Kein Bezug von Familienbeihilfe durch die Bf., wenn der getrennt lebende Ehegatte ein nicht der Bf. zuzurechnendes Konto, auf das die Familienbeihilfe überwiesen wurde, bekannt gegeben hat
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/5100279/2018-RS1 | Die Überweisung der Familienbeihilfe erfolgte aufgrund der Angaben des Kindesvaters auf ein Konto, das nicht der Bf. zuzurechnen ist; die Bf. hat dieses Konto gegenüber dem Finanzamt nicht als ein Konto, auf das die Familienbeihilfe für sie auszuzahlen ist, angegeben. Daher ist dieses Konto ihr auch nicht zuzurechnen. Somit war sie nicht Bezieherin der Familienbeihilfe. Die Gefahr einer Fehlanweisung trägt das Finanzamt. |
RV/5100279/2018-RS2 | Die Verletzung der Meldepflicht nach § 25 FLAG 1967 ist nach § 29 FLAG 1967 eine Verwaltungsübertretung. § 25 FLAG 1967 führt aber nicht dazu, dass bei Verletzung der Meldepflicht jemand, der Familienbeihilfe nicht bezogen hat, diese zurückzuzahlen hat. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Hülya Kaya-Teyhani, Rathausstraße 12, 47166 Duisburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2016, Steuernummer ****, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Aufgrund massiver ehelicher Differenzen flüchtete die Kindesmutter und Beschwerdeführerin (Bf.) im Februar 2014 mit ihren beiden Kindern zu ihren Verwandten nach Deutschland. Erst Tage später war es dem Vater möglich, den Aufenthaltsort zu erheben, woraufhin er in Deutschland eine Aussprache suchte. Dies führte zu einem heftigen Streit, der letztlich damit endete, dass der Vater mit der minderjährigen Tochter nach Österreich zurückreiste. Der Sohn verblieb bei der Bf. in Deutschland.
Die Bf. löste ihr österreichisches Bankkonto auf, kam jedoch ihrer Meldepflicht nach § 25 FLAG 1967 nicht nach. In einer Eingabe begründete dies die steuerliche Vertreterin der Bf. damit, dass die Meldung, dass das Kind nicht mehr in Österreich lebe, vom Kindesvater hätte vorgenommen werden sollen. Offenbar ab März 2014 bezog sie deutsche Familienleistungen.
Aufgrund einer Rückbuchung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag erging am an die Bf. ein Ersuchen um Ergänzung. Darin wurde sie um Bekanntgabe einer aktuellen Bankverbindung gebeten. Die Zustellung des Schreibens erfolgte an die lt. ZMR gültige Adresse in St. Pölten. An dieser Adresse war sie bis einschließlich mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Eine aktuelle Bankverbindung wurde am am unterschriebenen Original des Ergänzungsersuchens bekanntgegeben. Wie sich später herausstellte, hatte der Kindesvater selbst (unleserlich) unterschrieben oder möglicherweise die Unterschrift der Bf. gefälscht. Das Finanzamt hat die Unterschrift als jene der Antragstellerin gewertet. Die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge wurden ab diesem Zeitpunkt auf das Konto überwiesen, das der Kindesvater als aktuelle Bankverbindung angegeben hatte.
Am informierte die Bf. das Finanzamt telefonisch, dass der Kindesvater widerrechtlich für das Kind ***1*** Familienbeihilfe beziehe. ***1*** lebe jedoch seit ca. zwei Jahren mit der Bf. in Deutschland.
Der Kindesvater gab ursprünglich als Datum des Wegfalls des Familienbeihilfenanspruches für ***1*** den an, da nach einer gerichtlich festgestellten Kindesentführung das Rückführungsverfahren an diesem in II. Instanz zu seinen Ungunsten entschieden worden sei. ***1*** befinde sich mit der Kindesmutter aber tatsächlich seit in Deutschland. Dass die Übersiedlung nach Deutschland im Februar 2014 erfolgt ist, wird auch durch eine von der Kindesmutter übermittelten deutschen "erweiterten Meldebestätigung" dokumentiert.
