Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.02.2021, RV/7100358/2021

Familienbeihilfe - Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben (auch als Angestellter tätig gewesen)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Siegfried Fenz in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Familienbeihilfe 10.2018-09.2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Bescheid an die Beschwerdeführerin (Bf.) über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn M., geb. im Oktober 1995, erging für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019.
Die Begründung lautet:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.
Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.
Da Sie trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht haben und dadurch Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sind, muss angenommen werden, dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat bzw. besteht.

Die Beschwerde wurde erhoben wie folgt:
Hiermit möchte ich gegen den Bescheid vom Beschwerde einlegen und übermittle Ihnen das ausständige Studienblatt vom WS 18/19 meines Sohnes, M… .
Bitte entschuldigen Sie die Verspätung und die eventuellen Unannehmlichkeiten.
Der Beschwerde war beigelegt:
FH Wien der WKW / Studienblatt des nicht zugelassenen Studierenden
für das Wintersemester 2018 - betreffend den Sohn der Bf. (hierzu siehe unten)

Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht. Die wesentlichen Merkmale einer Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes sind praktischer und theoretischer Unterricht, bei dem fachspezifisches, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen vermittelt wird, eine angemessene Unterrichtsdauer, sowie die Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung.
Familienbeihilfenanspruch besteht nur dann, wenn die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dies wird dann anzunehmen sein, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.
Sie wurden ersucht, nachzuweisen, welche Prüfungen M… im Wintersemester 2018/19 und im Sommersemester 2019 abgelegt hat. Es wurden keine Prüfungen nachgewiesen, daher kann von keiner Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit ausgegangen werden.
Aus den o.a. Gründen war Ihre Beschwerde abzuweisen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Am langte beim Finanzamt eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung mit der Beilage Transcript of Records / Fächer- und Notenübersicht der FH Wien der WKW vom (hierzu siehe unten) - gewertet als Vorlageantrag - ein.

Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachstehendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
(Der Sohn der Bf.) … 1095 hat vom WS 14/15 bis WS 15/16 an der Universität Wien Wirtschaft J 033 500 studiert, konnte aber keine 16 positiven ECTS Punkte nach 2 Semestern nachweisen, sodass die Familienbeihilfe nur bis 9/15 gewährt worden ist. Von Februar bis Oktober 2016 hat er den Zivildienst absolviert. Ab bis (Exmatrikulation) war er an der FH Wien Tourismus Management FW 259 110 inskribiert. Im Jänner 2018 hat er erstmals 16 positive ECTS Punkte nachgewiesen, daher wurde ab 1/18 bis 9/19 Familienbeihilfe gewährt. Das Schreiben vom , welches eine Kopie der BVE und eine Fächer- und Notenübersicht der FH Wien der WKW vom beinhaltet, wurde als Vorlageantrag gewertet. Es wurden unzählige Vorhalte und Erinnerungen betreffend Vorlage eines Sammelzeugnisses für den Zeitraum 10/18 bis 4/19 erlassen. Es sollte ein Nachweis erbracht werden, welche Prüfungen (Sammelzeugnis) im Rückforderungszeitraum abgelegt worden sind. Die Antragstellerin hat angegeben, dass es so ein Zeugnis nicht gibt. Mangels Nachweis wurde die Beschwerde abgewiesen.
Beweismittel: Gescannte Unterlagen und Beilagen
Stellungnahme:
Es wird um Abweisung der Beschwerde ersucht. (Der Sohn der Bf.) hat für den Rückforderungszeitraum keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 67 absolviert.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sohn der Bf. studierte vom Wintersemester 2014/15 bis Wintersemester 2015/16 an der Universität Wien Wirtschaft J 033 500, konnte aber keine 16 positiven ECTS Punkte nach 2 Semestern nachweisen, sodass die Familienbeihilfe nur bis September 2015 [Wintersemester 2014/15, Sommersemester 2015] gewährt wurde.
Von Februar bis Oktober 2016 absolvierte der Sohn der Bf. den Zivildienst.
Ab bis (Exmatrikulation) war er an der FH Wien Tourismus Management FW 259 110 inskribiert. Im Jänner 2018 wurden erstmals 16 positive ECTS Punkte nachgewiesen, daher wurde ab Jänner 2018 bis September 2019 Familienbeihilfe gewährt.
Diese Feststellungen in der Beschwerdevorlage sind unstrittig.

Im Beschwerdezeitraum war der Sohn der Bf. (bei einem Wiener Hotelerieunternehmen) wie folgt beschäftigt (Sozialversicherungsdaten):
- Geringf. Beschäft. kürzer 1 Monat Arb.
- Geringf. Beschäft. kürzer 1 Monat Arb.
- Angestellter

Im Zeitraum bis (und darüber hinaus) war der Sohn der Bf. beim AMS als arbeitsuchend gemeldet und erhielt Arbeitslosengeldbezug (Sozialversicherungsdaten).

