Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2021, RV/6100285/2020

Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinBVI in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich (bisher Finanzamt Salzburg-Land) vom betreffend Zuerkennung der Familienbeihilfe für die Tochter To ab Juni 2019 zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Monate Juni 2019 bis Jänner 2020 gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird insoweit - ersatzlos - aufgehoben.

2. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum "ab Februar 2020" abgewiesen wird.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Anlässlich der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe betreffend ihre Tochter T gab die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) im Juli 2019 bekannt, dass ihre Tochter Aspirantin bei der Landespolizeidirektion Salzburg sei und legte ua eine Bestätigung des Bildungszentrums der Sicherheitsakademie in Linz sowie ein Zeugnis über die Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin vor.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/15/0178, , 2016/15/0076 und vom , 2007/15/0050 eine "Bescheidbeschwerde" ein, welche das Finanzamt als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe wertete. Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Bf habe für Ihre Tochter T ab Juni 2019 Familienbeihilfe beantragt, da diese seit Juni 2019 eine Berufsausbildung absolviere. Ihre Tochter habe die Polizeigrundausbildung - aufgrund eines Sondervertrages nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten - privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (§ 1 Abs. 1 VBG) begonnen.
Der Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, gehe ins Leere, da die Tochter keine fremden- und grenzpolizeiliche exekutivdienstliche Ausbildung absolviere. Der Verwaltungsgerichtshof habe sehr deutlich den Unterschied der im Bereich des Bundesministeriums für Inneres vorhandenen exekutivdienstlichen Ausbildungen aufgearbeitet. Der Verwaltungsgerichtshof habe ferner festgehalten, es sei unstrittig, dass die Basisausbildung der Grundausbildung für die exekutivdienstliche Verwendung im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich (Dauer 6 Monate) und die Ergänzungsausbildung zur Grundausbildung für den Exekutivdienst (9 Monate) als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anzusehen seien. Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden könnten und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen würden, habe der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis von , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ergebe, falle unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (, ). Die 24-monatige - nicht durch Ausbildungsphasen unterbrochene - durchgehende Grundausbildung für den Exekutivdienst, welche die Tochter der Bf absolviere, sei daher als Berufsausbildung anzusehen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom betreffend Gewährung der Familienbeihilfe für die Tochter T für den Zeitraum ab Juni 2019 ab und begründete dies im Wesentlichen - nach einem Hinweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 und Rechtsausführungen zum Begriff der Berufsausbildung - wie folgt:

Laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, stelle die Ausbildungsphase/Grundausbildung eines (Grenz-)Polizisten keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar. Der Verwaltungsgerichtshof verneine in diesem Erkenntnis das Vorliegen einer Berufsausbildung für die gesamte Grundausbildung oder Ausbildungsphase von öffentlich Bediensteten und qualifiziere diese als Berufsausübung. Es sei daher unerheblich, ob eine Grundausbildung, praktische Verwendung oder Ergänzungsausbildung absolviert werde (vgl. ). Mit einer Berufsausübung seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht erfüllt und es spiele daher auch keine Rolle, ob das Ausbildungsentgelt einer Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 gleichgehalten werden könne. Da die Tochter T keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 absolviere, bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Mit Schriftsatz vom brachte die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom ein, wiederholte ihr Vorbringen vom und führte ergänzend aus:

