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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.02.2021, RV/7400142/2020

Gebrauchsabgabe ohne Gebrauchserlaubnis

Beachte

Revision (Amtsrevision und Parteienrevision) beim VwGH anhängig zu Zl. Ro 2021/13/0016 und Ro 2021/13/0017. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom , Ro 2021/13/0017 (Parteienrevision). Amtsrevision mit Erk. v. , Ro 2021/13/0016, als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7400142/2020-RS1
Als Abgabepflichtige im Sinne des § 9 Abs. 1a Gebrauchsabgabegesetz kommen nur diejenigen in Betracht, in deren Verantwortungsbereich die Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis für eine Baustelleneinrichtung lag und nicht auch die unmittelbar auf der Baustelle Tätigen.
RV/7400142/2020-RS2
Wenn die belangte Behörde in einem einheitlichen Bescheid gemäß § 199 BAO Personen zu Unrecht als Gesamtschuldner zur Entrichtung einer Abgabe verpflichtet, hat das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis die Abgabenvorschreibung diesen gegenüber aufzuheben und die Abgabenvorschreibung nur gegenüber den zu Recht als Gesamtschuldner Verpflichteten aufrecht zu erhalten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** ***Bf2***, ***Bf2-Adr*** vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Domplatz 16, 2700 Wiener Neustadt, ***Bf3***, ***Bf3-Adr*** und ***Bf4***, ***Bf4-Adr*** vertreten durch Dr. Helmut Krenn, Stephansplatz 10, 1010 Wien, über die Beschwerden vom , und gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien MA 46 Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten vom , MA ***GZ4***, betreffend Gebrauchsabgabe für März bis April 2018 zu Recht erkannt:

1. Die Beschwerden der ***Bf1*** und der ***Bf2*** werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die Abgabenvorschreibung bleibt diesen gegenüber aufrecht.

2. Den Beschwerden der ***Bf4*** und der ***Bf3*** wird Folge gegeben. Die Abgabenvorschreibung wird diesen gegenüber ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Bauverfahren des Magistrates der Stadt Wien, MA 37 Baupolizei, MA ***GZ1***, betreffend die Liegenschaft in ***Adresse1***, ident mit ***Adresse2***, ident mit ***Adresse3***, ***EZ*** der ***KG***, wurde über Antrag der ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) eine Baubewilligung erteilt. Bauführerin in den Bauakten war die ***Bf2***.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA ***GZ2***, vom wurde auf Antrag der ***Bf1*** eine Gebrauchserlaubnis für das genannte Bauvorhaben bis Juni 2017 erteilt. Als Baufirmen werden die ***Bf1*** unter dem Bauleiter, Herrn ***NN***, und die ***Bf2***, unter dem Bauleiter, Herrn ***GF2***, genannt.

Für die Monate Juli bis Dezember 2017, sowie Jänner und Februar 2018 erfolgten Nachverrechnungen der Gebrauchsabgabe gegenüber der ***Bf1*** wegen Benutzung der genannten Verkehrsflächen ohne Gebrauchserlaubnis. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Am beantragte die ***Bf1*** zur Zahl MA ***GZ3*** die Verlängerung der Gebrauchserlaubnis für das Gerüst und die Baustellenlagerung, was mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wegen Zweifeln an der Zahlungsbereitschaft mangels Vorauszahlung gemäß § 11 Abs. 5 GAG zurückgewiesen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom , MA ***GZ4*** wurde die Gebrauchsabgabe für den Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis von März bis August 2018 gegenüber den Beschwerdeführern zur ungeteilten Hand erlassen, da diese in diesem Zeitraum ohne Bewilligung weiterhin öffentlichen Grund durch Aufstellen eines Gerüstes, Lagerung von Baustoffen, Schutt, Baugeräten, Baucontainern, Lademulden und sonstigen Gegenständen benutzt hätten.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde behaupteten die Vertreter der ***Bf3*** an dieser Baustelle keine Tätigkeiten durchgeführt zu haben und ihr Banner lediglich aus Werbezwecken an der Baustelle zu sehen sei.

