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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.03.2021, RV/7103265/2020

Haftung nach § 11 BAO, Ermessenseinwendungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Gerald Hochwallner, Lazarettgasse 29/12, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 11 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgaben im Gesamtbetrag von € 31.705,92 eingeschränkt, wobei der Spruch des angefochtenen Bescheides anlässlich der Erlassung des vorliegenden Erkenntnisses insoweit zu berichtigen war, als der Zeitraum der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 2015 auf 06-12/2015 abgeändert wird:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
10-12/2015
4.431,15
Lohnsteuer
06-12/2015
19.343,32
Lohnsteuer
05/2015
548,12
Lohnsteuer
01/2016
2.063,00
Lohnsteuer
02/2016
2.063,00
Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
1.241,86
Dienstgeberbeitrag
05/2015
511,61
Dienstgeberbeitrag
01/2016
619,00
Dienstgeberbeitrag
02/2016
619,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
110,38
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2015
45,48
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2016
55,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2016
55,00


Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde die Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß § 11 BAO als ehemalige Geschäftsführerin der G-1 für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 33.029,52 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
10-12/2015
4.431,15
Lohnsteuer
2015
19.343,32
Lohnsteuer
05/2015
548,12
Lohnsteuer
10/2015
678,76
Lohnsteuer
01/2016
2.063,00
Lohnsteuer
02/2016
2.063,00
Dienstgeberbeitrag
2015
1.241,86
Dienstgeberbeitrag
05/2015
511,61
Dienstgeberbeitrag
10/2015
592,20
Dienstgeberbeitrag
01/2016
619,00
Dienstgeberbeitrag
02/2016
619,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2015
110,38
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2015
45,48
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/2015
52,64
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2016
55,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2016
55,00

Gemäß § 11 BAO hafteten bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat beteiligte für den Betrag, um den die Abgabe verkürzt worden sei.

Vorsätzliche Finanzvergehen stellten in diesem Zusammenhang auch Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 FinStrG dar (vgl. ; ).

Die Bf. sei mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg, N-2, vom D-1, rechtskräftig am D-2, für eine vorsätzlich begangene Finanzordnungswidrigkeit nach € 49 Abs. 1 lit. a FinStrG verurteilt worden.

Weiters sei die Bf. mit Finanzstrafverfügung vom D-3 für eine vorsätzlich begangene Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG bestraft worden.

Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden der Haftungspflichtigen zurückzuführen sei, sei den Zweckmäßigkeitsgründen gegenüber den (berechtigten) Parteiinteressen der Vorrang einzuräumen.

Da somit die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO gegeben seien, werde die Bf. zur Haftung herangezogen.

---//---

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde verwies die Bf. auf die abgeführten Finanzstrafverfahren:

Mit Strafverfügung vom D-3 sei sie vom Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde zu Strafnummer N-3 für schuldig befunden worden, Abgabenschuldigkeiten der G-1 (Lohnsteuer 01-05/2015 samt Dienstgeberbeiträgen und Zuschlägen) nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit abgeführt zu haben. Es sei über sie eine Geldstrafe samt Verfahrenskosten in Gesamthöhe von EUR 550,00 festgesetzt worden. Als mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit sowie die weitgehende Schadensgutmachung berücksichtigt worden.

Mit Schreiben vom des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde sei der Bf. zu Strafnummer N-4 mitgeteilt worden, dass gegen sie ein Finanzstrafverfahren wegen Nichtentrichtung nachstehender Abgabenschuldigkeiten eingeleitet worden sei:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
10-12/2015
4.431,15
Lohnsteuer
06-12/2015
19.343,32
Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
1.241,86
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
110,38
Lohnsteuer
01-03/2016
6.189,00
Dienstgeberbeitrag
01-03/2016
1.857,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01-03/2016
165,00


Mit Schreiben vom habe sich die Bf. zu den wider sie erhobenen Vorwürfen geäußert. Mit Schreiben vom seien ihr Ausfertigungen der Strafanträge an den Spruchsenat zur Kenntnis gebracht worden. Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom D-1 zu GZ N-2 sei die Bf. wegen einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 2 FinStrG verurteilt worden.

Materielle Rechtswidrigkeit:

Die Haftungsinanspruchnahme liege im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde. Dieses Ermessen umfasse auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (Ritz, BAO6, § 11 Rz 5).

