Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - Gefährdung der Einbringlichkeit
Entscheidungstext
Beschluss aufschiebende Wirkung
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich über den Antrag vom des ***Bf1***, XX1 geboren, Str.1, O1, vertreten durch Rechtsanwalt R1, O2, O3, der zur Zahl RR/7100008/2021 protokollierten außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Veranlagungsjahre 2013 und 2015 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen den Beschluss gefasst:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 30a Abs. 3 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 2 Z 1 VwGG) oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 2 VfGG) nicht zulässig.
Begründung
Sachverhalt:
Mit dem Erkenntnis des BFG, RV/7105189/2018, vom , wurde den Bescheidbeschwerden des Revisionswerbers vom gegen die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2015 des Finanzamtes Wien, 4/5/10 vom keine Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide abgeändert.
Die Erfassung des Erkenntnisses auf dem Abgabenkonto des Steuerpflichtigen führte zu folgenden Abgabennachforderungen:
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Abgabenart | Abgabennachforderung |
Est 2013 | € 39.497,00 |
Ust 2013 | € 20.242,92 |
Est 2015 | € 15.448,00 |
Ust 2015 | € 5.314,63 |
Gesamtbetrag | € 80.492,55 |
Derzeit haftet auf dem Abgabenkonto des Revisionswerbers (Rw) ein fälliger Rückstand von € 78.906,82.
Mit der außerordentlichen Revision vom beantragte der Revisionswerber binnen offener Frist der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und brachte hierzu vor, dass der Zuerkennung kein zwingendes öffentliches Interesse entgegenstehen würde und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber (Rw.) ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Der unverhältnismäßige Nachteil bestehe darin, dass der Rw. den fälligen Abgabenbetrag nicht aufbringen könne. Diese Abgabenschuld würde deshalb mittels Zwangsvollstreckung exekutiert werden. Es würde dabei entweder das Kontoguthaben des Rw. gepfändet und ihm damit der laufende Geldeingang vorenthalten. Das wiederum würde dazu führen, dass Löhne und Abgaben nicht mehr bezahlt werden könnten.
Oder die Einbringung der Steuerschulden erfolge durch Fahrnispfändung, wobei es eine bekannte Gerichtserfahrung sei, dass hierdurch nur ein Bruchteil des wahren Wertes der Pfändungsgegenstände erzielt werde. Der Rw. müsse jedoch die versteigerten Fahrnisse um den vollen Neuwert wieder nachkaufen und das führe zu einer irreversiblen Wertvernichtung. Der Rw. würde durch die Vollstreckung des angefochtenen Erkenntnisses während des anhängigen Verfahrens vor dem VwGH in Insolvenz fallen. Damit würde ein mögliches Ergebnis der höchstgerichtlichen Entscheidung zu Gunsten des Rw. ausgehöhlt und faktisch wirkungslos.
Die belangte Behörde brachte in der Stellungnahme vom zu dem Antrag im Wesentlichen Folgendes vor:
Auf Grund der Erhebungen der Abgabensicherung über die Vermögenslage und wirtschalftlichen Situation beim Antragstellers sei mit großer Wahrscheinlichkeit die Einbringung der betroffenen Steuerschulden durch eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ernstlich gefährdet. Eine bundesweite Abfrage des Grundbuchs sei negativ ausgefallen, ebenso sei eine Kfz-Zulassungsabfrage und eine Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherung ergebnislos verlaufen.
Dazu komme, dass der Bf. seit Juni 2020 bei den folgenden Kapitalgesellschaften einziger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer sei:
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GmbH | Firmenbuch |
***A*** Transportgesellschaft m.b.H. | FN ***1*** seit |
***B*** Transport GmbH | FN ***2*** seit |
***C*** GmbH | FN ***3*** seit |
Da es sich bei diesen Gesellschaften um eigenständige Rechtspersonen handelt, könne nicht direkt auf deren Vermögenswerte zur Befriedigung des Abgabenrückstandes des Rw. gegriffen werden. Diese jüngsten Gesellschaftsgründungen des Rw. seien ein Indiz zur Verlagerung der Unternehmertätigkeit des Bf. und Vermögensbildung bei diesen juristischen Rechtssubjekten.
Weiters habe der Rw. mit Schreiben vom der Abgabenbehörde angeboten, gegen eine 50%ige Abschlagszahlung den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gesamtrückstand von € 80.006,82 zu begleichen. Dies zeige einerseits, dass der Rw. über Geldmittel verfüge, aber andererseits er nicht bereits sei die vollen Steuerschulden zu bezahlen. Nur der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass im Jahr 2019 von der Wiener Gebietskrankenkasse ein Insolvenzantrag eingebracht worden ist.
