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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2021, RV/7104383/2020

Familienbeihilfe Differenzzahlung - Rs. Trapowski

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der vollen (nichtindexierten) Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2019, und der Familienbeihilfe ab Jänner 2020,

1. beschlossen:

Die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde wird für den Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2019 bis zur Beendigung des beim Gerichtshof der Europäischen Union zur
Gz C-163/20 anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt.

Eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.

2. zu Recht erkannt:

Für den Beschwerdezeitraum ab Jänner 2020 wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der nichtselbständig erwerbstätige Beschwerdeführer (Bf) lebt in Österreich, ist ledig, und beantragte am für seinen Sohn V. S., geb. am Oktober 2018, die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Geburt.

Die Kindesmutter ist tschechische Staatsbürgerin und wohnt mit dem Sohn in Prag im gemeinsamen Haushalt und übt in Prag eine berufliche Tätigkeit aus.

Der Bf bezog im Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2019 die Differenz(Ausgleichs)zahlung zur Familienbeihilfe in indexierter Höhe.

Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen vom legte der Bf über Aufforderung des Finanzamts (FA) Meldebescheinigungen der Kindesmutter und des Sohnes aus Tschechien vor.

Mit Vorhalt vom wurde der Bf aufgefordert, dem FA bekanntzugeben, ob mit der Kindesmutter ein gemeinsamer Haushalt bestehe. Wenn ja - wo und Nachweis darüber.

Der Bf beantwortete den Vorhalt mit Schreiben vom wie folgt:

"Ein gemeinsamer Haushalt zwischen mir und der Mutter meines Sohnes besteht nicht mehr. Mein Sohn lebt bei seiner Mutter in Prag (siehe Meldebestätigungen, die ich übermittelt habe), wobei ich ihn alle 10 Tage 2 ½ Tage besuche, pflege, mit ihm Zeit verbringe, Dinge unternehme und mich um alles kümmere. In Zukunft (ab Dezember 2020 ) wird mein Sohn 6 Mal pro Jahr für jeweils rund 1 Woche bei mir sein.

Gemäß § 2 Abs 2 FLAG hat jene Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltkosten überwiegend trägt, dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Die Mutter von V. ist nicht anspruchsberechtigt und hat im Übrigen darauf auch verzichtet (siehe Antrag). Ich trage die Unterhaltskosten überwiegend und bin daher auch anspruchsberechtigt. Der von mir meinem Sohn bezahlte Unterhalt entspricht fast dem Doppelten des österreichischen Regelbedarfs.

Dessen ungeachtet habe ich stets die Hälfte der indexierten Familienbeihilfe von EUR 106, -meinem Sohn zusätzlich zum Unterhalt überwiesen. Sollten Zweifel bestehen, dass ich den Unterhalt überwiegend bestreite, ersuche ich um Mitteilung, dann werde ich das mit Kontoauszügen und anderen Unterlagen belegen."

Mit Antrag vom (Formular Beih 100) stellte der Bf (neuerlich) einen Antrag auf Familienbeihilfe für seinen Sohn V. S. ab Oktober2018 mit der Ergänzung, dass bis 12/2019 die "Differenz aus Index" offen sei und ab 01/2020 "alles". Weiters führte er auf dem Formular aus, er lebe in NÖ, sein Sohn und dessen Mutter lebten in Prag. Die Kindesmutter sei nicht seine aktuelle Partnerin. Er verwies auf die Verzichtserklärung der Mutter aus 2019.

In einem Ergänzungsschreiben zu diesem Antrag führte der Bf i.w. aus, er habe aG seines Antrags aus 2019 eine Mitteilung über die Gewährung der Ausgleichszahlung bekommen, jedoch keinen Bescheid, obwohl er mit der Indexierung der Ausgleichszahlung nicht einverstanden sei, da diese u.a. mit EU-Recht unvereinbar sei. Auch beim Wegfall der Familienbeihilfe habe er keinen Bescheid bekommen. Die Mutter seines Sohnes und er lebten mittlerweile getrennt; das Verhältnis sei schlecht. Der Bf übermittle hiermit ein neuerliches Formular auf Zuerkennung der Familienbeihilfe, verweise aber hinsichtlich aller noch offenen Punkte auch auf seinen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe aus 2019. Dieser enthalte auch den Verzicht auf die österreichische Familienbeihilfe, welcher nach wie vor aufrecht sei. Sein Sohn sei österreichischer Staatsbürger und lebe bei der Mutter in Prag. Der Bf wohne in NÖ, sehe seinen Sohn regelmäßig und leiste für diesen den überwiegenden Unterhalt. Er beantrage die Familienbeihilfe in voller Höhe seit dem Oktober.2018 oder die Ausstellung eines Bescheids.

Mit Ergänzungsvorhalt vom wurde der Bf um Bekanntgabe ersucht, seit wann zwischen ihm, dem Kind und der Kindesmutter kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe.

Der Bf gab mit Schreiben vom bekannt, dass die Mutter ihren Wohnsitz nicht im Bundesgebiet habe und daher gemäß § 2 Abs 1 FLAG nicht anspruchsberechtigt sei. Der Wohnsitz der Mutter sei in Prag. Wäre die Mutter anspruchsberechtigt, so habe sie auf ihren Anspruch verzichtet. Sein Anspruch sei berechtigt (Verweis des Bf auf § 2 Abs 2 FLAG), weil er überwiegend V.s Unterhalt zahle. Wann immer er in Prag sei - regelmäßig, alle 12 Tage für dann 3 Tage - bestehe ein gemeinsamer Haushalt in Tschechien, in seinem gemieteten Apartment (Prag). Er, die Kindesmutter und sein Sohn würden sich dort aufhalten und dort Zeit verbringen, kochen, schlafen, spielen, etc. Wenn sein Sohn nach Österreich komme und sich hier aufhalten werde, habe er einen gemeinsamen Haushalt mit ihm an seiner Wohnanschrift. Mit V.s Mutter führe er keinen gemeinsamen Haushalt mehr. Ein Zeitpunkt könne nicht genannt werden, weil die Aufhebung schleichend vor sich gegangen sei und nicht auf einen konkreten Tag, Trennung und großer Auszug, festgemacht werden könne. Im Übrigen sei es auch irrelevant. Wichtig wäre, wenn überhaupt (siehe 1 bis 3), der Haushalt des Kindes mit ihm bzw seiner Mutter.