Die Bf. übermittelte am weitere Unterlagen. Darunter befand sich u.a. ein Schreiben an den Magistrat St. Pölten, in dem die Beschwerdeführerin mitteilte, dass sie ihren Ehemann wegen Unterschriftenfälschung angezeigt habe. Er habe durch die Fälschung Geld von der Pensionskasse (Geld für ihren behinderten Sohn ***1***) einfach auf sein Konto bekommen, ohne dass ihr Sohn dieses Geld für sich bzw. seine Pflege gebrauchen konnte. Sie, die Bank und die Pensionskasse seien betrogen bzw. hereingelegt worden. Durch die Aktion sei zu sehen, dass es (dem Kindesvater) nicht um das Wohlergehen der Kinder gehe, sondern nur um Geld. Sie lebe mit ***1*** seit Februar 2014 in Deutschland und habe das Pflegegeld für ihn nie erhalten.
Das Finanzamt erließ am einen an die Bf. gerichteten Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2016, da sich ***1*** seit Februar 2014 nicht mehr in Österreich aufhalte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , lt. derer der Bescheid rechtswidrig sei. Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn ***1*** im Februar 2014 nach Deutschland gereist sei, während ihr Mann und ihre Tochter in Österreich verblieben. Sie habe für ihren Sohn ***1*** im Zeitraum März 2014 bis Juni 2016 weder Familienbeihilfe noch Kinderabsetzbeträge erhalten. Vermutlich habe der Kindesvater das Geld erhalten.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:
"Gemäß § 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 25 FLAG idgF sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 FLAG zuständigen Finanzamt zu erfolgen. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hätte der Bw. jedenfalls die Verpflichtung gehabt, jene Tatsachen zu melden, die eine Änderung im Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages bewirken. Dies wurde aber im vorliegenden Fall unterlassen.
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 besagt: Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist.
Die zitierte Gesetzesbestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat. Es ist auch unerheblich, ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat. Demnach entbindet auch die Weitergabe der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe an den Kindesvater denjenigen, der sie zu Unrecht bezogen hat, nicht von der zwingenden Rückzahlungsverpflichtung (vgl. z.B. ).
Nach den dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen sind Sie im Februar 2014 mit ***1*** nach Deutschland ausgereist und haben in Deutschland Familienleistungen erhalten."
In dem als Beschwerde bezeichneten Vorlageantrag vom brachte die nunmehrige Rechtsvertreterin der Bf. vor, ihre Mandantin habe die Familienbeihilfe von gesamt € 10.189,00 nicht erhalten und könne sie auch nicht zurückzahlen. Die Mandantin sei im Februar 2014 nach einer Bedrohungssituation und nach familienrechtlichen Streitigkeiten gemeinsam mit ihrem Sohn ***1*** und der Tochter nach Deutschland geflohen. Die Tochter sei dann später zu ihrem Vater nach Österreich gebracht worden. Die Familienbeihilfe sei immer auf das Konto der Sparkasse Niederösterreich AG mit der Kontonummer … gekommen. Das Geld für Februar 2014 habe die Mandantin noch auf dieses Konto erhalten.
Sodann habe die Mandantin, nachdem sie mit dem Sohn nach Deutschland gereist sei, das Konto abgemeldet. Sie habe dann auch kein Konto mehr in Österreich gehabt. Sie habe ein neues Konto in Deutschland eröffnet bei der Sparkasse. Als sie letztes Jahr in Österreich gewesen sei, habe sie persönlich bei der Pensionsversicherungsanstalt vorgesprochen, um sich zu erkundigen, ob die Familienbeihilfe auch ordnungsgemäß eingestellt worden sei und um sich zu vergewissern, dass das Geld auch nicht mehr von Herrn ***2*** bezogen werde. Bei der Pensionsversicherungsanstalt sei der Mandantin mitgeteilt worden, dass man sie diesbezüglich angeschrieben habe und die Unterlagen der Bank Austria zugesandt habe zwecks Leistung der Unterschrift. Dieser Brief sei jedoch an die ehemalige Ehewohnungsanschrift nach St. Pölten an den getrennt lebenden Ehemann der Mandantin, Herrn ***2***, übersandt worden. Von diesem Brief habe die Mandantin zu keinem Zeitpunkt Kenntnis erhalten. Der Mandantin sei mitgeteilt worden, dass das Geld nach der Kontoeröffnung durch die Bank Austria auf dieses Konto überwiesen worden sei. Die Mandantin habe sich sofort wegen einer Unterschriftenfälschung und Verletzung des Briefgeheimnisses an die Polizei in St. Pölten gewandt und Strafanzeige gegen Herrn ***2*** erstattet. Die Bestätigung der Landespolizeidirektion vom liege bei.
