Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.03.2021, RV/5200035/2017

Haftung nach § 11 BAO

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***BF-Adr***, vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Linz Wels (nunmehr Zollamt Österreich), vom , ***9***, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO, zu Recht erkannt:

  • Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass für den Zeitraum 01/2010 die Haftung € 177.700,80 anstatt € 252.767,14 beträgt und die Gesamthaftung auf den Betrag von € 2.542.642,92 eingeschränkt wird:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Mineralölsteuer
01/2010
€ 177.700,80
Mineralölsteuer
02/2010
€ 390.390,00
Mineralölsteuer
03/2010
€ 126.509,63
Mineralölsteuer
09/2010
€ 23.107,50
Mineralölsteuer
10/2010
€ 137.676,00
Mineralölsteuer
11/2010
€ 546.515,25
Mineralölsteuer
12/2010
€ 561.225,00
Mineralölsteuer
01/2011
€ 319.318,13
Mineralölsteuer
02/2011
€ 169.455,38
Mineralölsteuer
03/2011
€ 91.744,87
Gesamtbetrag:
€ 2.543.642,92

  • Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zahl ***7***, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 11 BAO für folgende offene Abgabenschuldigkeiten der ***3***, ***4***, zur Haftung herangezogen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Mineralölsteuer
01/2010
€ 252.767,14
Mineralölsteuer
02/2010
€ 390.390,00
Mineralölsteuer
03/2010
€ 126.509,63
Mineralölsteuer
09/2010
€ 23.107,50
Mineralölsteuer
10/2010
€ 137.676,00
Mineralölsteuer
11/2010
€ 546.515,25
Mineralölsteuer
12/2010
€ 561.225,00
Mineralölsteuer
01/2011
€ 319.318,13
Mineralölsteuer
02/2011
€ 169.455,38
Mineralölsteuer
03/2011
€ 91.744,87
Gesamtbetrag:
€ 2.618.708,90

Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Bescheidbeschwerde und beantragte die Herabsetzung der Haftungssumme auf € 200.000,00 oder in eventu die Behebung des Bescheides unter Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Abgabenbehörde. Gleichzeitig wurde der Antrag auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Begründend brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass nicht ein Gewinn in Höhe der nicht abgeführten Mineralölsteuer erwirtschaftet worden sei und die belangte Behörde durch haltlose Vermutungen zu seiner wirtschaftlichen Lage versuche, die im Gegensatz zu anderen Haftungspflichtigen in wesentlich höheren Ausmaß ausgesprochene Haftung zu rechtfertigen. Die Behörde hätte zur Vermeidung einer massiven Ungleichbehandlung richtigerweise nur eine Haftung im Bereich der Haftungsinanspruchnahme des ***5*** aussprechen müssen.

Weiters wurde vorgebracht, dass im Rahmen der Ermessensübung nach § 206 BAO von der Festsetzung der Abgaben Abstand genommen werden hätte müssen. Außerdem richte sich beim Vorhandensein von mehreren Haftenden die haftungsrechtliche Verantwortung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei zu keinem Zeitpunkt für die steuerrechtliche Abwicklung der betroffenen Gesellschaften betraut gewesen.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***8***, als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken würde.

Mit Eingabe vom wurde dagegen der Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag gemäß § 264 BAO) eingebracht.

Mit Schreiben vom wurde dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, dass die ***V*** die Vertretung übernommen habe und der Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückgezogen werde

In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeantrag insofern modifiziert, dass nunmehr die Herabsetzung der Haftung im höchstmöglichen Ausmaß beantragt werde, weil die Person, welche die Mittel für die Entrichtung der Haftungsschuld ausgeholfen hätte, nicht mehr zur Verfügung stehe. Es liege nach wie vor Vermögenslosigkeit vor. Das monatliche Einkommen betrage lediglich € 604,00.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt als einzige Tatbestandsvoraussetzung die rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes im verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (vgl. ). Der Haftungstatbestand ist durch jede Art von Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist (vgl. ). Die Haftung nach § 11 BAO trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung. Es handelt sich um eine unbeschränkte Primärhaftung (vgl. , mwH). Die Inanspruchnahme als Haftender nach § 11 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde ().

Entscheidungen, die die Abgabenhehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb diese Grenzen sind Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen (vgl. ).

Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer gemeinsam mit weiteren Personen mit den Urteilen des Landesgerichts Salzburg vom , 35 Hv 4/14x, und vom , 31 Hv 30/16v, rechtskräftig wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 FinStrG verurteilt.