Der rechtsfreundliche Vertreter der ***Bf4*** gab in seiner Beschwerde an, dass das gegenständliche Bauprojekt von der Firma ***Bf2*** durchgeführt worden sei und seine Mandantin lediglich als Auftragnehmerin dieser Firma tätig geworden sei und die Gerüstbauarbeiten übernommen habe. Hierzu sei ein Kostenvoranschlag gelegt und ausdrücklich vereinbart worden, dass alle Bewilligungen durch die Auftraggeberin einzuholen seien. Es handle sich hierbei um einen vollkommen üblichen Vorgang, dass die Baufirma/Generalunternehmer zahlreiche Subunternehmer beschäftige. Diesen sei es nicht zumutbar, eigene Bewilligungen einzuholen. Seitens der ***Bf4*** könne nicht überprüft werden, ob diese Genehmigungen tatsächlich eingeholt worden seien. Jedenfalls werde davon ausgegangen. Im gegenständlichen Fall seien offenbar für die letzten Monate keine Bewilligungen vorhanden gewesen. Die entsprechende Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG könne wohl nicht so weit ausgelegt werden, dass jeder der an einer Baustelle arbeite - also im Extremfall alle Arbeiter und Angestellten, Lieferanten, etc. - eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken hätten.

Die Vertreter der ***Bf1*** behaupteten in ihrer Beschwerde, die Flächen nicht genutzt zu haben, da sie bei diesem Bauvorhaben nicht tätig gewesen seien.

Mit Schriftsatz vom wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter der ***Bf4*** Säumnisbeschwerde erhoben, weil über die fristgerechte Beschwerde nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, nach diversen Baustellenkontrollen sei es aktenkundig, dass von März bis August 2018 das Gerüst sowie Lagerflächen ohne Gebrauchserlaubnis belassen wurden. Die ***Bf1*** habe zugestanden, für die Baustelleneinrichtung verantwortlich zu sein; die ***Bf4*** habe das Gerüst aufgestellt und belassen; nach dem Aktenstand der MA 37 Baupolizei sei die ***Bf2*** Bauführerin gewesen. Von den genannten Firmen seien daher die Baustelleneinrichtungen genutzt worden. Während der gesamten Zeit sei ein Werbetransparent angebracht gewesen, welches als tätige Unternehmen sowohl die ***Bf2*** als auch die ***Bf3*** benannt habe, die das Bauvorhaben auch auf ihrer Internetseite dargestellt habe. Auch sei bei der Behörde eine Vielzahl von gemeinsamen Bauprojekten der genannten Unternehmen bekannt, und vielfach seien von der ***Bf2*** Vollmachten für die ***Bf3*** ausgestellt worden, und von der Geschäftsführerin der ***Bf3*** werde die ***Bf2*** in der Verhandlung vertreten bzw. würden Bescheide lautend auf die ***Bf2*** von Vertretungsbefugten der ***Bf3*** abgeholt.

Fristgerecht wurden Vorlageanträge von der ***Bf2***, der ***Bf3*** und der ***Bf4*** eingebracht.

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung führte die Vertreterin der belangten Behörde ergänzend aus, dass der Antrag auf Gebrauchserlaubnis tatsächlich von der ***Bf1*** gestellt und der Geschäftsführer der ***Bf2***, Herr ***GF2***, nur als Bauführer genannt worden sei.

Der rechtsfreundliche Vertreter der ***Bf2*** erklärte dazu, auch im Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der ***Bf2***, Herrn ***GF2***, sei hervorgekommen, dass Herr ***GF2*** stets auf den Geschäftsführer der ***Bf1***, Herrn ***NN***, vertraut habe, da er davon ausgegangen sei, dass sich dieser sowohl um die Gebrauchserlaubnis kümmern werde, als auch die Abgabe entrichten werde. Dieser habe die Gebrauchsabgabe auch eingepreist und gegenüber dem Auftraggeber verrechnet.

Der rechtsfreundliche Vertreter der ***Bf4*** bemängelte einerseits die Unzulänglichkeiten der Beschwerdevorentscheidung und verwies auf das darin genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, in welchem eine Definition des Begriffes Gebrauch gemacht werde.

Die ***Bf4*** habe das Gerüst lediglich an die ***Bf2*** vermietet und sei daher nicht als Abgabenschuldnerin für die Gebrauchsabgabe heranzuziehen.

Der Vertreter der ***Bf2*** erklärte, dass § 9 GAG auf die Nutzung abstelle und daher alle Beschwerdeführer als Abgabenschuldner in Frage kämen.