Bei der Ermessensübung sei - außer auf die Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme - vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen, weiters darauf, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert worden sei (Ritz, BAO6, § 11 Rz 5).

lm Beschwerdeverfahren sei die Ermessensübung der Abgabenbehörde voll zu prüfen; in der Beschwerdevorentscheidung und im Erkenntnis sei das Ermessen eigenverantwortlich zu üben (Ritz, BAO6, § 20 Rz 11).

Ermessensentscheidungen seien zu begründen, Die Begründung habe die für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich sei (Ritz, BAO6, § 20 Rz 13).

Die Ermessensentscheidung der erkennenden Behörde sei rechtswidrig, da sie keinerlei Bedacht auf den Grad des Verschuldens nehme, sowie auf den Umstand, dass es bei der Bf. zu keiner Bereicherung gekommen sei.

Wie bereits mit Schriftsatz vom mitgeteilt und zugestanden worden sei, sei die Bf. seit handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH gewesen und habe das Lokal "L-1" geleitet, welches in das Hotel "H-1" integriert gewesen sei. Aufgrund von unerwarteten Schäden in der gepachteten Betriebsausstattung und einer mangelnden Auslastung des Hotels sei es neben unvorhergesehenen Ausgaben auch zu einem massiven Umsatzrückgang gekommen. Die Buchungsprognosen des damaligen Hoteldirektors, aufgrund derer der Businessplan erstellt worden sei, seien weit verfehlt worden. Werbemaßnahmen hätten auch zu keiner nennenswerten Umsatzerhöhung führen können. Um die Arbeitsplätze und auch das Unternehmen aufrechterhalten zu können, sei mit einem privaten Investor über ein Darlehen verhandelt worden. Mit notariell beglaubigtem Darlehensvertrag habe dieser Investor die Gewährung eines Darlehens in Höhe von EUR 150.000,00 zugesichert. Aufgrund von Umständen, welche nicht in die Sphäre der Bf. gefallen seien, sei es nicht zur Auszahlung der Darlehensvaluta gekommen. Über Antrag der erkennenden Behörde sei schlussendlich das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden.

Aufgrund dieser Umstände sei das Verschulden der Bf. als gering einzustufen. Aufgrund des schlechten Geschäftsganges habe sie versucht, über Werbemaßnahmen die Auslastung des Lokals zu steigern. Als sich gezeigt habe, dass auch diese Maßnahmen nicht die erwünschte Wirkung erzielt hätten, habe sie versucht, über das oben erwähnte Darlehen Barmittel aufzustellen, um die bereits angelaufenen Verbindlichkeiten zu befriedigen. Dies allerdings ohne Erfolg. Um die bestehenden Verbindlichkeiten - somit auch jene der erkennenden Behörde - bezahlen zu können, sei es wichtig gewesen, dass der Geschäftsbetrieb und somit auch die Einnahmequelle aufrechterhalten worden sei. Dies sei aber nur möglich gewesen, indem die Löhne an die Mitarbeiter ausbezahlt und auch Rechnungen von Lieferanten bezahlt worden seien.

Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Bf. das Unternehmen lediglich ein Jahr und drei Monate geleitet habe, bevor das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen - wie zum Bespiel die gesetzten Werbemaßnahmen - bedürften einiger Zeit, bis sich diese auf den Geschäftsgang (positiv) auswirken könnten.

Durch die Nichtentrichtung der gegenständlichen Abgaben sei es auch zu keiner Bereicherung der Bf. gekommen. Aufgrund des schlechten Geschäftsganges habe sie sich zu keinem Zeitpunkt ein Gehalt ausbezahlt. Sie habe somit unentgeltlich gearbeitet.

Aufgrund sämtlicher ins Treffen geführter Umstände wäre es daher unbillig, dass die Bf. für Abgabenverbindlichkeiten der GmbH in Höhe von EUR 33.029,52 gemäß § 11 BAO zur Gänze zu haften habe.

Die Inanspruchnahme der Bf. sei aufgrund von Unbilligkeit und falscher Ermessensübung rechtswidrig erfolgt, weswegen der angefochtene Bescheid wegen materieller Rechtswidrigkeit aufzuheben sei.