Das von der Bf. vorgelegte Transcript of Records / Fächer- und Notenübersicht der FH Wien der WKW betreffend den Sohn der Bf. (vom ) weist folgende Angaben aus:
Studium
Bachelorstudium Tourismus-Management; Vollzeit


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Prüfung
ECTS
Datum
Beurteilung
BW 1
Betriebswirtschaftliche Grundlagen 1
Betriebswirtschaftlehre; IL
Buchhaltung; IL
Zivilrechtliche Grundlagen; IL

2
2
2



angerechnet
angerechnet
angerechnet
angerechnet
BE 1
Business English Fundamentals: IL
6
angerechnet
TW 1
Tourismuswirtschaft 1F&B Management 1; ILTouristische Mikroökonomie; ILVertiefung Berufsfeld 1; IL

2
3
1



angerechnet
angerechnet
angerechnet
angerechnet
BE 2
Business and Academic English; IL
6
angerechnet
Summe
24

Beurteilung: sehr gut (1). gut (2), befriedigend {3), genügend (4), nicht genügend (5), mit Erfolg teilgenommen (T), ohne Erfolg teilgenommen (O), angerechnet. (A)
Das Studienblatt des nicht zugelassenen Studierenden der FH Wien der WKW weist für das Wintersemester 2018 betreffend den Sohn der Bf. aus:


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STUDIENRICHTUNG/Studienzweig
Beginn
Ende Meldungsstatus
FW 259 110
259 Tourismus-Management / 259 Tourism and
Hospitality Management
110 Vollzeit / 110 full-time



Am teilte die FH Wien der WKW dem Sohn der Bf. mit:
Auflösung Ihres Ausbildungsvertrages
[Anrede] mit Bedauern haben wir festgestellt, dass Ihre studienrelevanten Beiträge (Studienbeitrag und ÖH-Beitragsamt Versicherungsprämie) auch binnen der zuletzt mit 3. Mahnschreiben vom gesetzten Frist nicht bei uns eingelangt sind.
Sie wurden daher aufgrund Nichtbegleichung der studienrelevanten Beiträge, gem. Punkt 4.1.1. des Ausbildungsvertrages exmatrikuliert. Der Vertrag gilt somit als aufgelöst.

Am forderte das Finanzamt die Bf. wie folgt auf:
Falls Sie auf den Vorlageantrag vom bestehen, werden Sie letztmaIig aufgefordert, dringend das Sammelzeugnis für den Zeitraum 10/17 bis 4/19 vorzulegen. Ohne Nachweis kann das Bundesfinanzgericht kein positives Erkenntnis ergehen lassen.

Am gab die Bf. Folgendes bekannt:
Mein Sohn, M …, hat nun erneut versucht, ein Sammelzeugnis von der FH Wien zu bekommen. Ihm wurde mitgeteilt, dass das bereits übermittelte Transcript of Records das Sammelzeugnis ist. Dieses müsste Ihnen bereits vorliegen. Ich habe Ihnen dazu nochmals den Schriftverkehr zwischen meinem Sohn und den Study Services der FH beigelegt.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) steht Familienbeihilfe nur dann zu, wenn das Kind in Berufsausbildung steht.

Der Familienbeihilfenanspruch für volljährige Kinder hat nach dieser Gesetzesbestimmung somit zur Voraussetzung, dass das volljährige Kind in Berufsausbildung steht. Eine Berufsausbildung liegt dann vor, wenn der Studierende sich nach außen erkennbar ernstlich und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiert sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern und insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw. zu diesen zumindest angetreten wird ().

Alleine der laufende Besuch von Lehrveranstaltungen reicht somit nicht aus, um eine Berufsausbildung annehmen zu können (zB ). Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, stellt einen essentiellen Bestandteil des Studiums und somit der Berufsausbildung selbst dar ().

Wurden über Ersuchen nachzuweisen, welche Prüfungen der Sohn der Bf. im Wintersemester 2018/19 und im Sommersemester 2019 abgelegt hat, (nur) die oben wiedergegebenen Unterlagen vorgelegt, wurde aus folgenden Gründen der Nachweis nicht erbracht:
Das vorgelegte Transcript of Records / Fächer- und Notenübersicht weist ausnahmslos angerechnete Prüfungen aus, die von einer Ausnahme abgesehen allesamt mit dem Stichtag angerechnet wurden. Betreffend die angerechneten Prüfungen Betriebswirtschaftliche Grundlagen 1 ist darauf zu verweisen, dass der Sohn der Bf. vom Wintersemester 2014/15 bis zum Wintersemester 2015/16 an der Universität Wien Wirtschaft studiert hatte.

Da in das vorgelegte Transcript of Records / Fächer- und Notenübersicht, wie die Zeile im Anschluss an die Tabelle [Beurteilung: …, nicht genügend (5), … ohne Erfolg teilgenommen (O)] zeigt, nicht nur positiv abgelegte Prüfungen, sondern auch mit ,nicht genügend' beurteilte Prüfungen aufgenommen werden, in der vorgelegten Übersicht jedoch keine einzige Ablegungeiner (positiv oder negativ beurteilten) Prüfungim beschwerdegegenständlichen Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 aufscheint und es im April 2019 zur Exmatrikulation und Auflösung des Ausbildungsvertrages kam, vermochte die Bf. betreffend den Beschwerdezeitraum Oktober 2018 bis September 2019 - wie ihr in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend und von der Bf. unwiderlegt vorgehalten wurde - nicht nachzuweisen, dass von ihrem Sohn die Ausbildung (neben seiner Anfang November 2018 aufgenommenen Angestelltentätigkeit) ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, was dann anzunehmen sein wird, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und das Kind zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraums antritt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösenden Fall nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7100358.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at