Vorliegen eines Hinterziehungstatbestandes iSd § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO im Fall nicht erklärter Vermögensveranlagungen in der Schweiz
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/7101936/2016-RS1 | wie RV/1100071/2014-RS1 Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. , mwN, und , mwN). Ergibt sich dabei ein eindeutiges Gesamtbild, steht der Annahme vorsätzlichen Handelns auch nicht entgegen, dass dem zwischenzeitig verstorbenen Abgabepflichtigen kein rechtliches Gehör mehr gewährt werden kann. |
RV/7101936/2016-RS2 | wie RV/7101706/2013-RS2 Bei einem in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Abgabepflichtigen ist aufgrund der medialen Berichterstattung über die Steuerpflicht der Einkünfte aus dem in der Schweiz veranlagten Kapitalvermögen in Österreich generell davon auszugehen, dass der Abgabepflichtige die Verwirklichung einer Steuerhinterziehung in Form der Verletzung der Offenlegungspflicht durch Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen mit Angaben bezüglich der Einkünfte aus ausländischen Kapitalvermögen ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***BF1***, ***BF1-Adr***, vertreten durch ***V***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***XY*** vom betreffend amtswegige Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2007, Einkommensteuer 2004 bis 2007, Steuernummer***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
a) Am wurde von der Bf. als (damals noch nicht eingeantwortete) Universalerbin nach ihrem Vater, ***1*** (verstorben am ***Datum1***), eine Offenlegung gemäß § 29 FinStrG betreffend die Jahre 1984 bis 2012 erstattet. ***1*** hatte Konten und Depots bei der Bank ***CH*** in der Schweiz. Die auf diesen Konten angefallenen Kapitaleinkünfte und Spekulationseinkünfte wurden nicht in Österreich versteuert.
Die Bf. war auf den Konten stets zeichnungsberechtigt. Die Verfügungsmacht über die Konten hatte Zeit seines Lebens ***1***. Hinsichtlich der Nichtversteuerung der auf den Konten und Depots bei der ***CH*** verbuchten Vermögenswerte hatte die Bf. bis zur Aufklärung durch die steuerlichen Vertreter kein Wissen. Die Erträge aus der Veranlagung der Vermögenswerte wurden mindestens seit dem Jahr 1984 nicht der österreichischen Besteuerung unterworfen.
In der Offenlegung vom wurde ua. ausgeführt, dass ***1*** wohl irrtümlicherweise der Ansicht gewesen sei, dass er mit den Erträgnissen aus den Schweizer Bankkonten in Österreich nicht steuerpflichtig sei.
b) In weiterer Folge fand bei der Verlassenschaft nach ***1*** eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO betreffend Einkommensteuer 2003 bis 2012 statt. Dabei stellte die Prüferin den oa. Sachverhalt fest und würdigte diesen rechtlich wie folgt (siehe die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom , ABNr. ***2***):
"Im gegenständlichen Fall sind Tatsachen und Beweismittel, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 (1) BAO begründen, zweifelsfrei durch die im Schreiben vom erstattete Offenlegung gem. § 29 FinStrG hervorgekommen. Zu untersuchen ist daher, ob der Wiederaufnahme gesetzliche Verjährungsbestimmungen entgegenstehen. In § 207 BAO wird die Verjährung hinsichtlich des Rechtes auf Festsetzung einer Abgabe geregelt, und zwar nicht nur hinsichtlich der erstmaligen Festsetzung, sondern auch für Änderungen von Bescheiden. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist gem. § 207 Abs. 2 BAO zehn Jahre. Aufgrund der in der Selbstanzeige gem. § 29 Abs. 1 FinStrG dargelegten Verfehlung konnte das Finanzamt zweifellos vom Vorliegen der strafrechtlich bedeutsamen objektiven Tatbestandsmerkmale der Abgabenhinterziehung ausgehen.
Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a FinStrG ist im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Es wurde unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO durch das Nichterklären von Einkünften eine Verkürzung von Abgaben bewirkt.
Zu prüfen ist weiters, ob auch die subjektive Tatseite, der Vorsatz, gegeben ist. Es werden drei Arten von Vorsatz unterschieden: Absicht, Wissentlichkeit und bedingter Vorsatz. Im Fall der Abgabenhinterziehung gem. § 33 Abs. 1 FinStrG genügt der bedingte Vorsatz. Voraussetzung für die Annahme des bedingten Vorsatzes ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafür sprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit. Gemeint ist die Möglichkeit in einem konkreten Sinn, wie sie etwa einem durch Bedenken erweckten Zweifel entspricht (Reger/Nordmeyer/Hacker/Kuroki, FinStrG Bd 1 § 8 S 150 Rz 40). Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. ; , 92/14/0036). Dabei genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. ; , 98/14/0213; , 99/15/0250). Die Abgabenbehörde muss, wenn eine Partei eine für sie nachteilige Tatsache bestreitet, den Bestand der Tatsache nicht "im naturwissenschaftlichen-mathematisch exakten Sinn" nachweisen ().
Verschuldeter (= unentschuldbarer) Irrtum liegt auch bei vorwerfbarer Unterlassung einer Erkundigungspflicht vor (-EvBl 1974/157). Ein vorwerfbarer Rechtsirrtum liegt vor, wenn der Steuerpflichtige trotz Zweifel betreffend die Rechtmäßigkeit seines Handelns nicht bei der zuständigen Behörde anfragt (-AnwBl 1997, 959). Die Unkenntnis des Gesetzes ist nur dann als unverschuldet anzusehen, wenn dem Normadressaten die Rechtsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist; mussten ihm zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens aufkommen, haben ihn diese Zweifel zu veranlassen, hierüber bei der zuständigen Behörde anzufragen ( 651/68; , 0084 - ÖStZB 1998, 412).