Formelle Rechtswidrigkeit:

Als wesentlicher Verfahrensfehler werde die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht. Die Bf. habe ein subjektives Recht darauf, Gelegenheit zu erhalten, um ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten und alles vorzubringen, was diesen unterstütze. Die erkennende Behörde dürfe zur Begründung ihres Bescheides nur solche Tatsachen und Beweismittel heranziehen, welcher der Partei zuvor zur Stellungnahme vorgehalten worden seien. Das Parteiengehör müsse in einer bestimmten Form eingeräumt werden und zwar ausdrücklich und in förmlicher Weise. Auch müsse die Ausübung der Partei bewusstgemacht werden. Weiters müsse eine ausreichende Frist zur Ausübung des Rechts eingeräumt werden. All diese Grundsätze seien von der erkennenden Behörde nicht eingehalten worden.

Mit Vorhalt vom sei der Bf. bekannt gegeben worden, dass von der erkennenden Behörde eine Haftung gemäß § 9 BAO geprüft werde und sie all jene Umstände bekannt geben möge, warum sie nicht Sorge dafür tragen habe können, dass die gegenständlichen Abgaben entrichtet worden seien. Insbesondere sollten alle jene Beweismittel vorgelegt werden, mit denen eine Gläubigergleichbehandlung unter Beweis gestellt werden könne.

Mit angefochtenem Haftungsbescheid vom sei der Bf. erstmals zur Kenntnis gebracht worden, dass die Haftung für Abgabenschuldigkeiten der GmbH auf § 11 BAO gestützt werde.

Durch dieses Vorgehen sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Dieser Verfahrensfehler sei wesentlich, da die Haftungsgrundlagen unterschiedliche Haftungstatbestände normierten und demnach für die Bf. unterschiedliche Einwendungen erhoben werden könnten.

Der angefochtene Bescheid leide aus diesem Grund an formeller Rechtswidrigkeit.

Abschließend werde nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sämtliche relevanten Buchhaltungsunterlagen vorhanden seien und vorgelegt werden könnten. Die postalische Übermittlung erscheine aufgrund des Umfanges jedoch als nicht adäquat. Aus diesem Grund würden diese Unterlagen nach entsprechender Aufforderung persönlich der erkennenden Behörde bzw. dem zuständigen Verwaltungsgericht vorgelegt werden.

Abschließend beantragte die Bf. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

---//---

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und nach Zitierung der §§ 11 BAO und 49 FinStrG ausgeführt:

Parteiengehör:

Die Haftung nach § 11 BAO setze eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes im verwaltungsbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (vgl. ). Der Haftungstatbestand sei durch jede Art von Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankomme, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen sei (vgl. ). Die Haftung nach § 11 BAO sei auch keine Ausfallshaftung, sondern eine uneingeschränkte Primärhaftung, die an die Bestrafung anknüpfe. Der rechtskräftige Bescheid oder das rechtskräftige Urteil habe somit Tatbestandswirkung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 144). Die Haftungsinanspruchnahme dürfe jedoch keinen höheren Verkürzungsbetrag umfassen, als der im Spruch des Strafurteils festgestellte (). Sie setze voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen sei (). Die abgabenrechtliche Haftungsform setze entsprechend dem Prinzip der Akzessorietät im materiellen Sinn den Bestand einer Schuld voraus, nicht aber, dass die Schuld dem Hauptschuldner gegenüber bereits geltend gemacht worden und das Verfahren zur Einhebung oder gar zur zwangsweisen Einbringung ergebnislos verlaufen sei (, mit Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 105).

Die Bf. sei mit dem am D-2 rechtskräftigen Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg, N-2, vom D-1 für eine vorsätzlich begangene Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG bestraft worden. Das Verkürzungsausmaß entspreche den im Haftungsbescheid genannten Abgaben. Dieser Sachverhalt sei zweifelsfrei und unbestritten. Die in der Beschwerde vom angeführte Verletzung des Parteiengehörs gehe schon deshalb ins Leere, da die Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme ex lege an die rechtskräftige Verurteilung angeknüpft sei. Diesbezüglich werde auf das vorangegangene Finanzstrafverfahren sowie das Erkenntnis des Spruchsenates verwiesen.

