Kein Anspruch eines Sozialwaisen auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe bei gänzlicher Tragung des Unterhaltes aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7104484/2020-RS1 | Wird für einen minderjährigen Sozialwaisen durch eine lediglich Obsorge berechtigte Verwaltungsbehörde ein Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe gestellt, so obwalten angesichts einschlägiger Rechtsprechung des OGH zwar keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Vertretungsbefugnis, dessen ungeachtet sind jedoch die in § 6 Abs. 5 Satz 1 FLAG 1967 determinierten Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, wobei im Falle einer Unterbringung in - zur Gänze aus Landesmitteln budgetierten - sozialpädagogischen Einrichtungen ein derartiger Anspruch nicht zum Tragen kommt. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache **6**, vertreten durch **2**, **Adr1** **Adr2**, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe im Zeitraum vom bis zum zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom stellte die **2** in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin für den minderjährigen, sich seit dem in voller Erziehung in einer Einrichtung des Landes ***5*** befindlichen Bf. einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe sowie der erhöhten Familienbeihilfe rückwirkend ab dem .
Mit Vorhalt vom wurde die gesetzliche Vertreterin des Bf. unter Hinweis darauf, dass für einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe eine Übertragung der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung notwendig sei, um Vorlage einer entsprechenden Bestätigung bzw. Nachreichung des Beschlusses des BG **Adr2** ersucht.
Aus dem Spruch des nachgereichten Gerichtsbeschlusses vom geht hervor, dass die Obsorge zum Bf. der Mutter ***4*** in den Teilbereichen Pflege und Erziehung (inklusive der Aufenthaltsbestimmung sowie Angelegenheiten betreffend medizinische und psychologische sowie psychotherapeutische Versorgung des Minderjährigen) entzogen und dem Land ***5***, vertreten durch die **2** übertragen wird.
In der Folge wurde mit Bescheid vom der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum abgewiesen und begründend nachstehendes ausgeführt:
"Für eine rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ist eine Übertragung der Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung notwendig. Laut Beschluss des Bezirksgerichtes **Adr2** wurde dem Land ***5*** die Obsorge in den Teilbereichen Pflege und Erziehung inkl. Aufenthaltsbestimmung sowie Angelegenheiten betreffend medizinische und psychologische sowie psychotherapeutische Versorgung übertragen, nicht jedoch die Vermögensverwaltung.
Eine Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ist somit erst ab Antragstellung (August 2020) möglich.
Ihr Antrag musste dahingehend für die Monate März bis Juli 2020 abgewiesen werden."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom wurde seitens des den Bf. vertretenden Jugendhilfeträger ins Treffen geführt, dass in Anbetracht der Entscheidung des klargestellt sei, dass dieser auch im Falle der "lediglich" Übertragung der Pflege und Erziehung zur rückwirkenden Geltendmachung des Eigenanspruches gemäß § 6 Abs. 5 FLAG befugt sei.
Ergo dessen werde die Zuerkennung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ab dem bis laufend beantragt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde das Rechtsmittel des Bf. mit nachstehender Begründung abgewiesen:
Das minderjährige Kind ***10*** ist seit aufgrund einer Maßnahme der vollen Erziehung fremduntergebracht, derzeit im ***7***. Die **2** ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts **Adr2** vom mit der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung betraut, die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung wurde jedoch nicht übertragen. Es liegt ein Beitrag zur Tragung der Unterhaltskosten des Kindes durch die Eltern vor (Naturalunterhaltsleistungen der Kindesmutter im Rahmen von Heimfahrten des Kindes). Am wurde ein Eigenantrag des Kindes, vertreten durch die **2** auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab März 2020 eingebracht.
