Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2021, RV/5100360/2020

Kosten der doppelten Haushaltsführung Pflegebedürftigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Norbert Zöls in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung 2018 machte der Beschwerdeführer (Bf) an Werbungskosten Kosten für Familienheimfahrten sowie der doppelten Haushaltsführung geltend.

Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung wurde u.a ein Mietvertrag und eine Bescheinigung der ausländischen Steuerbehörde für den Bf selbst vorgelegt.

Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom (Arbeitnehmerveranlagung ) wies eine Gutschrift in Höhe von 52,00 € aus. Die geltend gemachten Werbungskosten wurden nicht anerkannt, weil der Bf keine Gründe nachgewiesen habe, die die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen.

In der Beschwerde vom führte der Bf aus, dass er mindestens zweimal im Monat nach Hause fahren müsse, da er seine Familie in Ungarn habe und es ihm nicht möglich sei, diese von Österreich aus zu unterstützen.

Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt den Bf neuerlich zur Vorlage von Unterlagen auf. So sollten insbesondere eine Haushaltsbestätigung der Gemeinde im Ausland, die Zahlungsbelege für die Miete vorgelegt und das Einkommen der Ehegattin bekannt gegeben werden. Mit Eingabe vom legte der Bf Aufzeichnungen bezüglich der Familienheimfahrten und Tankrechnungen vor. Weiters gab er bekannt, dass der Familienwohnsitz von der Wohnmöglichkeit 744 km entfernt sei. Für die Fahrten habe er seinen Privat-PKW benützt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. So seien trotz zweimaliger Aufforderung die noch benötigten Unterlagen (Reiseaufzeichnungen, Tankrechnungen, Servicerechnungen, Nachweis der bezahlten Miete, Haushaltsbestätigung der ungarischen Gemeinde, …) nicht vorgelegt worden.

Im Vorlageantrag vom wurden keine neuen Gründe vorgebracht.

Ein Vorhalt des Verwaltungsgerichtes wurde mit Schreiben vom wie folgt beantwortet: Als Bauarbeiter arbeite er auf verschiedenen Baustellen. Derzeit sei sein Arbeitsplatz in der Nähe des Nebenwohnsitzes. Es gebe keine Garantie, dass er nach einem Jahr oder gar nach 3 Wochen arbeiten könne. Einen Hauptwohnsitz würde er sich deshalb nicht in Österreich nehmen, da es passieren könne, dass er arbeitslos werde. Der andere Grund sei seine Familie. Obwohl er keine Ehepartnerin und keine Kinder habe, habe er eine herzkranke Mutter und eine Oma, die schon 93 Jahre alt sei. 2018 habe er eine Freundin gehabt, die arbeitslos gewesen sei. Dank flexibler Arbeitszeiten, hätte er auch am Wochenende arbeiten und jede zweite Woche zu seiner Familie heimfahren können. Er wohne bei seiner Mutter, einer Pensionistin. Vater und Großvater seien bereits verstorben. Wenn er zu Hause sei, kümmere er sich um die Mutter und die Großmutter. Dann mache er Großeinkäufe, Putzerei und Verwaltung. Zeitweilig bringe er diese auch zu Untersuchungen. Dies könne er nicht von Österreich aus besorgen. Das Auto sei ein Leasingauto. Der Service müsse in Ungarn gemacht werden. Zwei Jahre lang müsste der Kredit noch bedient werden. Wegen der Corona-Krise gehe alles schwer. Unabhängig von der Entscheidung, werde er in Zukunft regelmäßig nach Hause fahren, weil ihm die Familie wichtig sei. Beigelegt waren dem Schreiben eine Meldebestätigung und ein Serviceheft.