Ermessen:

Nach Anführung der gesetzlichen Bestimmung des § 20 BAO wurde ausgeführt, dass das Ermessen auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens umfasse. Die Begründung des Bescheides habe die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich sei ().

Die Ermessensübung habe sich am Zweck der Norm zu orientieren (). Der Haftungsbestimmung des § 11 BAO liege der gesetzgeberische Wille zugrunde, dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt habe, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen habe (, mwN). Bei der Ermessensausübung sei vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen. Umstände wie Grad des Verschuldens oder das bisherige steuerliche Verhalten seien jedoch bereits im vorangegangenen Finanzstrafverfahren mildernd berücksichtigt worden. Neben dieser Tatsache sei im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, dass die haftungsverfangenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden könnten. Dies sei spätestens mit D-4 festgestanden, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH beim Handelsgericht nach Schlussverteilung aufgehoben worden sei. Darüber hinaus sei die Firma am D-5 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden.

Die "Zweckmäßigkeit" der Haftungsinanspruchnahme der rechtskräftig verurteilten Bf. ergebe sich daher schon daraus, dass die Abgaben bei dieser leichter eingebracht werden könne als beim Primärschuldner.

Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stehe der Geltendmachung der Haftung ebenso wenig entgegen (; / 2006/13/0197), da eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließe, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten ().

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass im Beschwerdefall das öffentliche Interesse an der Abgabeneinbringung das Interesse der Bf., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, zweifellos überwiege, da das öffentliche Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen nur durch Geltendmachung der Haftung gewahrt werden könne. Es könne hier somit nach nochmaliger Überprüfung des Aktes keine Überschreitung des vom Gesetz vorgegebenen Ermessensrahmens erkannt werden.

---//---

Fristgerecht beantragte die Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte ergänzend vor:

In der Beschwerde vom habe sie im Wesentlichen vorgetragen, dass einerseits eine Verletzung des Parteiengehörs erfolgt sei und andererseits die erkennende Behörde eine rechtsunrichtige Ermessensentscheidung getroffen habe. Die Ermessensentscheidung betreffe ua auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung. Weiters habe die Behörde bei der Ermessensentscheidung den Grad des Verschuldens zu berücksichtigen. Auch sei für das Ausmaß der Haftung der Umstand zu werten, ob es beim Haftungspflichtigen zu einer Bereicherung gekommen sei. Die Bf. habe ausführlich dargetan, dass es zu keiner Bereicherung gekommen sei. Sie habe sich zu keinem Zeitpunkt ein Gehalt ausbezahlt. Grund hierfür sei der schlechte Geschäftsgang gewesen. Die Bf. sei stets bestrebt gewesen, den Geschäftsgang aufrecht zu erhalten, um Lieferanten, Mitarbeiter, etc. bezahlen zu können. Auch sei der erkennenden Behörde mehrfach angeboten worden, sämtliche Buchhaltungsunterlagen vorzulegen.

Die erkennende Behörde führe in der vorliegenden Beschwerdevorentscheidung lapidar aus, dass Umstände, wie Grad des Verschuldens oder das bisherige steuerliche Verhalten bereits im vorangegangenen Finanzstrafverfahren mildernd berücksichtigt worden seien.

Es sei jedoch nicht ausreichend, dass der Grad des Verschuldens sowie das bisherige steuerliche Verhalten der Bf. bereits im Finanzstrafverfahren berücksichtigt worden sei. Die erkennende Behörde habe den Grad des Verschuldens sowie das Thema "Bereicherung" - mit welchem sie sich bis dato nicht auseinandergesetzt habe - auch bei der Ermessensausübung für das Ausmaß der Haftung zu berücksichtigen.

Die Heranziehung zur Haftung sei in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sei (vgl. ).

In Entsprechung dieser Judikatur habe die erkennende Behörde sämtliche Umstande zu berücksichtigen. Dies sei bis dato nicht erfolgt, weswegen die bisherige Ermessensausübung unrichtig bzw. rechtswidrig erfolgt sei.

---//---

Mit Schreiben vom brachte die Bf. ergänzend vor:

Die Geltendmachung einer Haftung sei in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt (Hinweis ). Dieses Ermessen umfasse auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (vgl. ).

1) Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen:

Seit sei die Bf. bei der G-2 angestellt und bringe monatlich einen Betrag von EUR 1.650,65 netto ins Verdienen. Seit März 2020 befinde sich die Bf. aufgrund der anhaltenden COVID-19 Pandemie in Kurzarbeit. Das Entgelt während der Kurzarbeit betrage monatlich EUR 1.326,05. Die Kurzarbeit sei bis März 2021 verlängert worden. Es bedürfe hier keiner weiteren Ausführungen, dass sie aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Reisebranche mit einem Verlust des Arbeitsplatzes rechnen müsse.

Die Bf. sei Alleineigentümerin einer Liegenschaft in Kärnten. Diese Liegenschaft sei mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten Ihres Ehegatten, P-1, sowie mit einer Hypothek in Höhe von EUR 260.000,00 belastet. Die Kreditrückzahlung erfolge seit mehreren Monaten auf freiwilliger Basis durch Familienangehörige. Es sei anzumerken, dass die Liegenschaft nicht käuflich erworben worden sei, sondern mittels Schenkungsvertrages vom in das Eigentum der Bf. übertragen worden sei. Weitere Vermögenswerte bestünden nicht.

Verbindlichkeiten bestünden - neben dem Kredit für die Liegenschaft - noch gegenüber der Magistratsabteilung 6 in Höhe von ca. EUR 2.550,00. Gegenüber der MA 6 habe die Bf. am ein Vermögensverzeichnis abgegeben. Dieses werde nunmehr auch in gegenständlichem Verfahren vorgelegt. Bei den Verbindlichkeiten gegenüber der MA 6 handle es sich ebenfalls um Abgabenschulden der G-1, welche von der Bf. bezahlt würden.

Angemerkt werde weiters, dass auch ihr Ehegatte seit zumindest arbeitslos gemeldet und trotz redlicher Bemühungen um eine neue Anstellung bis dato bei der Arbeitssuche erfolglos geblieben sei.

Beweis:

PV der Beschwerdeführerin
Lohnzettel vom Februar 2020
Lohnzettel (Kurzarbeit) von Juli, August und September 2020
Grundbuchsauszug Liegenschaft Kärnten
Vermögensverzeichnis vom
Mitteilung AMS P-1 vom

Die derzeitige finanzielle Situation der Bf. stehe in ursächlichem Zusammenhang mit der Tätigkeit als Geschäftsführerin der G-1 (D-6 bis D-7) und deren schlechter wirtschaftlichen Entwicklung, welche schlussendlich in einem Konkurs (eröffnet am D-7, Aufhebung am D-8) geendet habe. Aufgrund der Haftungsinanspruchnahme für Abgabenverbindlichkeiten der G-1 auch durch andere Behörden sei die Bf. auf familiäre Hilfe angewiesen. Mit dem eigenen Einkommen könne sie zB den laufenden Kredit nicht mehr bedienen.

Die finanzielle Situation sei auch von anderen Behörden beim Umfang der Haftung entsprechend berücksichtigt worden, wodurch es der Bf. schlussendlich ermöglicht worden sei, adäquate Rückzahlungsvereinbarung zu treffen. Um auch in gegenständlicher Angelegenheit einen Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen der Bf. zu schaffen, sei im Rahmen der Ermessensübung auf die dargelegte wirtschaftliche Situation Bedacht zu nehmen. Nicht im öffentlichen Interesse könne es liegen, dass ihr gegenüber ein derart großer wirtschaftlicher Druck aufgebaut werde, welcher in einer Privatinsolvenz enden könnte.

2) Bei der Ermessensausübung sei - außer auf die Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme - vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen, weiters darauf, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert worden sei (vgl. Ritz, BAO6, § 11 Rz 5).

In diesem Zusammenhang werde nochmals ausdrücklich auf das Vorbringen in der Beschwerdeschrift vom verwiesen. Die Bf. habe lediglich ein geringes Verschulden zu verantworten.

Wichtig festzuhalten sei, dass die Bf. Abgabenzahlungen geleistet habe. Ihr sei lediglich vorwerfbar, dass ein höherer Anteil der vorhandenen Mittel für die Bezahlung der Löhne der Mitarbeiter verwendet worden sei. Sie selbst habe sich aus den vorhandenen Mitteln zu keinem Zeitpunkt ein Geschäftsführergehalt oder einen sonstigen Vorteil ausbezahlt. Eine Bereicherung bei der Bf. habe demnach nicht stattgefunden.

