Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2021, RV/5101549/2018

Familienheimfahrten nach Polen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterMag. R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


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Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2016
Einkommen
16.357,20 €
EinkommensteuerAnrechenbare LohnsteuerRundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988
939,30 €- 2.099,38 €0,08 €
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
  • 1.160,00 €

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in der Folge: "Bf.") reichte am schriftlich beim Finanzamt ***1*** die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 ein, in der er zum einen den Alleinverdienerabsetzbetrag und zum anderen Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.000 begehrte. In dem für die Anzahl der Kinder, für die der Bf. oder die Partnerin des Bf. für mindestens sieben Monate die Familienbeihilfe bezogen hat, vorgesehenen Feld der Erklärung hat der Bf. keine Eintragung gemacht. Diese Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 wurde in der Folge an das für den Bf. zuständige Finanzamt ***2*** weitergeleitet, weil sich der letzte Wohnsitz des Bf. im politischen Bezirk ***3*** befunden hat (§ 25 Z 3 AVOG 2010).

Dieser Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung war ein von der polnischen Steuerbehörde gefertigtes und mit deren Dienstsiegel versehenes Formular E 9 für 2016 angeschlossen, das keine vom Bf. in Polen erzielten Einkünfte ausgewiesen hat.

Am richtete das Finanzamt folgendes Ergänzungsersuchen an den Bf. und setzte zur dessen Beantwortung eine Frist bis :

Der Bf. habe in seiner Erklärung Kosten für Familienheimfahrten geltend gemacht. Nachfolgende Fragen seien schriftlich zu erläutern:

Ob der Bf. für die Fahrten zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz das eigene KFZ verwenden würde? (Bekanntgabe der Anzahl der Fahrten im Kalenderjahr)
Ob andere Personen mitbefördert würden? Wenn ja: Es wären der Name der Mitbeförderten und die Höhe der dafür erhaltenen Beträge bekanntzugeben.
Ob eine Fahrgemeinschaft bestanden habe bzw. bestehe?
Ob öffentliche Verkehrsmittel benutzt worden seien oder eine sonstige Mitfahrgelegenheit bestanden habe?

Die Anzahl der Fahrten und Nachweis der entstandenen Kosten wären aufzugliedern.

Angaben über die Art des Wohnsitzes am Familienwohnsitz (Einfamilienhaus, Wohnung - in Miete oder im Eigentum) samt Anführung der Größe in Quadratmeter

Ob außer dem Bf. noch jemand an dieser Adresse (zB Gatte(in), Lebensgefährte(in), Kinder, Eltern) wohnen würde?
Wenn eine sonstige Wohnmöglichkeit vorliege: Angabe der genauen Adresse und der Größe in Quadratmeter

Ob der Bf. eine unentgeltliche Schlafmöglichkeit vom Arbeitgeber (Bekanntgabe der Adresse) hätte?

Ob Heimfahrten vom Arbeitgeber steuerfrei vergütet worden wäre und Angabe der Höhe der dafür erhaltenen Ersätze (Bestätigung des Arbeitgebers erforderlich)?

Warum werde der Familienwohnsitz nicht nach Österreich verlegt?

Warum komme die Familie/Gatte(in)/Lebensgefährte(in) des Bf. nicht nach Österreich?

Ob die Gattin/Lebensgefährtin 2016 berufstätig gewesen sei? Wenn ja werde der Bf. ersucht, den Nachweis über die Höhe der Einkünfte im Jahr 2016 (Gehaltsabrechnungen in Kopien oder Formular E9) zu erbringen.

Es sei ein Nachweis über die Kosten der Familienheimfahrten zu erbringen (zB Fahrtenbuch, Kopien von Führerschein und Zulassungsschein, Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel). Weiters benötige das Finanzamt die Anschrift des Familienwohnsitzes und die Angabe der Km-Entfernung/einfache Strecke zur Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort.

Das Finanzamt wies in diesem Ersuchen auch darauf hin, dass aufgrund der vorliegenden Erklärung die Arbeitnehmerinnenveranlagung nur durchgeführt werden könne, wenn der Bf. im Erklärungsjahr in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war. Da dies unter Berücksichtigung aller dem Finanzamt bekannten Umstände nicht zweifelsfrei feststehe, werde der Bf. unter Hinweis auf die nachstehenden Erläuterungen um konkrete Angaben zum Aufenthalt des Bf. in Österreich und allenfalls um Übermittlung von Kopien geeigneter Beweismittel (z.B. Miet- bzw. Kaufvertrag, Energiekostenrechnung/en, etc.) ersucht.