Von allen Parteien wurde festgehalten, dass ihrer Ansicht nach die Gebrauchsabgabe bisher nicht entrichtet worden sei.

Die Vertreterin der belangten Behörde erklärte, dass aufgrund der neuen Rechtslage durch die Einführung des § 9 Abs. 1a GAG die ursprüngliche aus den 50-iger Jahren stammende Rechtsprechung des VwGH nicht mehr zutreffend sei. Außerdem verwies sie darauf, dass gemäß § 90 StVO ein Genehmigungsausweis an der Baustelle anzubringen sei, weshalb jeder erkennen könne, ob eine derartige Genehmigung erteilt worden sei.

Herr ***GF2*** (***Bf2***) erklärte, dass die Firma ***Bf3*** an dieser Baustelle definitiv keine Arbeiten ausgeführt habe. Es könne sein, dass sich an einem Abstellgitter noch eine Tafel der Firma ***Bf3*** befunden habe.

Der Vertreter der ***Bf4*** (Herr Dr. Krenn) stellte den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge beim Verfassungsgerichtshof einen Normenprüfungsantrag betreffend § 9 Abs. 1a GAG einbringen, da es sich bei dem Begriff "Nutzung" um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handle.

Nach dieser Bestimmung müsste jeder der eine Verkehrsfläche benütze, somit auch ein Fußgänger, Gebrauchsabgabe entrichten.

Die Vertreterin der belangten Behörde erwiderte, ihrer Ansicht nach sei die Bestimmung nicht verfassungswidrig, weil § 9 Abs.1a GAG darauf abstelle, dass der öffentliche Grund in der Gemeinde gemäß angeschlossenem Tarif benutzt werde, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben.

§ 1 Abs.1 GAG stelle auch darauf ab, dass der öffentliche Grund in der Gemeinde gebraucht werde wie im angeschlossenen Tarif angegeben. Die Tarife A-D seien spezifisch und konkret und würden in ständiger Judikatur herangezogen, ohne dass an deren Verfassungsmäßigkeit gezweifelt worden sei.

Herr Dr. Krenn wandte dagegen ein, aus dem angeschlossenen Tarif ergebe sich keineswegs die Art der Nutzung.

Die Vertreterin der belangten Behörde gab dazu an, Tarif D 1 lege ausdrücklich einen Tarif für die Aufstellung von Gerüsten fest.

Der Geschäftsführer der ***Bf3*** verwies nochmals darauf, dass er die genannte Baustelle nicht kenne und auch für niemanden von dieser Baustelle eine Vollmacht habe.

Die Vertreterin der belangten Behörde erklärte, dass nur bauausführende Firmen ein Plakat an der Baustelle aufhängen dürften. Es sei immer wieder vorgekommen, dass Firmen später behaupteten, an dieser Baustelle nicht tätig geworden seien.

Nachdem sich die Vertreterin der belangten Behörde bei der zuständigen Stelle telefonisch informiert hatte, gab sie an, die Abgabe sei bisher nicht entrichtet worden.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Nachdem mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA ***GZ2***, vom der ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***), unter Herrn ***NN*** als verantwortlichem Bauleiter und der ***Bf2***, unter dem verantwortlichen Bauleiter Herrn ***GF2***, antragsgemäß eine Gebrauchserlaubnis für die Aufstellung eines Gerüstes und die Ablagerung von Schutt auf den bezeichneten Verkehrsflächen in der Zeit vom bis einschließlich erteilt worden war, wurde von der Firma ***Bf4*** im Auftrag der ***Bf2*** ein Gerüst aufgestellt und von der Firma ***Bf2*** als bauausführende Firma im Rahmen der durchgeführten Bauarbeiten sowohl das Gerüst benutzt als auch die weiteren im Bescheid bezeichneten Verkehrsflächen im Rahmen der Bauarbeiten zur Ablagerung von Baumaterial und Schutt genutzt. Dass auch die ***Bf3*** auf der Baustelle tätig geworden wäre, konnte nicht festgestellt werden.

Aufgrund mehrerer Baustellenkontrollen ist aktenkundig, dass von März bis August 2018 das Gerüst und die Lagerflächen ohne Gebrauchserlaubnis belassen wurden. Während der gesamten Zeit war ein Werbetransparent der Firma ***Bf2*** angebracht.