In der Unterlassung einer dem Beschuldigten nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbaren Erkundigung liegt ein Verschulden, welches das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums und damit die Anwendung des § 9 FinStrG ausschließt (-VwSlgNF 4013 F; ; 390/73).
Da Herr ***1*** das Kapitalvermögen schon jahrzehntelang besaß, erscheint es unglaubwürdig und nicht im Einklang mit den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass er es niemals für notwendig befunden hat, Erkundigungen über die Steuerpflicht der Kapitalerträge einzuholen, zumal die Versteuerung von Kapitaleinkünften häufig Gegenstand medialer Berichterstattung war (Kundmachung Änderung der Zinsbesteuerung hin zu einer Endbesteuerung mit Wirkung , Lenz usw.), bzw. dass er nicht mit seinem steuerlichen Vertreter über das in der Schweiz angelegte Vermögen gesprochen hat. Die qualifizierte Tätigkeit eines Steuerberaters, dessen Tagesgeschäft durch wirtschaftliches Denken und Handeln mit Zielpunkt auf jeden einzelnen Klienten geprägt ist, ist nämlich nicht auf den Jahresabschluss oder die Steuererklärung seines Mandanten beschränkt, weil viele Maßnahmen und Anpassungen einer steuerlichen Beratung ihre Auswirkungen erst in der Zukunft finden. Der Steuerberater hat von Anfang an ein enges Vertrauensverhältnis zu seinen Mandanten aufzubauen, um Einblick in alle finanziellen Verhältnisse seines Klienten zu erhalten. Soll der Steuerberater sowohl die Vergangenheit, die Gegenwart wie auch die Zukunft seines Klienten im Blick haben, um sich dann tatsächlich um die Detailfragen im Einzelnen kümmern zu können, werden die individuellen Bedürfnisse der Mandanten anlässlich eines Erstgesprächs geklärt. In Hinblick auf die berufliche/private Notwendigkeit solcher Beratungsgespräche und des Vertrauensverhältnisses zwischen Vertreter und dem Mandanten ist die Annahme der Unkenntnis der vertretenen Person zu verneinen.
Da von Herrn ***1*** jahrzehntelang Einkommensteuererklärungen abgegeben wurden, wäre allein aus dem Erklärungsformular ersichtlich gewesen, dass ausländische Kapitalerträge und Spekulationsgewinne zu erklären sind.
Die Würdigung aller Sachverhaltselemente führt zu dem Schluss, dass der AbgPfl. die Steuerverkürzung - wenn nicht sogar absichtlich und wissentlich - so doch zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die Nichterklärung von Kapitaleinkünften aus den Schweizer Depots erfüllt somit den Tatbestand der hinterzogenen Abgaben und führt zu der verlängerten Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 2 BAO (vgl. dazu zB UFS Wien vom , RV/1451-W/11).
Die verlängerte Verjährungsfrist gilt auch dann, wenn eine Bestrafung etwa wegen Todes des Täters nicht mehr möglich ist (Ellinger/Wetzel, BAO, 139; Stoll, BAO, 2170; Ritz, BAO5, § 207 Tz 16)."
c) Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüferin, nahm am die Verfahren ua. betreffend Einkommensteuer für 2004 bis 2007 von Amts wegen wieder auf und erließ am selben Tag neue Einkommensteuerbescheide (Sachbescheide), mit denen es die ausländischen Kapitaleinkünfte (2004: 133.118,35 €; 2005: 236.705,44 €; 2006: 236.397,50 €; 2007: 317.003,03 €) unter Anrechnung der Quellensteuern (2004: 3.009,71 €; 2005: 3.668,72 €; 2006: 6.772,36 €; 2007: 10.623,04 €) sowie die ausländischen Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (2005: 1.559,52 €; 2006: 21.515,42 €; 2007: 11.562,20 €) der Besteuerung unterwarf.
d) Gegen diese Bescheide erhob der steuerliche Vertreter der Bf. am Beschwerde (die Verlassenschaft nach ***1*** war in der Zwischenzeit der Bf. als Erbin eingeanwortet worden), in der er den Antrag stellte, die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, es sei von der Behörde als Vorfrage nach den Vorschriften des FinStrG zu prüfen, ob Abgaben iSd § 207 Abs. 2 2. Satz BAO hinterzogen seien (Hinweis auf Ritz, BAO3, § 207 Tz 15; UFS Feldkirch , RV/0379-F/08).
Nach der Rechtsprechung sei die Verjährung von Abgaben in jedem Verfahrensstadium zu berücksichtigen und bewirke die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde (Hinweis auf zB ).
Der Spruch der angefochtenen Bescheide erweise sich aus nachstehenden Erwägungen als inhaltlich unrichtig:
Der Annahme der Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung durch den Erblasser sei entgegenzuhalten, dass in der Offenlegung vom darauf hingewiesen worden sei, dass die Nichtversteuerung durch den Verstorbenen wohl irrtümlich erfolgt sei, womit eindeutig festgehalten sei, dass kein Vorsatz beim verstorbenen ***1*** vorgelegen sei.