Das Ergänzungsersuchen vom enthielt daneben auch Erläuterungen wann ein Steuerpflichtiger als unbeschränkt bzw. als beschränkt steuerpflichtig anzusehen ist.

Für den Fall, dass nach diesen Darlegungen der Bf. zum Schluss kommen sollte, dass für ihn eine beschränkte Steuerpflichtig besteht, und er eine Arbeitnehmerveranlagung bei beschränkter Steuerpflicht beantragen wolle, wurde der Bf. ersucht das entsprechende Antragsformular (E7a) ausgefüllt und unterschrieben beizulegen.

Da innerhalb des gesetzten Frist keine Antwort des Bf. einlangte, wurde an den Bf. ein Erinnerungsschreiben am mit einer weiteren Frist bis versendet.

Auch bis erfolgte keine Antwort des Bf. an das Finanzamt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Antrag des Bf. auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass der Bf. in Österreich über keinen aufrechten Wohnsitz verfüge und daher beschränkt steuerpflichtig sei. Einer Aufforderung zur Option gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988, in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, sei der Bf. nicht nachgekommen. Das angeforderte Formular E9 sei nicht vorgelegt worden. Sei jemand in Österreich mit Einkünften nur beschränkt steuerpflichtig, müsse erklärt werden, dass bezüglich dieser Einkünfte eine Veranlagung erwünscht werde. Dies habe der Bf. in seiner Steuererklärung aber nicht bekanntgegeben. Schließlich wurde im angefochtenen Bescheid vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass bei beschränkter Steuerpflicht sich aufgrund der Hinzurechnung von € 9.000,- zum Einkommen eine Steuernachforderung ergeben würde.

Mit Fax vom erhob der Bf. gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde (von ihm als "Widerspruch" bezeichnet). In der Beschwerde wies der Bf. darauf hin, dass er mit der Steuererklärung die Bescheinigung EU/EWR E9 im Original vorgelegt habe und schloss (das bereits vorgelegte) E 9 der Beschwerde nochmals an.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass nunmehr eine Arbeitnehmerveranlagung für 2016 für unbeschränkt Steuerpflichtige durchgeführt und dabei der Pauschbetrag für Werbungskosten und das Sonderausgabenpauschale berücksichtigt wurde. Die begehrten Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.000 und der ebenfalls geltend gemachte Alleinverdienerabsetzbetrag wurden hingegen nicht berücksichtigt. Diese Beschwerdevorentscheidung enthielt - entgegen § 93 Abs. 3 lit. a BAO - keine Begründung.

Diese Beschwerdevorentscheidung wurde per Post am an den Bf. versendet. Mit Fax vom erhob der Bf. gegen diese Beschwerdevorentscheidung einen Widerspruch, der als Vorlageantrag zu werten ist. Dieser Vorlageantrag wurde damit begründet, dass aus dem Einkommensteuerbescheid (Anmerkung: gemeint die Beschwerdevorentscheidung vom ) nicht hervorgehen würde, ob die Fahrten zwischen Familienwohnstätte und Arbeitsstätte in Betracht genommen würden und es sei auch nicht angegeben wieso die Fahrten nicht in Betracht genommen sein könnten.

Zum Nachweis, dass der Bf. diese Familienheimfahrten tatsächlich gemacht habe, wurde dem Vorlageantrag eine Zusammenstellung über die erfolgten Familienheimfahrten vorgelegt.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. vom Finanzamt neuerlich ersucht jene Angaben zu machen, um deren Bekanntgabe dieser bereits mit Schreiben vom gebeten worden war. Als Frist für die Beantwortung wurde der gesetzt.

