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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 01.03.2021, RV/7104369/2017

Nichtbescheid Zustellung an nicht handlungsfähige Person Sachwalter, Erwachsenenvertreter

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr Christian Burghardt, Am Hof 13/18, 1010 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 den Beschluss:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang/Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in Folge kurz Bf.) bezog in den Jahren 2014 und 2015 keine steuerpflichtigen Bezüge.

In seinen Anträgen auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2014 und 2015, beide vom , beantragte der Bf. den pauschalen Freibetrag für das eigene KfZ wegen Körperbehinderung, € 3.300,00 an Taxiskosten wegen Behinderung und € 5.500,00 an Ausgaben für Hilfsmittel.

In den Bescheiden der belangten Behörde vom wurden die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2014 und 2015 abgewiesen, da der Bf. im Veranlagungszeitraum keine steuerpflichtigen Bezüge erzielt hat. Die Bescheide sind an den Bf. adressiert und wurden diesem auch zugestellt.

Gegen diese Bescheide erhob der Bf. am Beschwerde. Er brachte zusammengefasst vor, dass er die Pauschale wegen eigener Behinderung ausbezahlt haben möchte.

In den Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass eine Veranlagung nur durchgeführt werden kann, wenn in dem entsprechenden Veranlagungszeitraum steuerpflichtige Einkünfte vorliegen. Da der Bf. seit Jahren nur steuerfreie Pensionsvorschüsse und Pflegegeld bezogen hat, dürfe aufgrund der geltenden Gesetzeslage kein Einkommensteuerbescheid erlassen werden. Die vom Bf. beantragten Freibeträge wegen festgestellter Behinderung würden nur zu einer (teilweisen) Rückzahlung von bereits im Abzugsweg beim laufenden Lohnsteuerverfahren von der bezugsauszahlenden Stelle einbehaltenen Lohnsteuer führen, was beim Bf. aufgrund mangelnder Lohnsteuerpflicht nicht zutrifft.

Am brachte der Bf. einen Vorlageantrag betreffend der Jahre 2014 und 2015 ein. Inhaltlich entspricht sein Vorbringen dem der Beschwerde.

Aufgrund weiterer nicht verständlicher Eingaben des Bf. beim Finanzamt in den Folgejahren fragte dieses am beim Bezirksgericht Leopoldstadt nach, ob es einen Sachwalter für den Bf. gibt. Aktenkundig ist seit diesem Zeitpunkt der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom , wonach Rechtsanwalt RA gem. § 268 Abs. 3 Z 2 ABGB zum Sachwalter des Bf. u.a. für das Aufgabengebiet zur Vertretung vor Ämter und Behörden bestellt wurde.

Auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht am teilte der Sachwalter, nunmehr Erwachsenenvertreter mit, dass seine Bestellung unverändert aufrecht ist.

Rechtslage

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt nach § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Nach dieser Bestimmung setzt die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) als letzten Akt des Bescheiderzeugungsvorgangs dessen Bekanntgabe an den im Spruch genannten Empfänger, also im Allgemeinen die Zustellung an diesen voraus. Der Bescheid gehört erst mit seiner Erlassung (wirksamen Zustellung) dem Rechtsbestand an (vgl. ).

Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Zustellempfänger im Zeitpunkt des Zustellvorganges handlungsfähig war. Eigenberechtigte volljährige Personen verlieren ab Bestellung eines Sachwalters insoweit ihre Handlungs- und Prozessfähigkeit als die Vertretungsbefugnis des Sachwalters reicht (vgl. ).

Nach dem vorliegenden Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom wurde der Rechtsanwalt Dr. Burghardt zum Sachwalter gemäß § 268 Abs. 3 Z 2 ABGB bestellt. Der Sachwalter wurde u.a. für das Aufgabengebiet zur Vertretung vor Ämter und Behörden bestellt. Die Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß für den Bf. keinesfalls mehr gegeben war ().

Entsprechend der Bestellung des Sachwalters u.a. zur Vertretung vor Behörden war dieser auch der gesetzliche Vertreter der besachwalteten Person nach § 80 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO5, § 80 Tz 3). Der angefochtene Bescheid konnte somit ab der Sachwalterbestellung nicht mehr wirksam zugestellt werden ().

Das Finanzamt hat den Bescheid über die Abweisung der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2014 und 2015 trotz aufrechter Sachwalterschaft an den Bf. gerichtet. Zu diesem Zeitpunkt war der Bf. nicht geschäftsfähig. Bescheidzustellungen an Prozessunfähige sind unwirksam (vgl. Ritz, BAO5, § 79 Tz 19).

Ist somit für eine Person ein Sachwalter bestellt, so ist eine bescheidmäßige Erledigung zwar an diese Person zu richten, der Bescheid kann jedoch nicht wirksam an diese Person zugestellt werden. Die Zustellung hat vielmehr an den Sachwalter zu erfolgen (vgl. ). Die Zustellung der Abweisungsbescheide an den Bf. war daher nichtig.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Die Beschwerde war mangels Vorliegens eines dem Bf. wirksam zugestellten Bescheides mit Beschluss zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist im gegenständlichen Fall nicht zulässig, weil die Rechtsfrage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insb. , und ) ausreichend beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 268 Abs. 3 Z 2 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Sachwalter
Erwachsenenvertreter
Zustellmangel
Nichtbescheid
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7104369.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at