Nachdem nach Ablauf der Frist kein weiterer Antrag auf Gewährung einer Gebrauchserlaubnis gestellt wurde, die Flächen aber weiterhin benutzt wurden, erfolgten in der Folge Nachverrechnungen der Gebrauchsabgabe für Juli bis Dezember 2017, sowie für Jänner und Februar 2018. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Am beantragte die ***Bf1*** zur Zahl MA ***GZ3*** die Verlängerung der Gebrauchserlaubnis für das Gerüst und die Baustellenlagerung. Der Antrag wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wegen Zweifeln an der Zahlungsbereitschaft mangels Vorauszahlung gemäß § 11 Abs. 5 GAG zurückgewiesen.

Die ***Bf1*** war wiederholt aufgefordert worden, die Baustelle zu räumen. Dennoch blieb in der Zeit März bis August 2018 das Gerüst weiterhin stehen, und auch die Bauablagerungen wurden in dieser Zeit nicht beseitigt.

Schließlich wurde die Räumung der Baustelle durch den Geschäftsführer der Firma ***Bf2*** veranlasst.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist hinsichtlich der Antragstellung durch die ***Bf1*** und der mehrfachen Aufforderung an diese, die Baustelle zu räumen, durch die von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen - wie insbesondere die zitierten Bescheide - eindeutig belegt.

Auch die Aufstellung des Baugerüstes durch die ***Bf4*** im Auftrag der Firma ***Bf2*** bleibt unbestritten.

Soweit die belangte Behörde aus dem Umstand, dass an der Bauabsperrung auch eine Tafel der ***Bf3*** angebracht war und diese das Bauvorhaben auch auf ihrer Internetseite bewarb, schloss, dass auch diese an den Bauarbeiten beteiligt gewesen sei und daher ebenfalls die bezeichneten Verkehrsflächen benutzt habe, steht dieser Annahme die Aussage des Geschäftsführers der ***Bf2*** entgegen, der durchaus glaubwürdig darlegte, dass die genannte Firma an diesem Bauvorhaben nicht beteiligt gewesen sei. Da nicht ersichtlich ist, welchen Vorteil der Geschäftsführer der ***Bf2*** aus dieser Aussage ziehen könnte, und von der belangten Behörde im Rahmen der mehrfachen Baustellenbesichtigungen keine Beweise für ein Tätigwerden der ***Bf3*** gefunden werden konnten, sondern es sich bei der diesbezüglichen Annahme lediglich um Vermutungen im Hinblick darauf handelt, dass die beiden Firmen des Öfteren gemeinsam Bauprojekte abwickeln, war den entgegenstehenden Aussagen des Geschäftsführers der ***Bf2*** Glauben zu schenken.

Das Bundesfinanzgericht geht in der Verwaltungsstrafsache gegen den Geschäftsführer der Firma ***Bf2***, Herrn ***GF2***, in seinem Erkenntnis vom , RV/7500062/2020, davon aus, dass die Firma ***Bf2*** die bauausführende Firma des Bauvorhabens gewesen ist und Herr ***GF2*** als deren Geschäftsführer daher für die Einholung einer Gebrauchserlaubnis und für die monatliche Entrichtung der gegenständlichen Gebrauchsabgaben verantwortlich war.

Aus einer Stellungnahme der MA 46 zur gegenständlichen Verwaltungsstrafsache geht schließlich hervor, dass anlässlich von Baustellenkontrollen ein Zusammenwirken der Firma ***Bf2*** und Herrn ***NN***, ***Bf1***, festgestellt werden konnte.

Ein gemeinschaftliches Zusammenwirken zwischen der der Firma ***Bf2***, vertreten durch Herrn ***GF2*** als Geschäftsführer und der Firma ***Bf1***, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn ***NN***, lässt sich nach der Aktenlage und der Auskunft der belangten Behörde nicht nur bei dieser Baustelleneinrichtung beobachten, sondern auch bei einer Mehrzahl weiterer Adressen feststellen. Einer Auskunft der MA 6 zu den Außenständen der Unternehmen ist entnehmbar, dass an diversen Adressen gemeinsam Bauvorhaben abgewickelt und seit 2016 keine Gebrauchsabgaben entrichtet wurden. Seit 2017 wurde daher seitens der belangten Behörde veranlasst, Gebrauchserlaubnisse für Baustelleneinrichtungen nur mehr gegen Vorauszahlung im Sinne des § 11 Abs. 5 GAG zu bewilligen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht hat Herr ***GF2*** letztlich auch eingestanden, dass die Firma ***Bf2*** die bauausführende Firma auf der besagten Baustelle gewesen sei.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

Die im gegenständlichen Fall zur Anwendung kommenden Bestimmungen des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes in der für den Streitzeitraumes geltenden Fassung (GAG) lauten:

"§ 1
Gebrauchserlaubnis

(1) Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Auf die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis besteht kein Rechtsanspruch.