Mit Schreiben vom wurde der Bf vom FA erneut aufgefordert bekanntzugeben, seit wann kein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter und dem Sohn bestehe und um Vorlage eines Nachweises ersucht, in welchem Zeitraum ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind und der Kindesmutter vorgelegen habe.

Ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter und dem Sohn wurde nicht nachgewiesen.

Das Finanzamt (FA) wies den Antrag vom mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab:

"Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 8a des FLAG 1967 sind die Beträge an Familienbeihilfe und gem. §33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988 ist der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach §8a des FLAG 1967und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988 wurden mit der Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU Anpassungsverordnung (BGBl. Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab .

Da sich Ihr Sohn ständig in der Tschechischen Republik aufhält, besteht nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a des FLAG 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988, und Ihr Antrag auf Familienbeihilfe nach § 8a Abs. 3 und 4 des FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 des EStG war für den Zeitraum 10/2018 bis 12/2019 abzuweisen.

Da Sie trotz Aufforderung den Nachweis über einen gemeinsamen Haushalt mit Ihrem Sohn V. nicht erbracht haben, war Ihr Antrag auf Familienbeihilfe ab 01/2020 abzuweisen."

Der Bf erhob gegen den Abweisungsbescheid mit Schreiben vom Beschwerde und brachte vor, dass er sich seit nunmehr rund 1 1/2 Jahren wegen der Familienbeihilfe für seinen Sohn herumschlagen dürfe, obwohl es sich dabei um die einzige (!) Familienleistung handle, die überhaupt in Österreich beantragt werde. Schon jetzt seien ihm Schäden dadurch entstanden, wobei nur als Beispiel die entgangene Einmalzahlung seines Dienstgebers aus Anlass der Geburt von Euro 300,- zu nennen sei. Diese hätte den Nachweis der Gewährung von Familienbeihilfe vorausgesetzt. Seiner Meinung nach sei es beschämend, dass jede Mehrkindfamilie aus Somalia, Afghanistan, etc mit selbst fragwürdigen Aufenthaltstiteln (subsidiär Schutzberechtigte etc.) Familien- und Sozialleistungen in voller Höhe erhalten würden, während man bei einem Österreicher, der seit vielen Jahren voll berufstätig sei, formalistisch und kleinlichst herumtue. Und auch V.s Mutter sei keine Bardame aus Usti nad Labem oder sonst irgendeinem Loch in Tschechien, sondern - wenn nicht gerade in Karenz - eine erfolgreiche, hart arbeitende Zahnärztin aus Prag, die sehr gut Deutsch spreche und einen starken Bezug zu Österreich habe.

Unter Punkt 2) "Angeblich fehlende Unterlagen" brachte der Bf vor, dass er stets allen Ergänzungen nachgekommen sei. Darunter auch Wünschen des Finanzamtes, die gar nicht so leicht zu erfüllen gewesen seien, wie zB Meldebestätigungen aus Tschechien für V. und seine Mutter. Wenn er einer Aufforderung nicht nachgekommen sein sollte, dann liege das bloß daran, dass ihn das Poststück nicht erreicht habe. Es sei schon 2 oder 3 Mal vorgekommen, dass irrtümlich Poststücke für ihn in andere Briefkästen geworfen worden seien. Gerade in der Sommerzeit könne das vorkommen, wenn Aushilfskräfte bei der Post arbeiten. Würde das Finanzamt seine Briefe eingeschrieben schicken, gäbe es wenigstens einen Zustellnachweis. Von der Zustellung abgesehen bezweifle er, dass hier die BAO zur Anwendung komme und überhaupt noch irgendeine Ergänzung erforderlich sei. Sämtliche Fragen habe er bereits beantwortet.

Unter Punkt 3) "Anerkenntnis" brachte der Bf vor, dass das FA seinen Anspruch auf Familienbeihilfe bereits anerkannt habe. Es sei ihm im Jahr 2019 nicht nur eine entsprechende Mitteilung des Finanzamtes für den 3. Bezirk übermittelt worden, sondern es seien ihm auch über einige Monate hinweg (10?) Zahlungen geleistet worden. Diese Zahlungen ständen unter dem einzigen Vorbehalt, dass eine allfällige tschechische "Familienbeihilfe" anzurechnen wäre. Da es aber eine vergleichbare Familienleistung in Tschechien gar nicht gebe, sei eben nichts anzurechnen und ihm nach wie vor, gemäß der Mitteilung und dem bisherigen behördlichen Vorgehen, weiterhin zumindest die (indexierte) Leistung zu erbringen. Ausdrücklich als Verfahrensmangel gerügt werde die Mitteilung des FA Baden Mödling, womit die bisherige Zahlung plötzlich eingestellt worden sei. Das sei mit einem fairen Verwaltungsverfahren unvereinbar, weil in seine Rechte eingegriffen worden sei, ohne dass er dagegen eine Rechtsmittelmöglichkeit gehabt hätte.

Weiters brachte der Bf unter Punkt 4) "Anspruchsberechtigung" vor, dass § 2 FLAG regle, wer Anspruch auf Familienbeihilfe habe. Eine Regelung sei notwendig, um bei mehreren Antragstellern zu klären, wem die Leistung nun zustehe. Eine solche Konkurrenz von Ansprüchen gebe es hier aber nicht, weil die Mutter auf ihre Ansprüche verzichtet habe. Es komme daher § 2 Abs 2 2. Satz FLAG zur Anwendung, wonach dem Vater, der die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trage - unstrittig, sonst hätte ihn das Finanzamt längst aufgefordert, Belege vorzulegen - die Familienbeihilfe zustehe.

