Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.03.2021, RV/5100790/2020

Voraussetzungen für eine dauernde doppelte Haushaltsführung nicht gegeben; Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerden vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** gegen die Bescheide des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Einkommensteuer 2015 - 2017:

I)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) machte mit den am beim Finanzamt elektronisch eingebrachten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 bis 2017 Kosten für Familienheimfahrten im Höchstausmaß von € 3.672,00 als Werbungskosten geltend.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der BF aufgefordert, die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nachzuweisen.

Der BF gab diesbezüglich bekannt, dass die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz in den Jahren 2015 bis 2017 aufgrund der Entfernung von 220 Kilometern nicht zumutbar gewesen sei und seine Lebensgefährtin, Frau Z, am Familienwohnsitz in Ungarn wohne.

Aufgrund der Nichtbeantwortung eines weiteren Ergänzungsersuchens vom , wurden die vom BF beantragten Kosten für Familienheimfahrten vom Finanzamt in den Einkommensteuerbescheiden 2015 bis 2017 vom nicht als Werbungskosten anerkannt.

In den Beschwerden vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 wurden vom BF u.a.

  • eine Meldebestätigung der Lebensgefährtin an der Adresse V (ausgestellt am ),

  • eine den BF betreffende Meldebestätigung an der Adresse V (ausgestellt am ) und

  • ein Formular E 9 für die Jahre 2015, 2016 und 2017, wonach die Lebensgefährtin in Ungarn in diesen Jahren über keine Einkünfte verfügte,

vorgelegt. Weiters gab der BF an, dass sich der Familienwohnsitz an der Adresse V befinde. Dort befinde sich ein Einfamilienhaus, die Lebensgefährtin sei jetzt in Österreich und die Familienheimfahrten seien jede Woche mit dem eigenen PKW erfolgt.

Mit Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Jahre 2015 bis 2017 vom wurden die Beschwerden vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen, da eine Verlegung des Familienwohnsitzes mangels steuerlich relevanter Einkünfte der Lebensgefährtin in Ungarn zumutbar gewesen sei.

Mit den Vorlageanträgen vom für die Jahre 2015 bis 2017 wurde vom BF der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht gestellt. Der BF gab darin bekannt, dass eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich nicht möglich sei, da seine Lebensgefährtin ihre pflegebedürftige Mutter an der Adresse V betreue.

In einem neuerlichen Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der BF aufgefordert, die Eigentumsverhältnisse des Hauses an der Adresse V darzulegen und eine Meldebestätigung der Mutter seiner Lebensgefährtin beizubringen. Zusätzlich wurden Fragen zum Gesundheitszustand der Mutter, zur Pflegetätigkeit der Lebensgefährtin sowie zu der Aussage des BF, "Frau Z ist jetzt in Österreich" gestellt. Dieses Ergänzungsersuchen wurde vom BF nicht beantwortet.

Am wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde der BF aufgefordert, entsprechende Nachweise der Eigentumsverhältnisse betreffend das Einfamilienhaus an der Adresse V und eine Meldebestätigung der Mutter seiner Lebensgefährtin vorzulegen sowie anhand geeigneter Unterlagen eine Pflegebedürftigkeit der Mutter seiner Lebensgefährtin im maßgeblichen Zeitraum 2015 - 2017 nachzuweisen. Weiters wurde der BF aufgefordert, sein Vorbringen in der Beschwerde, die Lebensgefährtin Z befinde sich in Österreich, zu erläutern.

Trotz nochmaliger Aufforderung des Bundesfinanzgerichtes vom blieb das Ergänzungsersuchen unbeantwortet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Der BF war im Zeitraum vom bis für die F GmbH tätig. Der BF war in Österreich von - an der Adresse [...] mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit ist er an der Adresse ***Bf1-Adr*** mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Familienwohnsitz des BF befindet sich in Ungarn in V. Der BF lebt seit an dieser Adresse in einer Lebensgemeinschaft mit Frau Z.

Die Lebensgefährtin des BF, Frau Z, verfügte in den Jahren 2015 - 2017 über keine Einkünfte in Ungarn.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Da die Lebensgefährtin des BF keine nennenswerten steuerpflichtigen Einkünfte (unter € 6.000,00) am Familienwohnort erzielt, ist im gegenständlichen Fall zu prüfen, ob die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes privat veranlasst ist.