Ein derartiger Hinweis in der Offenlegung wäre allerdings nicht einmal zwingend gewesen, noch viel weniger ein "näheres Eingehen" auf die subjektive Tatseite. Im Zuge der Offenlegung nach § 29 FinStrG bestehe keine Notwendigkeit, im Rahmen der Darlegung der Verfehlung auch Umstände bekannt zu geben, die der Beantwortung der Frage dienten, ob die Abgabepflichtige vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe. Ein Schuldbekenntnis in Form von Ausführungen zur subjektiven Tatseite sei für die ausdrückliche Darlegung der Verfehlung bei der Offenlegung nicht erforderlich (Hinweis auf Leitner/Toifl/Brandl, Finanzstrafrecht3, Rz 384; BGH , 5 StR 253/92, wistra 1993, 66).
Wie bereits in der Offenlegung vom dargelegt worden sei, sei ***1*** wohl der Ansicht gewesen, dass er mit den Erträgnissen aus den Schweizer Bankkonten in Österreich nicht steuerpflichtig sei. Es sei daher von der Abgabenbehörde zu prüfen, ob der Abgabepflichtige hinsichtlich der Nichtbesteuerung der Einkünfte in Österreich einem Irrtum unterlegen sei.
Gemäß § 9 FinStrG werde dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlaufe, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen lasse. Sei der Irrtum unentschuldbar, so sei dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Somit besage der ausdrückliche Gesetzeswortlaut, dass im Falle eines Irrtums - auch bei dessen Unentschuldbarkeit - Vorsatz ausgeschlossen sei (§ 9 FinStrG).
Letztlich gehe es nur bei der Frage der Entschuldbarkeit des Irrtums - und daher letztlich bei der Frage der Fahrlässigkeit - darum, ob der Steuerpflichtige Erkundigungen hinsichtlich der Versteuerung der Kapitaleinkünfte in Österreich einzuholen gehabt hätte. Hier liege einem jüngeren deutschen Judikat (FG Münster vom , 1 K 1544/04 E) die Ansicht zugrunde, dass aus dem bloßen Unterlassen der Einholung von Erkundigungen kein bedingter Vorsatz abgeleitet werden könne.
In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des UFS nicht einmal Wirtschaftstreuhändern der Vorwurf des Vorsatzes - nicht einmal der groben Fahrlässigkeit - gemacht werde, wenn sie mit den Untiefen des internationalen Steuerrechts (Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an Wohnsitz in Österreich, Glaube an Existenz eines DBA zwischen Österreich und den Cayman Islands) nicht vertraut seien (Hinweis auf UFS Linz , FSRV/0087-L/03). Die jüngere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belege, dass auch bei Personen des Wirtschaftslebens der einschlägige Wissensstand nicht überschätzt werden dürfe (dies gelte insbesondere bei der abgabenrechtlichen Beurteilung komplexer Sachverhalte) und der Vorwurf des "Wissen müssen" maximal ein fahrlässiges Verhalten begründen könne, nicht jedoch Vorsatz (Hinweis auf ). Diese Aussagen harmonierten auch mit der originär strafrechtlichen Rechtsprechung zum Irrtum über die Steuerpflicht ausländischer Kapitaleinkünfte im Bereich der DBA-Anwendung (Hinweis auf BayOLG , RReg 4 St 132/89, wistra 1990, 202 (203)).
Zu den Ausführungen der belangten Behörde im Bp-Bericht zur Vorwerfbarkeit des Irrtums unter Zitierung höchstgerichtlicher Rechtsprechung sei festzuhalten, dass dies für die gegenständlich relevante Rechtsfrage - nämlich ob (vorsätzlich) hinterzogene Abgaben iSd § 207 Abs. 2 2. Satz BAO vorlägen - völlig unerheblich sei. Selbst wenn der Rechtsirrtum des verstorbenen ***1*** vorwerfbar (dh unentschuldbar) wäre, lägen aufgrund des (in dieser Hinsicht) eindeutigen Wortlauts des § 9 FinStrG keine hinterzogenen Abgaben (aufgrund von Fahrlässigkeit) vor und die Annahme der verlängerten Verjährungsfrist wäre somit rechtswidrig.
Dies gelte des Weiteren auch für die Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der Nichteinholung von Auskünften betreffend das ausländische Kapitalvermögen beim laufenden steuerlichen Vertreter. Wenn ***1*** der irrigen Meinung gewesen sei, dass ausländisches Kapitalvermögen in Österreich nicht der Besteuerung zu unterwerfen sei (etwa aufgrund eines Endbesteuerungsirrtums), dann hätte er dessen Bestehen - schon nach allgemeiner Lebenserfahrung - auch seinem Steuerberater nicht mitgeteilt. Vielmehr erscheine es nicht der Realität entsprechend, dass österreichische Steuerpflichtige ihre Steuerberater über das Vorhandensein und die Höhe von mit der Kapitalertragsteuer endbesteuerten Einkünften auf österreichischen Bankkonten informierten.
Bei Verstorbenen sei es darüber hinaus nach Ansicht des UFS (Hinweis auf UFS Feldkirch , RV/0199-F/04; UFS Wien , FSRV/0128-W/08) unter Umständen nicht mehr einwandfrei möglich, das Vorliegen des Vorsatzes nachzuweisen. Auch die Literatur (Hinweis auf Stoll, BAO II, § 207, 2170 mwN) hege gegenüber der Annahme des Vorsatzes bei einem Verstorbenen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit und der Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 EMRK, da die Feststellung der Schuld nicht unter Gewährung des rechtlichen Gehörs für den Verstorbenen getroffen werden könne, was diese verfahrensfehlerhaft, mitunter die Verfassungssphäre berührend, mangelhaft machen könne.