Grundsätzlich ist der Kinder- und Jugendhilfeträger, sofern er über die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung des Kindes verfügt, legitimiert den Eigenanspruch für das betroffene Kind geltend zu machen und den Antrag auf laufende Familienbeihilfe für das Kind zu stellen. Die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung ist jedoch nicht ausreichend, einen rückwirkenden Antrag auf Familienbeihilfe für vergangene Zeiträume zu stellen. Dafür muss eine Obsorgeübertragung im Bereich der Vermögensverwaltung vorhanden sein. Eine rückwirkende Antragstellung bedeutet die Geltendmachung von Vermögensbestandteilen, die durch die einmalige Auszahlung zu einem Ertrag und Bildung von Stammvermögen des Kindes führen. In seiner Entscheidung vom , 6 Ob 62/20s hat der OGH differenzierende Kriterien herausgearbeitet, gemäß welcher ein finanzieller Anspruch dem Bereich Unterhalt bzw. dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen ist. Nach dem Wortlaut der Entscheidung dient der Unterhalt (S. 5) "der Deckung der aktuellen, angemessenen Lebensbedürfnisse des Kindes. Dies betreffe vor allem die regelmäßig benötigten Betreuungs- und Versorgungsleistungen, die benötigten Leistungen zur Wahrung des körperlichen Wohls und der Gesundheit, weiters die Aufwendungen für die Ausbildung und zur Freizeitgestaltung". Die Vermögensverwaltung betrifft demgegenüber die "Erhaltung und mögliche Vermehrung des Stammvermögens sowie die Gebarung mit den Erträgnissen".
Aufgrund der vorliegenden Entscheidung ist davon auszugehen, dass die darin enthaltenen Ausführungen des OGH sich lediglich auf die Geltendmachung eines laufenden Familienbeihilfeanspruches beziehen. Mit der Frage von rückwirkenden Ansprüchen setzt sich der OGH in diesem Erkenntnis nicht auseinander. Die Geltendmachung eines laufenden Familienbeihilfeanspruches betrifft zweifelsfrei die Deckung der aktuellen, angemessenen Lebensbedürfnisse. Mit der Geltendmachung von rückwirkenden Familienbeihilfenbeträgen werden iSd vorliegenden Entscheidung jedoch keine Beträge zur Deckung von aktuellen Lebensbedürfnisse geltend gemacht. Da sich diese Geldbeträge auf bereits vergangene Zeiträume beziehen, fehlen hier die genannten Kriterien des OGH für eine Zuordnung dieser finanziellen Beträge zum Unterhaltsbereich. Vielmehr werden mit der erfolgreichen Geltendmachung von Familienbeihilfebeträgen für vergangene Zeiträume finanzielle Beträge erzielt, die zu einer Vermehrung des Stamm Vermögens des Kindes führen, da diese nicht mehr dazu dienen können, die aktuellen Lebensbedürfnisse zu decken, sondern jene der Vergangenheit.
Verfügt der Kinder- und Jugendhilfeträger ausschließlich über die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung, nicht jedoch über die Obsorge im Bereich der Vermögensverwaltung, ist dieser nicht legitimiert den Eigenanspruch für das betroffene Kind für vergangene Zeiträume geltend zu machen.
Die Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für den Zeitraum März bis Juli 2020 erfolgte somit zu Recht. Die Beschwerde war aus oben angeführten Gründen als unbegründet abzuweisen."
In dem mit datierten Vorlageantrag wird seitens der gesetzlichen Vertretung des Bf. unter nochmaliger Bezugnahme auf das Judikat des auf die Berechtigung zur Stellung eines rückwirkenden Eigenantrages gemäß § 6 Abs. 5 FLAG ins Treffen geführt.
Am erließ das BFG einen Vorhalt nachstehenden Inhalts:
"Sehr geehrter Herr!
In Ihrer Beschwerdesache werden Sie ersucht, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu den Erwägungen des Verwaltungsgerichts Stellung zu nehmen bzw. die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:
Nach der Bestimmung des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern nicht überwiegend den Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
In Ansehung vorstehender Gesetzesdiktion und der Tatsache, dass der gesetzliche Anspruchszeitraum für die Gewährung der Familienbeihilfe der Kalendermonat ist (§ 10 Abs. FLAG 1967), wird - zwecks Prüfung der Anspruchsberechtigung im Streitzeitraum - um Auskunft darüber ersucht
1. Ob, bzw. in welchem Ausmaß die Mutter des Beschwerdeführers (Bf.) in den Monaten März 2020 bis Juli 2020 Unterhaltsleitungen getätigt hat, wobei derartige Leistungen via Vorlage - monatsweise gegliederter - Belege nachzuweisen sind;
2. ob in Anbetracht der Unterbringung des Bf. in Institutionen des Landes ***5*** dessen Unterhalt im Zeitraum vom bis zum zur Gänze aus Mitteln der Kinder - und Jugendhilfe getragen wurde."