Mit Fax vom beantwortete der Bf. das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wie folgt:

Im Jahr 2016 habe der Bf. sein eigenes Fahrzeug für die Familienfahrten verwendet. Mit ihm sei keiner der anderen Mitarbeiter seines Arbeitgebers mitgefahren. Also habe auch keine Fahrgemeinschaft bestanden. Das Fahrzeug habe nach einem Unfall entsorgt werden müssen, weswegen der Bf. leider keinen Fahrzeugschein mehr habe, weil das Auto nach dem (Anmerkung: Es wurde offenbar die Angabe des Datums vergessen) abgemeldet war. Als Nachweis dafür legte der Bf. einen Entsorgungsschein vor.

Die Anzahl der Fahrten im Kalenderjahr 2016 habe der Bf. mit dem Widerspruchschreiben vorgelegt (Anmerkung: Gemeint die Beschwerde vom ). Eine entsprechende Aufstellung aus denen der Anzahl der Fahrten, Entführung (Anmerkung: offensichtlich gemeint Entfernung) und Zeitraum mit Datum angegeben sei, wurde dem Vorlageantrag nochmals angeschlossen.

Der Bf. habe seinen Familienwohnsitz in einer Ortschaft in ***4*** in Polen und zwar in ***5***. Dort habe er ein Familienhaus das ***6*** Quadratmeter groß ist. Gemeinsam mit dem Bf. werde das Familienhaus von seiner Gattin und zwei Söhnen bewohnt.

In Österreich während seiner Arbeitnehmertätigkeit würde dem Bf. des mal (Anmerkung: gemeint offenbar jedes Mal) - je nach dem Einsatzort - ein Zimmer im Hotel bzw. eine Pension durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Familienfahrten wären vom Arbeitgeber nicht geltend gemacht worden. Mit dieser Wendung meint der Bf. offensichtlich, dass er die Kosten der Familienheimfahrten nicht bei seinem Arbeitgeber geltend gemacht hat.

Den Familienwohnsitz hätte der Bf. derzeit nicht nach Österreich verlegen können, weil seine Gattin eine ältere Familienangehörige pflegen hätte müssen und somit nicht nach Österreich ausreisen hätte können.

Seine Gattin im Jahr 2016 wäre teilweise, d.h. bis ***7*** in Polen beschäftigt gewesen. Da das E9 noch nicht vom polnischen Finanzamt bestätigt worden sei, lege der Bf. diesbezüglich eine Einkommensteuererklärung vor. Aus dieser sei ersichtlich, dass das jährliche Einkommen seiner Gattin in Polen ***8*** PLN betragen habe.

Mit weiterem Ergänzungsersuchen vom bat das Finanzamt unter Fristsetzung bis den Bf. um Bekanntgabe des Namens und des Geburtsdatums der von der Gattin laut Schreiben vom zu pflegenden Familienangehörigen sowie ob diese Person im gemeinsamen Haushalt des Bf. untergebracht sei. Wenn dies nicht der Fall sei, wäre die Adresse der zu pflegenden Familienangehörigen sowie die Entfernung dieser Adresse vom Familienwohnsitz anzugeben.

Mit Schreiben vom legte der BF. ein von der polnischen Finanzverwaltung gefertigtes Formular E9 seiner Gattin vor, aus dem sich ein Einkommen von ***8*** PLN für das Jahr 2016 ergibt. Betreffend die von der Gattin zu pflegende Person teilte der Bf. mit, dass dies die ***19*** seiner Gattin sei, die nicht damit einverstanden sei, dass ihre persönlichen Daten weitergegeben würden.

Mit Bescheid vom erteilte das Finanzamt dem Bf. einen Mängelbehebungsauftrag betreffend den eingebrachten Vorlageantrag, weil die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung gefehlt hat und zwar unter Fristsetzung bis . In diesem Mängelbehebungsauftrag wurde der Vorlageantrag als "Beschwerde" bezeichnet.

Am langte sodann beim Finanzamt neuerlich das Schreiben vom ein, wobei der Betreff um "Beschwerde gegen der Vorentscheidung betreffend Einkommensteuerbescheid 2016" ergänzt wurde.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. hat im Jahr 2016 im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen und zwar von der Firma ***9*** für den Zeitraum 1.1. bis sowie 15.2. bis . Insgesamt haben die steuerpflichtigen Bezüge des Bf. im Jahr € ***10*** betragen (darin enthalten € ***11***, die mit festen Sätzen gemäß § 67 Abs. 5 EStG 1988 besteuert wurden).