Eine Veranlagung der Einkünfte könne daher grundsätzlich nicht mehr für die angefochtenen Jahre erfolgen, da rein aus den nunmehr vorliegenden Unterlagen und sohin ausschließlich aus der Aktenlage der Vorsatz des Verstorbenen ohne Wahrung dessen Parteiengehörs nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden könne. So spreche insbesondere gegen einen Vorsatz des Verstorbenen, dass dieser wohl eine Beteiligung an einem schweizerischen Unternehmen gehalten habe, welche er auch in der Schweiz verkauft und den Veräußerungserlös in der Schweiz angelegt habe, darüber hinaus dürfte weiteres Vermögen bereits seit langem in der Schweiz veranlagt gewesen sein, eine vorsätzliche Verbringung von Vermögenswerten in die Schweiz habe hingegen nicht stattgefunden.
Ein weiterer Grund für die Nichtangabe dieser Einkünfte in der österreichischen Steuererklärung liege darin, dass ***1*** wohl der irrigen Meinung gewesen sein dürfte, dass die ausländischen Quellensteuern auf die ausländischen Kapitaleinkünfte eine Endbesteuerungswirkung (vergleichbar der österreichischen Kapitalertragsteuer) hätten.
Diese Meinung werde im Übrigen nunmehr auch vom UFS Linz in seiner Entscheidung vom , FSRV/0100-L/10, geteilt. Demnach sei es denkmöglich, dass selbst in Wirtschaftsdingen erfahrene Personen hinsichtlich der korrekten Besteuerung von ausländischen Kapitaleinkünften im internationalen Steuerrecht einem "Endbesteuerungsirrtum" unterliegen könnten.
Da mangels (nachweisbaren) Vorsatzes die Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 vorletzter Satz BAO nicht zehn, sondern nur fünf Jahre betrage, erweise sich der Spruch der angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgrund des zuvor Gesagten jedenfalls als inhaltlich rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung sei die Verjährung von Abgaben in jedem Verfahrensstadium zu berücksichtigen und bewirke die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde. Daher seien auch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide (Sachbescheide) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und daher letztlich auch wegen Unzuständigkeit des Finanzamts ***XY*** zur Erlassung derselben ersatzlos aufzuheben.
e) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Begründend wurde dazu nach Wiedergabe des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts im Wesentlichen ausgeführt, dass im vorliegenden Fall Tatsachen und Beweismittel, die eine Wiederaufnahme begründeten, zweifelsfrei durch die mit Schreiben vom erstattete Offenlegung gemäß § 29 FinStrG neu hervorgekommen seien. Zu untersuchen sei daher, ob der Wiederaufnahme gesetzliche Verjährungsbestimmungen entgegenstünden. In § 207 BAO werde die Verjährung hinsichtlich des Rechts auf Festsetzung einer Abgabe geregelt, und zwar nicht nur hinsichtlich der erstmaligen Festsetzung, sondern auch für Abänderungen von Bescheiden. Soweit eine Abgabe hinterzogen sei, betrage die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO zehn Jahre.
Im Erkenntnis UFS Wien , RV/2893-W/09, RV/2894-W/09, werde seitens des Unabhängigen Finanzsenats vorgebracht, dass dem Erfordernis des Hervorkommens "neuer Tatsachen" für die amtswegige Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO durch die in einer Selbstanzeige offenkundig zum Ausdruck gebrachten tatsächlichen, mit dem Sachverhalt des bereits abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängenden Umstände ausreichend Rechnung getragen werde.
Reichten solche in einer Selbstanzeige übermittelten Tatsachen aus, ein bereits abgeschlossenes Verfahren wiederaufzunehmen, müssten solche Tatsachen umso mehr eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für einen erst zu erstellenden Abgabenbescheid bilden, bedenke man, dass auch ein im Schätzungsverfahren nach § 184 BAO ermittelter Prüfbericht Anlass für eine Bescheiderlassung sein könne. Darüber hinaus seien auch die der Abgabenbehörde übermittelten Schweizer Kontrollmitteilungen als weitere Beweismittel und Grundlagen für bescheidmäßige Feststellungen zu werten.
Die verlängerte Verjährungsfrist gelte auch dann, wenn eine Bestrafung etwa wegen Todes des Täters nicht mehr möglich sei (Ellinger/Wetzel, BAO, 139; Stoll, BAO, 2170; Ritz, BAO5, § 207 Tz 16).
Im gegenständlichen Fall seien Tatsachen und Beweismittel, die eine Wiederaufnahme begründeten, zweifelsfrei durch die im Schreiben vom erstattete Offenlegung gemäß § 29 Abs. 1 FinstrG hervorgekommen. Das Finanzamt habe daher zweifellos vom Vorliegen der strafrechtlich bedeutsamen objektiven Tatbestandsmerkmale der Abgabenhinterziehung ausgehen können.
Die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 iVm Abs. 3 lit. a FinStrG sei im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Es sei vom Verstorbenen ***1*** unter Verletzung der ihm obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO durch das Nichterklären von Einkünften eine Verkürzung von Abgaben bewirkt worden.
Gemäß § 33 Abs. 3 lit. a erster Halbsatz FinStrG sei eine bescheidmäßig festzusetzende Abgabe verkürzt, wenn diese zu niedrig festgesetzt worden sei. Bei den veranlagten Abgaben trete der Schaden nicht schon durch die Einreichung einer unrichtigen Abgabenerklärung, sondern erst mit der Zustellung des Steuerbescheids ein. Maßgeblich sei die erstmalige Festsetzung.