Die Mandantin habe das Geld nicht bezogen. Die Angelegenheit müsse aufgeklärt werden.
Am brachte die Rechtsvertreterin einen weiteren Schriftsatz ein, in dem sie ergänzend ausführte:
Die Meldung, dass das Kind (***1***) nicht mehr in Österreich lebe, sollte von dem Kindesvater vorgenommen werden. Dies habe er offensichtlich unterlassen. Die Unterzeichnerin bemühe sich derzeit um Erhalt der Kontenunterlagen bei der Bank Austria in St. Pölten. Dort existiere angeblich ein Konto unter dem Namen der Frau ***2***, welches jedoch von ihr zu keinem Zeitpunkt beantragt worden sei. Vermutlich sei die Post nach dem Umzug nach Deutschland an die ehemalige Eheanschrift übersendet worden. Die Leistungen werden vermutlich von Herrn ***2*** bezogen worden sein.
Die Rechtsanwältin wies nochmals darauf hin, dass ihre Mandantin Frau ***2*** die Beträge zu keinem Zeitpunkt erhalten habe und diese von ihr daher nicht zurückgefordert werden könnten.
In einem weiteren Schreiben vom teilte die Rechtsanwältin mit:
"Am hat sich meine Mandantin nach Österreich begeben um persönlich bei Ihnen und bei der Pflegkasse vorzusprechen. Das persönliche Gespräch mit einem Sachbearbeiter hat bei Ihnen stattgefunden. Es wurde nunmehr bekannt, dass die Familienbeihilfe tatsächlich nicht von meiner Mandantin bezogen worden ist. Das Geld ist an eine weibliche Person überwiesen worden. Ihren Namen jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht bekanntgegeben worden ist. Es wird daher dringend darum gebeten, ihrerseits die Angelegenheit näher zu ermitteln. Fest steht daher, dass meine Mandantin die Beträge der Familienbeihilfe nicht bezogen hat. Die Mandantin hat zwar persönlich nicht bei Ihnen die Mitteilung hinterlassen, dass sie sich in Deutschland aufhält. Dies sollte jedoch der Ehemann tätigen. Da ein zweites Zwillingskind im Haushalt des Herrn ***2***, welcher in Österreich verblieben ist, noch den Anspruch auf Familienbeihilfe seinerzeit hatte und bezogen hat.
Des Weiteren hat auch meine Mandantin, als sie nach Deutschland kam, ein neues Konto bei der Sparkasse eröffnet und das ehemalige Konto bei der Sparkasse St. Pölten gekündigt bzw. abgemeldet. Dies hat auch Ihr Sachbearbeiter bestätigt. Meiner Mandantin wurde bei dem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass das Geld ab April 2014 nicht mehr an meine Mandantin überwiesen werden konnte. Daraufhin hat man ein Schreiben an die ehemalige Ehewohnungsanschrift meiner Mandantin übersandt, in dem nach einer neuen Kontoverbindung gefragt wurde. Dieses Schreiben wurde vermutlich von dem Ehemann ausgefüllt und zurückgesandt. Hierüber hatte meine Mandantin keinerlei Kenntnisse."
Im Vorlagebericht nach § 265 Abs. 3 BAO beantragte das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde und begründete dies wie folgt:
"Die Beschwerdeführerin verzog mit dem Sohn ***1*** im Februar 2014 nach Deutschland. Der in § 25 FLAG 1967 normierten Verpflichtung zur Meldung von Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie von Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die Familienbeihilfe gewährt wird, kam die Beschwerdeführerin nicht nach.