Dieses vorwerfbare geringe Verschulden sei beim Umfang der Haftungsinanspruchnahme entsprechend zu berücksichtigen.

3) In eventu werde auch hier auf die Möglichkeit hingewiesen, dass die Ermessensausübung auch unter dem Vorbehalt des Widerrufs der Begünstigungen zulässig ist. Auf die Voraussetzungen des § 294 lit a und b BAO werde verwiesen.

---//---

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der rechtsfreundliche Vertreter vor, dass das Verschulden hier als gering zu erachten sei, da die Bf. durch Werbemaßnahmen versucht habe, das Geschäft zum "Laufen" zu bringen. Primär sei versucht worden, die Löhne und Gehälter sowie die Lieferanten zu bezahlen. Dafür sei über einen Investor versucht worden, ein Darlehen in der Höhe von € 130.000,00 in Anspruch zu nehmen, das Geld sei allerdings nie geflossen. Der Geschäftsanteil sei immer weniger wert geworden bis hin zum Konkurs. Weiters habe sich die Bf. zu keinem Zeitpunkt ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin und Gesellschafterin Geld ausbezahlt. Sie habe sich daher nie daran bereichert. Dieses geringe Verschulden sei auch im Finanzstrafverfahren berücksichtigt worden. Die Bf. habe nicht daran gedacht, dass sie durch die Bezahlung der Löhne und Nichtbezahlung der Abgaben eine schuldhafte Pflichtverletzung begehe.

Hinsichtlich der aushaftenden Beträge bei der WGKK verwies er auf die Niederschrift zu RV/7103263/2020.

Der Amtsbeauftragte verwies darauf, zu diesen Punkten bereits im Vorlagebericht Stellung genommen zu haben. Unwissenheit sei nicht ausschlaggebend dafür, ob eine Haftung zu Recht bestehe oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, insbesondere Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar.

Voraussetzung

Einzige Tatbestandsvoraussetzung der Haftungsbestimmung des § 11 BAO ist die rechtskräftige Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens.

Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine Entscheidung im gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren voraus, mit der der Verurteilte eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig schuldig gesprochen wurde. Der Täter oder andere an der Tat Beteiligte muss somit schon vor seiner Heranziehung zur Haftung nach § 11 BAO wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein ().

Im gegenständlichen Fall wurde die Bf.

1) mit Strafverfügung des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom D-3, SN N-3, für schuldig befunden, vorsätzlich folgende Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt und dadurch das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen zu haben:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
01-05/2015
2.172,13
Dienstgeberbeitrag
01-05/2015
2.683,26
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01-05/2015
238,52


2) mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Finanzstrafbehörde vom D-1, N-2, für schuldig befunden, vorsätzlich folgende Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt und dadurch das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen zu haben:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
10-12/2015
4.431,15
Lohnsteuer
06-12/2015
19.343,32
Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
1.241,86
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06-12/2015
110,38
Lohnsteuer
01-03/2016
6.189,00
Dienstgeberbeitrag
01-03/2016
1.857,00
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01-03/2016
165,00


Die Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme gemäß § 11 BAO ist daher grundsätzlich erfüllt, zumal ohnehin die finanzstrafbehördlichen Verurteilungen und deren Rechtskraft nicht in Streit steht.

Auch bei der Höhe des Haftungsausspruches hielt sich der Haftungsbescheid - abgesehen von Verminderungen infolge nicht mehr (in voller Höhe) aushaftender Abgaben - an die von der Finanzstrafbehörde festgestellten strafbestimmenden Wertbeträge, die den verkürzten Beträgen entsprechen. Allerdings war der Spruch des angefochtenen Bescheides insoweit zu berichtigen, als die Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge und Zuschläge für Dienstgeberbeiträge 06-12/2015 (statt 2015) ausgesprochen wird (vgl. ).

Die Lohnabgaben 01/2016 und 02/2016 entsprechen jeweils einem Drittel der im Erkenntnis vom D-1 enthaltenen Lohnabgaben 01-03/2016 und sind daher ebenfalls wie die Umsatzsteuer 10-12/2015 von der strafrechtlichen Verurteilung umfasst.