Das im Zusammenhang mit § 33 Abs. 1 FinStrG geforderte Vorsatzerfordernis werde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "als ein nach außen nicht erkennbarer Willensvorgang", der aber "aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen ist", beschrieben. Dabei "erweisen sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung". "Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt".
Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handle derjenige vorsätzlich, der es nach den Gesamtumständen für möglich gehalten habe, dass er einen Tatbestand verwirklicht und dies gebilligt oder doch in Kauf genommen habe. Der bedingte Vorsatz liege an der Untergrenze des Vorsatzes.
Für den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung sei es erforderlich, dass der Täter den Steueranspruch kenne und wisse, dass er unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen mache und dadurch der Steueranspruch beeinträchtigt werde.
Durch die wahrheitswidrige Nichtangabe der ausländischen Einkünfte habe mindestens Eventualvorsatz bestanden. Es sei davon auszugehen, dass der Abgabepflichtige gewusst habe, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen nicht vollständig angegeben worden seien und dass er dies zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, dass dadurch Steuern hinterzogen worden seien.
Der eingewendete Rechtsirrtum müsse nach Ansicht des Finanzamts auch deshalb verneint werden, weil anlässlich des Lenz, die Besteuerung von ausländischen Kapitalerträgen in allen Medien (nicht nur in einschlägigen Fachzeitschriften) Thema gewesen, ausführlich publiziert worden und somit in der Öffentlichkeit bekannt geworden sei.
Es sei somit auch bereits vor dem Schweizer Abkommen eine diesbezügliche mediale Berichterstattung erfolgt, die auf ein Wissen zur Pflicht der Erklärung von Erträgen aus Kapitalanlagen in der Schweiz in der österreichischen Steuererklärung schließen lasse.
Es könne daher davon ausgegangen werden, dass die gegenständliche Steuerverkürzung zumindest mit bedingtem Vorsatz begangen worden sei. Die Vorfrage der Abgabenhinterziehung, insbesondere auch der (für die Annahme hinterzogener Abgaben) erforderliche Vorsatz, sei somit gegeben. Dies auch aus folgenden weiteren Gründen:
Im vorliegenden Fall mache die in den beschwerdegegenständlichen Zeiträumen 2004 bis 2007 in der Schweiz abgezogene und somit anrechenbare Quellensteuer in Relation zu den Kapitalerträgen aus dem in der Schweiz veranlagten Vermögen nur einen sehr geringen Prozentsatz aus und sei somit unter der österreichischen Kapitalertragsteuer von 25% gelegen, was klar zu einem Steuervorteil im Vergleich zur sofortigen Erklärung der Kapitalerträge in Österreich geführt habe. [Anm.: Der Prozentsatz der in der Schweiz von den dortigen Kapitalerträgen des ***1*** abgezogenen Quellensteuer betrug 2004 2,26%, 2005 1,55%, 2006 2,86% und 2007 3,35%].
Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfüge, auch von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge wisse.
In Anbetracht der Einkommensverhältnisse könne der Einwand, der Verstorbene ***1*** wäre rechtsirrigerweise davon ausgegangen, dass mit dem in der Schweiz erfolgten (verschwindend geringen) Quellensteuerabzug sämtliche Steuerpflichten erfüllt wären, nicht als ernsthaftes Vorbringen gewertet werden.
Umso mehr, als davon ausgegangen werden könne, dass ***1*** auch in Österreich über ein Bankkonto und daher zumindest temporär über Einkommen aus Kapitalvermögen verfügt habe und daher wissen habe müssen, dass die österreichische, mit Endbesteuerungswirkung verbundene Kapitalertragsteuer, welche ebenso als Abzugsteuer konzipiert sei, 25% betrage.
Bei der Besteuerung ausländischer Kapitaleinkünfte könne nicht automatisch von einer länderübergreifenden Endbesteuerungswirkung in Österreich ausgegangen werden. Es bedürfe vielmehr der Einholung rechtskundiger Beratung, dies umso mehr, als auch in den Medien die Nachversteuerung von Kapitalvermögen aus der Schweiz seit langer Zeit thematisiert worden sei und werde.
Dass ***1*** gutgläubig der Auffassung gewesen sein soll, gerade die nicht unerheblichen Einkünfte aus den Schweizer Depots seien in Österreich steuerfrei und müssten nicht einmal in den österreichischen Steuererklärungen angegeben werden, erscheine unglaubwürdig. Dasselbe gelte für den Einwand, in Ansehung der in der Schweiz erhobenen, (sehr geringen) Quellensteuer könne davon ausgegangen werden, dass in Österreich keine Besteuerung der Kapitalerträge mehr zu erfolgen habe, weshalb ein den Vorsatz ausschließender Rechtsirrtum vorliege, zudem es an ***1*** gelegen gewesen wäre, in Erfüllung der abgabenrechtlichen Offenlegungspflichten den Sachverhalt dem Finanzamt gegenüber zur Gänze in der Steuererklärung offen zu legen.
Allein aus dem Umstand, dass diese Kapitalerträge überhaupt nicht deklariert worden seien, und das über Jahrzehnte, sei bereits ein bedingter Vorsatz durch unvollständige Angaben anzunehmen.
In den beschwerdegegenständlichen Jahren 2004 bis 2007 seien Einkommensteuererklärungen E1 abgegeben worden. In den betreffenden Einkommensteuerformularen sei klar ausgewiesen, dass ausländische Kapitalerträge zu erklären seien.