Lt. der als Vorlageantrag gewerteten Beschwerde vom hat die Beschwerdeführerin, nachdem sie mit dem Sohn nach Deutschland gereist ist, das Konto (bei der Sparkasse Niederösterreich AG) abgemeldet. Infolge der Abmeldung des Kontos kam es zu einer Rückbuchung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages an das Finanzamt. Um die Zahlung wiederanweisen zu können, wurde am vom Finanzamt ein an die Beschwerdeführerin gerichtetes Ersuchen um Ergänzung (Dok.13), in welchem um Bekanntgabe der aktuellen Bankverbindung gebeten wurde, erlassen. Dieses Schreiben war an die zum damaligen Zeitpunkt lt. ZMR-Abfrage gültige Adresse (…) der Beschwerdeführerin adressiert. Lt. ZMR-Abfrage vom wurde der Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin an dieser Adresse erst mit abgemeldet.
Das um die Bankverbindung ergänzte und unterschriebene Ergänzungsersuchen wurde binnen einer Woche, am , persönlich im Finanzamt abgegeben. Die Unterschrift auf diesem Dokument mit der darauf bekanntgegebenen Bankverbindung ist zwar unleserlich, aber zum damaligen Zeitpunkt gab es für das Finanzamt keinen Anlass dafür, die Echtheit der Unterschrift in Zweifel zu ziehen.
Das Finanzamt hatte vor dem Anruf der Beschwerdeführerin im Juni 2016 keinerlei Kenntnisse über den Wegzug der Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn ***1*** nach Deutschland. Die Auszahlung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages konnte daher erst aufgrund der telefonischen Information durch die Beschwerdeführerin eingestellt werden. Die Tatsache, dass diese so spät erfolgte, hat wesentlich zur Höhe des nunmehrigen Rückforderungsbetrages an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag beigetragen.
Im "Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde (Vorlageantrag)", eingebracht am per Fax, bringt die Beschwerdeführerin (bzw. deren Rechtsanwältin) vor: "Die Meldung, dass das Kind nicht mehr in Österreich lebe, sollte von dem Kindesvater vorgenommen werden". Dies bekräftigt die Rechtsanwältin auch im Schreiben vom (wiederum per Fax), in dem sie ausführt: "Die Mandantin hat zwar persönlich nicht bei Ihnen die Mitteilung hinterlassen, dass sie sich in Deutschland aufhält. Dies sollte jedoch der Ehemann tätigen. Da ein zweites Zwillingskind im Haushalt des Herrn ***2***, welcher in Österreich verblieben ist, noch den Anspruch auf Familienbeihilfe seinerzeit hatte und bezogen hat."
Gegen diese Version spricht jedoch die Formulierung "Meine Mandantin ist im Februar 2014 nach einer Bedrohungssituation und nach familienrechtlichen Streitigkeiten nach Deutschland geflohen. Gemeinsam mit ihrem Sohn ***1*** und der Tochter …", welche sowohl in der als Vorlageantrag gewerteten Beschwerde vom als auch in der Ergänzung dazu vom Verwendung gefunden hat.
Auch aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten in der Pflegschaftssache Tochter***2*** vom ist Ähnliches zu entnehmen. Denn demnach brachte die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf alleinige Obsorge vom zusammengefasst vor "mit den Kindern Anfang 2014 nach Deutschland übersiedelt" zu sein, "einige Wochen danach sei der Vater nachgekommen und habe eigenmächtig die minderjährige Tochter mit zurück nach Österreich genommen" (Seite 9, letzter Absatz) und "er (der Kindesvater) habe die Mutter und ihre Familienangehörigen mit dem Tode bedroht und auch geäußert, dass er die Tochter verheiraten werde" (Seite 10, 1. Absatz).
