Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.02.2021, RV/5100732/2020

Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu VNR: ***000*** betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) für ******, VNR: ***001***, für den Zeitraum März 2019 bis Juli 2019 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) dahingehend abgeändert, dass die Rückforderung für den Zeitraum März 2019 bis Mai 2019 insgesamt 713,10 Euro (Familienbeihilfe: 537,90 Euro; Kinderabsetzbetrag: 175,20 Euro) beträgt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und des § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 1.188,50 Euro (FB: 896,50 Euro; KG: 292,00 Euro) zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihre Tochter ****** im Zeitraum März 2019 bis Juli 2019 bezogen hatte.
Dies mit der Begründung, dass die Tochter der Bf. im Sommersemester keine Prüfungen mehr abgelegt habe und daher ab März 2019 kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestehe.

Das Finanzamt wertete das Schreiben vom (Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom ) auch als eine gegen den erwähnten Rückforderungsbescheid vom gerichtete Bescheidbeschwerde. Die Bf. brachte darin sinngemäß vor, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, den fremden- und grenzpolizeilichen Bereich betreffe und daher für die Grundausbildung zum Exekutivdienst, die ihre Tochter absolviere, nicht anwendbar sei. Der VwGH habe festgestellt, dass der Zeitraum einer praktischen Verwendung (zwischen zwei Ausbildungsmodulen) keiner Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 gleichzustellen sei, da damit weder die Erlangung einer fachlichen Qualifikation noch die Ablegung entsprechender Prüfungen verbunden sei. Die erfolgreiche Absolvierung dieser "ersten Phase der Dienstausübung" stelle auch keine Voraussetzung für die Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis dar, sondern diene lediglich dazu, die zur Erfüllung kommender Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zu erlangen, weshalb dieser Abschnitt des Dienstverhältnisses zur Gänze einer Berufsausübung gleichzustellen sei. Dazu sei ergänzend anzumerken, dass die Betroffenen während dieses Zeitraums auch kein Ausbildungsentgelt erhalten würden, sondern ein "Normalentgelt" in der Höhe der Entlohnungsgruppe v4 Bewertungsgruppe 1 beziehen würden. Im Unterschied dazu befinde man sich während des Zeitraums, der antragsgegenständlichen Grundausbildung für den Exekutivdienst zu keiner Zeit in einer derartigen Phase der praktischen Berufsausübung und ziele die gesamte Ausbildungszeit auf die Erlangung entsprechender Qualifikationen, durchgehend begleitet von der Notwendigkeit der Ablegung von Prüfungen mit dem Zwecke der Überstellung auf ein anderes (öffentliches bzw. öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis im Sinne des FLAG ab. Demgemäß erhalte man während dieses Zeitraums durchgehend einen Ausbildungsbeitrag und werde eben nicht - auch nicht vorübergehend - in eine Entlohnungsgruppe/Bewertungsgruppe eingestuft.
Dazu habe auch das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung vom zu GZ. RV/5100538/2014 unter Berufung auf eine einschlägige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes festgestellt, dass selbstverständlich auch unter der Grundausbildung zum Exekutivdienst ein "anerkanntes Lehrverhältnis" im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu verstehen sei. Dies deshalb, weil die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) in einer Verordnung des Bundesministeriums für Inneres entsprechend geregelt sei und der bezogene "Ausbildungsbeitrag" folglich unter die Bestimmung des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG zu subsumieren sei. Somit sei auch unter diesem Aspekt ganz klar davon auszugehen, dass die angeführte Entscheidung des VwGH nur für den "Spezialfall" der praktischen Verwendungsdauer im Zuge der exekutivdienstlichen Ausbildung zum fremden- und grenzpolizeilichen Bereich Geltung haben könne. Eine Anwendung auf den die Bf. betreffenden Fall gemäß der von ihr bekämpften Auslegung des zitierten VwGH-Erkenntnisses stehe jedoch eindeutig im Widerspruch zur Rechtsposition des VfGH.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Nach Darstellung der Rechtslage und der Kriterien für eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes führte es zur Begründung aus, dass laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-) Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstelle.
Der Verwaltungsgerichtshof verneine das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziere dies als Berufsausübung (vgl. Rz 16, 17). Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert werde (vgl. ).
Mit einer Berufsausübung seien die Tatbestandsvoraussetzungen in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht erfüllt und es spiele daher auch keine Rolle, ob das Ausbildungsentgelt einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gleichgehalten werden könnte.