Der Bf. hat für seinen Arbeitgeber auf verschiedenen Einsatzorten im Inland gearbeitet und dabei vom Arbeitgeber entsprechende Nächtigungsmöglichkeiten (Hotelzimmer, Pension) zur Verfügung gestellt erhalten.

Der Bf. verfügt in Polen über ein Einfamilienhaus von ***6*** m2 Größe, in dem er, seine Gattin und seine beiden ***12*** geborenen Söhne wohnen. Für die beiden erwachsenen Söhne wurde letztmalig im Dezember 2010 Familienbeihilfe bezogen.

Im Jahr 2016 fuhr der Bf. mit seinem PKW der Marke ***13*** der Type ***14*** mit dem polnischen Kennzeichen ***15*** insgesamt 23mal vom Einsatzort im Inland zu seinem Wohnsitz nach Polen, wobei die meisten Hinfahrten an einem Freitag und die meisten Rückfahrten an einem Sonntag erfolgt sind.

Die einfache Strecke Wohnsitz des Bf. in Polen und zum Arbeitsort in ***16*** beträgt zumindest 504 km und würde das amtliche Kilometergeld von 0,42 € pro km für die zurückgelegte Gesamtstrecke von 23.184 km sohin € 9.737,28 betragen.

Die Gattin des Bf. erzielte im Jahr 2016 in Polen Einkünfte von PLN ***8***. Dies ergibt zum Umrechnungskurs im Jahr 2016 zum Euro (0,05725 - Steuerwert) einen Betrag von € ***17*** bzw. nach dem Referenzkurs der EZB (0,229190) einen Betrag von € ***18***.

Nach dem von der Eurostat veröffentlichten Kaufpreisparitäten (KKP) - Vergleichende Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern hat der Indikator für Österreich im Jahr 2016 110,5 und für Polen 56,0 betragen.

Ob von der Gattin des Bf. im Jahr 2016 eine nahe Familienangehörige (laut Vorbringen des Bf. die ***19***) am Wohnort des Bf. und seiner Familie (Gattin und zwei Söhne) bzw. an einem anderen Ort gepflegt wurde, kann nicht festgestellt werden.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf folgende Überlegungen:

Der Umstand, dass der Bf. im Jahr 2016 unter der Woche während der Tätigkeit für seinen Dienstgeber auf Kosten des Dienstgebers an den jeweiligen Einsatzorten genächtigt hat, ergibt sich einerseits aus der fast durchgehenden Beschäftigung im Jahr 2016 sowie aus der weiten Entfernung des Wohnsitzes in Polen (über 500 km).

Die Feststellung, dass der Bf. für die Fahrten zum Wohnsitz nach Polen einen eigenen PKW verwendet hat, ergibt sich aus dem vorgelegten Fahrzeugabbauzertifikat vom ***20***. Auch dass die Verschrottung infolge eines erlittenen Unfalls notwendig war, ist angesichts der vom Bf. zurückgelegten Strecken plausibel.

Der Umstand, dass der Bf. über einen eigenen Wohnsitz in Polen hat, ist zwischen den Parteien nicht strittig und ist das diesbezügliche Vorbringen angesichts des Umstandes, dass der Bf. über keinen Wohnsitz im Inland im beschwerdegegenständlichen Zeitraum verfügt hat und mit seiner Gattin und seinen beiden erwachsenen Söhnen zusammenwohnt, glaubwürdig und entspricht der Lebenserfahrung.

Die festgestellte Fahrtstrecke zwischen Wohnort in Polen und ***16*** ergibt sich aus der mit dem Vorlegantrag vorgelegten Aufstellung sowie einer Abfrage mit "google maps", der eine Strecke von 506 km ausweist.

Die Höhe der von der Gattin des Bf. im Jahr 2016 in Polen erzielten Einkünfte ergibt sich einerseits aus der vom Bf. vorgelegten Steuererklärung für 2016 sowie dem von der polnischen Steuerbehörde gefertigten Formular E 9 für 2016 .