Die Würdigung aller Sachverhaltselemente führe zu dem Schluss, dass die Steuerverkürzung - wenn nicht sogar absichtlich und wissentlich - so doch zumindest billigend in Kauf genommen worden sei. Die Nichterklärung von Kapitaleinkünften aus Schweizer Depots erfülle somit den Tatbestand der hinterzogenen Abgaben und führe zur verlängerten Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 2 BAO (vgl. dazu zB UFS Wien , RV/1451-W/11), weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen sei.
f) Am beantragte der steuerliche Vertreter die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
g) Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Streit zwischen den Parteien des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht darüber, ob der am erfolgten Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2007 sowie der am selben Tag erfolgten, erhöhten Festsetzung der Einkommensteuer 2004 bis 2007 der Eintritt der Verjährung entgegenstand.
Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichts Folgendes festzuhalten:
- Die sorgfältige Beweiswürdigung des Finanzamts, wie sie va. in der Beschwerdevorentscheidung vom zum Ausdruck kommt, ist nicht zu beanstanden, weshalb es im Wesentlichen genügt, auf die Begründung derselben (siehe dazu bereits oben unter Punkt e) in der Darstellung des Verfahrensgangs in diesem Erkenntnis) zu verweisen und sie zum integrierenden Bestandteil dieser Beschwerdeentscheidung zu erklären.
- Weiters ist ausdrücklich festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis RV/1100071/2014, in einem vergleichbaren Fall (Vorliegen eines Hinterziehungstatbestandes im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO im Falle nicht erklärter Vermögensveranlagungen in Liechtenstein), in dem die Bf. ua. von derselben Steuerberatungsgesellschaft mit großteils denselben Argumenten wie im hier zu beurteilenden Fall vertreten wurden, die do. Beschwerde mit überzeugenden Argumenten als unbegründet abgewiesen hat.
Zur Vermeidung von Wiederholungen genügt es im Wesentlichen wiederum, auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses , zu verweisen und sie zum integrierenden Bestandteil dieser Beschwerdeentscheidung zu erklären.
- Die gegen die angeführte Entscheidung des Bundesfinanzgerichts erhobene ordentliche Revision hat das Höchstgericht mit seinem Erkenntnis Ro 2017/15/0015, Ro 2017/15/0031, verworfen. Dessen Entscheidungsgründe lauten auszugsweise:
"Die Revision bringt ausdrücklich vor, dass Dr. X "Einkünfte aus ausländischen Kapitalanlagen" zuzurechnen gewesen seien, und formuliert als Revisionspunkt ausschließlich das Recht auf Berücksichtigung des Eintrittes der Verjährung.
Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO u. a. bei der Einkommensteuer fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zuletzt , mwN).
Der Zweck der Verjährungsbestimmungen liegt darin, dass infolge Zeitablaufes Rechtsfriede eintritt und dass Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, die insbesondere durch ein der Behörde zuzurechnendes Verstreichenlassen längerer Zeiträume entstehen, vermieden werden (vgl. Ritz, BAO5 § 207 Tz 5). Hatte aber der Abgabengläubiger infolge einer Abgabenhinterziehung keine Möglichkeit, das Bestehen seines Anspruches zu erkennen, so entspricht es dem Sinn des Instituts der Verjährung, dass die Durchsetzung der hinterzogenen Abgaben erst nach Ablauf einer längeren Frist unzulässig wird (vgl. Ritz, aaO Tz 14).
Entscheidend ist - nach dem Wortlaut des Gesetzes - dass eine Abgabe hinterzogen ist. Die (Verlängerung der) Verjährungsfrist bezieht sich demnach nicht auf ein Rechtssubjekt, sondern auf eine Forderung (vgl. , mwN). Es kommt somit nicht darauf an, wer eine Abgabe hinterzogen hat (vgl. , VwSlg. 6979/F). Damit ist es aber auch unerheblich, ob jene Person, die (allenfalls) eine Abgabe hinterzogen hat, bereits verstorben ist (vgl. auch Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB, § 207, 572).
Wenn die Revisionswerber - unter Hinweis auf Streck/Rainer, Feststellung der Steuerhinterziehung nach dem Tode des mutmaßlichen Hinterziehers, StuW 1979, 267 - ausführen, es sei das rechtliche Gehör verletzt, da nur der der Hinterziehung Verdächtige zum Hinterziehungsvorwurf gehört werden könne, so steht diesem Vorbringen schon entgegen, dass es - wie soeben dargelegt - nicht auf die Person des Hinterziehers ankommt. Auch der deutsche Bundesfinanzhof ist - in Auseinandersetzung mit der genannten Literaturmeinung - zum Ergebnis gelangt, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht deshalb verletzt ist, weil der Steuerpflichtige wegen seines Todes nicht mehr gehört werden kann (vgl. BFH , VIII R 84/89, BStBl. 1992 II 9; vgl. auch Kruse in Tipke/Lang, (deutsche) Abgabenordnung, § 169 Tz 25; vgl. im Übrigen - zur Verjährungsbestimmung des § 1489 ABGB - auch , und Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1489 Rz 47).
[…]
Dass hingegen das rechtliche Gehör der Verfahrensparteien (§ 115 Abs. 2 BAO) im vorliegenden Verfahren verletzt worden sei, wird auch in der Revision nicht geltend gemacht.
