin zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022-6, wurde das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte dabei aus, dass die Bf. Leistungen im Zusammenhang mit dem Transport erbracht hat, während die Lieferungen der Waren unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgten. Die Bf. hat somit eine sonstige Leistung erbracht.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4100657/2018, wurde die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Spittal Villach vom in Entsprechung der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde zu Zl. E 1382/2019 wurde mit Beschluss vom abgelehnt.
Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4200120/2016, wurde ein Antrag auf Erstattung gemäß Art. 236 und 239 ZK der beim Zollamt Klagenfurt Villach entrichteten Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 395.250,27 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.2 ZK iVm Art. 201 und Art. 71 Abs.2 Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStRL), § 2 Abs.1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) und § 26 Abs.1 UStG die Einfuhrumsatzsteuerschuld mit der Annahme der Zollanmeldung entstanden und diese daher nicht gemäß Art. 236 ZK erstattungsfähig ist. Hinsichtlich des Antrages nach Art. 239 ZK wurde die Existenzgefährdung zwar bejaht, die Erstattung der verfahrensgegenständlichen Einfuhrumsatzsteuer würde sich aber nur zugunsten der Darlehensgeber, die die beim Zollamt Klagenfurt Villach entrichtete Einfuhrumsatzsteuer vorfinanziert haben, auswirken, da deren Forderungen zur Gänze befriedigt würden.
Die Bf. verfügt mittlerweile praktisch über kein Anlagevermögen und über keine Barmittel. Die Forderungen belaufen sich auf € 5.378,58, die offenen Verbindlichkeiten mit Ausnahme jener bei Abgabenbehörden betragen laut Bilanz € 370.736,85. Bei diesem Betrag ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Summe von € 238.968,63 (Darlehen ***3***) aus der Finanzierung der beim Zollamt Klagenfurt Villach entrichteten EUSt herrührt und zur Firma ***3*** kein Kontakt mehr hergestellt werden konnte. Die seit länger als drei Jahren bestehenden sonstigen Verbindlichkeiten sind bereits verjährt.
Ein gegen die Bf. bzw. deren Verantwortliche wegen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs.2 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) geführtes Finanzstrafverfahren wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingestellt. Ein vom Zollamt Klagenfurt als Finanzstrafbehörde erster Instanz eingeleitetes Verfahren wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung wurde ebenfalls eingestellt. Auch beim Finanzamt Spittal Villach ist kein Finanzstrafverfahren anhängig.
Die Bf. beabsichtigte, nach einem Obsiegen im Rechtsstreit die Geschäftstätigkeit mit ihrem Geschäftsmodell wiederaufzunehmen. Ein konkreter Plan für die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit mit einem geänderten Geschäftsmodell besteht nicht.
Beweiswürdigung
Gemäß § 166 BAO kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß Abs.2 leg. cit. hat im Übrigen die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt des vom Finanzamt Spittal Villach vorgelegten Abgabenaktes, insbesondere auf das Schreiben der Bf. vom , die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom , das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022, die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. 4100657/2018 und vom , GZ. RV/420000/60246/2015, den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. E 1382/2019, die Vermögensaufstellung in der Beschwerdeschrift und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom .
Die Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Bf. sind wie der übrige festgestellte Sachverhalt im Wesentlichen unbestritten.
Ein gegen die Bf. bzw. deren Verantwortliche wegen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs.2 des Finanzstrafgesetzes geführtes gerichtliches Finanzstrafverfahren wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingestellt. Ein vom Zollamt Klagenfurt Villach als Finanzstrafbehörde erster Instanz eingeleitetes Verfahren wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung wurde ebenfalls eingestellt. Ein strafbares Verhalten der Bf., insbesondere die Involvierung in einen "Karusselbetrug" oder eine Beteiligung an sonstigen Umsatzsteuermalversationen konnte nicht erwiesen werden. Der Bf. konnte auch keine grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Gleichzeitig liegen dem Bundesfinanzgericht keine Erkenntnisse vor, ob die Folgeumsätze der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung versteuert wurden bzw. wo in der Europäischen Union die Waren ihren endgültigen Bestimmungsort zum Verbrauch gefunden haben.