§ 4
Erlöschen der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis

(6) Weiters erlischt die Gebrauchserlaubnis, wenn die Abgabe nicht spätestens sechs Monate nach Fälligkeit bzw. nach Ablauf eines bewilligten Zahlungsaufschubes bzw. nach Ablauf einer für die Entrichtung der Abgabe gemäß §§ 212 Abs. 3 und 212 a Abs. 7 Bundesabgabenordnung - BAO, eingeräumten Nachfrist entrichtet wird.

(7) Die Gebrauchserlaubnis erlischt, wenn hinsichtlich der den Gegenstand der Gebrauchserlaubnis betreffenden Fläche die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 entfallen.

§ 5
Verpflichtungen nach dem Erlöschen der Gebrauchserlaubnis

(1) Wird die Gebrauchserlaubnis widerrufen, so ist im Bescheid eine angemessene Frist festzusetzen, innerhalb welcher der ehemalige Erlaubnisträger die Einrichtungen, durch die öffentlicher Grund in der Gemeinde in Anspruch genommen wurde, zu beseitigen hat.

(2) Ist die Gebrauchserlaubnis nach dem Tode des Erlaubnisträgers durch Beendigung der Verlassenschaftsabhandlung erloschen, so sind die im Abs. 1 genannten Einrichtungen zu beseitigen. Hiezu sind die Erben oder Vermächtnisnehmer des verstorbenen Erlaubnisträgers verpflichtet. Die gleiche Pflicht trifft beim Erlöschen der Rechtspersönlichkeit einer juristischen Person oder bei der Auflösung einer Personengesellschaft nach Unternehmensrecht diejenigen Personen, die diese Erlaubnisträger nach außen zu vertreten befugt waren.

(3) Erlischt die Gebrauchserlaubnis durch Verzicht, so hat der ehemalige Erlaubnisträger die im Abs. 1 genannten Einrichtungen zu beseitigen.

(4) Die nach Abs. 1 bis 3 verpflichteten Personen haben die Fläche, auf deren Gebrauch sich die Gebrauchserlaubnis bezogen hat, und die durch die Beseitigung der Einrichtungen betroffenen Flächen auf ihre Kosten in jenen Zustand zu versetzen, der dem Zustand des unmittelbar angrenzenden öffentlichen Grundes in der Gemeinde entspricht. Falls dieser Herstellungspflicht nicht nachgekommen wird, ist diese vom Magistrat mit Bescheid auszusprechen.

§ 9
Abgabepflicht, Anzeigepflicht und Haftung

(1a) Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.

…"

In den Erläuterungen zu der mit LGBl. Nr. 11/2013 eingeführten Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG wird ausgeführt:

"In Zukunft soll die Abgabepflicht auch an den bloßen Gebrauch von öffentlichem Grund der Gemeinde anknüpfen. Wie in anderen Bereichen üblich (z.B. Parkometerabgabe) soll die Abgabe auch für den Zeitraum, in welchem öffentlicher Grund ohne Gebrauchserlaubnis benützt wird, vorgeschrieben werden. Festgestellt wird auch, dass wenn für ein und denselben Gebrauch in ein und demselben Zeitraum ein Antrag auf Gebrauchserlaubnis gestellt und bewilligt wird, die vom Antragsteller bereits nach diesem Absatz entrichtete Gebrauchsabgabe anzurechnen ist."