Es sei damit alles geklärt. Der mit dem Kind in einem Haushalt lebende Elternteil habe verzichtet und der andere Unterhalt zahlende Elternteil sei gemäß § 2 Abs 2, 2. Satz FLAG berechtigt, die Familienbeihilfe zu beziehen.

Die Leistung sei ohnehin nur einmal zu erbringen und der Mutter stünde es im Übrigen frei, ihren Verzicht für die Zukunft zu widerrufen und damit wieder anspruchsberechtigt nach § 2 Abs 2, 1. Satz FLAG zu werden.

Ein Verzicht sei auch nichts Außergewöhnliches, sondern ein allgemeines Rechtsinstitut, das überall vorkomme und Verwendung finde, im Zivil-, Sozial-, und öffentlichen Recht.

Schließlich wendet der Bf unter Punkt 5) "EU Recht" ein, dass die Indexierung der Familienbeihilfe mit EU-Recht unvereinbar sei. Die unterschiedliche, in diesem Fall schlechtere Behandlung von Österreichern/EU Bürgern, die in einem anderen Land der EU leben, sei EU rechtswidrig. Auch in praktischer Hinsicht zeige sich das im vorliegenden Fall, seien doch in Wahrheit die Lebenshaltungskosten in Prag höher als in vielen Gemeinden Österreichs. Wohn- und Mietkosten beispielsweise seien auf dem Niveau von Wien und damit deutlich höher als in vielen kleineren Gemeinden in Österreich. Es sei daher sachlich nicht gerechtfertigt, die Familienbeihilfe auf 67% zu kürzen.

Er stelle daher den Antrag, den Bescheid des FA Baden Mödling vom
1) dahin abzuändern, dass ihm die Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung wie beantragt in voller Höhe, somit nicht indexiert, gewährt werde,
in eventu
2) dahin abzuändern, dass ihm die Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung wie beantragt indexiert gewährt werde
3) aufzuheben und dem FA Baden Mödling eine neuerliche Ausstellung eines Bescheides über seinen Antrag mit/ohne Verfahrensergänzung aufzutragen.
Um unnötigen Aufwand für das BFG und sich selbst zu vermeiden, gebe er bekannt, dass er auf weitere Rechtsmittel gegen den Bescheid des BFG verzichte, wenn ihm für den beantragten Zeitraum wenigstens die indexierte Familienbeihilfe gewährt werde.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung als unbegründet ab:

"Familienbeihilfe ab 1/2020:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestimmt, dass die Person Anspruch auf Familienbeihilfe hat, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach § 2 Abs. 2 erster Satz Familienlastenausgleichsgesetz anspruchsberechtigt ist.
Nach § 2a Abs. 1 erster Satz FLAG 1967 geht für den Fall, dass ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vor. Hierbei wird nach dem zweiten Satz leg.cit. bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung statuiert, dass die Mutter den Haushalt führt.

Die Bestimmung des § 2a Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 führt aus, dass in den Fällen des Abs. 1 der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteils verzichten kann. Nach dem zweiten Satz leg. cit. kann der Verzicht auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde.
Gemäß § 53 Abs. 1 FLAG sind Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.
Da Sie als leiblicher Vater in Österreich erwerbstätig sind, die Kindesmutter mit dem Sohn in Prag, Tschechien, im gemeinsamen Haushalt lebt, somit ein mitgliedstaatübergreifender Sachverhalt vorliegt, ist die VO 883/2004 anzuwenden.
Aufgrund des Erkenntnis des , RS Trapkowski, kommt es nunmehr zu einer geänderten Rechtsauslegung.

Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, vom (in der Folge: Durchführungsverordnung Nr. 987/2009) lautet:

"Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung
(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird."
Demnach ergibt sich aus Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 iVm Art 67 VO 883/2004, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, unionsrechtlich nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zur Gewährung verpflichtenden Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen beteiligten Personen, die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.
Das bedeutet, dass, was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruches anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betroffenen Mitgliedstaates fallen und dort wohnen.
Wenn demnach der leibliche Vater durch seine Erwerbstätigkeit eine Zuständigkeit Österreichs auslöst, sind nach der in Rede stehenden Bestimmung die beteiligten Personen - also Mutter und Kind - als in Österreich aufhältig zu betrachten. In diesem Fall sieht das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 einen vorrangigen Anspruch für die haushaltszugehörige Person vor.
Laut Ihren eigenen Angaben auf dem Formular Beih100 vom und den ergänzenden Ausführungen lebten Sie im fraglichen Zeitraum in Österreich, die Kindesmutter mit dem Sohn V. in Tschechien, an der Adresse X., Prag, in einem gemeinsamen Haushalt. Ob tatsächlich je ein gemeinsamer Haushalt in Tschechien bestanden hat bzw. ab welchem Zeitpunkt nicht mehr, konnten Sie nicht nachweisen.
Ausgehend davon, dass somit Sie in keinem gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter und dem Kind in Tschechien lebten, der Sohn bei der Kindesmutter in Tschechien lebt und daher bei dieser haushaltszugehörig war und nach wie vor ist, besteht nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Sie als Antragsteller. Ein nach nationalem Recht nicht bestehender Anspruch kann nicht durch das Unionsrecht begründet werden. Der vorrangige Anspruch auf Familienbeihilfe steht somit bei dem gegebenen Sachverhalt der Kindesmutter zu.
An dieser Beurteilung vermag auch die Tatsache, dass die Kindesmutter auf dem Formular Beih 1 vom zugunsten des Kindesvaters auf die Ausgleichszahlung verzichtet hat, nichts zu ändern, kommt der § 2 a Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetzt 1967 nämlich nur dann zum Tragen, wenn der Antragsteller mit der Kindesmutter und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt.