Das Finanzamt verkenne, dass die Ergänzungsausbildung, in welcher sich die Tochter seit Juni 2019 befinde, keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 sei. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, habe bloß zum Ergebnis gehabt, dass die Kursunterbrechung des Kindes des dortigen Beschwerdeführers zur Ausübung des Dienstes als Grenzpolizist eine Berufsausbildungsphase nicht begründet habe. Dies deshalb, da dieses exekutivdienstlich im fremden- und grenzpolizeilichen Bereich eingesetzt worden sei, für diesen Zeitraum keine Ausbildungsunterlagen zur Verwendung gestanden seien und auch kein Unterricht stattgefunden habe und es zur Unterstützung des sicherheitspolizeilichen Bereichs eingeteilt gewesen sei. Ebenso habe das Kind Entgelt in der Höhe der jeweiligen Einstufung entsprechend der Entlohnungsstufe bezogen.
Dies sei hier nicht der Fall:
Der von der Tochter der Bf zu absolvierende Ergänzungslehrgang sei keine Option, sondern Voraussetzung für den Antritt zur Dienstprüfung. Die positive Ablegung der Dienstprüfung sei wiederum Voraussetzung für die Ernennung bzw. Übernahme als Polizeibeamtin. Die Ergänzungsausbildung vermittle eine Ausbildung in zusätzlichen Kenntnissen, die für die Dienstprüfung und für die Ausübung des Berufs als Polizist (ohne Einschränkung auf fremdenpolizeiliche Angelegenheiten) mit "Imperium" erforderlich sei. Die Beischaffung der Ausbildungsordnung werde daher beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen, da es sich bei Grundausbildungen oder sonstigen Ausbildungsphasen, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren würden, laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/16/0203, nicht um eine Berufsausbildung, sondern um eine Berufsausübung handle.

Die Bf stellte daraufhin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom einen Vorlageantrag.

Die Beschwerde wurde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Vorhalt vom wies das Bundesfinanzgericht die Bf darauf hin, dass Familienbeihilfe grundsätzlich höchstens bis zum Ende des Monats, in dem der 24. Geburtstag des Kindes fällt, Familienbeihilfe zustünde, allerdings die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit g bis k FLAG 1967 fünf Ausnahmen normieren würden, bei deren Zutreffen sich die Altersgrenze bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes verschieben würde. Sofern ein Verlängerungstatbestand erfüllt worden sei, wäre diese entsprechend zu belegen und zusätzlich das Dienstprüfungszeugnis vorzulegen.

In Beantwortung dieses Vorhalts legte die Bf durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter ua das Dienstprüfungszeugnis vor und erklärte, dass kein Verlängerungstatbestand verwirklicht worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1 gesetzliche Grundlagen

Anspruch auf Familienbeihilfe haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes führt gemäß § 5 Abs. 1 FLAG 1967 idF BGBl I 138/2013 bis zu einem Betrag von 10.000,00 Euro in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000,00 Euro, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000,00 Euro übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleibt außer Betracht:
a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

Der Grenzbetrag von 10.000,00 Euro erhöht sich mit auf 15.000,00 Euro (vgl. BGBl I 109/2020).

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für einen Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

2 Sachverhalt

Die Tochter T kam am 01/96 zur Welt und vollendete am 01/14 das 18. Lebensjahr und 01/20 das 24. Lebensjahr.

In der Zeit von bis nahm die Tochter T an der Ausbildung in der Zahnärztlichen Assistenz teil und bestand die Kommissionelle Abschlussprüfung laut Ausbildungsbestätigung der Zahnärztekammer vom .

Laut Bestätigung des Bildungszentrums der Sicherheitsakademie in Linz vom belegt die Tochter der Bf seit für die Landespolizeidirektion Salzburg den Aspiranten-Polizeigrundausbildungslehrgang im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie in Linz. Die Ausbildungsdauer beträgt für den Polizeigrundausbildungslehrgang 24 Monate.

Die Polizeigrundausbildung ist in der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI), BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt. Diese Verordnung wurde aufgrund der Bestimmungen der §§ 26 und 144 BDG, des § 67 VBG und des §§ 11 Abs. 4 SPG erlassen.

Diese Verordnung regelt gemäß § 1 Zif. 1 für den Ressortbereich des Bundesministeriums für Inneres (BMI) die Grundausbildung für den Exekutivdienst - Polizeigrundausbildung.

Ausbildungsziel der Grundausbildungen ist die inhaltliche und methodische Vermittlung jener Kompetenzen, die erforderlich sind, um den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereichs professionell und verantwortungsvoll nachzukommen. Der Lehrstoff ist entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft, den dienstlichen Erfordernissen sowie den aktuellen pädagogisch-didaktischen Grundsätzen zu vermitteln (§ 2 der VO).

Die Sicherheitsakademie (SIAK) hat für die in § 1 angeführten Grundausbildungen nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes Grundausbildungslehrgänge bereitzustellen. Die Leitung der Grundausbildungslehrgänge obliegt der SIAK (§ 3 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildungen sind in Form von Grundausbildungslehrgängen zu gestalten. Die Inhalte und die Mindeststundenanzahl der Lehrgegenstände der Grundausbildungslehrgänge für die jeweilige Grundausbildung sind in den Anlagen 1 bis 3 festgelegt (§ 4 Abs. 1 der VO).