Die Revisionswerber machen weiters geltend, durch die Feststellung der Hinterziehung durch Dr. X sei dessen Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK, § 57 Abs. 7 FinStrG, § 8 StPO) verletzt, da er sich gegen die Feststellung, schuldhaft Abgaben verkürzt zu haben, aufgrund seines Versterbens nicht mehr wehren könne. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Entscheidung in einem Strafverfahren getroffen wurde, es handelt sich vielmehr um eine Entscheidung in einem Abgabenverfahren, in deren Rahmen auch eine Vorfrage zu beurteilen war (vgl. , VwSlg. 7802/F). Gerade die Beurteilung dieser Vorfrage, nämlich die Annahme, Dr. X habe Abgaben schuldhaft verkürzt, war aber im vorliegenden Verfahren durch die Rechtsnachfolger des Dr. X mittels Beschwerde und nunmehr durch Revision bekämpfbar.
In der Revision wird nicht aufgezeigt (und auch gar nicht aufzuzeigen versucht), dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zur Frage, ob eine hinterzogene Abgabe vorliegt (insbesondere auch zum Vorsatz des Dr. X), mangelhaft wäre.
Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen."
Diese rechtlichen Erwägungen des Erkenntnisses , Ro 2017/15/0031, haben auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren Gültigkeit, sodass auch auf sie ausdrücklich zu verweisen ist, zumal der Verwaltungsgerichtshof darin festgehalten hat (siehe oben), dass es für die Feststellung, ob eine Abgabe hinterzogen (und damit die Verjährungsfrist verlängert) ist, nicht darauf ankommt, wer eine Abgabe hinterzogen hat; damit ist es aber auch unerheblich, ob jene Person, die eine Abgabe hinterzogen hat, bereits verstorben ist (der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht deshalb verletzt, weil der Steuerpflichtige wegen seines Todes nicht mehr gehört werden kann).
Damit gehen aber auch die Ausführungen des steuerlichen Vertreters in seiner Beschwerde, es bestünden gegenüber der Annahme des Vorsatzes bei einem Verstorbenen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit und der Vereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 EMRK, und eine Veranlagung der streitgegenständlichen Einkünfte könne daher grundsätzlich nicht mehr für die angefochtenen Jahre 2004 bis 2007 erfolgen, da der Vorsatz des Verstorbenen ***1*** ohne Wahrung dessen Parteiengehörs nicht mehr mit Sicherheit festgestellt bzw. nachgewiesen werden könne, ins Leere.
- Zusammenfassend ist daher für den vorliegenden Fall seitens des Bundesfinanzgerichts festzuhalten:
Die amtswegige Wiederaufnahme der gegenständlichen Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2007 erweist sich als rechtskonform, da durch die am erfolgte Offenlegung gemäß § 29 FinStrG zweifelsfrei Tatsachen und Beweismittel, die eine Wiederaufnahme begründen (i. e. die Nichtversteuerung beträchtlicher, auf Schweizer Bankkonten angefallener Kapitalerträge aus in der Schweiz veranlagtem Vermögen in Österreich), neu hervorgekommen sind.
Dem Erfordernis des Hervorkommens "neuer Tatsachen" für die amtswegige Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 BAO ist durch die in der Offenlegung gemäß § 29 FinStrG offenkundig zum Ausdruck gebrachten tatsächlichen, mit dem Sachverhalt des bereits abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängenden Umstände ausreichend Rechnung getragen.
Damit ist das Vorliegen von tauglichen Wiederaufnahmsgründen im Beschwerdefall jedenfalls gegeben, ebenso wie deren Eignung, aufgrund der beträchtlichen Höhe der nicht erklärten Schweizer Kapitalerträge (2004: 133.118,35 €; 2005: 236.705,44 €; 2006: 236.397,50 €; 2007: 317.003,03 €; dazu kommen noch Schweizer Einkünfte aus Spekulationsgeschäften (siehe dazu bereits oben unter Punkt c) in der Darstellung des Verfahrensgangs)) im Spruch anders lautende Einkommensteuerbescheide herbeizuführen.
Auch die dahingehende Ermessensübung der belangten Behörde, dass unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) im vorliegenden Fall das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit überwiegt und die steuerlichen Auswirkungen nicht als bloß geringfügig angesehen werden können, weshalb die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2007 zu verfügen war, ist angesichts der soeben angeführten, beträchtlichen Höhe der Schweizer Kapitalerträge nicht zu beanstanden.
Dass sowohl der Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2004 bis 2007 als auch der am selben Tag erfolgten, erhöhten Festsetzung der Einkommensteuer 2004 bis 2007 der Eintritt der Verjährung nicht entgegenstand, weil im vorliegenden Fall die Nichterklärung der Schweizer Kapital- sowie Spekulationseinkünfte in Österreich den Tatbestand der Abgabenhinterziehung erfüllt und damit die verlängerte Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO zur Anwendung kommt, hat die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung schlüssig und nachvollziehbar begründet (siehe dazu nochmals die Bezug habende Beschwerdevorentscheidung vom ):
Zu Recht hat das Finanzamt auf die seit vielen Jahren bestehende mediale Berichterstattung betreffend ausländische Kapitalerträge (va. betreffend die Schweiz und Liechtenstein, vgl. zB die sogenannte "Datenklau-Affäre" im Jahr 2008) hingewiesen, die auf ein Wissen zur Pflicht der Erklärung von Erträgen aus Schweizer Kapitalanlagen in der österreichischen Steuererklärung schließen lasse.