Mit Schreiben vom forderte das Verwaltungsgericht den Bf auf, den Nachweis der besonderen Pflegebedürftigkeit zu erbringen. Zudem sollten Fragen beantwortet werden, ob er in Ungarn lediglich über ein Zimmer bei seiner Mutter verfüge oder über einen eigenen Wohnbereich. Dieser Vorhalt wurde mit Schreiben vom dahingehend beantwortet, dass der Nachweis einer besonderen Pflegebedürftigkeit nicht erbracht werden könne, zumal die Familienangehörigen keine tägliche Pflege benötigen. Zur Wohnsituation in Ungarn wurde nicht Stellung bezogen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt hat durch die Vorhaltsbeantwortung eine Ergänzung erfahren. Der Bf. arbeitet bereits seit fünf Jahren in Österreich, ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Der Hauptgrund für die Familienheimfahrten ist in der Fürsorge für die Mutter und die Großmutter gelegen. Der Bf hat bei seiner Mutter gewohnt. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der Bf dort keinen eigenen Wohnraum hatte. Wenn der Bf in Ungarn war, hat er die Familienmitglieder unterstützt, sei es durch Großeinkäufe, Putzen, Verwaltung bzw. bei der Begleitung zu Untersuchungen. Eine besondere Pflegebedürftigkeit im Jahr 2018 konnte nicht nachgewiesen. Der Hauptmietvertrag für die in Österreich befindliche Wohnung (40 m²) wurde am abgeschlossen.

Strittig ist inwieweit die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Werbungkosten vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 bestimmt, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden dürfen. Ebenso nicht abgezogen werden dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (lit. a) und Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen (lit. e). Kosten für Familienheimfahrten stellen demnach grundsätzlich keine Werbungskosten dar.

Erwägungen

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründe zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz).

Nach Lehre und Rechtsprechung sind Mehraufwendungen dann als Werbungskosten absetzbar, wenn sie dem Arbeitnehmer durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort erwachsen.

Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (). Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann auch eine auf Dauer angelegte Haushaltsführung gerechtfertigt sein.

Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Haushalt können für eine gewisse Übergangszeit Fahrtkosten und Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anerkannt werden. Die Verwaltungspraxis geht bei unverheirateten Arbeitnehmern von einem Zeitraum von sechs Monaten aus. Laut eigenen Angaben arbeitet der Bf bereits seit fünf Jahren in Österreich.

Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (). Auch ein allein stehender Steuerpflichtiger kann einen "Familienwohnsitz" haben. Dies ist jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (Eltern, Freunde) hat. Ein Zimmer bei den Eltern ist nicht als Haushalt anzusehen().

Nach den einschlägigen Bestimmungen und nach der Rechtsprechung verfügt der Beschwerdeführer dort nicht über einen eigenen Hausstand, und somit handelt es sich bei dem Wohnsitz, an dem auch seine Mutter wohnt, nicht um seinen Familienwohnsitz. Mangels eines solchen lagen abzugsfähige Kosten für Familienheimfahrten nicht vor. Dass er mit der Freundin einen Familienwohnsitz gehabt hätte, wurde vom Bf nicht vorgebracht.

Selbst wenn an dem Wohnsitz, an dem seine Mutter wohnt, sich der Familienwohnsitz des Beschwerdeführers befunden hätte, wäre der Beschwerde der Erfolg versagt geblieben. Nicht anders als bei verheirateten oder in Partnerschaft lebenden Personen können nur "besondere Pflegenotwendigkeiten" von Eltern eine Wohnsitzverlegung für Alleinstehende unzumutbar machen. Der Beschwerdeführer hat zunächst die Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes mit der Erledigung von Besorgungen für seine Mutter und seine Großmutter an den Wochenenden und im Urlaub begründet. Eine besondere Pflegebedürftigkeit vermochte er nicht nachzuweisen.

Das Erledigen von Besorgungen für diese Personen an den Wochenenden vermochte eine besondere Pflegebedürftigkeit nicht zu begründen. So entspringt eine Unterstützung der Eltern (Großeltern) an den Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub dem familiären Beistandsgebot und bildet allein keine ausreichende Grundlage für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung (Lenneis in Jakom, EStG, 2017, § 16 Rz 56 und ). Somit liegen aber die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung ebenso nicht vor.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im beschwerdegegenständlichen Fall ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage zu lösen war, der grundsätzlich Bedeutung zukommt und nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wurde.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100360.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at