Familienbeihilfe ab 10/2018 - Indexierung:
Gemäß § 8a des FLAG 1967 sind die Beträge an Familienbeihilfe und gem.§ 33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988 ist der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach §8a des FLAG 1967und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988 wurden mit der Familienbeihilfe Kinderabsetzbetrag EU Anpassungsverordnung (BGBI. Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab .
Da Ihr Sohn in Tschechien lebt, besteht kein Anspruch auf die volle Familienbeihilfe.
Hinweis: Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom den EuGH mit der Frage, ob die Indexierung von Familienleistungen unionsrechtskonform ist, befasst.
Eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen."

Der Bf stellte am einen Vorlageantrag, verwies auf seine Beschwerdeausführungen und machte darüber hinaus folgende Ausführungen:

"1) § 2a FLAG regelt für den Fall, dass ein gemeinsamer Haushalt der Eltern besteht, dass der den Haushalt führende Elternteil vorrangig anspruchsberechtigt ist (Abs 1) und zu Gunsten des anderen Elternteils verzichten kann (Abs 2).
Es handelt sich insofern um eine Regelung für Eltern, die einen gemeinsamen Haushalt teilen.
2 Abs 2 FLAG regelt davon losgelöst, dass in allen anderen Fällen, insbesondere bei getrennten Haushalten, grundsätzlich jener Elternteil anspruchsberechtigt ist, der mit dem Kind einen Haushalt teilt. Der andere Elternteil, der überwiegend die Unterhaltskosten trägt, hat allerdings dann Anspruch, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Das ist hier der Fall. Die Mutter ist nicht anspruchsberechtigt, weil sie einen Verzicht abgegeben hat. Es gibt nicht nur Verzichte nach § 2a Abs 2 FLAG bei gemeinsamem Haushalt zu Gunsten einer Person, sondern - sehr viel häufiger in unserer Rechtsordnung - einen allgemeinen Verzicht einer Person auf einen Anspruch. Nicht zu Gunsten einer Person, sondern generell, als Ausdruck dafür, dass man von einem Anspruch nicht Gebrauch macht. Würde man das anders interpretieren, wäre § 2 Abs 2 Satz 2 FLAG totes Recht, denn ein minderjähriges Kind gehört immer versorgt und ist somit immer jemandes Haushalt zugehörig.
Die Regelung des § 2a Abs 2 FLAG regelt somit keineswegs, dass nur in diesen Fällen ein Verzicht möglich sein soll. Warum auch? Sie soll eine Regelung sein für Eltern eines Haushalts, in dem ein Elternteil zu Gunsten des anderen verzichtet. Das ist ja grundsätzlich unüblich, normaler Weise wird auf etwas allgemein verzichtet und nicht verzichtet zu Gunsten einer anderen Person. Dafür wurde diese Regelung geschaffen.
Die Interpretation des FA Baden Mödling führt dazu, dass nur Eltern eines gemeinsamen Haushalts verzichten dürfen. Wäre dem so, wäre diese Regelung gleichheitswidrig nach
Art 7 B-VG, weil überhaupt kein sachlicher Grund ersichtlich ist, warum Eltern, die einen Haushalt teilen, verzichten dürfen, und Eltern, die getrennte Haushalte haben, schlechter behandelt werden und nicht verzichten dürfen. In beiden Fällen geht es immer um die Familienleistung für ein Kind und die Regelung der Anspruchsberechtigung, weil das FA klarer Weise nicht zweimal Familienbeihilfe auszahlt.

2) Das FA Baden Mödling verweist zu Recht auf Art 60 der Verordnung 987/2009, allerdings ist die Wiedergabe/Interpretation des Inhalts unrichtig.

Art 60 Abs 1 lautet:

"Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68
der Grundverordnung

(1) Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruches anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen.
Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird."

Mit "...Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird." ist hier eigentlich alles gesagt. Die Mutter nimmt das Recht, ihren Anspruch auf Familienbeihilfe nicht wahr, deshalb kommt der den Antrag stellende Vater zum Zug. Art 60 Abs 1 der genannten Verordnung verdrängt im Übrigen eine allenfalls diesem Artikel widersprechende Regelung im FLAG, insbesondere die Interpretation des FA Baden Mödling, dass nur der den Haushalt führende Elternteil anspruchsberechtigt ist, obwohl er verzichtet hat und unabhängig vom Verzicht gar keinen Gebrauch.

3) Die Indexierung der Familienbeihilfe ist schon deshalb rechtswidrig, weil sie Art 67 der Verordnung 883/2004 widerspricht. Es ist nämlich so vorzugehen, als ob die Familie zur Gänze hier wohnen würde. Aufgrund dieser Regelung wäre daher auch der volle Betrag und nicht der indexierte auszuzahlen.

4) Mit keinem Wort nimmt die Beschwerdevorentscheidung dazu Stellung, dass das Finanzamt für den 3. Wiener Gemeindebezirk meinen Anspruch bereits anerkannt hat und mir gegenüber Leistungen erbracht hat. Ich hätte die Indexierung damals akzeptiert. Erst nach dem Wechsel zum FA Baden Mödling wurde es für alle aufwändig, mir wurden Ergänzungsaufträge geschickt; es wurde mir - ohne Bescheid - die Leistung gestrichen, etc.

Das Finanzamt in Wien wird sich schließlich auch Gedanken gemacht haben und nicht blindlings irgendwas ausgezahlt haben."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt (betreffend Spruchpunkte 1 und 2):

Der ledige Bf lebt und arbeitet in Österreich. Die Kindesmutter ist tschechische Staatsbürgerin und lebt mit dem gemeinsamen Sohn S. V., geb. Oktober.2018, in Prag in einem gemeinsamen Haushalt. Sie übt in Prag eine berufliche Tätigkeit aus. Zumindest seit Jänner 2020 besteht kein gemeinsamer Haushalt des Bf mit der Kindesmutter und dem Sohn.