In diesem Zusammenhang dürfen auch die seit vielen Jahren in den Medien bzw. in der Öffentlichkeit geführten politischen Diskussionen bezüglich der Sicherstellung der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in der Schweiz angelegtem Kapitalvermögen nicht unberücksichtigt bleiben (so bereits ). Durch die intensive Medienberichterstattung konnte die österreichische Bevölkerung Gewissheit über die stetige Offenlegungspflicht ausländischer Kapitaleinkünfte iSd § 119 BAO erlangen (Gronold, Abgabenhinterziehung bei Nichterklärung von Schweizer Kapitaleinkünften, BFGjournal 2020, 140 (in Besprechung des Erkenntnisses )).
Somit ist bei einem in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Abgabepflichtigen - wie es der mittlerweile verstorbene ***1*** war - aufgrund der medialen Berichterstattung über die Steuerpflicht der Einkünfte aus in der Schweiz veranlagtem Kapitalvermögen in Österreich generell davon auszugehen, dass der Abgabepflichtige die Verwirklichung einer Steuerhinterziehung in Form der Verletzung der Offenlegungspflicht durch Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen mit Angaben bezüglich der Einkünfte aus ausländischem (Schweizer) Kapitalvermögen ernstlich für möglich gehalten und sich mit ihr abgefunden hat (vgl. -RS2).
Demgegenüber erweist sich das Vorbringen in der Beschwerde, ***1*** sei gutgläubig der Auffassung gewesen bzw. einem Irrtum unterlegen, dass er mit den beträchtlichen Erträgnissen aus den Schweizer Bankkonten in Österreich nicht steuerpflichtig sei (was offensichtlich dazu geführt hat, dass er diese Erträge in den österreichischen Steuererklärungen nicht einmal angegeben hat), als realitätsfremd. Allein aus dem Umstand, dass jene Kapitalerträge von ***1*** gar nicht deklariert wurden - und dies über Jahrzehnte, allein die Offenlegung vom umfasst die Jahre 1984 bis 2012, sohin einen Zeitraum von 28(!) Jahren - ist bereits ein bedingter Vorsatz durch unvollständige Angaben anzunehmen. Vorsätzlich handelt nämlich derjenige, der es nach den Gesamtumständen für möglich gehalten hat, dass er den Tatbestand verwirklicht und dies gebilligt oder doch in Kauf genommen hat (vgl. dazu nochmals ).
Dies gilt umso mehr, als es sich bei ***1*** um einen wirtschaftlich tätigen Abgabepflichtigen gehandelt hat, da er nach den Ausführungen des steuerlichen Vertreters in der Beschwerde eine - finanziell offensichtlich nicht unbeträchtliche - Beteiligung an einem Schweizer Unternehmen gehalten hat (der aus dem Verkauf derselben in der Schweiz resultierende Veräußerungserlös wurde dort angelegt). Von einem solchen wirtschaftlich tätigen, in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen Abgabepflichtigen, der über ein größeres Vermögen verfügt, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung umso mehr die Kenntnis über das Bestehen einer Einkommensteuerpflicht seiner ausländischen Kapitalerträge in Österreich angenommen werden (vgl. dazu nochmals , wonach nach Lehre und Rechtsprechung bereits bei intellektuell durchschnittlich begabten Personen die Kenntnis über das prinzipielle Bestehen einer Einkommensteuerpflicht grundsätzlich vorausgesetzt werden kann).
Schließlich ist aus den angeführten Gründen in Anbetracht der Vermögensverhältnisse und der wirtschaftlichen Tätigkeit des ***1*** die in der Beschwerde vertretene Argumentation, der Verstorbene sei wohl der irrigen Meinung gewesen, dass mit dem in der Schweiz erfolgten, sehr geringen Quellensteuerabzug (dieser betrug in den angefochtenen Jahren zwischen 1,55% und 3,35% (siehe dazu bereits oben unter Punkt e) in der Darstellung des Verfahrensgangs)) von den dortigen Kapitalerträgen sämtliche Steuerpflichten (auch in Österreich) erfüllt seien, ja diesem Schweizer Quellensteuerabzug sogar Endbesteuerungswirkung (Abgeltungswirkung) vergleichbar der österreichischen KESt von 25% zukomme, als bloße Schutzbehauptung zu qualifizieren.
Das Finanzamt ist diesem unglaubwürdigen Vorbringen in freier Beweiswürdigung zu Recht nicht gefolgt, und es hat ebenso zu Recht bereits aus dem Umstand, dass die gegenständlichen Schweizer Kapitalerträge von ***1*** über Jahrzehnte hinweg in den österreichischen Abgabenerklärungen überhaupt nicht deklariert wurden (obwohl in den betreffenden Einkommensteuerformularen E1 klar ausgewiesen ist, dass ausländische Kapitalerträge zu erklären sind), das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes aufgrund des Tätigens unvollständiger Angaben angenommen.
Aufgrund obiger Ausführungen ist der vom Finanzamt in Würdigung aller Sachverhaltselemente gezogene Schluss, dass im gegenständlichen Fall die Abgabenverkürzung zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wurde, nicht zu beanstanden. Die Nichterklärung der vorliegenden Kapitaleinkünfte aus den Schweizer Depots in Österreich erfüllt den Tatbestand der hinterzogenen Abgaben und führt zur verlängerten Festsetzungsverjährung nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Das Erkenntnis folgte vielmehr der darin angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, Ro 2017/15/0031 (siehe oben)). Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | Gronold, Abgabenhinterziehung bei Nichterklärung von Schweizer Kapitaleinkünften, BFGjournal 2020, 140 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7101936.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at