Über die Person des für den Gebrauch Verantwortlichen enthält das Gesetz keine besonderen Bestimmungen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Strafbestimmung des § 16 GAG festhält, verweist die eigentümliche Bedeutung des Wortes "Gebrauch" auf einen tatsächlichen Vorgang, auf eine unmittelbare Tätigkeit, wie etwa auf den Aufbau eines Gerüstes oder auf das Ablagern von Schutt und dergleichen. Da es aber nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein kann, den unmittelbar Tätigen, wie etwa gar den Schutt abladenden Arbeiter oder den Gerüster, als Gebraucher anzusehen, ergibt sich, dass als Gebraucher derjenige in Betracht zu kommen hat, in dessen Auftrag (auf dessen Rechnung und Gefahr) der Gebrauch durchgeführt wird. Feststellungen in dieser Richtung sind entbehrlich, wenn jemand sich selbst der Behörde gegenüber als Gebraucher bezeichnet, für sich um die Gebrauchserlaubnis ansucht und hiedurch zu erkennen gibt, dass er als Träger der Gebrauchsbewilligung mit den daraus entspringenden Rechten und Pflichten in Betracht kommt (vgl. , Slg. Nr. 729/F; ).

Weder aus den Materialien zu § 9 Abs. 1a GAG noch aus der gesetzlichen Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG kann abgeleitet werden, dass durch die mit LGBl. Nr. 11/2013 eingeführte Wendung "Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben" eine andere Bedeutung als der des bisher nur in § 16 GAG verwendeten Wortes "Gebrauch" beigemessen hätte werden sollen. Die Einführung dieser Bestimmung sollte laut den oben zitierten Erläuterungen lediglich dazu dienen, nunmehr auch für den Gebrauch einer Verkehrsfläche ohne Gebrauchserlaubnis eine Abgabepflicht zu begründen, die bis dahin nur für den Gebrauch von Verkehrsflächen mit Gebrauchserlaubnis bestand. Ein Gebrauch ohne Gebrauchserlaubnis konnte nämlich bis zur Einführung der Bestimmung des § 9 Abs. 1a GAG nur nach § 16 GAG bestraft werden. Mit dem Ersatz des Wortes "Gebrauch" durch die Wendung "wer …. benutzt" war daher im Rahmen der Gesetzesänderung keinesfalls eine Bedeutungsänderung intendiert, weshalb es auch keinen Grund gibt, von der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung getroffenen Auslegung in Bezug auf die Bedeutung des Wortes "Gebrauch" abzugehen.

Die Firma ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) hat unter Bekanntgabe der Baufirma ***Bf2*** als Bauführerin um die Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabebesetz angesucht und damit zu erkennen gegeben, dass sie gemeinsam mit der ***Bf2*** den Gebrauch gegenständlicher Verkehrsflächen anstrebt und ausüben wird. Die ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) hat nach Ablauf der ihr bis erteilten Bewilligung zunächst nicht um deren Verlängerung angesucht, jedoch haben sich auf der angeführten Baustelle auch nach dem Baumaterial und Teile der Baustelleneinrichtung (zumindest bis Ende August 2018) befunden. Ein weiterer Antrag der ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) auf Verlängerung der Gebrauchserlaubnis nach dem GAG wurde von der MA 46 mit Bescheid vom wegen Zweifeln an der Zahlungsbereitschaft mangels Vorauszahlung gemäß § 11 Abs. 5 GAG zurückgewiesen.

Dementsprechend kommen sowohl die Firma ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***), der gegenüber mit Bescheid vom , ***GZ2***, die ursprüngliche Bewilligung nach dem GAG bekanntgegeben wurde und die auch in der Folge um eine weitere Gebrauchserlaubnis angesucht hat, als auch die in diesem Bescheid als weitere Baufirma genannte ***Bf2***, die als bauausführende Firma ebenfalls in das Bewilligungsverfahren eingebunden war, für den bewilligungslosen Gebrauch der Verkehrsfläche und somit als Gebraucher bzw. Nutzer im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen in Betracht.

Die von der ***Bf2*** beauftragte ***Bf4*** hat beim Magistrat der Stadt Wien weder um die Erlaubnis zum Gebrauch von öffentlichem Grund angesucht noch war sie für die Lagerung von Baustoffen, Baugeräten, Schutt und dergleichen verantwortlich.

Bei dieser Sachlage kommen daher nur die ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) und die ***Bf2*** als Verfügungsberechtigte über Baumaterial und Baustelleneinrichtung als Verantwortliche für den bewilligungslosen Gebrauch der Verkehrsflächen in Betracht.