Mit Schreiben vom beantragte die Bf. fristgerecht die Entscheidung über ihre Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Mit der fristgerechten Einbringung dieses Vorlageantrags gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Tochter der Bf. inskribierte im Wintersemester2018/2019 das Bachelorstudium Pharmazie an der Universität Wien. Eine Prüfung absolvierte sie letztmalig im Jänner 2019. Seit absolviert sie die Grundausbildung für den Exekutivdienst. Sie ist bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 für diese Polizeigrundausbildung als Vertragsbedienstete des Bundes für 24 Monate befristet beschäftigt. Nach den Angaben im Antragsformular "Beih 100" wohnt sie bei der Bf. im gemeinsamen Haushalt.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 1 Abs. 4 SPG erlassen.

Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Zif. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Ausbildungsziel der Grundausbildungen ist die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff ist entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO).

Die Sicherheitsakademie (SIAK) hat für die in § 1 angeführten Grundausbildungen nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes Grundausbildungslehrgänge bereitzustellen. Die Leitung der Grundausbildungslehrgänge obliegt der SIAK (§ 3 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildungen sind in Form von Grundausbildungslehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge für die jeweilige Grundausbildung sind in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).

Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).

Nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung umfasst die Polizeigrundausbildung folgende Lehrgegenstände:


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  • A - LEHRPLAN
LEHRGEGENSTAND
AUSBILDUNGSMODUL
MINDESTSTUNDENANZAHL
Personale und Sozial- Kommunikative Kompetenzen
Einführung und Behördenorganisation
204
Angewandte Psychologie
Kommunikation und Konfliktmanagement
Berufsethik und Gesellschaftslehre
Menschenrechte
Polizeifachliche Kompetenzen
Dienstrecht
1134
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
Straf- und Privatrecht
Verfassungsrecht und Europäische Union
Verkehrsrecht
Verwaltungsrecht
Kriminalistik
Bürokommunikation
Situationsadäquate Handlungskompetenzen sowie Wahrnehmungs- & Reflexionskompetenzen
Modulares Kompetenztraining
806
Einsatztraining
Sport
Erste Hilfe
Fremdsprachen
Themenzentrierter Unterricht
Berufspraktikum
Berufspraktikum I
468
2612


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B - DIENSTPRÜFUNG
MÜNDLICHE GESAMTPRÜFUNG
Im Zuge der Prüfung sollen exekutivspezifische Sachverhalte praxisorientiert, themenübergreifend und kompetenzorientiert behandelt werden.Der Schwerpunkt liegt dabei in den polizeifachlichen Kompetenzen, wobei seitens der Prüfer auch Themengebiete aus den anderen im Lehrplan angeführten Ausbildungsmodulen berücksichtigt werden sollen.

Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in
die Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II.

Ferner werden im Ausbildungsplan Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt beschrieben:

Die Polizeigrundausbildung soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch praxisnahe Lehre unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden jene Kompetenzen vermitteln, die im Kompetenzprofil für den uniformierten Polizeidienst als relevant definiert wurden. Die Schwerpunkte der polizeilichen Grundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens.

BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.

BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE

Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.

VERTIEFUNG - 5 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.

BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.

In der im Ausbildungsplan enthaltenen Stundentafel werden die in der Anlage 1 zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten wie folgt näher aufgegliedert:


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LEHRGEGENSTAND
UNTERRICHTS-EINHEITEN
GESAMT
1. PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN
204
Einführung und Behördenorganisation
24
Angewandte Psychologie
48
Kommunikation und Konfliktmanagement
48
Berufsethik und Gesellschaftslehre
28
Menschenrechte
56
2. POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN
1134
Dienstrecht
40
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
240
Straf- und Privatrecht
172
Verfassungsrecht und Europäische Union
32
Verkehrsrecht
176
Verwaltungsrecht
160
Kriminalistik
164
Bürokommunikation
150
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN
Modulares Kompetenztraining
160
806
Einsatztraining
424
Sport
120
Erste Hilfe
16
Fremdsprachen
4
Themenzentrierter Unterricht
82
4. BERUFSPRAKTIKUM
448
SUMME
2612

(Quelle: https://bmi.gv.at/104/Beruf_und_Karriere/start.aspx).

Die Tochter der Bf. bestand im Jänner 2021 die Dienstprüfung der Grundausbildung für den Exekutivdienst mit Auszeichnung und absolviert seit das Berufspraktikum II in einer Polizeiinspektion.
Ihre nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 zu ermittelnden Einkünfte überstiegen nicht den maßgeblichen Grenzbetrag von 10.000 Euro im Kalenderjahr 2019.

