Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung iSd FLAG 1967
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Familienbeihilfe ab Mai 2019, SVNR ***1***, für die Tochter ***2*** ***3***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
1. Der angefochtene Bescheid wird für den Zeitraum 5/2019 bis 12/2019 aufgehoben.
2. Für den Zeitraum ab 1/2020 bleibt der Bescheid unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF) stellte am einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Mai 2019 für ihre Tochter, die eine exekutivdienstliche Ausbildung als Polizeischülerin aufgenommen habe.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom mit Hinweis auf das Erkenntnis des und der nicht vorliegenden Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b bis e FLAG 1967 abgewiesen. Ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis sei als Berufsausübung zu werten und nicht als Berufsausbildung.
Dagegen richtete sich die Beschwerde der BF vom : die Tochter absolviere keine fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung sondern eine Grundausbildung für den Exekutivdienst. Deshalb sei das zitierte, zu einem Grenzpolizisten ergangene VwGH-Erkenntnis nicht anwendbar.
Der VwGH habe im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 vielmehr die Unterschiede der Ausbildung der Grenzpolizisten jenen der Polizisten (Exekutivdienst) gegenübergestellt und festgehalten, dass es unstrittig sei, dass die Basisausbildung der Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich (Dauer 6 Monate) und die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst (9 Monate) als Berufsausbildung iSd FLAG anzusehen seien.
Das Finanzamt habe die Rechtslage verkannt und die 24-monatige durchgehende Ausbildung der Tochter nicht entsprechend gewürdigt.
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden könnten und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fielen, habe der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG ergebe, falle unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre ).
Die 24-monatige, nicht durch Ausbildungsphasen unterbrochene - durchgehende Grundausbildung für den Exekutivdienst, welche die Tochter absolviere, sei daher als eine Berufsausbildung anzusehen und begründe den Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967.
Die Beschwerde wurde dem BFG ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung direkt vorgelegt und vom BFG mit Erkenntnis vom , RV/2101014/2019, abgewiesen mit der Begründung, dass nach diese Ausbildungsphase der Berufsausübung diene und demnach nicht als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gewertet werden könne.
Nach Erhebung einer außerordentlichen Revision ließ der VwGH diese zu, hob mit Erkenntnis vom , Ra 2019/16/0202, das angefochtene Erkenntnis des BFG auf und führte aus:
"Der vorliegende Revisionsfall gleicht in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht jenem Fall, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0039, zugrunde lag.
In diesem Erkenntnis ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass eine am Beginn des Exekutivdienstes vor einer Verwendung als Polizist stehende "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, noch eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG darstellt.
Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben."
Das Bundesfinanzgericht hat im fortgesetzten Verfahren erwogen:
Sachverhalt
Die Tochter der BF (geboren am ***5***) hat einen auf 24 Monate befristeten Sondervertrag gem. § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung mit der Landespolizeidirektion Wien auf Basis Vollbeschäftigung abgeschlossen und die Ausbildung am begonnen.
Der Ausbildung liegt der Ausbildungsplan für die Polizeigrundausbildung (Grundausbildung für den Exekutivdienst) zugrunde. Der Ausbildungsplan beinhaltet eine Stundentafel samt Lehrplan. Grundlage für den Ausbildungsplan ist die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017) in der geltenden Fassung.
Die Tochter der BF vollendete am ***4*** das 24. Lebensjahr.
Beweiswürdigung
Der insoweit unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.
Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Entgegen seiner im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203 geäußerten Erwägungen in Rz 16 ff, judiziert der VwGH gemäß den o.a. Erkenntnissen, Erkenntnis vom , Ra 2019/16/0202 und vom , Ra 2020/16/0039, dass die am Beginn des Exekutivdienstes stehende "Basisausbildung" mit Lehrplan und Stundentafel, die - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, noch eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt.
Hat der VwGH einer Revision stattgegeben, sind gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die Tochter der BF hat im Mai 2019 mit der Basisausbildung im Exekutivdienst begonnen. Somit liegt iSd Erkenntnisses des VwGH eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. bFLAG 1967 ab Mai 2019 vor.
Da die Tochter im Dezember 2019 das 24. Lebensjahr vollendete, und keine Verlängerungsgründe aus der Aktenlage ersichtlich sind, war der Familienbeihilfenanspruch ab Jänner 2020 abzuweisen.
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag.
Ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 vorliegen, wird das Finanzamt zu berücksichtigen haben.
Steht Familienbeihilfe zu, ist diese gemäß § 11 FLAG 1967 vom Finanzamt auszuzahlen und darüber vom Finanzamt gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben ist, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Auflage 2020, § 26 Rz 3 mwN).
Hält die Antragstellerin die zur Auszahlung kommende Familienbeihilfe für falsch, kann diese einen Antrag auf Auszahlung eines anderen Betrages stellen, über den dann das Finanzamt gesondert abzusprechen haben wird mit vollem Rechtsschutz mittels Beschwerde für die Antragstellende.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung folgt dem Erkenntnis des .
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.2100001.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAC-27082