Im o.a. Beschluss stellte das Gericht aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens schlussendlich folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt fest: "Massive eheliche Differenzen … führten dazu, dass die Mutter - ohne Rücksprache und gegen den Willen des Vaters - im Jänner 2014 mit den beiden Kindern zu ihren Verwandten nach Deutschland übersiedelte. Erst Tage später war es dem Vater möglich, den Aufenthaltsort zu erheben, woraufhin er in Deutschland eine Aussprache suchte. Dies führte zu einem heftigen Streit, der letztlich damit endete, dass der Vater mit der minderjährigen Tochter nach Österreich zurück reiste" (Seite 11, 2. Absatz).
Für das Finanzamt steht daher fest, dass alleine aufgrund der durch die Beschwerdeführerin unterlassenen Meldeverpflichtung gem. § 25 FLAG 1967 von März 2014 bis Juni 2016 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge an eine nicht mehr im Bundesgebiet aufhältige Person für ein nicht mehr im Bundesgebiet aufhältiges Kind geleistet wurden. Dass hierbei aufgrund von strafrechtlich zu verfolgenden Handlungen des Kindesvaters seitens des Finanzamtes die Zahlungen an eine nicht der Sphäre der Beschwerdeführerin zuzurechnende Bankverbindung geleistet wurde, ist für die bestehende Rückzahlungsverpflichtung der Beschwerdeführerin unerheblich."
Mit Verfügung vom des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes wurde der Akt dem bisher zuständig gewesenen Richter wegen Versetzung in den Ruhestand gemäß § 9 Abs. 9 BFGG abgenommen und dem nunmehr ausgewiesenen Richter zugeteilt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:
Aufgrund massiver ehelicher Differenzen flüchtete die Kindesmutter und Bf. im Februar 2014 zunächst mit ihren beiden Kindern zu ihren Verwandten nach Deutschland. Der Kindesvater konnte danach den Aufenthaltsort ermitteln, woraufhin er in Deutschland eine Aussprache suchte. Dies führte zu einem heftigen Streit, der letztlich damit endete, dass der Vater mit der minderjährigen Tochter nach Österreich zurückreiste. Der Sohn verblieb bei der Bf. in Deutschland.
Die Bf. löste umgehend ihr österreichisches Bankkonto auf, kam jedoch ihrer Meldepflicht nach § 25 FLAG 1967 nicht nach. In einer Eingabe begründete dies die steuerliche Vertreterin der Bf. damit, dass die Meldung, dass das Kind nicht mehr in Österreich lebe, vom Kindesvater hätte vorgenommen werden sollen.
Das Finanzamt wusste nichts von der Auflösung des Bankkontos; infolge der Auflösung des Kontos kam es zu einer Rückbuchung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages an das Finanzamt. Um die Zahlung wieder anweisen zu können, wurde am vom Finanzamt ein an die Bf. gerichteter Ergänzungsauftrag, in dem um Bekanntgabe der aktuellen Bankverbindung gebeten wurde, erlassen. Dieses Schreiben war an die zum damaligen Zeitpunkt lt. ZMR-Abfrage gültige Adresse der Bf. adressiert. Lt. ZMR-Abfrage vom wurde der Hauptwohnsitz der Bf. an dieser Adresse erst mit abgemeldet.
Der um die Bankverbindung ergänzte und unterschriebene Ergänzungsauftrag wurde binnen einer Woche, am , persönlich im Finanzamt abgegeben. Die Unterschrift auf diesem Dokument mit der darauf bekanntgegebenen Bankverbindung ist zwar unleserlich, aber zum damaligen Zeitpunkt gab es für das Finanzamt keinen Anlass dafür, die Echtheit der Unterschrift in Zweifel zu ziehen. Die Unterschrift der Bf. ist aber offenbar vom Bf. gefälscht worden (oder er hat zumindest unleserlich unterschrieben); er gab sein eigenes Konto oder jedenfalls ein Konto, das nicht der Bf. zuzurechnen ist, als neues Konto an.
Im Juni 2016 rief die Bf. im Finanzamt an und teilte mit, dass der Kindesvater zu Unrecht die Familienbeihilfe bezogen hat; aus dem Akt ist nicht ersichtlich, wie und woher sie davon Kenntnis erlangt hat.