Die Abgaben sind bei der Primärschuldnerin, der ***3***, ***4***, nicht mehr einbring-lich. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , Zl. 23 Se 195/11p, mangels kostendeckenden Vermögens nicht eröffnet und die Gesellschaft in der Folge wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO sind daher ohne Zweifel erfüllt.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Zweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben beim Primärschuldner uneinbringlich sind. Der Haftungsausspruch ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn eine (gänzliche oder teilweise) Abgabeneinhebung beim Haftenden entweder sofort möglich oder zu einem späteten Zeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen Ist. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitslosigkeit des Haftenden an sich in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht, zumal es eine derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (vgl. ).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund war es jedenfalls zweckmäßig, neben den anderen Tatbeteiligten auch den Beschwerdeführer zur Haftung heranzuziehen.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen zu seinen persönlichen Verhältnissen eine persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der Abgaben aufzeigen will, ist darauf zu verweisen, dass ein solcher Umstand im Rahmen der Ermessenübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ist (, zur Unmaßgeblichkeit persönlicher Umstände des zur Haftung Herangezogenen im Rahmen der Ermessenübung zur Geltendmachung der Haftung; vgl. auch und ).

Die Feststellung der Vermögenslosigkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens im Jahr 2016 (BG Urfahr, GZ ***10***) und auch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptete nach wie vor bestehende Vermögenslosigkeit und das derzeit nur geringe Einkommen ist für die Entscheidung, ob die Haftungsinanspruchnahme ermessenskonform ist, daher unerheblich.

In der Literatur wird vertreten, dass im Rahmen der Ermessensübung der Grad des Verschuldens bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners zu berücksichtigen sei, weiters darauf Bedacht zu nehmen sei, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert wurde (siehe Ritz, BAO6, § 11 Tz 5 mwH).

Im Beschwerdefall hat das Gericht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer der maßgeblich beteiligten Personen ist. Der Beschwerdeführer wurde durch den Verkürzungserfolg auch bereichert. Die Haftung nach § 11 BAO trägt den Charakter einer Schadenersatzhaftung. Dass die Haftung mit dem Bereicherungsbetrag begrenzt wäre, kann weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnommen werden.

Es ist daher unerheblich, welchen Betrag der Beschwerdeführer tatsächlich aus den Malversationen erlöst hat. Ein geringerer Grad des Verschuldens seitens des Beschwerdeführers im Vergleich zur Abgabenschuldnerin, der ***3***, vertreten durch den Geschäftsführer, ergibt sich aus den Akten ebenso nicht. Im Gegenteil, wie bereits oben angeführt, war der Beschwerdeführer nach den Feststellungen des Gerichts einer der maßgeblich an der Abgabenhinterziehung beteiligten Personen.

Der Beschwerdeführer vermag auch nichts für sich zu gewinnen, wenn er darauf hinweist, dass ***5*** nur mit einem Betrag von € 200.000,00 zur Haftung herangezogen worden sei. Hinsichtlich der hier betroffenen Abgabenschuldigkeiten der ***3*** ist ***5*** nach den oben angeführten Urteilen des Landesgerichts Salzburg nicht verurteilt worden. Er war auch nicht Geschäftsführer dieser Gesellschaft.

Soweit der Beschwerdeführer weiters vorbringt, nicht für die Abgabenangelegenheiten zuständig gewesen zu sein, ist ihm entgegenzuhalten, dass es darauf im Rahmen der Haftung nach § 11 BAO nicht ankommt. Die diesbezügliche Aussage wurde wohl der Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung gemäß § 9 BAO entnommen.

Ebenso geht der Hinweis auf § 206 BAO ins Leere. Diese Bestimmung betrifft die Festsetzung von Abgaben und gilt daher nicht für die Erlassung von Haftungsbescheiden (vgl. Elllinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 206 Anm 3). § 206 Abs. 2 leg. cit. sieht ausdrücklich vor, dass der Abgabenanspruch nicht erlischt und die Abstandnahme nicht die Befugnis, diesbezüglich persönliche Haftungen gegenüber Haftungspflichtigen geltend zu machen, berührt.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass keine Billigkeitsgründe vorliegen, die im Beschwerdefall eine Herabsetzung der Haftung als geboten erscheinen lassen bzw. rechtfertigen würde.

Allerdings war die Haftungssumme hinsichtlich jener Beträge, die zwischenzeitlich durch Einhebungsmaßnahmen hereingebracht wurden und zur teilweisen Tilgung der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten führten, zu kürzen.

Die ursprüngliche Haftungssumme von € 2.618.708,90 vermindert sich um € 75.066,34. Der aktuell noch aushaftende Betrag beträgt daher insgesamt € 2.543.642,56. Die Verrechnung der vereinnahmten Beträge erfolgte auf die Mineralölsteuer für den Monat 01/2010.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.l

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Darüber hinaus gehende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, die über den Einzelfall hinaus relevant sind, waren im Beschwerdefall nicht zu lösen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5200035.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at