Von Oktober 2018 bis Dezember 2019 erhielt der Bf Familienbeihilfe (Differenz/Ausgleichszahlung) in indexierter Höhe. Das FA stellte eine entsprechende Mitteilung aus.

Die Kindesmutter hat am auf die Familienbeihilfe zu Gunsten des Bf verzichtet (vom Bf übermittelt im Antragsformular Beih 100 vom ) .

Beweiswürdigung (betreffend Spruchpunkte 1 und 2):

Die persönlichen Verhältnisse des Bf sind unstrittig.

Durch die vom Bf vorgelegten Meldebestätigungen der tschechischen Behörde vom ist erwiesen, dass die Kindesmutter und der Sohn in Prag leben.

Der Erhalt der Familienbeihilfe (Differenz/Ausgleichszahlung) von Oktober 2018 bis Dezember 2019 ist durch eine Abfrage aus den Finanzanwendungen des Bundes erwiesen.

Die Verzichtserklärung der Kindesmutter ist aktenkundig.

Dass zumindest seit Jänner 2020 kein gemeinsamer Haushalt des Kindesvaters mit der Kindesmutter und dem gemeinsamen Sohn besteht, ergibt sich aus folgenden Gründen:

Laut den eigenen Angaben des Bf auf dem Formular Beih100 vom und den ergänzenden Ausführungen lebte er im fraglichen Zeitraum in Österreich, die Kindesmutter mit dem Sohn V. in Prag, Tschechien, in einem gemeinsamen Haushalt. Auf diesem Formular gab der Bf explizit an, er lebe in NÖ, während sein Sohn und die Kindesmutter in Prag lebten. Die Kindesmutter sei nicht seine aktuelle Partnerin. In einem ergänzenden Schriftsatz gab der Bf an, die Kindesmutter und er seien mittlerweile getrennt. Der Bf wies nochmals darauf hin, dass sein Sohn bei dessen Mutter in Prag und er selbst in NÖ lebe.

Das FA versuchte mehrmals zu ermitteln, ab wann kein gemeinsamer Haushalt mehr bestand.
So wurde der Bf mit Vorhalt vom um Bekanntgabe ersucht, seit wann zwischen ihm, dem Kind und der Kindesmutter kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe.
Der Bf antwortete, er führe mit der Kindesmutter keinen gemeinsamen Haushalt mehr, ein Zeitpunkt könne jedoch nicht genannt werden, da die Aufhebung schleichend vor sich gegangen sei.
Mit Vorhalt vom wurde der Bf vom FA erneut aufgefordert, diesbezügliche Nachweise vorzulegen. Auch auf dieses Schreiben hin wurde ein gemeinsamer Haushalt mit der Kindesmutter und dem Sohn nicht nachgewiesen.
In der Beschwerdevorentscheidung, welche Vorhaltswirkung entfaltet, führte das FA explizit aus, der Bf lebte im fraglichen Zeitraum in Österreich, die Kindesmutter mit dem Sohn in Prag. Ob je ein gemeinsamer Haushalt in Tschechien bestanden habe bzw. ab wann nicht mehr, habe der Bf nicht nachweisen können.
Im Vorlageantrag wies der Bf wiederholt darauf hin, dass es sich um getrennte Haushalte handelt, und begründete darauf aufbauend seine Rechtsansicht, dass ihm (trotzdem) die Familienbeihilfe zustehe.

Hinzuweisen ist darauf, dass anspruchsbegründende Tatsachen vom Familienbeihilfenwerber nach §§ 115 und 138 BAO über Aufforderung nachzuweisen und zu belegen sind. Dies gilt auch und sogar in stärkerem Maße für Anträge auf Familienbeihilfe, da es sich dabei um eine begünstigende Vorschrift (Beihilfe) handelt, die nach der Judikatur des VwGH eine stärkere Mitwirkungspflicht des Beihilfenwerbers nach sich zieht.
Dies gilt auch, wenn der Bf die Rechtsansicht vertritt, dass es auf das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes nicht ankomme, da ansonsten jeder Aufforderung der Behörde zur Vorlage entscheidungswesentlicher Sachverhaltselemente oder zur Aufklärung wesentlicher Umstände mit dem Vorbringen, die Rechtsansicht der Partei mache dies nicht erforderlich, erfolgreich entgegen getreten werden könnte.
Der Bf ist dieser Verpflichtung jedoch trotz wiederholter Aufforderung nicht nachgekommen.
Das BFG gelangt daher in freier Beweiswürdigung unter Beachtung der Ausführungen des Bf wonach kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe etc. und der Tatsache, dass der Bf hinsichtlich des Zeitpunktes der Aufgabe eines (falls überhaupt vorgelegen) gemeinsamen Haushalts keine konkreten Angaben machte oder Nachweise erbrachte, zur Überzeugung, dass zumindest seit Jänner 2020 kein gemeinsamer Haushalt besteht. Wenn im Juni 2020 bekannt gegeben wird, dass kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe und die Aufhebung "schleichend" vor sich gegangen sei und wenn keinerlei Nachweise für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts vorgelegt werden können, ist die Annahme gerechtfertigt und denklogisch, dass die Aufhebung schon einige Zeit her ist und zumindest seit Jänner 2020 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestanden hat.
Im Übrigen folgt das BFG auch den Ausführungen der belangten Behörde, dass nicht einmal ein Nachweis dafür erbracht wurde, dass überhaupt jemals ein gemeinsamer Haushalt in Tschechien bestanden hat. Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts vor Jänner 2020 ist jedoch nicht entscheidungswesentlich (siehe unten rechtliche Beurteilung), sodass eine Beurteilung dieser Tatfrage durch das BFG nicht erfolgt.