Das Finanzamt fordert nunmehr von der Kindesmutter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Streitzeitraum zurück.
Beweiswürdigung
Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben der Bf. und den Ausführungen des Finanzamtes insbesondere im Vorlagebericht, die den Verfahrensgang ausführlich und verständlich wiedergeben. Diese finden in den vom Finanzamt sorgfältig aufbereiteten und vorgelegten Unterlagen vollinhaltlich Deckung.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 lautet:
"Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."
Familienbeihilfe kann daher nur von jemandem rückgefordert werden, der sie auch bezogen hat.
"Aus § 26 Abs 1 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die FB zu Unrecht bezogen hat (vgl etwa 0486/68; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von FB an (vgl etwa 97/13/0185; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl 2002/13/0079; , 2005/13/0142). Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der FB (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gem § 10 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gem § 25), Gutgläubigkeit des Empfangs der FB oder die Verwendung der FB, sind nach ständiger Rsp des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl etwa 0486/68; , 97/13/0185; , 2000/15/0035; , 2001/13/0048; , 2005/15/0080; , 2006/13/0174; , 2012/16/0047). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl etwa 2012/16/0047 oder , 2007/15/0162).
Wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist nicht von Bedeutung (vgl 2012/16/0047; , 2009/15/0089; , 2007/15/0162; , 2008/15/0323; , 2006/15/0113; , 2005/15/0080; , 96/15/0001; , 90/13/0241; , 85/14/0130; , 86/13/0158; , 904/62); ebenso, ob der Bezieher diese im guten Glauben entgegengenommen hat (vgl RV/7105064/2015; , RV/7100264/2016; 2007/15/0162). Der gutgläubige Verbrauch der Beträge ist rechtlich ohne Bedeutung, weil der Rückforderungsanspruch nach § 26 Abs 1 nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der FB abstellt (vgl 97/13/0185; , 97/15/0111; , 98/13/0042; , 2007/13/0120).
Daher ist es bspw nicht von Bedeutung, dass vom Empfänger der FB diese an einen anspruchsberechtigten Elternteil (vgl RV/7103663/2018; , RV/7106471/2016) oder direkt an das Kind (vgl RV/3064-W/11) weitergeleitet wurde…
Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an FB nach § 26 Abs 1 ist derjenige verpflichtet, der die FB zu Unrecht bezogen hat (vgl 2012/16/0047).
Ersucht nach dem Tod der Mutter, die FB bezogen hat, die nunmehr mit der Obsorge betraute Person das Finanzamt lediglich, FB auf das Konto des Kindes zu überweisen, war die nunmehrige Obsorgeberechtigte nicht Bezieherin der FB (vgl RV/3194-W/11)." (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26, Rz 12ff).
"Die FB muss demjenigen, von dem sie zurückgefordert wird, auch tatsächlich ausbezahlt worden sein.
Eine tatsächliche Auszahlung liegt auch dann vor, wenn ein (mit Postanweisung) überwiesener Betrag zunächst einem Mitbewohner ausbezahlt, von diesem aber dem eigentlichen Empfänger weitergegeben wurde (vgl RV/7102816/2011).
Wird FB zurückgefordert, ist daher notwendiger Inhalt des vom Finanzamt gem § 266 Abs 1 BAO vorzulegenden Verwaltungsaktes eine Urkunde (etwa ein Bildschirmausdruck aus dem Familienbeihilfenprogramm DB7 bzw FABIAN), aus der sich ergibt, dass die zurückgeforderten Beträge dem Bescheidadressaten auch ausbezahlt wurden. Im Hinblick auf das Amtswegigkeitsgebot (§ 269 Abs 1 BAO iVm § 115 BAO) ist es dabei nicht von Bedeutung, ob die Höhe des Rückforderungsbetrags von der Partei (§ 78 BAO) im Beschwerdeverfahren bestritten wurde oder nicht (vgl RV/7102305/2016).