Die Zuweisung zu einem Grundausbildungslehrgang erfolgt durch die zuständige Dienstbehörde nach Maßgabe der im BDG 1979 sowie im VBG vorgesehenen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 der VO).

Die Grundausbildung wird durch die Ablegung einer Dienstprüfung vor einem Prüfungssenat (§ 11) abgeschlossen. Die Anlagen 1 bis 3 beinhalten Aufbau, Ablauf und Inhalt der Dienstprüfung für die jeweilige Grundausbildung. Die Bediensteten sind von Amts wegen zur Dienstprüfung zuzuweisen. Voraussetzung für die Zulassung zur Dienstprüfung ist das Erreichen der gemäß § 4 Abs. 2 definierten Lernziele aller Ausbildungsmodule der jeweiligen Grundausbildung (§ 9 Abs. 1 und 2 der VO).

Nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung umfasst die Polizeigrundausbildung folgende Lehrgegenstände:


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A - LEHRPLAN
LEHRGEGENSTAND
AUSBILDUNGSMODUL
MINDESTSTUNDENANZAHL
Personale und Sozial- Kommunikative Kompetenzen
Einführung und Behördenorganisation
204
Angewandte Psychologie
Kommunikation und Konfliktmanagement
Berufsethik und Gesellschaftslehre
Menschenrechte
Polizeifachliche Kompetenzen
Dienstrecht
1134
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
Straf- und Privatrecht
Verfassungsrecht und Europäische Union
Verkehrsrecht
Verwaltungsrecht
Kriminalistik
Bürokommunikation
Situationsadäquate Handlungskompetenzen sowie Wahrnehmungs- & Reflexionskompetenzen
Modulares Kompetenztraining
806
Einsatztraining
Sport
Erste Hilfe
Fremdsprachen
Themenzentrierter Unterricht
Berufspraktikum
Berufspraktikum I
468
2612


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B - DIENSTPRÜFUNG
MÜNDLICHE GESAMTPRÜFUNG
Im Zuge der Prüfung sollen exekutivspezifische Sachverhalte praxisorientiert, themenübergreifend und kompetenzorientiert behandelt werden.Der Schwerpunkt liegt dabei in den polizeifachlichen Kompetenzen, wobei seitens der Prüfer auch Themengebiete aus den anderen im Lehrplan angeführten Ausbildungsmodulen berücksichtigt werden sollen.

Laut dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in
die Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II.

Ferner werden im Ausbildungsplan Struktur und Ausbildungsziele der Polizeigrundausbildung wie folgt beschrieben:

Die Polizeigrundausbildung soll den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch praxisnahe Lehre unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden jene Kompetenzen vermitteln, die im Kompetenzprofil für den uniformierten Polizeidienst als relevant definiert wurden. Die Schwerpunkte der polizeilichen Grundausbildung sind Handlungssicherheit und Bürgernähe auf Basis menschenrechtskonformen Verhaltens.

BASISAUSBILDUNG - 12 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen jenes rechtliche sowie einsatztaktische und -technische Basiswissen erlangen, das sie für den Dienst in einer Polizeiinspektion (PI) benötigen. Die Wissensvermittlung soll kompetenzorientiert und praxisnah unter Vernetzung aller Ausbildungsinhalte erfolgen.

BERUFSPRAKTIKUM I - KENNENLERNEN DES DIENSTBETRIEBES - 3 MONATE

Das Berufspraktikum dient zur Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut.

VERTIEFUNG - 5 MONATE

Die Polizeibediensteten sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Darüber hinaus sollen sie das in der Basisausbildung erworbene Wissen vertiefen und mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums vernetzen.

BERUFSPRAKTIKUM II - EINFÜHRUNG IN DEN DIENSTBETRIEB - 4 MONATE

Während der Einführung in den Dienstbetrieb werden die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt.