Rechtliche Beurteilung:

Allgemeine Ausführungen betreffend Spruchpunkte 1 und 2:

Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der belangten Behörde gebildet hat (vgl. für viele etwa Ro 2015/19/0001,oder 2012/15/0030).

Die Erledigung eines gestellten Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe durch Erlassung eines Bescheides erfolgt nur dann, wenn dem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe nicht stattgegeben wird. Wird dem Antrag nicht vollinhaltlich Rechnung getragen, ist für diejenigen Monate, für die der Antrag abgewiesen wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, für die übrigen Monate ist die Familienbeihilfe auszuzahlen. Ein Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung (s § 4 Rz 23) bzw einer Differenzzahlung, die als Familienbeihilfe gilt, wird nach der Verwaltungspraxis ebenfalls mit Auszahlung und durch Ausstellung einer Mitteilung erledigt (vgl Lenneis/Wanke [Hrsg), FLAG Kommentar2, Tz 2,3; RV/7102979/2017).

Im ggstdl Fall wurde dem Bf auf Grund seines Antrags aus 2019 die Familienbeihilfe (Differenzzahlung) vom Oktober 2018 bis Dezember 2019 in der (gesetzlich vorgesehenen) indexierten Höhe ausbezahlt und darüber eine Mitteilung ausgestellt. Dem Antrag wurde daher insoweit vollinhaltlich stattgegeben. Die Familienbeihilfe ist daher insoweit nicht verfahrensgegenständlich.

Im nun ggstdl Antrag vom (und in weiteren verfahrensgegenständlichen Anträgen) beantragte der Bf die Auszahlung der Familienbeihilfe in voller, nicht indexierter Höhe und monierte die Ausstellung eines Bescheides.

Das FA erließ den streitggstdl. abweisenden Bescheid und sprach darin einerseits über die Indexierung der Familienbeihilfe von Oktober 2018 bis Dezember 2019 (nur der Höhe nach) und andererseits über den Zeitraum ab Jänner 2020 (dem Grunde nach) ab.

Dies ist auch u.a. aus der Bescheidbegründung sowie den Ausführungen in der BVE und im Vorlagebericht klar erkennbar. So führt das FA in der Bescheidbegründung aus, für den Zeitraum 10/2018 bis 12/2019 bestehe nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a des FLAG 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 Z 2 des EStG 1988, während der Antrag auf Familienbeihilfe ab 01/2020 abzuweisen sei, da trotz Aufforderung kein Nachweis über einen gemeinsamen Haushalt des Bf mit seinem Sohn erbracht worden sei.

Streitgegenständlich ist daher die Höhe der (vom FA bereits antragsgemäß gewährten) Familienbeihilfe (Indexierung oder volle Höhe) von 10/2018 bis 12/2019 einerseits und die Familienbeihilfe dem Grunde nach ab 01/2020 andererseits.

Das BFG darf daher aG des im Erstbescheid dargelegten Verfahrensgegenstandes im ggstdl. Beschwerdeverfahren nicht beurteilen, ob die Familienbeihilfe für den Zeitraum von 10/2018 bis 12/2019 dem Grunde nach zusteht, da dies nicht prozessgegenständlich ist, vom FA zuerkannt und vom Bf nicht bekämpft wurde.

Das BFG hat daher lediglich zu beurteilen, ob die Indexierung rechtskonform ist.

Für den Streitzeitraum ab 01/2020 hat das BFG hingegen zu beurteilen, ob die Abweisung der Familienbeihilfe dem Grunde nach zu Recht erfolgte.

Somit ist das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts des Bf mit der Kindesmutter und seinem Sohn (erst) ab 01/2020 zu prüfen.

Spezifische rechtliche Beurteilung betreffend Spruchpunkt 1 Zeitraum Oktober 2018 bis Dezember 2019:

Das Bundesfinanzgericht hat in einem anderen anhängigen Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom , Gz RE/7100001/2020, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Sind Artikel 18 und Artikel 45 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, Artikel 4, Artikel 5 Buchstabe b, Artikel 7 und Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie Artikel 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass Familienleistungen für ein Kind, das sich nicht tatsächlich ständig in dem diese Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat, sondern tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäische Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für den jeweiligen Staat im Verhältnis zu dem die Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat anzupassen sind?"

Der Ausgang des im Spruch genannten Vorabentscheidungsverfahrens ist von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache, weil die zu lösende Rechtsfrage, nämlich ob die Indexierung von unter die Koordinierungsregelungen des Unionsrechts fallenden Familienleistungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ident ist.

Die Aussetzung ist aus Gründen der Prozessökonomie zweckmäßig. Der Aussetzung entgegenstehende überwiegende Interessen des Beschwerdeführers sind nicht erkennbar.

§ 271 BAO idgF lautet:

"(1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, so kann die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.

(2) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Beschwerdeverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

(3) Von der Abgabenbehörde erlassene Aussetzungsbescheide verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt."

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Spezifische rechtliche Beurteilung betreffend Spruchpunkt 2 Zeitraum ab Jänner 2020:

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben nach § 2 Abs 1 lit. a FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Nach § 2a Abs 1 erster Satz FLAG 1967 geht für den Fall, dass ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gehört, der Anspruch des Elternteils, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteils vor. Hierbei wird nach dem zweiten Satz leg.cit. bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung statuiert, dass die Mutter den Haushalt führt.

Die Bestimmung des § 2a Abs 2 erster Satz FLAG 1967 führt aus, dass in den Fällen des Abs. 1 der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteils ver-zichten kann. Nach dem zweiten Satz leg. cit. kann der Verzicht auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde.