Die Gefahr einer Fehlanweisung von FB und KAB trägt das Finanzamt als Geldschuldnerin (vgl RV/7102816/2011). Ist der Geldbetrag beim Empfänger als Gläubiger nicht eingegangen, trifft das Finanzamt als Geldschuldnerin das Verlustrisiko (vgl 3 Ob 2405/96i mwN). Eine Geldschuld reist auf Gefahr des Schuldners (vgl 2011/05/0058).
Wird eine Baranweisung der FB vom Bezieher der FB übernommen, wurde FB an diesen iSd § 26 ausbezahlt. Anders, wenn die Baranweisung von einer anderen Person übernommen und nicht an den Bezieher weitergegeben wurde (vgl RV/0968-W/11).
Gibt der Beihilfenbezieher ein Bankkonto an, auf das die FB (und der KAB) vom Finanzamt überwiesen werden soll, sind Auszahlungen auf dieses Konto dem Beihilfenbezieher zuzurechnen, auch wenn Kontoinhaber ein Dritter ist (vgl RV/0335-W/12). Die Bekanntgabe einer Kontonummer und der Bezeichnung, auf wen das Konto lautet, die nicht notwendigerweise den Namen des Anspruchsberechtigten tragen muss, bewirkt iVm der späteren Auszahlung auf dieses Konto noch nicht, dass der als Anspruchsberechtigter Auftretende, der diese Angaben getätigt hat, die FB nicht bezogen hätte, sondern ein anderer über dieses Konto Verfügungsberechtigter (vgl 2012/16/0047). Gibt ein vom Finanzamt als Anspruchsberechtigter Angesprochener eine Kontonummer bekannt und wird die FB anschließend auf dieses Konto überwiesen, so ist dies dem Fall gleichzuhalten, dass der Betreffende diese Beträge erhalten und - gegebenenfalls - an eine andere Person weitergegeben hat (vgl 96/15/0001)." (Wanke, aaO, Rz 24ff)
Wie aus Wanke, aaO, Rz 24, ersichtlich ist, ist für die Rückforderung also erforderlich, dass die Familienbeihilfe demjenigen, von dem sie rückgefordert werden soll, auch tatsächlich ausbezahlt worden ist. Hierzu würde ausreichen, wenn der Beihilfenbezieher ein (beliebiges) Konto, das auch einer dritten Person zugerechnet werden kann, bekannt gegeben hat, auf das die Familienbeihilfe überwiesen werden soll.
Tatsächlich bezogen hat die Familienbeihilfe aber im Streitfall jedenfalls nicht die Bf.. Die Überweisung erfolgte auf ein Konto des Vaters oder jedenfalls auf ein Konto, das nicht der Bf. zuzurechnen ist; die Bf. hat dieses Konto gegenüber dem Finanzamt nicht als ein Konto, auf das die Familienbeihilfe für sie auszuzahlen ist, angegeben. Daher ist dieses Konto ihr auch nicht zuzurechnen (s Wanke, aaO, Rz 27). Die Gefahr einer Fehlanweisung trägt das Finanzamt (s Wanke, aaO, Rz 26 mwN).
Die Verletzung der Meldepflicht nach § 25 FLAG 1967 ist nach § 29 FLAG 1967 eine Verwaltungsübertretung. § 25 FLAG 1967 führt aber nicht dazu, dass bei Verletzung der Meldepflicht jemand, der Familienbeihilfe nicht bezogen hat, diese zurückzuzahlen hat. Auch ein sorgfältiger Familienbeihilfenbezieher muss nicht damit rechnen, dass ein anderer einen Antrag fälscht.
Auch die Verletzung von melderechtlichen Vorschriften (s § 22 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 MeldeG) kann zu verwaltungsstrafrechtlichen, nicht aber zu darüber hinausgehenden Konsequenzen führen.
Da also der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben war, musste nicht überprüft werden, ob der Bf. aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften (s Art 67ff VO (EG) Nr. 883/2004) österreichische Familienbeihilfe, allenfalls in Form einer Differenzzahlung, zu gewähren gewesen wäre.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da aufgrund der oben zitierten Judikate des VwGH die Bf. nicht als Bezieherin der Familienbeihilfe anzusehen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 25 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:RV.5100279.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at