Zutreffend ist, dass nach der Rechtsprechung des VwGH (zB ; ) die Verlegung des Wohnsitzes aus einer strukturschwachen Region in ein Ballungszentrum unzumutbar sein kann. Hierbei geht es in aller Regel um Fälle, in denen sich der Familienwohnsitz in einer Kleingemeinde befindet und eine Landwirtschaft in einem zumindest zur Selbstversorgung geeigneten Umfang betrieben wird (zB , mwN.).

Der BF hat in diesem Zusammenhang nur vorgebracht, dass bei einer Verlegung des Wohnsitzes der Verkauf des Eigenheims in Ungarn zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde, da die Kosten für ein neues Haus am Arbeitsort nicht gedeckt wären, und legte diesbezüglich auch eine Bescheinigung hinsichtlich des geringen Wertes der ungarischen Immobilie vor.

Hinsichtlich des Vorbringens, wonach seine Lebensgefährtin ihre pflegebedürftige Mutter an der Adresse V betreue und daher eine Verlegung des Wohnsitzes nicht zumutbar sei, wurden trotz mehrmaliger Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht keine Nachweise des BF erbracht, sodass sich dieses in reinen Behauptungen erstreckt. Widersprüchlich ist diesbezüglich auch das Vorbringen des BF in den Beschwerden vom , wonach Frau Z jetzt in Österreich sei.

Die Sachverhaltsfeststellung, dass der BF seit in einer Lebensgemeinschaft mit Frau Z lebt, konnte aufgrund der eigenen Angaben des BF getroffen werden. Der BF hat dem Finanzamt am über FinanzOnline bekannt gegeben, dass er seit an der Adresse V in einer Lebensgemeinschaft mit Frau Z lebe.

Vor diesem Hintergrund können die unter Punkt 2 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Gemäß § 20 Abs 1 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte ua. die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge (Z 1) sowie die Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-) ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d leg. cit. angeführten Betrag übersteigen (Z. 2 lit. e), nicht abgesetzt werden.

Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung, wie z.B. die Kosten für Familienheimfahrten nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist; ist die Wahl oder Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort hingegen auf der privaten Sphäre zuzuordnende Gründe zurückzuführen, sind die daraus entstandenen Aufwendungen nicht abzugsfähig (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/15/0083, und die dort zitierte Judikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa , ).

Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht, die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung kann ihre Ursachen dabei aber auch in der privaten Lebensführung haben (). Die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist auch für jedes Veranlagungsjahr gesondert zu beurteilen. Die Frage, ob bzw. wann dem Steuerpflichtigen die Verlegung seines (Familien-)Wohnsitzes zumutbar ist, kann nicht schematisch vom Ablauf eines bestimmten Zeitraums abhängig gemacht werden; vielmehr sind die Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen, wonach dem Steuerpflichtigen in aller Regel nach einer gewissen Zeit zumutbar ist, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen (). Dieser Zeitraum hängt insbesondere vom Familienstand ab, wobei die Verwaltungspraxis bei einem verheirateten, in eheähnlicher Gemeinschaft oder in Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebenden Steuerpflichtigen von einem Zeitraum von zwei Jahren ausgeht. Spätestens nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchem Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird.

Ein für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund kann sein, dass der Verkauf des Einfamilienhauses bzw der Wohnung am Familienwohnsitz aufgrund der Lage in einem strukturschwachen Gebiet zu erheblichen Vermögenseinbußen führen würde und die Anschaffung einer adäquaten Wohnung am Beschäftigungsort aus dem Erlös nicht möglich wäre (s aber -K/09; ; , RV/1101108/2015).

Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen liegt der Familienwohnsitz des BF in Ungarn so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht möglich ist.

Neben den vom BF aufgezeigten wirtschaftlichen Faktoren liegen keine anderen Gründe vor, die einer Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich der Arbeitsstätte entgegengestanden wären bzw. auf Grund derer eine Verlegung nur unter schwierigsten Bedingungen erfolgen hätte können.

Umstände, die eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich unzumutbar machen würden, wurden vom BF - wie unter Punkt 3. Beweiswürdigung angeführt - nicht nachgewiesen.

Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn ist daher privat veranlasst, sodass die Voraussetzungen für eine dauernde doppelte Haushaltsführung nicht gegeben sind. Die geltend gemachten Ausgaben für Familienheimfahrten fallen unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 EStG 1988 (Zuordnung zur privaten Lebenssphäre).

Die Voraussetzungen für eine vorübergehende doppelte Haushaltsführung sind ebenfalls nicht erfüllt, da der BF einerseits seit 2013 in Österreich beschäftigt ist und andererseits die Lebensgemeinschaft seit besteht.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, folgt das Bundesfinanzgericht der hg einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100790.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at