Beweiswürdigung

Der unter Punkt 1. dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, den zitierten Informationen des Bundesministeriums für Inneres auf seiner Homepage, den im Abgabeninformationssystem und in der Beihilfendatenbank gespeicherten Daten sowie den aus der Datenbank "AJ-WEB" des Dachverbandes der österreichischen Sozialversicherung ersichtlichen Versicherungsdaten der Tochter der Bf.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 323b Abs. 1 BAO treten das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes.

Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (nachfolgend: FLAG 1967) Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

§ 26 FLAG 1967 ist gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 letzter Satz auch für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge anzuwenden.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.

§ 5 Abs. 1 FLAG 1967 lautete in der für das Jahr 2019 geltenden Fassung des ARÄG 2013 (BGBl I Nr. 138/2013):

"(1) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse."

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 109/2020 wurde der Betrag von 10.000 € in Abs. 1 mit Wirksamkeit ab auf 15.000 € erhöht.

Gemäß § 8 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt sich der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

Die Familienbeihilfe beträgt gemäß § 8 Abs. 2 Z. 2 lit. d FLAG 1967 ab monatlich 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

Die Familienbeihilfe erhöht sich ab gemäß § 8 Abs. 3 Z. 2 lit. a FLAG 1967 monatlich für jedes Kind um 7,1 €, wenn sie für zwei Kinder gewährt wird.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

3.1.2. Rechtliche Beurteilung

Der Spruch des angefochtenen Bescheides umfasst den Zeitraum März 2019 bis Juli 2019. Damit ist auch die Entscheidungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes auf diesen Zeitraum beschränkt.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die von der Tochter der Bf. absolvierte Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 darstellt und daher der angefochtene Rückforderungsbescheid für den Zeitraum Juni 2019 und Juli 2019 zu Unrecht ergangen ist.
Der Rückforderungszeitraum März 2019 bis Mai 2019 blieb unbestritten. Die Bf. hat diesbezüglich kein Vorbringen erstattet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).

Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 ausgehen zu können. In dem die Polizeigrundausbildung betreffenden Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof diese Kriterien unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

Außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Diese genannten Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird, fallen jedenfalls unter den Begriff einer Berufsausbildung i.S.d. § 2 FLAG 1967. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch bei bereits berufstätigen Personen eine Berufsausbildung vorliegen kann. Entscheidend ist auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen.

Hat eine Ausbildung in einer unter Rz 4 des Erkenntnisses , erwähnten "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel bestanden und hat diese - abgesehen allenfalls von einer Ausbildung im Waffengebrauch, in Selbstverteidigung oder im Sport - in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten bestanden, dann liegt darin noch eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vor.

Weiters hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle (Rz 26, 27). Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle (Rz 28).

Die Tochter der Bf. befindet sich seit , also seit dem ersten Tag der Dauer des Vertragsverhältnisses zum Bund, in der Polizeigrundausbildung.

Angesichts der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967dar.

Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikum I noch keine Berufsausübung darstellt.

Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.

Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar (vgl. zu alldem ; ).

In den zuletzt angeführten Erkenntnissen hat das Bundesfinanzgericht unter Verweis auf das Erkenntnis , darüber hinaus auch festgehalten, dass die Polizeigrundausbildung die vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erfüllt und daher als ein "anerkanntes Lehrverhältnis" anzusehen ist.

Der Ausbildungsbeitrag, welcher den Polizeischülerinnen und Polizeischülern während ihrer Polizeigrundausbildung zusteht, ist demnach als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu qualifizieren und bleibt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes außer Betracht.

Dieser Rechtsansicht hat sich im Übrigen auch die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt angeschlossen. Das Finanzamt Österreich wurde in einer Information der Abt. VI/1 der Sektion Familie und Jugend im Bundeskanzleramt, ehemals Abt. II/1 im BMAFJ, vom Jänner 2021 entsprechend in Kenntnis gesetzt.

Der Bf. steht somit unabhängig von der Höhe des von ihrer Tochter bezogenen Ausbildungsbeitrages für den Zeitraum Juni 2019 bis Jänner 2021 Familienbeihilfe zu.

Aus den angeführten Gründen erweist sich daher die Rückforderung für die Zeiträume Juni 2019 und Juli 2019 als zu Unrecht erfolgt.

Der angefochtene Bescheid war daher entsprechend zu berichtigen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Frage, ob die Bezüge des Polizeischülers Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gleich gehalten werden können, ausdrücklich offengelassen (Rz 18). Da zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung somit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist eine ordentliche Revision zulässig.

Linz, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100732.2020

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