Die Kaufpreisparitäten Österreichs und Polens im Jahr 2016 ergeben sich aus der von Eurostat im Internet veröffentlichten Statistiken.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Übernachtet der Steuerpflichtige an den Arbeitstagen am Arbeitsort - wie gegenständlich der Bf. in Hotelzimmern oder Pensionen - und fährt er nur an den Wochenenden zu seinem Familienwohnort, wird ein gewöhnlicher Aufenthalt am Arbeitsort begründet (; ; ). Die von der belangten Behörde angestellten Überlegungen betreffend Vorliegen einer nur beschränkten Steuerpflicht beschäftigen sich nur mit der Frage, ob der Bf. über einen Wohnsitz im Inland verfügt, nicht hingegen mit der Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes (vgl. den angefochtenen Bescheid vom ). Da der Bf. nach den getroffenen Feststellungen an den Arbeitstagen - und zwar nicht nur für einen kurzen Zeitraum - sondern fast das gesamte Jahr 2016 - im Inland genächtigt hat, ist der gewöhnliche Aufenthalt des Bf. im Inland und sohin das Bestehen der unbeschränkten Steuerpflicht zu bejahen und war auch nicht die Frage zu prüfen, ob der Bf. wirksam einen Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 gestellt hat.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen
(Berufs-)Tätigkeitbezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

Die vom Bf. geltend gemachten Kosen für Familienheimfahrten in Höhe von € 3.000 übersteigen den Betrag für das höchste Pendlerpauschale nicht zumal auch die gesetzliche Höchstgrenze nicht zu aliquotieren ist, weil in jedem Monat des Jahres 2016 eine Beschäftigung bestand (vgl. Jakom/Lenneis, EStG 2020, Rz 56 zu § 16 unter dem Stichwort "Familienheimfahrten" Punkt j).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten sind nur dann anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ().

Als ein für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund von erheblichem objektiven Gewicht ist unter anderem das Vorliegen von steuerlich relevanten Erwerbseinkünften im Sinn des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 des Ehepartners am Familienwohnsitz anzusehen, die bei dessen Verlegung verloren gehen würden (vgl. zB Jakom/Lenneis, aaO, § 16 Rz 56 unter dem Stichwort "Doppelte Haushaltsführung" Punkt d). Der Bf. hat in seinem Schreiben vom ausdrücklich auf die Beschäftigung seiner Gattin, d.h. auf eine aktive Erwerbstätigkeit, im Jahr 2016 hingewiesen, sodass dieser Unzumutbarkeitsgrund für die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes dem Grunde nach zu bejahen ist.

Allerdings müssen die Erwerbseinkünfte des Gatten am Familienwohnsitz in Relation zum gesamten Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Einkünfte des Gatten mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen erreichen ().

Setzt man die Einkünfte des Bf. (€ ***10***) zu jenen seiner Gattin (€ ***18***; nach Dafürhalten des Bundesfinanzgerichts ist nicht der Steuerwert heranzuziehen sondern der von der EZB festgesetzte Umrechnungskurs) ins Verhältnis, entsprechen die Einkünfte der Gattin 23,19% der Einkünfte des Bf. , sodass nicht von einem wirtschaftlich unbedeutenden Einkommen der Gattin des Bf. am Familienwohnort auszugehen ist und daher die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung für das beschwerdegegenständliche Jahr zu bejahen ist, weswegen die begehrten Kosten der Familienheimfahrten zustehen und der Beschwerde insoweit stattzugeben ist.

Soweit die belangte Behörde offenbar im Vorlageantrag implizit die Ansicht vertritt, dass die Einkünfte der Gattin am Familienwohnsitz keinen ausreichend gewichtigen Grund darstellen um von einer gegebenen Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes auszugehen, weil die Einkünfte nicht den in den LStR 2002 angeführten Betrag von € 6.000 erreichen (Rz 344 LStR 2002), ist zunächst festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht an Rechtsansichten, die in Richtlinien des BMF enthalten ist, nicht gebunden ist, weil diese Richtlinien mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für das BFG beachtliche Rechtsquelle darstellen (vgl. zB ). Zum anderen gibt es nach der Rechtsprechung des VwGH keine festen (absoluten) Beträge, nach denen ermessen werden kann, ob die Erwerbseinkünfte des Gatten am Familienwohnsitz wirtschaftlich ins Gewicht fallen oder nicht (vgl. dazu auch Doralt, EStG13, Tz 200/6 zu § 16 EStG). Schließlich übersieht die belangte Behörde, dass zwischen Polen und Österreich im Jahr 2016 (und auch jetzt noch) ein massiver Kaufkraftunterschied besteht. Besieht man sich die Kaufkraftparitäten laut Eurostat im Jahr 2016, ergibt sich ein Verhältnis von 1 (Österreich) zu 0,5068 (Polen; gerundet). Diese unterschiedliche Kaufkraft ist bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Bedeutung des Erwerbseinkommens der Gattin in Polen zu berücksichtigen ().

