Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.02.2021, RV/7100133/2021

Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG: Subsumtion unter Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland („Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung“)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100133/2021-RS1
Abkommensrechtlich sind Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung iSd Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland Bezüge aus der gesetzlichen Pflichtversicherung. Dazu zählen Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Arbeitslosenversicherung (Schuch/Haslinger in Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung 2. Auflage, Art. 18 Österreich, Rz 8). Für die von Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland erfassten Bezüge gelten die Rechtsfolgen des Art. 18 Abs. 2 leg. cit.. Demnach wird nur dem Staat der zahlenden Kasse das Besteuerungsrecht belassen (Schuch/Haslinger, Art. 18 Österreich, Rz 9). Da das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG eine Zahlung aus der österreichischen gesetzlichen Sozial-(Pflicht-)Versicherung (der gesetzlichen Krankenversicherung) darstellt, fällt es unter Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland, womit, wie soeben ausgeführt, nur dem Staat der zahlenden Kasse (= Österreich) das Besteuerungsrecht zukommt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***1*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***2***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im streitgegenständlichen Jahr 2018 Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG von der ***XGebietskrankenkasse***.

Am langte die Arbeitnehmerveranlagungserklärung des Bf. für 2018 am Finanzamt ein, in der der Bf. die Zuerkennung des pauschalen Freibetrags für Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 (Grad der Behinderung: 30%) beantragte.

Am erließ die Abgabenbehörde den Bezug habenden Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) für 2018, mit dem es den oa. pauschalen Freibetrag für Behinderung gewährte und das vom Bf. bezogene Rehabilitationsgeld als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 der Einkommensbesteuerung unterwarf.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. am Beschwerde, in der er Folgendes ausführte:

Seit Mitte 2002 wohne der Bf. überwiegend in Deutschland und habe seit damals deutsche Arbeitgeber, weshalb er sein Einkommen in Deutschland versteuere. Seinen österreichischen Wohnsitz in ***WienXY*** habe er beibehalten und regelmäßig bewohnt.

Ende 2012 sei der Bf. erkrankt und habe in Deutschland Krankengeld bezogen. Krankheitsbedingt habe er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Diese sei ihm sowohl in Deutschland als auch in Österreich befristet gewährt worden. In Deutschland beziehe er seit März 2014 eine Erwerbsminderungsrente, die er da versteuere.

In Österreich sei dem Bf. die Auszahlung des Rehabilitationsgeldes zuerst mit der Begründung verwehrt worden, dass nicht dauerhaft volle Erwerbsminderung vorliege und er in Deutschland wohne. Ein Gerichtsurteil Ende 2017 habe entschieden, dass ihm das Rehabilitationsgeld zustehe und somit sei ihm im Mai 2018 rückwirkend sein Anspruch für den Zeitraum ***ZeitraumX*** als Einmalbetrag ausbezahlt worden. Seit Mai beziehe er monatlich Rehabilitationsgeld.

Lt. Auskunft seines Steuerberaters sei das gesamte Einkommen des Bf. in Deutschland zu versteuern. Der Bf. ersuche die Abgabenbehörde daher um Prüfung und Stellungnahme.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte es dazu Folgendes aus:

Betreffend die Begründung des Bf., dass das Besteuerungsrecht Deutschland zustehe:

Zwischenstaatlich verliere Österreich das Besteuerungsrecht selbst dann nicht, wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat zu behandeln wäre, weil Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland dem Kassenstaat (Österreich) bei Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall durch Sozialversicherungseinrichtungen das Besteuerungsrecht zuweise.

Art. 15 DBA Österreich-Deutschland sei gemäß dessen Abs. 1 gegenüber Art. 18 leg. cit. subsidiär.

Da Österreich in diesem Fall das Besteuerungsrecht zustehe, müsse die Beschwerde daher abgewiesen werden.

In seinem Vorlageantrag vom führte der Bf. aus, nachdem geklärt sei, dass er das Rehabilitationsgeld in Österreich versteuern müsse, Widerspruch gegen die Beschwerdevorentscheidung datiert mit zu erheben.

Die Begründung seines Widerspruchs werde nachgereicht, da der Bf. dies durch eine externe Stelle ausarbeiten lasse, was innerhalb des Widerspruchszeitraums nicht möglich sei. [Anm.: Diese Nachreichung ist, soweit aus den von der belangten Behörde dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich, bis dato nicht erfolgt.]

Ungeachtet dessen habe der Bf. den strittigen Betrag zur Überweisung gebracht, damit ihm - bei Ablehnung - nicht noch einmal Zinszahlungen entstünden.