Wie das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom zu GZ. RV/4100657/2018 jedoch ausführlich begründet, ist anlässlich der Vorsprache der Eheleute ***1*** bei der für den Umsatzsteuerbereich zuständigen Fachbeamtin des Finanzamtes Spittal Villach, Frau ***2***, nicht der vollständige Sachverhalt, insbesondere nicht die abgeschlossenen Rahmenverträge, offengelegt worden. Frau ***2*** war somit nicht imstande, eine umfassende rechtliche Beurteilung des Falles abzugeben. Auf die diesbezüglichen ausführlichen Ausführungen im genannten Erkenntnis wird verwiesen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 236 Abs.1 BAO können auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Einhebung einer Abgabe nach Lage des Falles kann eine persönliche oder sachliche sein (zB . 2006/15/0337; , 2007/13/0135).
Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Sie besteht in einem Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen.
Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn durch die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen gefährdet ist. Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (zB ; , 2010/16/0219).
Die Bf. hat ihre Geschäftstätigkeit im Herbst 2014 eingestellt, da eine Fortführung der Geschäfte unter Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer beim Zollamt Klagenfurt Villach nicht mehr möglich war. Damit stellt sich für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Frage der Existenzgefährdung nicht mehr (). Die Bf. hat auch lediglich die Absicht bekundet, bei einem Obsiegen vor dem EuGH in der Sache selbst, ihre Geschäftstätigkeit wiederaufzunehmen. Bei der nunmehr bestehenden Sach- und Rechtslage besteht aber kein konkreter Plan für die Wiederaufnahme der Tätigkeit mit einem geänderten Geschäftsmodell.
Da die Geschäftstätigkeit nunmehr seit über 6 Jahren eingestellt ist, kann das Argument der Existenzgefährdung zur Darlegung einer persönlichen Unbilligkeit nicht mehr mit Erfolg vorgebracht werden.
Zur Unbilligkeit nach Lage der Sache:
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist (; 2004/16/0151; , 2013/17/0498).
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann nicht damit begründet werden, dass die Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Zudem ergibt sich selbst aus der materiellen Rechtswidrigkeit eines rechtskräftigen Bescheides noch keine Unbilligkeit der Einhebung ().
Aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2017/15/0022, steht die Rechtmäßigkeit der Abgabeneinhebung fest. Die von der Bf. aufgezeigten Urteile des Europäischen Gerichtshofes vermögen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes keine Unbilligkeit nach Lage der Sache aufzuzeigen. Auch aus dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom ergibt sich keineswegs, dass der Bf. entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes der Vorsteuerabzug zusteht, vielmehr stellt der Verfassungsgerichtshof lediglich fest, dass § 12 Abs.1 Z.2 UStG den Leistungsempfänger, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, nicht vom Vorsteuerabzug ausschließt. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ergibt sich jedoch, dass die Waren nicht für die Bf. eingeführt wurden.
Die Einfuhrumsatzsteuerschuld ist gemäß Art. 201 Abs.1 Buchstabe a ZK mit der Annahme der Zollanmeldung entstanden. Abgaben für die eine Zollschuld nach Art. 201 bis 206 ZK in dem für die jeweilige Zollschuld maßgeblichen Zeitpunkt entstanden ist, sind gesetzlich geschuldet (Witte Zollkodex6, Art. 236 Rz.4). Zollschuldner für die Einfuhr einer einfuhrabgabepflichtigen Ware und damit gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist der Anmelder, also die Bf.. Durch die Überführung der Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit dem "Verfahrenscode 4000" sind die Waren im Mitgliedstaat Österreich in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union eingegangen. Hinsichtlich der Einhebung der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuer liegt jedenfalls keine Unbilligkeit nach Lage der Sache vor.