Aus dem beim BFG am eingegangenen Antwortschreiben geht hervor, dass die Kindesmutter des Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum zwar keine Unterhaltsleistungen getätigt habe, sich der Bf. - bestätigter Maßen - bei dieser jedoch im März 2020 insgesamt an drei Tagen, im Juni 2020 an insgesamt an drei Tagen sowie im Juli 2020 an insgesamt sieben zu Besuchszwecken aufgehalten habe.
Mit Schriftsatz vom erließ das Verwaltungsgericht einen neuerlichen Vorhalt nachstehenden Inhalts:
"Sehr geehrter Herr!
In Ihrer Beschwerdesache werden Sie ersucht, zwecks Prüfung der Anspruchsberechtigung nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 nachstehende Fragen innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:
1. Die Höhe der Unterhaltskosten des Beschwerdeführers im Beschwerdezeitraum (unter näherer Angabe, wie sich diese zusammensetzen);
2. ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Einrichtungen sprich die Sozialpädagogischen Betreuungszentren ***11*** bzw. ***9*** in denen der Beschwerdeführer untergebracht war, respektive ist, nicht durch Mittel der Kinder- und Jugendhilfe oder aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes, sondern mittelbar oder unmittelbar aus Spendenmitteln finanziert werden."
Das Antwortschreiben vom lautete wie folgt:
"Die **2**, Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, verweist - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die bisherigen Vorbringen und teilt Bezug nehmend auf den VORHALT vom (ha. eingelangt am ), sohin innerhalb offener Frist mit, dass der Minderjährige ***10*** von bis im Krisenzentrum ***11*** mit einem Verpflegstagsatz von tgl. € 241 ,-- (Grundmodul € 190,-- + Zusatzpaket Modul Krisenzentrum € 51 ,--) untergebracht war.
Seither wird er im SPZ ***9*** mit einem Tagsatz von € 190,-- ( bis 31 .7.2020) stationär betreut.
Die Einrichtungen werden zur Gänze durch Budgetbeschluss des NÖ Landtags aus öffentlichen Mitteln finanziert.
Die genauen Unterhaltskosten finden sich in den Leistungsbeschreibungen in der NÖ Kinder- und Jugendhilfeverordnung. Der Entgeltkatalog für 2020 ist zur Information in der Beilage angeschlossen .
Weiters wird begründend wie folgt ausgeführt:
Leistet jemand regelmäßig einen Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten des Kindes, erfolgt die Kostentragung nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln und es besteht ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe. Dieser Beitrag kann durch das Kind selbst (eigene Erwerbstätigkeit oder Lehre oder Ausbildungsmaßnahme, Anspruch auf eigene Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Waisenpension oder ähnliches) oder durch seine unterhaltspflichtigen Eltern erfolgen. Leisten die Eltern zumindest regelmäßig (nicht zwingend monatlich) teilweise (auch geringe, etwa EUR 30,--) Unterhaltsbeträge, lösen diese Unterhaltsbeträge den Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe aus. Wird kein Beitrag zur Deckung der Unterhaltskosten des Kindes geleistet, können subsidiär regelmäßige Wochenendbesuche des Kindes bei seinen Eltern samt Übernachtungen als Naturalunterhaltsleistungen der Eltern angesehen werden und so den Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe begründen.
Im Zusammenwirken der drei genannten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 99/12k, 6 Ob 62/20s, 6 Ob 50/20a), die in RIS-Justiz RS0128525 zusammengefasst sind, ergibt sich eindeutig, dass die Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung ausreicht, um das Kind im Verfahren auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zu vertreten, unabhängig davon, ob der Antrag nur die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab Antragstellung oder auch für rückwirkende Zeiträume anstrebt.
Hingewiesen wird insbesondere auf den Umstand, dass aufgrund des Lock-Downs Mitte März 2020 wegen der Sars-Cov-2-Pandemie im Frühjahr nur eingeschränkt Wochenendbeurlaubungen und Kontakte möglich waren.
Von Mitte März bis Ende Mai erfolgten aufgrund der Pandemie Besuche unter Einhaltung aller von der Bundesregierung verordneten Schutzmaßnahmen (Treffen im Freien, ausreichend Abstand zwischen den Familien angehörigen, Tragen von Mund-Nasen- *Schutz und Handschuhen) in ***11***.
Die intensiven Schutzmaßnahmen waren nötig, da über längere Zeit unklar war, inwiefern ***10*** und vor allem sein Bruder ***12*** zur Risikogruppe von Menschen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf der Infektion zu rechnen sind. Zwischen den Kontakten in ***11*** war es ***10*** sowie seinen Brüdern möglich, neben den üblichen telefonischen Kontakten auch per Videotelefonie mit ihrer Mutter zu kommunizieren.