In der im Ausbildungsplan enthaltenen Stundentafel werden die in der Anlage 1 zur Ausbildungsverordnung angeführten Lehrgegenstände und Unterrichtseinheiten wie folgt näher aufgegliedert:


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LEHRGEGENSTAND
UNTERRICHTS-EINHEITEN
GESAMT
1. PERSONALE UND SOZIALKOMMUNIKATIVE KOMPETENZEN
204
Einführung und Behördenorganisation
24
Angewandte Psychologie
48
Kommunikation und Konfliktmanagement
48
Berufsethik und Gesellschaftslehre
28
Menschenrechte
56
2. POLIZEIFACHLICHE KOMPETENZEN
1134
Dienstrecht
40
Sicherheitspolizeiliche Handlungslehre
240
Straf- und Privatrecht
172
Verfassungsrecht und Europäische Union
32
Verkehrsrecht
176
Verwaltungsrecht
160
Kriminalistik
164
150
3. SITUATIONSADÄQUATE HANDLUNGSKOMPETENZEN SOWIE WAHRNEHMUNGS- UND REFLEXIONSKOMPETENZEN
Modulares Kompetenztraining
160
806
Einsatztraining
424
Sport
120
Bürokommunikation
16
Fremdsprachen
4
Themenzentrierter Unterricht
82
4. BERUFSPRAKTIKUM
448
SUMME
2612

(Quelle: https://bmi.gv.at/104/Beruf_und_Karriere/start.aspx).

Laut dem vorgelegten Zeugnis bestand die Tochter der Bf am die Dienstprüfung der Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) mit ausgezeichnetem Erfolg.

Die Tochter T bezog im Jahr 2019 laut den im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Lohnzettel für den Zeitraum Juni 2019 bis Dezember 2019 einen Ausbildungsbeitrag, der annähernd beim Grenzbetrag von 10.000,00 Euro lag (ohne weitere Ermittlung des zu versteuernden Einkommens). Im Kalenderjahr 2020 betrugen die steuerpflichtigen Bezüge laut dem im Abgabeninformationssystem des Bundes gespeicherten Lohnzettel 19.776,01 Euro.

Die Bf bezog zuletzt von Oktober 2015 bis Juli 2019 durchgehend die Familienbeihilfe für ihre Tochter T.

3 rechtliche Würdigung

Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).

Nach der geltenden Rechtslage (vgl. Lenneis/Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage 2020, § 1 Rz 188) steht grundsätzlich höchstens bis zum Ende des Monats, in den der 24. Geburtstag des Kindes fällt, Familienbeihilfe zu. Hiervon normieren die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. g bis k FLAG 1967 fünf Ausnahmen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2. Auflage 2020, § 2 Rz 29): Ableistung des Präsenz- Ausbildungs- bzw. Zivildienstes (lit. g), erhebliche Behinderung während der Berufsausbildung (lit. h), Geburt eines eigenen Kindes bzw. Schwangerschaft (lit. i), Absolvierung eines langen Studiums (lit. j) und Absolvierung einer freiwilligen praktischen Hilfstätigkeit (lit. k). Bei Zutreffen einer dieser normierten Voraussetzungen verschiebt sich die Altersgrenze längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes.

Die Tochter der Bf kam am 01/96 zur Welt und vollendete am 01/20 das 24. Lebensjahr. Ein Verlängerungstatbestand wurde nicht verwirklicht.

Es ist somit an dieser Stelle sogleich festzuhalten, dass, ab Februar 2020 - wegen Erreichung der Altersgrenze - jedenfalls kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr besteht.

Zu klären bleibt, ob die von der Tochter der Bf absolvierte Polizeigrundausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 darstellt und daher in den Monaten Juni 2019 bis einschließlich Jänner 2020 Familienbeihilfe zuzuerkennen ist (wobei in den Monaten Juni und Juli 2019 bereits wegen der Ausbildung zur zahnärztlichen Assistentin vom Finanzamt die Familienbeihilfe gewährt wurde).

Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG wird im Gesetz nicht näher definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Reihe von Kriterien entwickelt, die erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG ausgehen zu können. Im Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, hat der Verwaltungsgerichtshof diese in der Rz 11 wie folgt zusammengefasst:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (, , ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschriftvorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ().
Dass im Zuge einer Berufsausbildung praktische und nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt werden können und etwa im Praktikum zu vermittelnde praktische Grundkenntnisse unter die Berufsausbildung fallen, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , 2009/16/0315, ausgesprochen. Wie sich auch aus § 5 Abs. 1 lit.b FLAG ergibt, fällt unter eine Berufsausbildung auch ein "duales System" der Ausbildung zu einem anerkannten Lehrberuf (; zur Berufsausbildung im Rahmen einer Lehre )."

Im Erkenntnis , wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass bei einer "Basisausbildung" mit einem Lehrplan und einer Stundentafel, die in theoretischen Unterweisungen, Aufgabenstellungen, Übungen und Arbeiten besteht, eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorliegt (Rz 32).

Des Weiteren hob der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung hervor, dass das von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums absolvierte Unterrichtspraktikum eine Einschulung am Arbeitsplatz im Beruf eines Lehrers und keine Berufsausbildung mehr darstelle (Rz 26, 27). Dagegen stelle die Ableistung der Gerichtspraxis durch einen Rechtspraktikanten eine Berufsausbildung dar, da es sich dabei um eine Berufsvorbildung und keine Einschulung am Arbeitsplatz handle (Rz 28).

Angesichts dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen jedenfalls die oben näher dargestellte zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "12 Monate Theorie") und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan "5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung") eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar.

Das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken zu absolvierende Berufspraktikum I dient nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst. Die Polizeibediensteten werden dabei, ohne zum Personalstand der Praktikumsdienststelle zu zählen, von Exekutivbediensteten geschult und betreut. Dieser Teil der Ausbildung stellt somit eine typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse dar, die nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ebenfalls unter die Berufsausbildung fällt (vgl. ). Auch der Umstand, dass dieses Praktikum vor Ablegung der Dienstprüfung geleistet wird, spricht dafür, dass das Berufspraktikums I noch keine Berufsausübung darstellt.

Anderes gilt dagegen für das Berufspraktikum II. In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikums am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz.

Insgesamt gesehen stellen daher die ersten drei Teile der im Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst angeführten Teile (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar. (Vgl. , , , , , ).

Die Bf befand sich somit in dem hier zu beurteilenden Zeitraum, nämlich in den Monaten Juni 2019 bis einschließlich Jänner 2020, die jedenfalls noch vor der Absolvierung der Dienstprüfung und dem Berufspraktikum II lagen, in Berufsausbildung.

In den zuletzt angeführten Erkenntnissen hat das Bundesfinanzgericht unter Verweis auf das Erkenntnis , darüber hinaus auch festgehalten, dass die Polizeigrundausbildung die vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien eines anerkannten Lehrverhältnisses im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 erfüllt und daher als ein "anerkanntes Lehrverhältnis" anzusehen ist.

Der Ausbildungsbeitrag, welcher den Polizeischülerinnen und Polizeischülern während ihrer Polizeigrundausbildung zusteht, ist demnach als Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 zu qualifizieren und bleibt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes außer Betracht.

Dieser Rechtsansicht hat sich im Übrigen auch die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt angeschlossen. Das Finanzamt Österreich wurde in einer Information der Abt. VI/1 der Sektion Familie und Jugend im Bundeskanzleramt, ehemals Abt. II/1 im BMAFJ, vom Jänner 2021 entsprechend in Kenntnis gesetzt.

Aus den angeführten Gründen steht der Bf somit grundsätzlich unabhängig von der Höhe des von ihr bezogenen Ausbildungsbeitrages für den Zeitraum Juni 2019 bis Jänner 2020 Familienbeihilfe zu. Der angefochtene Abweisungsbescheid ist daher hinsichtlich der Monate Juni 2019 bis einschließlich Jänner 2020 aufzuheben. (Vgl. ).

Ab dem Monat Februar 2020 ist die Beschwerde wegen Überschreitung der Altersgrenze abzuweisen.

4 Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art. 133 Abs. 4 B-VG)

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203, die Frage, ob die Bezüge des Polizeischülers Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis im Sinne des § 5 Abs 1 lit b FLAG 1967 gleichgehalten werden können ausdrücklich offengelassen. Da zu dieser Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung somit Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist eine ordentliche Revision zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.6100285.2020

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