Dass das im Eigentum der ***Bf4*** stehende Gerüst von deren Arbeitern auf öffentlichem Grund errichtet wurde, reicht allein noch nicht aus, um den bewilligungslosen Gebrauch bzw. die bewilligungslose Nutzung der angeführten Verkehrsflächen der ***Bf4*** zuzurechnen, zumal die ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) und die ***Bf2*** zumindest durch die Antragstellung der Abgabenbehörde gegenüber die Verantwortung dafür übernommen haben (vgl. ; sowie ).

Im Hinblick darauf, dass die ***Bf3*** nach den glaubwürdigen Angaben des Geschäftsführers der ***Bf2*** an diesem Bauvorhaben nicht beteiligt war, kann ihr schon aus diesem Grund keine Abgabepflicht erwachsen sein.

Da somit nur die Firmen ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) und ***Bf2*** als Gebraucher bzw. Nutzer im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen in Frage kommen, haben auch nur diese gemäß § 9 Abs. 1a GAG die Abgabe zu entrichten. Da diese beiden Firmen dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind sie gemäß § 6 Abs. 1 BAO Gesamtschuldner und können daher als Mitschuldner zur ungeteilten Hand herangezogen werden.

Im Abgabenrecht liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Ermessen des Abgabengläubigers (§ 20 BAO). Es liegt daher im Ermessen der Behörde,

• ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner und an welchen Gesamtschuldner oder an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will,

• weiters ob die Inanspruchnahme mit einem Teil oder dem gesamten offenen Betrag erfolgt sowie

• der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner.

Bei der Ermessensübung sind das Wesen und der Zweck von Gesamtschuldverhältnissen zu beachten. Insbesondere werden daher von Bedeutung sein: die Intensität der Bindung und Gemeinsamkeit, die in der Folge zur Gesamtschuld führte; die jeweilige Situation, die das Gemeinschuldverhältnis auslöste; die Besonderheiten der Tatbestandsverwirklichung (etwa Zufall, Versehen, Irrtum oder Absicht usw.); ferner das Ausmaß der Verantwortlichkeit des einzelnen, aber auch das Ausmaß der Vorteile (Bereicherung), die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen geschöpft werden (vgl. Ritz, BAO6, § 6 Tz 7 ff. und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Die Ausübung des Ermessens ist entsprechend zu begründen. Die Begründung hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. Ritz, BAO6, § 20 Tz 13 und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei, unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben.

Da die ***Bf1*** (nunmehr ***Bf1***) und die ***Bf2*** gemeinsam die Verantwortung für die Baustelle trugen, war es auch nicht unbillig, diesen beiden Firmen die Abgabe gemeinsam zur ungeteilten Hand vorzuschreiben.

Wer nun tatsächlich im Innenverhältnis verpflichtet gewesen wäre, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, ist eine Frage, die im Rahmen des privatrechtlichen Schuldverhältnisses zu klären ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens.

Den Anforderungen der Zweckmäßigkeit hat die Behörde insofern entsprochen, als sie beide Firmen als Abgabepflichtige heranzog und somit das öffentliche Interesse an der Abgabeneinbringung am effizientesten wahrte.

Die Inanspruchnahme der ***Bf1*** und der ***Bf2*** zur ungeteilten Hand erweisen sich somit zweckmäßig und verstoßen auch nicht gegen die Billigkeit.

Da die Wendung "wer … benutzt" lediglich eine Umschreibung des Begriffes "Gebrauch" darstellt und dieser im Konnex der gesetzlichen Bestimmung nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs einer eindeutigen Definition zugänglich ist, können auch die Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Gesetzesbegriffes "Nutzung" durch das Verwaltungsgericht nicht geteilt werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sowohl eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs dazu fehlt, wer als Nutzer ohne Gebrauchsbewilligung im Sinne des § 9 Abs. 1a GAG anzusehen ist, als auch hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Frage, ob die in einem gemäß § 199 BAO erlassenen Bescheid gegenüber einer Mehrheit von Gesamtschuldnern vorgenommene Vorschreibung einer Abgabenschuld im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in der Weise abgeändert werden kann, dass die Abgabenvorschreibung gegenüber einem Teil der Schuldner aufgehoben wird, war die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 199 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
§ 4 Abs. 7 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
Verweise
Zitiert/besprochen in
Cermak-Kapl in BFGjournal 2024, 24
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7400142.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at