Vor Mitte März 2020 und ab Juni 2020 konnten die regelmäßigen Wochenendbeurlaubungen zur Mutter wie gewohnt erfolgen.
Es wird daher auf alle bisherigen Vorbringen verwiesen und unverändert die Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie der erhöhten Familienbeihilfe nach gängiger Rechtsprechung ab Antragsdatum bis laufend für den Mj. ***10***, geboren am ***13***, beantragt."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt
In der Folge legt das BFG dem Erkenntnis nachstehenden, auf der Aktenlage sowie dem Parteienvorbringen basierenden Sachverhalt zu Grunde:
Der im Streitzeitraum minderjährige Bf. befindet sich per Gerichtsbeschluss seit dem bis laufend in voller Erziehung in Sozialpädagogischen Einrichtungen, welche laut Ergebnissen verwaltungsgerichtlicher Ermittlungen zur Gänze vom Land ***5*** budgetiert werden. In diesem Zusammenhang steht außer Streit, dass die Kindesmutter in den entscheidungsrelevanten Monaten März 2020 bis Juli 2020 nicht den überwiegenden Unterhalt des Bf. getragen hat.
2. Rechtliche Würdigung
Nach der Bestimmung des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern nicht überwiegend den Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
2.1. Prozessuale Vorbemerkungen
In Anbetracht der Tatsache, dass im bisherigen Verwaltungsverfahren die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhter Familienbeihilfe seitens der belangten Behörde ausschließlich mit der fehlenden Vertretungsbefugnis der BH **Adr2**, ob nicht erfolgter Übertragung der Vermögensverwaltung begründet wurde, verbleibt eingangs festzuhalten, dass diese Rechtsansicht in Anbetracht der im Zuge des Rechtsmittelverfahrens nachgereichten Judikatur des OGH, der gemäß zur rechtmäßigen vertretungsweisen rückwirkenden Antragstellung die Übertragung der Obsorge als ausreichend erachtet wird, den bekämpften Bescheid nicht zu tragen vermag.
Ungeachtet dieses Faktums und in Entsprechung der Bestimmung des § 279 Abs. 1 Satz 2 BAO, der zufolge das Verwaltungsgericht berechtigt ist seine Anschauung sowohl im Spruch, als auch in der Begründung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen, stand in weiterer Folge die Beurteilung der Anspruchsberechtigung des Bf. im Sinne des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 - bezogen auf den "spruchmäßig abgesteckten" Zeitraum vom bis zum - auf dem Prüfstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
2.2. Rechtsgrundlagen
Nach der Bestimmung des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern nicht überwiegend den Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).
2.3. Rechtliche Beurteilung
Ausgehend von der Diktion des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 verbleibt seitens des BFG festzuhalten, dass- entgegen der Ansicht der gesetzlichen Vertretung des Bf. - dessen Anspruchsberechtigung nicht nur an die erwiesenermaßen nicht erfolgte überwiegende Tragung des Unterhaltes durch die Kindesmutter anknüpft, sondern darüber hinaus, sprich sohin kumulativ der Unterhalt des Bf. nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe getragen werden darf.
Wie aus dem unter Punkt 1 dargestellten Sachverhalt ersichtlich war der Bf. im Rahmen der vollen Erziehung im gesamten Streitzeitraum in Sozialpädagogischen Einrichtungen des Landes ***5*** untergebracht, wobei die BH **Adr2** in Beantwortung des hg. Bedenkenvorhaltes vom einräumt, dass die Einrichtungen zur Gänze aus den Mitteln vorgenannten Bundeslandes budgetiert werden.
In Ansehung vorstehender Ausführungen gelangte somit das BFG zur Überzeugung, dass der Unterhalt des Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe gedeckt und ergo dessen dieser in § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 - negativ formulierter Anspruchsvoraussetzung - nicht Rechnung getragen wurde.
Ergo dessen erfolgte der für den Zeitraum vom bis zum spruchmäßig auf Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe lautende Bescheid völlig rechtens.
Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt im vorliegenden Fall nicht vor, da die mangelnde Anspruchsberechtigung des Bf. direkt auf der Norm des § 6 Abs. 5 erster Satz FLAG 1967 gründet.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 279 Abs. 1 Satz 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 5 Satz 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Ryda in BFGjournal 2021, 95 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104484.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at