Am wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Im Bezug habenden Vorlagebericht führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, der Bf. habe in seiner Beschwerde vorgebracht, dass sein in Österreich bezogenes Rehabilitationsgeld nicht in Österreich zu versteuern sei, sondern nur in Deutschland, da er überwiegend dort wohne bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort besitze. Lt. seinem Steuerberater sei das gesamte Einkommen des Bf. daher nur in Deutschland steuerpflichtig.

Dazu sei seitens des Finanzamts auszuführen, dass das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG und das Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellten. Das Rehabilitationsgeld gelte in jenem Kalenderjahr als bezogen, in dem es dem Steuerpflichtigen zugeflossen sei (), auch wenn das Rehabilitationsgeld für vergangene Zeiträume gewährt werde.

Das Rehabilitationsgeld (Bezahlung durch die ***XGebietskrankenkasse***) sei eine Zahlung aus der gesetzlichen Sozialversicherung und falle damit unter Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland ("Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung"), somit stehe Österreich das Besteuerungsrecht zu.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 sind Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

§ 69 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung lautet:

"(2) Bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung sowie aus einer Kranken- oder Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c und e, bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG und bei Auszahlung von Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG sind 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. Wird ein 13. bzw. 14. Bezug zusätzlich ausgezahlt, hat ein vorläufiger Lohnsteuerabzug von diesen Bezügen zu unterbleiben. Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 auszuweisen."

Der mit "Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen" übertitelte Art. 18 DBA Österreich-Deutschland, BGBl. III Nr. 182/2002 idF BGBl. III Nr. 32/2012, lautet:

"(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden."

Streit besteht im gegenständlichen Fall darüber, ob das Besteuerungsrecht an dem im Streitjahr 2018 von der ***XGebietskrankenkasse*** an den Bf. gemäß § 143a ASVG ausbezahlten Rehabilitationsgeld Österreich (so das Finanzamt) oder Deutschland (so der Bf.) zukommt.

Dazu ist seitens des Bundesfinanzgerichtes Folgendes festzuhalten:

Im Zuge der Abschaffung der befristeten Zuerkennung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurden mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 3/2013, für Versicherte, die am das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt. Versicherte, deren Arbeitsfähigkeit nicht dauerhaft gemindert ist, erhalten keine Pensionsleistung mehr, sondern berufliche und/oder medizinische Maßnahmen der Rehabilitation einschließlich Geldleistungen ().
Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet, und zwar als Leistung "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit" (§ 117 Z 3 ASVG).

Der Steuergesetzgeber hat das Rehabilitationsgeld mit der Begründung, dass das anstelle einer befristeten Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension getretene Rehabilitationsgeld durch den Krankenversicherungsträger geleistet wird und es zudem funktional als eine Fortsetzung des Krankengeldbezuges anzusehen ist, in § 69 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 13/2014 dem Krankengeld gleichgestellt. Solcherart ist das Rehabilitationsgeld iSd § 143a ASVG unter § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 ("Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung") und nicht unter § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 ("Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung") zu subsumieren (vgl. ).

Abkommensrechtlich sind Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung iSd Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland Bezüge aus der gesetzlichen Pflichtversicherung. Dazu zählen Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Pensionsversicherung und der Arbeitslosenversicherung (Schuch/Haslinger in Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung2, Art. 18 Österreich, Rz 8).

Für die von Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland erfassten Bezüge gelten die Rechtsfolgen des Art. 18 Abs. 2 leg. cit.. Demnach wird nur dem Staat der zahlenden Kasse das Besteuerungsrecht belassen (Schuch/Haslinger, Art. 18 Österreich, Rz 9).

Da das Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG eine Zahlung aus der österreichischen gesetzlichen Sozial-(Pflicht-)Versicherung (der gesetzlichen Krankenversicherung) darstellt, fällt es unter Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland ("Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung"), womit, wie soeben ausgeführt, nur dem Staat der zahlenden Kasse (= Österreich) das Besteuerungsrecht zukommt.

Das Finanzamt hat somit im angefochtenen Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) vom rechtsrichtig iSd Art. 18 Abs. 2 DBA Österreich-Deutschland das im Streitjahr 2018 von der ***XGebietskrankenkasse*** an den Bf. gemäß § 143a ASVG ausbezahlte Rehabilitationsgeld der (österreichischen) Einkommensbesteuerung unterzogen, weshalb die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden war.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdefall lag keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukam; die Rechtsfolge ergab sich vielmehr aus dem Bezug habenden Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 18 Abs. 2 DBA Deutschland, siehe oben). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 69 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise

Schuch/Haslinger in Wassermeyer/Lang/Schuch, Doppelbesteuerung2, Art. 18 Österreich, Rz 8, Rz 9
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100133.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at