Abschließend ist zur Thematik Familienheimfahrten festzuhalten, dass die vom Bf. auch als Unzumutbarkeitsgrund geltend gemachte Pflege der ***19*** durch die Gattin in Polen nicht als maßgeblicher Grund anzusehen ist, weil der Bf. trotz entsprechender Aufforderung durch das Finanzamt weder den Namen, das Geburtsdatum bzw. den Ort der Unterbringung genannt hat und er somit seiner ihn bei Auslandssachverhalten treffenden Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen ist (vgl. zB ).

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung hat der Bf. auch den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend gemacht. Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro, bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro. Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. …

Ein Kind im Sinn des § 106 Abs. 1 EStG 1988 ist ein solches für das dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht. Ein Kinderabsetzbetrag steht dann zu, wenn für das Kind Familienbeihilfe bezogen wird. Da schon lange vor dem beschwerdegegenständlichen Jahr für die beiden Söhne keine Familienbeihilfe bezogen wurde, steht der beantragte Alleinverdienerabsetzbetrag aus diesem Grund nicht zu.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zum Mängelbebungsauftrag des Finanzamtes vom zunächst ausführen, dass dieser den Vorlageantrag vom unrichtigerweise als Beschwerde bezeichnet. Gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 BAO idF BGBl I 2014/105 hat der Vorlageantrag die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. Da im Vorlageantrag vom (per Fax am eingebracht) im Betreff lediglich "Einkommensteuerbescheid 2016" angeführt ist und auch im Text selbst nur vom "Bescheid" die Rede ist, war die Erteilung des Mängelbehebungsauftrages auch aus Sicht des Bundesfinanzgerichts geboten. Allerdings war die belangte Behörde für die Erteilung des Mängelbehebungsauftrages nicht zuständig (vgl. Ritz, BAO6, Tz 4a zu § 264 BAO), weil diese Kompetenz nur dem Bundesfinanzgericht zukommt.

Die Einfügung des 2. Satzes in § 264 Abs. 1 BAO durch das 2. AbgÄG 2014 war eine Reaktion auf in der Praxis vorkommende nicht (eindeutig) zuordenbare Vorlageanträge (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 264 (Stand , rdb.at), Anm 3 zu § 264 BAO). Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszwecks sowie dass Anbringen von Parteien nach dem Inhalt und dem erkennbaren bzw. zu erschließenden Ziel zu beurteilen sind (vgl. zB , 0054), liegt in der dargestellten Ergänzung des Betreffes des Schreibens vom "Beschwerde gegen der Vorentscheidung betreffend Einkommensteuerbescheid 2016" die in § 264 Abs. 1 Satz 2 BAO geforderte Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung vom , weswegen im Zeitpunkt der Vorlage an das Bundesfinanzgericht jedenfalls ein wirksam eingebrachter Vorlageantrag vorliegt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass gegenständlich nur eine Beschwerde des Bf. und eine Beschwerdevorentscheidung im Zeitpunkt der Erteilung des Mängelbehebungsauftrages betreffend das Jahr 2016 vorgelegen sind. Dass sich der Vorlageantrag nur auf das Jahr 2016 beziehen konnte, hat sich bereits aus diesem selbst ergeben ("Betrifft: Einkommensteuerbescheid 2016").

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision ist nicht zulässig, da es sich im Wesentlichen um die Beantwortung von Tatfragen handelt und die zugrundeliegenden Rechtsfragen (Voraussetzungen für einen gewöhnlichen Aufenthalt sowie für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes) durch die im Erkenntnis angeführte Rechtsprechung des VwGH geklärt sind.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Erwerbseinkünfte am Famillienwohnsitz
gewöhnlicher Aufenthalt
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5101549.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at