Nun hat aber die Bf. anlässlich der jeweiligen Zollanmeldung erklärt, dass die Waren für ihr Unternehmen eingeführt werden und sie von der Regelung des § 26 Abs.3 UStG Gebrauch macht. Aufgrund des durchgeführten Abgabenverfahrens steht fest, dass die Erklärung der Bf. unrichtig ist, da der wirtschaftliche Gehalt des von ihr gewählten Geschäftsmodells darin bestand, Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports zu erbringen, während die Lieferung der Ware als unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden erfolgte. Die Bf. ist daher nicht gemäß §12 Abs.1 Z.2 lit.a UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Bf. ist somit nicht Teil der Lieferkette, sondern hat nur sonstige Leistungen im Rahmen des Transports erbracht. Die Versagung des Vorsteuerabzuges ist somit der atypischen Gestaltung des von der Bf. gewählten Geschäftsmodells geschuldet, es liegt kein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis vor. Es ist die gewollte klare Folge der Rechtslage und kein außergewöhnliches Ergebnis einer besonderen Einzelfallkonstellation, wenn der Bf. anlässlich der Einfuhr der Waren der Vorsteuerabzug versagt wurde, weil die Einfuhr nicht für ihr Unternehmen erfolgt ist. Dass die Bf. in ihrer Kalkulation die Entrichtung der EUSt nicht einberechnet hat, liegt im Wesen des unternehmerischen Risikos.
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass auch keine rechtskräftige Bestätigung des "EV-Verfahrens" und daher kein Präjudiz für einen Vorsteuerabzug vorliegt. Die bei den Mitteilungen nach Art. 221 ZK des Zollamtes Klagenfurt Villach enthaltenen Erläuterungen "5EV … EUSt-Anwendung von § 26 Abs.3 Z.2 UStG" und die Hinweise auf den Regelungsinhalt des § 26 Abs.5 UStG sind kein normativer Bestandteil eines Bescheidspruches und stellen nach Ansicht des VwGH (Ra 2018/16/0118 vom ) keine begünstigenden Entscheidungen im Sinn des Art. 8 ZK bzw. Art. 27 UZK dar. Diesbezüglich besteht auch kein Vertrauensschutz, da die diesbezüglichen Angaben von der Bf. in der Zollanmeldung getätigt wurden.
Zur erteilten Auskunft des Finanzamtes Spittal Villach:
Das im Art. 18 Abs.1 B-VG normierte Legalitätsgebot ist zwar stärker als der Grundsatz von "Treu und Glauben"; der Grundsatz von "Treu und Glauben" kann sich aber etwa in jenem Bereich auswirken, in welchem es auf Fragen der Billigkeit ankommt (vgl. zB , 0043). "Treu und Glauben" ist nach der Rechtsprechung eine allgemeine ungeschriebene Rechtsmaxime, die auch im öffentlichen Recht, somit auch im Steuerrecht - nach Maßgabe des eben Gesagten - zu beachten ist. Gemeint ist damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben. Auch unrichtige Auskünfte im Einzelfall können einen gewissen Vertrauens- und Dispositionsschutz auslösen sowie bei der dessen ungeachtet gebotenen Anwendung des Gesetzes eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs.1 BAO und damit die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten zur Folge haben (vgl. ). Dieselben Erwägungen haben für nicht bescheidförmige Zusagen zu gelten.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen, dass anlässlich der Vorsprache der Eheleute ***1*** bei der für den Umsatzsteuerbereich zuständigen Fachbeamtin des Finanzamtes Spittal Villach, Frau ***2***, nicht der vollständige Sachverhalt, insbesondere nicht die abgeschlossenen Rahmenverträge, offengelegt wurde, war Frau ***2*** somit nicht imstande, eine umfassende rechtliche Beurteilung des Falles abzugeben. Die Bf. kann sich daher im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht auf die erteilte Auskunft berufen.
Sie hat vielmehr von sich aus ein atypisches Rechtskonstrukt gewählt, bei dem sie selbst Zweifel an der Gewährung des Vorsteuerabzuges hatte. Dennoch hat sie das Geschäftsmodell umgesetzt und sich daher selbst der Gefahr ausgesetzt, dass dieses nicht mit den umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben kompatibel ist.
Nach Ansicht des erkennenden Senates liegt daher auch keine Unbilligkeit nach Lage der Sache vor, da die Entrichtung der EUSt und die Versagung des Vorsteuerabzuges Ausfluss der allgemeinen Rechtslage sind. Es liegt der Abgabeneinhebung kein ungewöhnlicher Geschehensablauf zugrunde, der zu einem vom Gesetzgeber offenbar nicht gewolltem Ergebnis führt und eine anormale Belastungswirkung der Nachsichtswerberin darstellt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die mit dem vorliegenden Erkenntnis zu lösenden Rechtsfragen ergeben sich aus dem Wortlaut der angewendeten einschlägigen Bestimmungen und stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100723.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at