Personen haben nach § 2 Abs 8 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 3 FLAG 1967 legt zusätzliche Voraussetzungen für Personen und Kinder fest, die nichtösterreichische Staatsbürger sind.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs 3 FLAG 1967 für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs 4 FLAG 1967 für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichzahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, nach § 53 Abs 1 FLAG 1967 in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Da der Bf als Vater in Österreich erwerbstätig ist, während die Kindesmutter mit dem Sohn in Tschechien im gemeinsamen Haushalt lebt, liegt ein gemeinschaftsrechtlicher, mehrere Mitgliedstaaten betreffender Sachverhalt vor, auf den die Bestimmungen der ab Mai 2010 geltenden Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (EG) Nr 883/2004 (idF: VO) sowie die Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 (idF: DVO) anzuwenden sind.

Die VO gilt nach Art 2 Abs 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Nach Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben nach Art 4 Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, gemäß Art 7 nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen nach Art 11 Abs 1 VO den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt nach Art 11 Abs 3 lit a VO (EG) 883/2004 Folgendes:

Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeitausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.

Eine Person hat nach Art 67 erster Satz VO 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten nach Art 68 Abs 1 VO 883/2004 folgende Prioritätsregeln:

"a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
..."

Im ggstdl Fall ist die VO anwendbar, die Familienbeihilfe gehört zu den Familienleistungen iSd VO. Auf Grund der Beschäftigung unterliegt der Bf den Rechtsvorschriften Österreichs, während die Kindesmutter den Rechtsvorschriften Tschechiens unterliegt. Da für das Kind demnach für denselben Zeitraum Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren wären, kommen die zit. Prioritätsregeln zur Anwendung. Im ggstdl Fall richtet sich der Anspruch, da er von beiden Mitgliedstaaten aus demselben Grund, dem der Beschäftigung, ausgelöst wird, nach dem Wohnort des Kindes.

Tschechien ist daher vorrangig und Österreich nachrangig verpflichtet. Die Höhe der von Österreich zu gewährenden Differenz/Ausgleichszahlung hängt vom Anspruch in Tschechien ab. Besteht dort kein Anspruch auf Kindergeld - etwa wegen Überschreitung allfälliger Einkommensgrenzen - ist die Differenz/Ausgleichs/zahlung in voller Höhe auszuzahlen, wird allerdings nach derzeitiger Rechtslage nach österreichischem Recht indexiert (Vorabentscheidungsersuchen beim VwGH anhängig).

Ein Anspruch auf Differenz/Ausgleichszahlung ist im vorliegenden Fall auf Grund der Beschäftigung des Bf im Inland grundsätzlich gegeben. Zu klären ist lediglich die Frage, ob dieser Anspruch dem Kindesvater (Bf) oder der Kindesmutter zusteht.

Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen gemäß Art 68 Abs 2 VO nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Abs 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Nach Art 60 Abs 1 DVO ("Verfahren bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung") werden die Familienleistungen bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.

Aufgrund des Erkenntnis des C-378/14, Rs Trapkowski, ist die Rechtslage seitdem (wie bereits vom FA dargestellt) aG der anzuwendenden Familienbetrachtungsweise zu beurteilen wie folgt.

Der EuGH hat dazu ausgeführt:

" 38 Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen "beteiligten Personen" , die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden. ...

40 Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.

41 Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistung zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist."

Demnach ergibt sich aus Art 60 Abs 1 Satz 2 der DVO iVm Art 67 VO, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, unionsrechtlich nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zur Gewährung verpflichtenden Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen beteiligten Personen, die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.

Das bedeutet, dass, was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruches anbe-langt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betroffenen Mitgliedstaates fallen und dort wohnen.

Wenn demnach der leibliche Vater durch seine Erwerbstätigkeit eine Zuständigkeit Österreichs für die Differenz/Ausgleichszahlung auslöst, sind nach der in Rede stehenden Bestimmung die beteiligten Personen - also Mutter und Kind - als in Österreich aufhältig zu betrachten.

Das Unionsrecht selbst vermittelt somit keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im Allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im Besonderen, dass die Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO fällt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll ( RV/5101270/2017; RV/5100349/2016, RV/7106469/2016, RV/7103786/2015; ).

Die nach Art 67 VO iVm Art 60 DVO vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Ob etwa ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist dagegen sachverhaltsbezogen festzustellen ( RV/5101270/2017; RV/5100349/2016; RV/7106469/2016; RV/7103786/2015; ).

Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist nach nationalem Recht zu beurteilen ( RV/7106469/2016; RV/7103786/2015; ).

Es ist daher im gegenständlichen Fall nach österreichischem Recht zu prüfen, ob der Bf einen Familienbeihilfenanspruch hat oder nicht, wobei zu fingieren ist, dass alle Familienangehörigen, sprich der Bf, die Kindesmutter sowie das gemeinsame Kind, in Österreich wohnen, wobei allerdings sachverhaltsbezogen kein gemeinsamer Haushalt des Bf mit der Kindesmutter und dem Kind besteht.

§ 2 Abs 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen ( 86/13/0158; 2012/16/0054).

Da im gegenständlichen Fall das Kind und die Kindesmutter in einem gemeinsamen Haushalt getrennt vom Bf leben, besteht nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Familienleistungen des Bf; ein nach nationalem Recht nicht bestehender Anspruch kann auch durch das Unionsrecht nicht begründet werden. Der vorrangige Anspruch auf Differenz/Ausgleichszahlung steht somit bei dem gegebenen Sachverhalt der Kindesmutter zu, solange die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach in der Person des Bf erfüllt sind.

Die Frage der überwiegenden Kostentragung ist daher nicht entscheidungsrelevant, da ein derartiger Anspruch nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 nur entstehen könnte, wenn keine andere Person aG der Haushaltszugehörigkeit anspruchsberechtigt ist. Verwiesen wird darauf, dass dies der Fall ist, wenn das Kind zB bereits in einem eigenen Haushalt lebt.

Wie das FA zu Recht ausführt, vermag an dieser Beurteilung auch die Tatsache, dass die Kindesmutter auf dem Formular Beih 1 vom zugunsten des Bf auf die Ausgleichszahlung verzichtet hat, nichts zu ändern, kommt der § 2a Abs 1 FLAG 1967 nämlich nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann zum Tragen, wenn der Antragsteller mit der Kindesmutter und dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebt (arg. "Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern").