In der Strafverfügung vom D-3 scheinen zusammengefasste Lohnabgaben 01-05/2015 auf, die sich aus den am monatsweise gemeldeten Abgaben zusammensetzen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
01/2015
338,83
Lohnsteuer
02/2015
350,05
Lohnsteuer
03/2015
480,10
Lohnsteuer
04/2015
455,03
Lohnsteuer
05/2015
548,12
gesamt
2.172,13
Dienstgeberbeitrag
01/2015
560,43
Dienstgeberbeitrag
02/2015
555,04
Dienstgeberbeitrag
03/2015
557,48
Dienstgeberbeitrag
04/2015
496,87
Dienstgeberbeitrag
05/2015
513,44
gesamt
2.683,26
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2015
49,82
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2015
49,34
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/2015
49,55
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
04/2015
44,17
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
05/2015
45,64
gesamt
238,52


Im Haftungsbescheid sind nur mehr die (geringfügig verminderten) Lohnabgaben 05/2015 enthalten, da sich die übrigen Lohnabgaben 01-04/2014 nicht mehr im Rückstand befinden.

Hingegen erfolgte der Ausspruch der Haftung nach § 11 BAO für die am Abgabenkonto aushaftenden Lohnabgaben 10/2015 nicht zu Recht, da diese von der Bf. am ohne Entrichtung gemeldet wurden, nicht jedoch in der am erfolgten bescheidmäßigen Festsetzung der Lohnabgaben 2015 in Höhe von € 19.343,32 enthalten und damit nicht vom Straferkenntnis erfasst sind.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Bei der Ermessensübung ist vor allem auf die Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall steht sogar die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-8 der über das Vermögen der G-1 am D-7 eröffnete Konkurs nach Verteilung lediglich an die Massegläubiger aufgehoben und die Gesellschaft am D-9 im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Aus dem Vorbringen der Bf., dass der Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners nicht berücksichtigt worden sei, lässt sich nichts gewinnen, weil sie in diesem Fall sowohl die Haftende ist als auch die zur Vertretung der Gesellschaft befugte Geschäftsführerin war.

Da das Verschulden bei den vorliegenden Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen unzweifelhaft feststeht, kann vom Vorliegen lediglich eines geringen Verschuldens keine Rede sein.

Sofern die Bf. mit ihrem Vorbringen völlige Unkenntnis in steuerrechtlichen Belangen geltend machte, so ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach auch eine solche Unkenntnis den Geschäftsführer einer GmbH nicht zu exkulpieren vermag ().

Dem Einwand der Bf., dass eine persönliche Bereicherung ihrerseits nicht erfolgt sei, weil sie sich zu keinem Zeitpunkt ein Gehalt ausgezahlt habe, ist entgegenzuhalten, dass dieser Umstand unter dem Gesichtspunkt der Haftung nach § 11 BAO als Instrument auch zur Sicherung der verkürzten Abgaben nicht entscheidend ist (vgl. ).

Darüber hinaus kann die Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen und stehen persönliche Umstände wie die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" oder eine Vermögenslosigkeit des Haftenden in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (zB ), zumal es eine allfällige Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können (). Die Haftung kann auch nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden ().

Dem Vorbringen des Vertreters der Bf., dass mit der damaligen Wiener Gebietskrankenkasse betreffend aushaftende Beitragsschulden eine Vereinbarung getroffen worden sei, ist zu entgegnen, dass einem solchen Bescheid keinerlei Bindungswirkung für den angefochtenen Bescheid zukommt (vgl. ).

Letztlich lässt sich aus dem Hinweis der Bf. auf die Möglichkeit des Vorbehaltes des Widerrufes unter den Voraussetzungen des § 294 Abs. 1 lit. a und b BAO nichts gewinnen, weil der angefochtene Bescheid wohl unzweifelhaft kein Bescheid ist, der Begünstigungen, Berechtigungen oder die Befreiung von Pflichten betrifft, und auch ein der Beschwerde (teilweise) stattgebendes Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes kein solcher darstellt.

Von der Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Conclusio

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 11 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme der Bf. als Haftungspflichtige für die im Spruch genannten Abgabenschuldigkeiten der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 31.705,92 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 49 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7103265.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at