Auf Grund der Aktenlage bestehe ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Einbringung des gesamten Rückstandes. Würde dem Antrag entsprochen, müsste die bereits erfolgte Tilgung eines Teils der Nachforderung durch die kontokorrentmäßige Verrechnung auf dem Abgabenkonto (§§ 214f BAO) mit Abgabengutschriften (USt- und ESt 2016 u. 2018) wieder rückgängig gemacht werden, was zu einem höheren Ausfall führen würde, weil der Rw. über das damit entstehende Guthaben frei verfügt werden könnte. Es wäre daher damit zu rechnen, dass dieser derzeit einzig bekannte "Vermögenswert" unwiderruflich durch Rückzahlung nach § 239 BAO verlorenginge.
Es fehle im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an jeglicher Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Revisionswerbers. Diesem Erfordernis sei auch nicht im Begehren auf eine Abschlagszahlung entsprochen worden. Daher wäre nach Ansicht der Abgabenbehörde der Antrag auf aufschiebende Wirkung auch wegen der fehlenden Konkretisierung eines unverhältnismäßigen Nachteils nicht zu entsprechen (zB /2016; , AW/7100011/2016; , AW/4100007/2019).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Gesetzgeber sieht in § 30 Abs. 1 VwGG vor, dass der Revision grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Von diesem Grundsatz trifft § 30 Abs. 2 VwGG eine Ausnahme. Demzufolge ist die aufschiebende Wirkung dann zuzuerkennen, wenn
a) dieser keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen und
b) nach Abwägung aller berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug der angefochtenen Entscheidung oder mit der Ausübung der mit der Entscheidung eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Beide Voraussetzungen müssen zusammen vorliegen. Der Revisionswerber muss bereits im Antrag den unverhältnismäßigen Nachteil behaupten und durch konkrete Angaben erhärten (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) Rz 1378). Der Nachteil, der dem Revisionswerber droht, muss unverhältnismäßig und schon während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu erwarten sein (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger a. a. O. Rz 1380 in /2015).
Die aufschiebende Wirkung ist daher auf Antrag zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (vgl. /2014, /2015).
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich ein unverhältnismäßiger Nachteil ergibt. Dies erfordert eine nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Situation (Einkommens- und Vermögensverhältnisse), denn nur eine in diesem Sinne erfolgte ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. für viele in /2015).
Die Antragsbegründung beschränkt sich auf pauschale Hypothesen, weshalb der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses einen unverhältnismäßigen Nachteil für den Rw. zur Folge habe. Zudem wird in der Revision (vgl. Seite 5) nur die Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses betreffend die Einkommensteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2013 behauptet. Da somit das Revisionsverfahren auf die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2015 keine Auswirkung haben kann, ist es nicht denkmöglich, dass im Vollzug dieser Abgabenschulden ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Rw. liegen kann.
Der vorliegende Antrag enthält vor allem aber keine konkreten Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Revisionswerbers. Erst eine entsprechende Konkretisierung, die glaubhaft darzutun ist, würde die durch das Gesetz gebotene Abwägung erlauben.
Dem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass eine - im Falle der Berechtigung der Revision bloß vorübergehende - Belastung des Revisionswerbers durch den Vollzug des Erkenntnisses trotz der Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Zahlungserleichterungen und allenfalls einer Fremdfinanzierung nach der derzeitigen wirtschaftlichen Lage des Revisionswerbers mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG verbunden wäre (vgl. ; ; oder ). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs wäre auch die Notwendigkeit, die Zahlung eines mit dem angefochtenen Erkenntnis vorgeschriebenen Geldbetrages über Kredite zu finanzieren, für sich allein kein hinreichender Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (vgl. ; ; ; ; ; ; ).
Schon mangels jeglicher Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Revisionswerbers kann dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben werden.
Dem Antrag stehen zwingende öffentliche Interessen entgegen, wenn durch den Aufschub des Vollzuges auf Grund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Einbringlichkeit der betroffenen Abgabenschulden gefährdet wird. Würde bei dem festgestellten Sachverhalt (insb. jüngste Gesellschaftsgründungen, Verlangen eines 50%igen Steuernachlasses, Rückabwicklung der Verrechnung mit erfolgten Steuergutschriften, keine Vermögensangaben und feststellbaren Vermögenswerte) die aufschiebende Wirkung zuerkannt, so könnte die Abgabenbehörde weder notwendige Sicherheiten erwerben noch auf laufende Einkünfte des Geldschuldners und auch nicht auf neu auftauchende, bzw. dem Schuldner zufallende Vermögenswerte greifen. Dies kann zum endgültigen Forderungsverlust des Abgabengläubigers führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht (VwGH, , AW 2011/16/0080).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsbelehrung und Hinweise
Gegen Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 3 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 2 Z 1 VwGG) oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 2 VfGG) nicht zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof kann ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß § 30 Abs. 2 VwGG von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2021:AW.7100003.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at