Die Interpretation des Bf, wenn die Mutter ihren Anspruch nicht wahrnehme, komme der den Antrag stellende Vater gemäß Art 60 Abs 1 DVO zum Zug (arg.: "berücksichtig der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil ... gestellt wird"), ist nur insofern richtig, als das österreichische Finanzamt den vom Bf (Vater) gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung bzw. Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag), wenn und soweit diesem ein Anspruch der haushaltsführenden Mutter vorgeht, grs. zugunsten des Anspruchs der Mutter auf österreichische Familienleistungen zu berücksichtigen hat (vgl. BFH , III R 68/13; RV/7101889/2016; RV/7103786/2015; RV/7106469/2016).

Auf die entsprechenden Ausführungen des EuGH in der Rs. Trapkowski (vergleichbarer Sachverhalt, Hr. Trapkowski wohnt in Deutschland, die KM und das Kind in Polen, beide Elternteile sind beschäftigt) wird verwiesen. Daraus geht eindeutig hervor, dass, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt (hier: die Kindesmutter), der andere Elternteil (hier: der Bf) einen Antrag auf Gewährung dieser Leistungen stellen kann (Rz 37).

Dies bedeutet, dass der Bf einen Antrag auf Differenz/Ausgleichszahlung stellen kann, da die Kindesmutter ihr Recht nicht wahrgenommen hat.

Nach EuGH lasse sich nicht ausschließen, dass ein Elternteil (hier: Kindesmutter), der in einem anderen als dem zur Gewährung dieser Leistungen (hier: Differenz/Ausgleichszahlung) verpflichteten MS wohnt, diejenige Person ist, die (wenn die im nationalen Recht definierten Voraussetzungen vorliegen) zum Bezug dieser Leistungen berechtigt ist (Rz 39).

Die Kindesmutter ist daher zum Bezug der Leistungen berechtigt, da die nach österreichischem Recht gegebenen Voraussetzungen auf sie zutreffen.

Es obliegt der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach österreichischem Recht Anspruch auf die Differenz/Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe haben (Rz 40).

Die Fiktion (Annahme, dass alle Beteiligten in Österreich wohnen) führt dazu, dass die Kindesmutter einen Anspruch auf Differenz/Ausgleichszahlung hat, auch wenn sie tatsächlich nicht in Österreich wohnt (Rz. 40).

Welche Personen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, ist weder aus der VO noch aus der DVO bestimmbar, sondern bestimmt sich ausschließlich nach nationalem Recht (Rz. 43, 44).

Weiters führt der EuGH (in Bezug auf das Argument des Bf) aus:

"45 Zudem sieht Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 vor, dass dann, wenn eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Familienleistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahrnimmt, die zuständigen Träger der Mitgliedstaaten die Anträge auf Familienleistungen zu berücksichtigen haben, die von den in dieser Bestimmung genannten Personen oder Institutionen, zu denen der "andere Elternteil" gehört, gestellt werden.

46 Erstens geht sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik von Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 hervor, dass zwischen der Einreichung eines Antrags auf Familienleistungen und dem Anspruch auf diese Leistungen zu unterscheiden ist.

47 Zweitens geht aus dem Wortlaut dieses Artikels auch hervor, dass es ausreicht, wenn eine der Personen, die Anspruch auf Familienleistungen erheben kann, einen Antrag auf deren Gewährung stellt, damit der zuständige Träger des Mitgliedstaats verpflichtet ist, diesen Antrag zu berücksichtigen.

48 Das Unionsrecht hindert diesen Träger jedoch nicht daran, in Anwendung seines nationalen Rechts zu dem Ergebnis zu gelangen, dass der Anspruch auf Familienleistungen für ein Kind einer anderen Person zusteht als der, die den Antrag auf diese Leistungen gestellt hat."

Wie der EuGH abschließend in Rz. 50 erklärend ausführt, ist "Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass danach nicht verlangt wird, dass der Anspruch auf Familienleistungen, die für ein Kind gewährt werden, dem Elternteil des Kindes, der in dem für die Gewährung dieser Leistungen zuständigen Mitgliedstaat wohnt, deshalb zuerkannt werden muss, weil der andere Elternteil, der in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt hat."

Demnach steht in Anwendung der österreichischen Rechtslage aG des Antrags des Bf der Anspruch auf Familienleistungen (Differenz/Ausgleichszahlung) grs. der Kindesmutter zu.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt Ro 2014/16/0067) ist durch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH überholt. Die Ansicht des VwGH, dass eine überwiegende Kostentragung eines in Österreich erwerbstätigen Unionsbürgers, die bei bestehender Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil nach dem anzuwendenden innerstaatlichem Recht keine Entscheidungsrelevanz hat, hier doch Voraussetzung für einen Differenzzahlungsanspruch sein soll, findet weder im Unionsrecht noch im innerstaatlichen Recht Deckung. Diese Rechtsansicht führte im Ergebnis regelmäßig zu einer Diskriminierung von Unionsbürgern (der haushaltsführenden Kindesmutter) gegenüber inländischen Staatsbürgern.

Ungeachtet des Umstandes, dass der Antrag des Bf im Beschwerdefall grs. als Antrag der Kindesmutter gilt, konnte dennoch die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden, da Partei dieses Verfahrens iSd § 78 BAO nur der Bf ist und sich daher die Wirkung dieses Erkenntnisses nur auf ihn erstreckt ( RV/7104187/2018; RV/7103534/2015).

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis von der - wenn auch durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes überholten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. Ra 2015/09/0006).

Ad Spruchpunkt 1

Belehrung und Hinweise

Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).

Ad Spruchpunkt 2

Belehrung und Hinweise

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 271 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2a Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104383.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at